Die neue Zeitung, Juli-September 1935 (Jahrgang 6, nr. 1151-1228)

1935-09-15 / nr. 1216

Mn Br. 1216 L schriftleilung und­ Ver­waltung:Sibiu-tiermanni­ach,Gen.masaiugaite(Kleinecrde)n.r.4 Freisprech­er Nr.263(sch­riftleitung),807(Ver­waltung). Bezugspreis der täglichen Ausgabe für ein Monat 58 Lei mit Zustellung 65 Lei, fürs Ausland R.M. 275 monatlich. Bezugspreis für die Sonntagsausgabe Lei 40 °—, für 3 Monate, Lei 150 °— für ein Jahr, Ausland R. M. 5 °—, jährlich Alles Stanko. Postichekkonti: Bukarest 62.139, Leipzig 8937, Wien 93133, Prag 79629, Budapest 13602 Anzeigen übernehmen unsere für bestimmte Unverlangte Verschleißl­ellen und aibe Einzeigenagenturen destn-und Ausland­es. Plätze und Termine kann keine Verantwortung übernommen werden. Manuskripte werden auf keinen Fall zurückgeschickt. Sibiu-Bermannstadt, Sonntag, den 15. September 1935 6. Jahrgang Oswald Spengler als Historiker von Feliz von gepel (Dresden) vor einigen Jahren beging Oswald Spengler, der Berfaffer des weltberühmt gewordenen „Untergang des Abendlandes“, der in alle Kultursprachen überseßt worden ist und auch jet noch nichts von seiner Bedeutung eingebüßt hat, seinen 50. Geburtstag. Man sagt nit zu viel, wenn man feststellt, daß durch Spengler in einer Seit der Umwertung aller Werte auch die Methodik der Geschichtsforschung auf eine höhere Ebene gehoben worden is. Daran vers mag die Tatsache uns zu Ändern, daß Spengler ver­­einzelt von Zeugen, die ihn nit verstanden haben, heilig bekämpft worden ist. Ernsthaft widerlegen konnte ihn bisher niemand. Spengler vereint in seinem Werke philosophische Tiefe, wissenschaftliche Gründlichkeit und historischen Weitblick. Seine Darstellung besißt eine unendliche Klarheit. Nie­­mals werden bei aller Farbigkeit der Darstellung, die fieien philosophischen und historischen S Zusammenhänge außer acht gelassen. Kühne, geniale­­ Ideenverbindungen stehen lebevollster Einzelforschung und Detailschilderung gegenüber. Mit selten klarem Blick hat er historische Parallelerscheinungen im Weltgeschehen aufgedeckt, große Zeitalter und ihre Ideen in schöpferischer Weise mitein­­ander verknüpft, Analogien aufgezeigt, die niemand bis dahin geahnt hatte. Die wichtigsten Momente sind­ dabei die Feststellung von der Existenz neun großer Weitkul­­turen und die konsequente Abgrenzung der Begriffe Zivilisation , esserfasser der glänzend geschriebenen Tr “ und von Friede dreibändigen „Kulturgeschichte der Neuzeit“ nennt ihn den , stärksten und farbigsten Denker, der seit Miebike auf deutschem Boden erschienen ist und sagt von ihm weiter: „Man muß in der Weltliteratur schon sehr hoch hinaufsteigen, um Werke von einer solchen ges füllten und funkelnden Geistigkeit, einer so stenhaften psychologischen­ Steffsichtigkeit und einem so persönlichen und suggestiven Rhythmus des Tonfalls zu finden, wie den „ Untergang des Abendlandes“. Spengler gibt die Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte. Er sieht statt des monotonen Bildes einer linienförmigen Welt­­geschichte das Phänomen einer Vielzahl mächtiger Kul­­turen. Spengler konstatiert neun solcher Kulturen: die babylonische, aegyptische, indische, chine­sische, antike, arabische, mek­kanische, abendländische und rufsische. Nach ihm besteht ein tiefer Zusammenhang der Form zwischen der Differential­­rechnung und dem dpnaifischen Staatsprinzip Ludwigs XIV., zwischen der antiken Polis und der