Die neue Zeitung, April-Juni 1936 (Jahrgang 7, nr. 1285-1297)

1936-04-05 / nr. 1285

schriftleitung und Verwaltung:Sibissttekmannsfodf,Postkockt55,6m.Mosoiuguife(Kleine crdellk.4(feknipkecher Nr.263(schriftleitung)s307(Verwaltung).Bezugspr­eis bei40’—— istsmonote,lei150'—fük ein Jahr,klusland­R.M.5«— Einzelpreis für die jeden sonntag ekscheinendenus gobecei5«—(R.M.—­—­12.) Uns­ erlangte Manuskkipfe werden auf keinen Fall zu küickgeldi­tlich Br. 1285 Poitichekkonti : Bukarest 62.139, Leipzig 8937, Wien 93133, Prag 79629, Budapest 20.186 Zürich V111.24.953, Warschau 190.412. Anzeigen übernehmen unsere Verschleißstellen und alle Anzeigenagenturen des In- und Auslandes, für bestimmte Plätze und Termine kann keine Verantwortung übernommen werden. 7. Jahrgang jährlich. Alles Sranko. F­rühling am Die ersten Frühlingsboten drängen fi üheral vor. Da gautelt in der Mittagssonne eines Märztages ein Bitronenfalter, und eine dide Mäde bodt am Fenster­­glas. Die babylonische Trauerweide wird Aber Nacht blond. Mit einer Glut von Strähnen, die rundum fast bis zur Erde niederfält, Irifst sie den eignen Stamm, Amn Harft ein leichter Wind dr ihre Haare mit spielerischem Kosen und tröstet den gebeugten Baum und läßt ihn alles Winter ungemach vergessen. Aus dem Boden brechen die Heroldblumen des Früh­­lings: Brimel, die den blauen Hoffnungshimmel aufs fließen, der gelbe Hujlatti, der um die Teezelt Igor wieder sein zartes Köpfchen schließt und mit einem­­ ruppig­­wolligen Stiel den fühlen Ausdriftungen morgendsten Erdreichs troßt. Dann die Anemonen. Sie erheben sich Inmitten hippen­­braunen Buchenlaubs, das immer ein wenig raschert, bald vom Wind, bald von seinen Käfern bewegt. Es regt sich im Herzen. Gefühle entkrömen ihm nach allen Seiten, und man wäre nictt erstaunt, als Wunder­­­ zu erleben, daß alle Mörserrohre der Welt in die Erde InGeactnd ­­amen wächsen, und Daß aus Beeren von­­ Gärten würden ! Aber so weich wird das Herz der Mensche beit nit. Nur Sage sind dem Menschen gegeben, sich eber die Lieblichkeit großen Auferstehung in Sonne und Milde zu freuen, Tage, am denen der riesige Schwarm der Arbeitsbienen seine Zellen verläßt, um Aber Land zu erwärmen und in vollen Zügen zu geniehen. Sie wollen Beugen dieses großen Augenaufschlags des erwachenden Jahres sein, das mit goldenen Allelujoschwingen sich aus warmen Federn erhebt und in jähem Kneifen üb­erwärts einschwebt. Besonders begmadete Orte gibt es, wo der Frühling seinen wärmsten Ampelbrand entbindet, Staumbuchten der Wende, Die ganze Rheintalfriede if eine einzige Siegesstaße des Lenzes, ein einziger Chor jubelnder Bögel mit einem langen Wall von Borbergen voll rosiger Kronen zarter Birsichbäumchen und duftigen Schaums blühender Mandeln. Vom Odenwald bis Bosel is dies ein Garten, däste sind, mit den entzüdendsten Nestern fü­r Menschen, die Osterhas spielen wollen. Aber — it aller Herrlichkeit Höchster ergelten nicht die große Bucht des Oberrheins, der deutsche Skben, mit den wärmsten Orten des Reiches ? Hat er nicht in diesem Jahre mehr denn je Anspruch darauf, von allen besucht zu werden, die um diese Zeit ausfliegen ? Deutschland is ein Frühlingsland wie sein andres. Auf keinem Boden sehen freudigere Fahnen. Nirgend sind die Flötentöne­ des Früh-­ings Iieblicher, Nirgend findet die bdeutsche Seele eine reinere Honigweide ! wenn die Ofterferien beginnen, It der Grähling offle ziel da. Strohku­chen, eben erst bei der Modeschau ge­zeigt, werden allgemein. Unbekümmert um das, was im Thermometer vorgehen mag, geht man nun ohne Mantel. Blogmust spielt Sonntags im Freien, Wer es sich leisten kann — und man will jedem entgegenkommen —, führt über die fieiertage weg, spielt irgendwo drei Züge Kur­­ali. Er spielt — auf dem Lande — den Grähauffischer, füttert Thon um 8 Uhr die Schwäne im Bart, die Gold­­fische und die Tauben, hebt auf