Die neue Zeitung, April-Juni 1937 (Jahrgang 8, nr. 1347-1360)

1937-04-04 / nr. 1347

. Sonntag, den 4. April 1987 —Nr. 1347 Die neue Zeitung . ein Mensch wird ausgelőláti Wie wenig der Mensch ist und wie viel er vermag, bes weifen heute in bellemmender Welt, jeder Tag und jede Stunde, die nach dem einzelnen nicht fragen und ihn sogar preisgeben, wenn es die wirklichen oder vermeintligen In­­teressen der Allgemeinheit oder auch nur einer größeren Gemeinschaft wahrzunehmen gilt. Man is geneint anzır­nehmen, daß der Un­wert des einzelnen gegenüber der Masse und ihren Forderungen heute im Zeitalter der Maschine erst so recht verholfen wurden und dab­ei eher dem Keffer um seinen Schuß und seine Mechte bestellt ges­wesen war. Dab dem nicht fo it, bak man auch früher vor dem Eisgriff im die Bezirke des einzelnen nicht senne, wenn es ein sogenannter Notstand verlangte, zeigt eine seltsame Begebenheit aus der Zeit der Pariser Weltaus­­­fielung in der Glanzzeit des zweiten Balerreiches, von der ich berichten will. Eine In Brasilien lebende Dame war zu Besuche ihrer bereits in Boris weilenden Töchter her­bergekommen, um dar mit Ihnen, die vorausgereist waren, in die Heimat auf Ab zu lehren,­­fremde aus allen Rändern der Welt fir­mten damals in Paris zusammen, um das erstmalige Ereignis einer Weltausstellung von tie dagemwesener Bracht in der glanzvollten Stadt der Welt anzufionier. Das Schiff, mit dem die rau reift», und der Tag der Ankunft waren poisiert, die Töchter fuhren der Miutter in die Hafenstadt entgegen, um sie schon bei der Landung begrüßen zu können. Es war ihnen gelungen, in einem vornehmen Barkier Hotel ein Zimmer zu referoieren, und dahin brachten Re­auch die Mutter no am gleichen Abend. Sie selbst wohnten unn.ft in einem anderen Hotel, man mußte froh sein, überhaupt eine Unterkunft gefunden zu haben, denn der Menschenzustrom wuchs und wuchs, und der Höhepunkt der Anziehungskraft dieser magischen Stadt fehlen noch lange nicht erreicht. Je Mutter fühlte sich nach der bes­chwerlichen Messe ermüdet, fragte ein wenig Aber Kopf­­schmerzen und wollte sich früh zur Ruhe begeben. Am nächsten Vormittag, wenn die Töchter sie im Hotel ab­­holten, wollten sie gemeinsam Baris genießen. Nachdem sich die jungen Damen vergewistert hatten, daß für die Begiemlichkeit ihrer Mutter in jeder Hinsicht gesorgt sei, verstehen sie beruhigt das Hotel. Am sie nun, wie man verabredet hatte, am nächten Morgen sich zu dem Zimmer ihrer Mutter begaben, handen sie plöglich befremdet vor einem Raum, den sie niet wiedererkannten. Anscheinend hatten Re­­id vergangen, denn in dem Raum waren Handwerk­e beschäftigt; er war vollkommen leer, Mörtel, Kalt, abgeris­sene Tapetenfildl, lagen auf dem Fußboden des Zimmers, in dem sichtlich seit längerer Zeit schon gearbeitet wurde. Die Wände, die Dede waren bereits felsch gestrichen und mehrere Männer richteten gerade die Tapeten zurecht, die neu angebracht werden sollten. Ver­­mundert traten die Mädchen zurück, sie mußten sich im Stodwerk geirrt oder im Korridor vergangen haben ; das Zimmer stimmte auf seinen Fall. Als sie aber Rahfhau hielten, war es doch das Stodwerk, in das sie gestern die Mutter geleitet hatten, und die Zimmernummer an der Fir war auch die Nummer jenes Raumes, den sie zv vorheriger Befichtigung für ihre Mutter gemietet atten. Bolk­ommen verwirrt betraten sie noch einmal den Raum, und nun erfannten sie auch in den Papiierreften am Boden — man hatte noch nicht alles weggeräumt — das freundlich geblumte Tapetenmuster, das sie schon damals Fi sie das Zimmer