euklidischen Geometrie, zwischen der Raumperspektive der abend­­ländischen Delmalerei und der Überwindung des Raumes durch die Technik. Unvergleichliche Funde eines Geistes, den einen wahrhaft schöpferischen Blick für Analogien heißt“. So steht Spenglers geniales Werk vor uns; ein von einem gewissen tragischen Pessimismus erfülltes, aber genialen Weitblik und strenge Bejahung der geschicht­­lichen Funktionen und Realitäten besißendes Werk, das an die ganz großen Werke der Weltliteratur anknüpft. Moeller van den Bruck hat vom „Untergang des Abendlandes" gesagt: „Das Spenglersice Buch ist kein zufälliges Buch. Es ist selbst das Schiksalsbuch unseres ganzen Setzalters. Wir werden uns immer mit ihm aus­­einanderzujeßen haben, ob wir nun seine Schlußfolgerun­­gen anerkennen, oder ob wir sie bestreiten. Und wir werden es nicht wie mit einem Buche tun, das auch ungeschrieben hätte bleiben können, sondern wie mit einem Ereignis, das wir nit zu umgehen vermögen. So sehr ist es die Erfüllung jenes­­Versprechens, das der zweite „Unzeitgemäße“ gab, als er die Geschichte auf ihren Nußen und ihren Nachteil untersuchte, nur soweit die Historie dem eben dient, wollen wir ihr dienen.“ Eduard Mayer hat in der „Deutschen Literaturzeitung“ gesagt: „Vorbereitet ist Spengler durch ein erstaunlich­ umfangreiches, ihm ständig präsentes Wissen, sowohl auf dem mathematische naturwissenschaftlichen Gebiet, wie auf dem historischen, einschließlic der Geschichte der Musik und der bildenden Künste. Ihn beseelt eine große Energie des Denkens, die mit kühnem Wagemut vor keinem Paradoron zurückschreckt, aber immer bis in die legten Tiefen vorzudringen such. Spenglers Buch ist nicht ein ephemeres Erzeugnis, sondern ein bleibender und auf lange Zeit hinaus wirkender Besiß unserer Wissenschaft und Lite­­ratur. Ich möchte es am meisten mit Herders „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit­ vergleichen.“ Und die , Tat" schried ert: „Bewundernswert it die Askese dieses Denkens, der nach einem beispiellosen Erfolg seines Hauptwerkes darauf verzichtete, die sich von Tag zu Tag deutlicher einhüllende Richtigkeit seiner Prog­­nose den ungläubigen Leitgenossen im Fortgang der politischen und wirtschaftlichen Ereignisse triumphierend zu zeigen. In seiner Schrift „Der Mensch und die Technik“ gibt Spengler in der Formel „Optimismus ist getgbetti" knapp und unmißverständlic das Stich­­wort für diejenigen, die keine Zureit haben, die Wahrheit über den Sinn unseres geschichtlichen Augenblicks zu erfahren.“ Hier einige besonders bedeutsame Stellen aus Spenglers Geschichtsphilosophie: „Die Entelehie des Aristoteles ist der einzige zeitlose — ahistorische — Entwicklungsbegriff, den es gibt. Wir Menschen der Westeuropäischen Kultur sind mit unserem historischen Sinn eine Ausnahme und nicht die Regel. „Weltgeschichte* ist unser Weltbild, nicht das der Menschheit. Für den indischen und den antiken Menschen gab es kein Bild der werdenden Welt, und vielleicht wird es, wenn die Sioilisation des Abendlandes einmal erleschen ist, nie wieder eine Kultur und also einen menschlichen Typus geben, für den „Weltgeschichte‘ eine so mächtige Form des Wachsleins it“. „Es ist eine längst zur Gewohnheit gewordene unge­­heure optische Täuschung, wonach in der Ferne die Ge­­schichte von Jahrtausenden wie die Chinas und Aegyptens episodenhaft zusammenschrumpft, während in der Nähe der eigenen Standorts, seit