der Spazierfiodfoige eine Kette Hoch und Fühlt sich als Teidenschaftlicher Naturfreund. In lichten Kleidern treten die Damen aus den Hotels, fast etwas zögernd. Während eine Brimmel sich wie die andere freut, gelb zu sein, lieben se es gar nicht, irgend­­wo dasselbe Kleid auftauchen zu sehen. Erst wenn festges Reit is, daß sie in ihrer Het die einzige if, fan sie aus vollem Herzen sich Über den Frühling freuen. Wohin in diesen Tagen? Da if nicht leicht zu raten. Es gibt zu viele gleichschöne Orte. Aber zwei können An­­spruch darauf erheben, Beierliche Wunderinseln genannt zu werden: Baden , Baden und Badenweiler. Da der Grahling felbt dri­dt das einsame Dorf in der Ebene so innig ans Herz wie den Kurort mit feinen versehwen­ von Branz Schneller derifhen Parks. Es gibt gar keinen D-t im Grünen, der um diese Zeit nicht Aberlchifeh anmutete. Wer also im Auto oder zu Rad umbherzustreifen beabsichtigt, man abends, wo er eben milde wird, sein Zelt aufschlagen. Man wird ihm überall liebevoll­­ und gut bewirten und es ihm danken, daß er als Gast kommt. Ber Städte bevorzugt, fall Freiburg besuchen, soll mit der Schwebebahn nach dem Schauinsland fahren und sich an Luft, Sonne, Ferne, blauen Bergen und Düften bes­tritten. Wer sein eignes Landschaftsreservat wünscht und Entdeckungen, der Jude die Balkaninsel des Kaiserstuhls auf und brate seinen Leib auf Ihren heifen Südhängen­ Beelfah, Burkheim, AUchlarcen, Bidenfohl, was sind dies lebliche Namen! Dann die vielen Täler und Höhen um Freiburg herum, aus denen man abends mit dem Won­negefühl heimkehrt, so tief niemals landhaftliche Schön­­heit empfunden zu haben. Eine Laffische Freählingsfahrt folgt der Westflante des Schwarzwaldes nach Bűlrgeln. Zitronentühl verhält das Sploß seinen Atem. Das blaue Stirnauge der Uhr mit dem barocken Meningitengeschnörkel drum leuchtet in den Tag. Drei Tannengrazien, denen der Frühlingsgott dem Pe­c: hätte, be eg Rofen auf. Alles is noch edles Schweigen. Der Schloß­herr Teidet noch nicht mit Alt: Frißen- Strenge Matragen« llopfen auf der Bleiche. Die grünen Brüste des Hebellandes schmeicheln sich der Bürgelhöhe an. Hinter ihnen die andern aus Bur­­gund. Eine blaue Riesenstufe geradeaus: die Bogesen, zyllopff in dem Himmel fortgefegt mit weißen Wollen. Wer hätte die Gaße, sie wie eine Fal­bstreppe zu beschreiten ? Swischen Laufenburg und Bürgeln snattern ein Talwind wie eine Gahne. Die Landschaftsorgel spielt mit vollen Registern, aber jede Flöte bringt es zu klarem Singen. Gold festttet der Himmel Abers Schloß, den Blauen, den Jura, in alle Täler, über ferne, einsame Höfe, und in das Tal des Rheins.­­ Rhein egi « 1— eme [etes Ein König schenkte die Uhr Anekdote von Heinz Rafdert Moefro Roffini, der Direktor der Königlichen Oper in Paris, ist seiner Stellung enthoben. Aoer er bezieht seine Eink­infte wie bislang, und man ernennt ihn zum „Ersten Komponisten des Königs und Generalinspektor der Mut.“ Er wird mit Auszeichnungen förmlich fibersejüttet, Mit Geschenten nit minder, Immer wieder weiß man Irgend­­wo ein kostbares StÄB für den „Schwan von Bejaro“ aufzutreiben. Immer wieder sol er Beweise der Verehrung und der Bewunderung empfangen. Und wer seinen Des­chmad getroffen hat, rühmt so. Noffini ist nicht wenig Rolz auf diese Kostbarkeiten, weil er weiß, wie sehr ihn seinesgleichen darum beneiden. Unläglig eines zu Ehren des Komponisten gegebenen Banletts kommt wieder einmal die Rede auf seine Ge ihente. Moffini erzählt in seiner berühmten h humorvollen Art die wunderh­aften Dinge Über seine Andenken, „Am Hebsten möchste ich sie alle mit mir herumtragen,“ Schließt er seine Betrachtung. „Das dürfte Ihnen Schwer werden, Maefiro,“ sagte der Herr zur Linken des Meisters, Es tt der Italienische Ge­sandte, „Beben Gie doch einem Gild den Vorzug.