aufnahmen, besonders angesprochen atte. Bestürzt wandten sie fi mit hafligen Jagen, die ihnen fort in der Kebie sieden blieben, an die Arbeiter, aber diese [wittelten nur verständnislos den Kopf. So geläufig war das Französisch der Brasilianerinnen nicht, daß sie sich mit einfachen Männern des Boltes hätten verständi­­gen können, und nun bemahm ihnen auch die Angst die iiligen Worte. Aber all die stürmisch herbeigeschellte Dieners­haft wollte den immer verwirrter fragenden Mädchen keine befriedigende Antwort an­geben. Auch­ hier begegnete der sich qualvoll überfu­rzende Redestrom fehltef- Ih einem verwunderten Kopffchfitteln. Das Zimmer war in der letten Zeit überhaupt nicht vermietet gewesen, schon seit einigen Tagen arbeiteten die Handwerker darin, denn es habe sich als erneuerungs­­bedürftig erwiesen. Die Damen mußten si offenbar irren, niemand habe gestirn das Zimmer betreten, sein Hotelgast, der hier untergebracht worden wäre. Mit Tränen In den Augen, fast schon Ihrer Sinne nicht mächtig, stürzten die Mädchen hinab zum Bortier, zur Hoteldirektion, nach dem Zimmer fragend, das ihrer Mutter angewiesen sei. Aber niemand wußte etwas, der Portier nit und der Direktor nicht, und man sah die beiden ver­­wundert an. Die Damen müßten sich irren, ihre Mutter sei nicht in diesem Hotel abgefliegen und es sei auch kein immer hier für sie bestellt worden. Ganz bestimmt nicht, man febe auc, die jungen Damen heute zum erstenmal. Sie leicht in einem anderen Hotel, meinte liebenswü­rdig aber bedauernd der Direktor. Man schien geneigt, die beiden Mädchen, die in der Tat einen solchen Eindruck redjtg fertigten, für wahnsinnig zu halten. Da erinnerte sich die Ueltere, mühsam nach Fassung ringend, daß die Mutter am Abend noch Ihren Namen in das Hotelbuch einges­teagen habe. Erregt verlangte sie, daß man sie vorweise, man würde ja sehen, dag sie sich nicht irrten. Der Direktor brachte dienstfertig das Buch herbei und flug die in Brage­ kommende Geste des Bortags auf, denn es waren imdeffen neue Gäse gekommen, die sich eingetragen hatten. Mit Reigender Erregung gingen die Mädchen Name für game duch, altternd jagten die Ginger über die Zellen, der Name der Mutter. Ihr Name kam nicht vor. Es war nicht zu zweifeln, hier mußte er stehen, hier hatten sie die Mutter ihm niederschreiben gefichen, aber ein fremder Name starrte ihnen entgegen. Es half nichts. Keine V­ersicherung der Mädchen, daß sie doc selbst das Zimmer beftelt und besichtigt hätten, daß sle mit Ihrer Mutter gestern abend noch selbst dage­­gewesen wären — der Direktor suchte mit einem befremdenden Ausbruch die Achsel. Es könnte hoch sein, daß die Damen sich In dem Hotel irren, und er riet, die Polizei zu bes frogen, die auf Grund der Meldungen den Aufenthalts­­ort der Mutter sicher ermitteln würde. Auch die Nachformungen der Bollzer, die in allen Hote's und bei den Fremdenlogis angefielt wurden, blieben ers­gebnislos, und eine Anfrage bei den Krantenhäusern der Stadt, die man gleichfalls veranstaltete, brachte die gleiche hoffnungslose Antwort, dab eine Frau des gesuchten Namen­s in Zeinem der Spitäler Aufnahme gefunden habe. Bergebens warteten auch die Mädchen auf eine Rakricht, die sie da in ihrem Hotel, das der Mutter bekannt war, hätte erreichen müssen. Schließlich wandten sie ih an die diplomatische Vertretung ihres Kaiserreiches, denn Brar­filten war zu jener Zeit ein mächtiges Kaiserreich, um wenigstens aus den Säiffsliften die Landung ihrer Mutter in Frankreich fesist­zen zu lassen, an der die Behörden bereits zu zweifeln begannen. Als