Luther und besonders fett Napoleon, die Jahrzehnte gespensterhaft anjuweilen. Wir willen, daß nur scheinbar eine Wolke um so langsamer wandert, je höher sie steht, und ein Zug durch eine ferne Kandschaft nur scheinbar schleicht; aber wir glauben, daß das Tempo der frühen indischen, babylonischen, aegyp­­tischen Geschichte wirklich langsamer war, als das unserer jüngsten Vergangenheit‘, „Weltgeschichte stellt nicht eine Auswahl dar, sondern Totalität“ „Nachts is einfacher, als an Stelle von Gedanken, die man nicht hat, ein System zu begründen. Aber selbst ein guter Gedanke ist wenig wert, wenn er von einem F­lachkopf ausgesprochen wird. Allein die Notwendig­­eb. In für das Beden entscheidet über den Rang einer ehre.“ „Jede Philosophie ist bisher in der Verbundenheit mit einer zugehörigen Mathematik erwachsen. Die Zahl ist das Symbol der kausalen Notwendig­keit. Sie enthält wie der Gottesbegriff den legten Sinn der Welt als Natur. Deshalb darf man das Dasein von Sahlen ein Mansterium nennen, dem sich das religiöse Denken aller Kulturen nicht entziehen konnte“. Bemerkenswert ist ferner, was Spengler über das Phänomen der „Weltangst“ sagt, des „Schöpfertichsten aller Urgefühle“, und über die Idee des „tabu“, das im Geelenleben aller primitiven Menschen eine entscheidende Rolle spielt, sowie über die vollendeten Formenwelten der einzelnen K­ünfte Kulturen des religiösen, naturwissenschaftlichen und­ mathematischen Denkens. Ihr gemeinsames Mittel, das einzige, welches die sich verwirklichende Seele kennt, ist nach Spengler „die Symbolisierung des Aus­gedehnten, des Raumes oder der Dinge — sei es in den Konzeptionen des absoluten Weltraumes der Physik Newtons, der Innenräume gotischer Dome und maurischer Moscheen, der atmosphärischen Unendlichkeit der Gemälde Rembrandts und ihrer Wiederkehr in den dunklen Tonwelten Beethovenicher Quartette, seien es die regelmäßigen Polyeder Euklids, die Parthenon= Skulpturen oder die Pyramiden Alt-Aegyptens, das Nirwana -Buddhas, die Distanz­­ höflicher Sitte unter Sesostris, Luftinian I. und Ludwig XIV., sei es endlich die Gottesidee eines Neihylus, Plotin, Dante oder die 2. eg umspannende Raumenergie der heutigen Tchnik.“ Diese Gedanken finden sich in jenem wundervollen Kapitel „Vom Sinn der Zahlen“, welches neben den fundamentale Erkenntnisse vermittelnden „Tafeln gleichzeitiger Geistesepochen“, das vielleicht Überhaupt wert­­vollste Geistesgut dieses genialen und nie wieder erreichten Merkes darstellt.­Mie Friedell es formuliert hat: „Dieses Buch ist die Hinreiißendstfe Fiktion eines Zivili­­sationsdenkers, Spengler ist der septe, feinste vers geistigste Erbe des Technischen Zeitalters !“ ..»...... auf der Höhe großer Seitliches Nürnberg Der Auftakt zum großen Kongreß der NSDAP in Nürnberg ist vorüber. Zwei festliche Ereignisse verdienen aus dem Rahmen der Eröffnungsveranstaltungen be­­sondere Erwähnung! Der Empfang Adolf Hitlers im Nürnberger Rathaus, wobei dem Deutschen Reichskanzler als Ehrengabe eine getreue Nachbildung des alten Baiser-Zeremonialschwertes überreicht wurde, und das Leftspiel der „Meistersinger“ von Richard Wagner, die von Wilhelm Furtwängler dirigiert wurden und lebhaften Eindruck hinterließen. Nunmehr beginnt der eigentliche Parteitag, und die mechselnden Veranstaltungen — Arbeitstagungen und Aufmärsche — lösen in reicher Fülle einander ab. Sie nehmen das ganze Interesse des Berichterstatters