­* Alles ist gespannt auf die Antwort. Statt­dessen zieht Rosfini seine goldene Torchenuhr aus der Wehe brliht daran und läßt sie repetieren. „Ich dies das Auserwählte ?" fragte der Gesandte. Der Komponit lächelt: „Mehr als das! Das tezetjte Andenken, das ich bejage.* Da erhebt sich ein Here von der Tafel, geht auf den Moefiro zu, verneigt sich und bittet, die Uhr näher ber i­adjten zu dürfen. Der Fremde scheint bewegt bei ihrem A­nblick: „Eine wundervolle Uhr! Eine wundervolle Uhr,“ ruft der­aus, ohne die Augen von dem Sifferblatt abzu­­wenden. Rofini quittiert das schmeichelhafte Rob: „Das will ich meinen. Geine Majesi­ät der König von Frankreich hat sie mir geschenkt, für ebenso viel Noten, wie Brillanten um den Rand des Gehäuses angebracht sind.” „Also eine Partitur von Brillanten.” „Eine brillante Partitur, sagte der König, als Ich Ihm ‚Die diebliche Elster‘ Überreichte, Der Blid des Fremden ruht noch immer auf der Uhr. a Sie ist nach, seine Minute zu früh oder zu spät ges gangen,. Ich trage sie seit Jahren,“ s Bundervoll ! Die Uhr schlügt vermutlich nur Stunden,” „Keinesfalls“, verbesserte Rosfint, „sie schlügt auch Halbe, Bieb­el und Minuten.” Der Fremde scheint über folgt: diese Ur?" „Roh mehr, mein Herr! Sie zeigt sogar den Monats­­tag an. Und...“ Der Komponist dreht den Knopf unter dem Bügel... die Uhr spielt eine Melodie... Sie hat geendet, Moffini Arabii ! „Oh! Ein herrliches Werk!“ Der Fremde scheint seine Verwunderung gar nicht fälligen zu können: „Wie beikt dos Stüc?” „Es is die Breghisza." „IHre eigene Komposition ? Himmish ! Hiamiifh !" „Mit Berlaub“, sagt Roffini, die Schmeichelei austottend, „Wahrhaftig! Eine kostbare Uhr, Maesteo.” „Deshalb hie ich sie auch wie meinen Augapfel. Außer mir hat sie noch niemand aufgezogen. Stundenlang habe ich fe fon betrachtet und belaufgt. Ihr Gang it Mufil, Da hören Sie !“ Der K­remde bädt Ach. Noffini halt ihm die Uhr ans Ohr. „Auf dieses Lied sünnen Sie fiolz fein, Maeftro, 34 versiehe mich auch ein wenig auf Uhren. Dürfte ich mir einmal für einen A­ugenblick die Uhr ausbitten ?* „Das alles vollbringt Der Komponist biidt den Blitenden groß an. Sögert etwas, gibt aber schließlich dem Wunsche nach. Der Fremde prüft die Uhr mit der Miene eines Kenners. Hält sie aus Ohr. Betrachtet sie noch einmal, streichelt sie und sagt: „Moestto­­! Sie rennen Ihre Uhr nicht genau!” „Ich meine Uhr nicht rennen? Meine Uhr? Ein toller Spaß! Ich kenne sie so genau wie meine Opern !“ „Das stimmt nicht“, sagte der Fremde in ruhigem Zone, Roffini springt vom Stuhle auf: „Was gil es ? Dah ich je kenne!“ Der Fremde spricht noch ruhiger: „Segen Sie diese Uber gegen tausend Franes. Wir werden sehen !“ Sämtlige Gäse verlassen über dieses Gespräch Ihre Klage. Roffint wird ärgerlich: „Wenn Sie, mein Herr, um taufend Stones leichter werden wollen, nun denn, ich nehme die Wette an." Nun dreht der Fremde vor aller Augen dreimal am Uhrbügel. Und siehe da, radwerts springt ein feiner Gold» wiedel ab, der Roffinis Bild verborgen hatte, und die Uhr spielt „Di tanti palpiti" aus Noflinis „Zanered”. Der Komponist wir freidebleich und sinkt erschöpft auf seinen Stuhl. Er senfft: „Verloren !" Freudig reicht der Fremde dem Meister die Uhr: „Be­halten Sie ihr Kleinod, Maestro! 39 habe längst meinen Gewinn, weil ich weiß, daß dieses K­unstwerk ein unflerb- Neher Meister besigt, 34 habe die Uhr gefertigt; denn ich bin Plivee, der Uhrmacher des Königs. Als Seine Moje- Bär der König diese Uhr bei mir bestellte und mir anver­­traute, hab es ein Geschenk für Maestro Roffini sei, sprach er den Wunsch aus, ich solte etwas hinein arbeiten, das Ihnen ein Jahrzehnt lang ein Geheimnis bleiben möchte.“ „Heute vor zehn Jahren federn die mir der König diese Uhr“, sagte Rosfini, „Ganz recht, Maefiro! Heute vor zehn Jahren! Habe ic mein Beisprechen eingeläst ? Pünktlich, wie die Uhr?”

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