endlich, nach bangem Warten, auch hier die Mel­­dung kam, daß der Name In den Schiffsriten nicht vor­komme, war es offenbar, daß die beiden jungen Damen einer Sinnestäuschung erlegen sein mußten, oder ein Stammerlebnis zur Realität hatten werden lassen. Ja, die Mädchen selbst, die nun schon dem Wahnsiun nahe waren, hatten Augenblicke der Verwirrung, In denen sile an ihrer eigenen Existenz zu zweifeln begannen. Man riet ihnen schließlich, nach Brasilien zurüczukehrn und ihre Rachloichungen dort fortzulegen. Die eigene brafillartige Vertretung febte ih mit allem Nachdruch daf sie ein, nicht zulegt auf Borstelung der Bariser Behörden, denen die Mädchen unbeequem geworden waren. Alle fuhren se­auch eines Tages verzweifelt und gebrochenen Herzens in ihre Heimat zurück. Zwar gelang es­ ihnen drüben, durch einwandfreie Zeugen festzustellen, daß ihre Mutter die Sciffstarte gelöst und das nach Frankreich abgehende Schiff bestiegen hatte, jenes Sciff, in dessen Baffagierlitie ihr Name dennoch nit vorlam, aber der Weg von Brasilien nach Paris st weit und war In jener Zeit noch weiter. An der Fortlegung der Mode­forsgungen im dieser peinlichen Affäre fhlen den franzöö­­ischen Behörden, da man die Mädchen glücklich vom Halse hatte, nicht sonderlich gelegen zu sein. Go verging ein Jahr. Die Mutter blieb verschollen, die Mädchen trauerten immer noch, aber ihr Schmerz war weicher geworden und hatte sich vom den Schatten verzweifelten Serfeins befreit. Die grandiose erste Weltausstellung hatte mit beispiellosem T­rumpf geschlossen, Barl s­chwamm In Gold und Geld, das ihm aus aller Welt zugeströmt war. Da wurden die Mädchen, die Brasilien nicht mehr ver­ Ioffen hatten, eines Tages in das Ministerium gebeten, wo sie ein Beamter, der eine Anzahl Papiere vor sich liegen hatte, mit ernster Miene Blog zu nehmen hat. Man bedauere tief, und insbesondere bedauere es die französische Regierung, die mit Brasilien die beste Freundscaft halte, den Damen erst legt die Eröffnung machen zu können, daß Ihre Angaben, die zur Mach­forschung nach ihrer Mutter hätte führen sollen, voll­­kommen richtig gewesen seien, = NEUBEIT! = = Nötige Ergänzung für jeden Radioapparat = = WEROX-Netzsparfilter = = “beseitigt Netzstörungen = EZ spart Strom = = schützt die teuren Röhren E­E bessert dadurch Radioempfang = = B = = = EF = X E E EE zZ = = Orig. Fabriksgarantie. — Keine Montage. = = In allen Radiogeschäften. — Lei240— un SUMME" b­eiden Nacht, verlassen hätten, jet Umständen plöglich verschieden, und der herbeigerufene Arzt habe festgestellt, daß sir an Bett gearben­tet. Ae Borschtsmaßregeln mußten sofort getroffen werden. Die Effekten der Mutter, ihre Kleider, aber an die Möbel des Zimmers mußten verbrannt, der Raum selbst gereinigt und neu tapeziert werden, das Schiff wurde sichergestellt, untersucht — gläcklicherweise war es der einzige Falk dieser Erkrankung geblieben. Diese selbst mußte aber unter allen Umständen vers­theimlicht werden, wenn ihr Bekanntwerden nicht einen unermeßligen Schaden für die Weltausstellung hätte bringen sollen. Unter solchen Umständen war der gewählte e, der den Damen leider so viel Schmerz und Ver­­zweiflung bereitet habe, der einzig mögliche gemesen. Erst­iegt, da die Gefahr für das Gelingen der Weltausstelung nicht mehr bestehe, könne man den Damen den wahren Sachverhalt mitteilen. Man bedauere das selbst am tiefsten und trauere mit ihnen. Insbesondere bitte aber die französische Regierung, die selbstverständlich für alles auf­­komme, die Damen ihres herzlichsten Mitgefühls versiddern zu dürfen. MA. E. N. ist