gefangen. So ist es gut, vor der offiziellen Eröffnung eines so groß angelegten Massen­­unternehmens am Pla zu sein. Da herrscht noch einigermaßen Bewegungsfreiheit, und die Stadt hat sich noch nicht in einen von der Bewegung der Hundert­­tausende bebenden Bienenfiok in der­­ Schwarmzeit verwandelt. Die lebten fieberhaften Festesvorbereitungen vermitteln auch den Fremden eine vorfreudige Stimmung. Die fröhliche und dody rührende Beteiligung der Maffen greift auch irgendwie dem Ausländer ans Herz: Dies Anstehen und stundenlange Anfigen auf bereit gestellten Stühlen, das Grüßen und Rufen, Kinder emporheben und zu jedem Jubel Bereitsein. Schon um 6 Uhr morgens waren am Eröffnungstage die Straßen Nürnbergs von erstaunlich regem Leben erfüllt. Die ununterbrochen ankommenden S Züge ließen immer neue Masfen in den verschiedensten Uniformen auf den Plaß hinausströmen, unzählige Händler waren schon auf den Beinen, und Gefährte aller Art, von den bunten Autos der Reichswehr bis zu den gemüsebeladenen Pferdewägelchen des Bauern, füllten die Straßen. Das nimmt nicht Wunder, wenn man bedenkt, welche V­ölker- Scharen in den 6 Tagen des Kongresses in ständigem Kommen und Gehen in die Stadt strömen. Täglich muß für die Verpflegung von etwa 500.000 Gästen gesorgt werden. Neben dem Hilfszug Bayern, der 100.000 Mann verpflegt und 30 Groß-Feldkühen mit einem Fassungs­­vermögen von je 3000 Litern sind 830 Kochstellen eingerichtet. Dazu sind alle Gasthäuser, aber auch jedes freie Bett in den Bürgerhäusern beseßt. Die Ehrengäste wohnen in den Ruruszügen der Reichsbahn. Die großen Ortel sg kampieren in den zahlreichen Lagern vor der acht.­­ Jetzt kann man noch ungestört das reiche Schmuc­k­­gewand bewundern,in das sich die alte Stadt bis in die dunk­elste Gasse hineingeworfen hat.Neben den Fahnen herrscht grün und gold vor.Mit Befriedigung ist festzusteh­en,daß man in Bezug auf den Schmuck­ im Bergleibh zu früheren Reichsparteitagen zugelernt hat. Die herrlichen alten Gebäude werden nicht mehr durch Sahnentuc zugedeckt, sondern ihre Schönheit wird durch den Schmuck gehoben. — Von Nürnbergs unsterblicher Schönheit zu reden erübrigt sich. Es ist der denkbar kost­­barste historische Rahmen für ein Fest, das als Fest eines Volkes gedacht ist. Das Reizvolle am Bilde liegt gerade darin, daß diese einzige wohlerhaltene mittelalterliche Großstadt dennoch unendlich viel auch Kleinbürgerliches in Sierarf und steinernem Schlagwerk, viel Romantik mit Enge gepaart in ihren froßigen Mauern beherbergt. Neben den himmelstrebenden Türmen und der alles überragenden, landbeherrschenden Burg stehen die Giebel­­häuser mit ihren fraulichen Höfen in allen Stilarten. Daneben hat nun der Nationalsozialismus die herotischen, breitausladenden, erdverbundenen Festbauten mit den schier unübersehbaren Aufmars­chplänen und Tribünen gejeßt: wudlig und muffte, nicht für die Stadt oder das Land, sondern für das ganze deutsche Volk berechnet. Ein Gang durch diese Bauten und Pläne war sehr reich und genußreich zugleich. Ihnen kommt die schöne Waldgegend mit den Wasserflächen der Dubßendreicdhe zugut, in der sie liegen. Die Zuitpold­­halle, die noch bis zur Vollendung der erst in zeum Sahren fertiggestellten riesigen Kongreßhalle als solche dienen muß, is im Inneren wie im Weußeren wirdig ausgebaut worden. Das Gleiche gilt von der stolzen

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