das beste Haarpflege-u. Haarwuchs- Mittel Das Land des ewigen Widerspruc­hs: Die historische Tragödie­­ Spaniens Wie ein Weltreich zugrunde ging Biılradlef man die furchtbaren Ereignisse in Spanien aus einer weiteren, historischen Sicht, so gelangt man zur tragischen Erkenntnis: Schicfale kehren wieder! Der Bürgerkrieg, der in Spanien tobt und bereits Zehntau­­sende von Todesopfern sowie eine außerordentliche Zers­ttörung an Gütern verschuldet hat, er ist einer von un­zähligen spanische Bürgerkriegen. Bürgerkriege fallen sich bis in die entlegenste spanise Vergangenheit zurückver­­folgen. Was die tiefe Ursache aller dieser Bürgerkämpfe, dieser Kräftevergeudung und Gelbstzerstörung T­un mag? Man kann sagen, daßs die Geographie an die­sem spanischen Unheil weitgehend Schuld fügt. Ein Blick auf die Landkarte gibt Aufklärung. Nach verstiedenen Rich­­tungen ziehen die Bergketten durch Spanten, ein hoher Wall — die Porenden — sperrt den Zugang zum Übri­­gen Europa, ein strenges Hochplateau macht die Mitte des Landes inselartig abgeschlossen. Es ist nit verwunderli&, daß die Menschen, die in den verschiedenen Tälern leben und die die Natur durch Felswände von ihren Nachbarn getrennt hat, diesen Nachbarn fremd bleiben, und d­er bereit sind, Waffen gegen benachbarte Bürger zu ergreifen als Bewohner weiter Ebenen, die ständig in Berührung untereinander sind. Es ist ja noch gar nicht lange her, dab eine vor­­geschrittene Verkehrstechnik eine U­berwindung der sele­nernen Grenzen ermöglicht, die die gebirgige Natur in­­nerhalb von Spanien ausgerichtet hat. Verhängnisvoller Provinzpatriotismus Bis zum heutigen Tag erhält sich in Spanien eine weitgehende Selbständigkeit der einzelnen Provinzen, eine geradezu­ mittelalterliche Gelbständigkeit. Die Antalonen im Südosten, die Basken im Norden haben sogar ihre besonderen Sprachen behalten, obgleich sie seit Jahrhun­­derten Teile des spanischen Gtanzes sind. Jede Provinz (mehr nochh — jeder Winkel der Pyrenäischen Halbinsel will „anders sein als die andern.“ Geographie wird Schidjal Die Übrigen europäischen Staaten, Deutschland, Frank­­reich, England und Italien haben die Phase der „Selb­­ständigkeit der Provinzen“ schon lange hinter sich. An Stelle der zersplitterten Provinzialwirtschaft ist da bereits seit Ja­hrzehnten, seit Jahrhunderten ein großzügiger Einheitsstaat getreten. Spanien ist in dieser natürlichen, sozial und wirtschaftlich bedingten modernen Entwicklung zurückgeblieben. Dabei in Spanien, gegenwärtig der Schauplan eines frauenhaften Bürgerkrieges, einmal die­­ Europas gewesen, der erste und führende eltfiaat. Auch in diesem Fall — diesmal an sich zum Guten ge­wendet — war die Geographie das Schiksal Spaniens. Es it kaum ein Zufall gewesen, das Christoph Kolum­­bus gerade aus Spanien nach Amerika ausfuhr. Die spanische Westküste, das Ende Europas, die Grenze des westlichen Ozeans, war geradezu prädesfiniert dazu, eine Brücke zur fernen, unbekannten Aaste Amerikas, an der gegenüberliegenden Seile des Weltmeeres, zu schlagen. An keiner anderen Stelle Europas war die Phantasie der Menschen der Beflockung, das angrenzende Meer zu erobern, heftiger zugänglich, wie gerade in Spanien. Der außerordentliche Erfolg, der die Gewinnung Amerikas für Spanien bedeutet, wurde jedoch bald zu einem Ber­ bängnis, das noch immer nocht in allen seinen Folgen vorüber zu sein sein. Der Jud­ des Goldes Als das Gold ous den amerikaniiken Bergmwerken nach Spanien zu strömen begann, verfiel Spanien als " "

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