Die neue Zeitung, Oktober-Dezember 1938 (Jahrgang 9, nr. 1426-1438)

1938-10-02 / nr. 1426

i Sonntag, den 2. Oktober 1938 — Nr. 1426 Die neue Zeitung Frohe Jusend Ich werde mein Glück aus dem Boden stampfen — Und wenn der Boden zerbricht! Ich werde die Hände zusammenkrampfen — Ich werde die kalten Kessel dampfen Sehn, und das Zimmer voll Licht. Den Frohnschweiss werd ich vom Antlitz wischen Und von den Schuhen den Staub. Und duften werden von meinen Tischen Tausend Vasen mit jungen frischen Blumen, im grünen Laub. « Mein Lied von den freien Menschheitszielen Rast dann wie Blitz durch das Land. Ich werde mit der Sonne spielen — Ich trage viele von den vielen Sternen in der Hand. Wilhelm von Hannenheim 5 ki 3 H. Holl Um sieben Uhr abends vor dem Kino „Ist dort Druckerei Kelton? Ich möchte Fräu­­lein Dora sprechen . . Wie geht es Ihnen heute, liebstes Fräulein ?* „Oh, guten Morgen, Herr Kleit, Bitte schicken Sie uns schnellstens fünf Ballen Papier, Sorten.“ „Was für ein kühler Ton? Ist Ihr Chef in der Nähe? Wann werden Sie mir endlich das Stelle dichein zugestehen? Wochenlang bitte ich Sie schon darum.“ Dora lachte: „Geduld, mein Freund, der Tag wird kommen. Vorläufig habe ich Sie in der Liste meiner Bevorzugten eingetragen. Sie figurieren an dritter Stelle. Sie brauchen ‚pur weiter zu warten, vielleicht rücken Sie vor. „Scherzen Sie nicht! Mir bricht das Herz. Ich muss Sie endlich persönlich kennenlernen. Gehen wir doch heute Abend zusammen ins Kino.“ „Aber Herr Kleit, ein blindes Stelldichein ! Und wenn ich Ihnen nun nicht gefalle? Ich bin nicht besonders hübsch. Sie werden sicher enttäuscht sein. Und um unsre angenehme Fernunterhaltung ist es dann geschehen.“ „Seien Sie doch nicht so kleinmütig, Dora. Sie können nicht hässlich sein, das sagt mir mein Herz. Adonis bin ich ja auch keiner. Aber dennoch könnten wir einen hübschen Abend miteinander verbringen. Davon bin ich überzeugt. Sagen Sie doch ja!" „Also gut“, seufzte Dora. „Treffen wir uns abends um sieben vor dem Universal-Kino. Ich trage ein dunkelgrünes Kleid mit weissen Tupfen.“ „Ausgezeichnet! Ich eine grüngestreifte Krawatte. Szikönöén vs Sei Zeh­­nserkehlen, A­uf Wiedersehen!" „Auf Wiedersehen, Herr Kleit." Während Dora den Hörer auflegte, überwallte eine freudige Welle ihr Herz. Als Sekretärin des Druckereibesitzers Kelton hatte sie sehr oft bei Kleit, dem Sekretär der Papierfabrik Bestellungen gemacht, und eine leb­­hafte und aufrichtige Freundschaft hatte sich das durch per Telephon zwischen ihnen gebildet. Kleit hatte eine tiefe, warme Stimme, die ihr ausnehmend gut gefiel. Lange schon hatten sie über das Stell­­dichein gescherzt, und nun war sie froh, dass sie endlich nachgegeben hatte. So würde sie erfahren, ob der Mensch so sympathisch war wie seine Stimme. Langsam fiel die Dämmerung ein, dennoch war es noch immer hell genug, um ein grünes Kleid mit weissen Tupfen deutlich zu erkennen. Ein etwas zu rundliches Mädchen mit flachsgelbem Haar und ausgewachsenen blauen Augen stellte sich Punkt sieben an dem vereinbarten Ort ein und wartete. . Fast zur selben Zeit bog ein äusserst hagerer Mann in dunklem Anzug und grünweissgestreifter Krawatte um die Ecke und betrachtete durch seinen scharfen Zwicker forschend die Grünge tupfte. „Guten Abend — Herr K­leit ?“ „Ja, Fräulein Dora.“ Die zwei musterten einander von Kopf bis Fuss. Eine peinliche Pause entstand. Endlich sagte der Mann: „Entschuldigen Sie mich, Fräulein Dora, leider habe ich heute abend keine Zeit. Ich habe im letzten Augenblick einen dringenden Auftrag erhalten, den ich noch unbedingt erledigen muss. „Das ist wirklich komisch“, lachte das Mädchen, „ich wollte Ihnen gerade dasselbe sagen. Mein Onkel kam unerwartet aus der Provinz, und so muss ich nach Hause eilen.“ Dora tat es um ihre telephonische Unterhaltung einerseits leid, anderseits war ihr auch jede Lust dazu vergangen. Kleit schien es ebenso zu gehen. Wirklich schade. Wie dumm von ihr, sich auf dieses Stelldichein einzulassen. Aber wer hätte sich gedacht, dass ein Mann mit einer so hübschen Stimme so trübselig aussehen würde ? Ungefähr eine Woche später kam eines Morgens ein Herz ins Bureau, bei dessen Anblick Doras Herz höher schlug. Bo erschi schlanker, junger Mann mit schwarzen, lebhaften Augen. Er blickte sie verblüfft an. Wenn sie auch gerade keine Schönheit war, so war sie doch immerhin ein recht anmutiges Mädchen. Das war die Meinung all ihrer Bekannten. „Ist Herr Kelton zu sprechen ?" an er. "Er ist augenblicklich sehr beschäftigt. Wollen Sie warten ?" „Gern“. Der junge Mann setzte sich. Plötzlich TEt er: „Seit wann ist denn die andere Sekre­­tärin fort?" „Vor ungefähr zwei Jahren, als sie sich vers heiratete.“ „Vor zwei Jahren? Heissen Sie etwa Dora?" „Ja. Wieso kennen Sie meinen Namen?“ " „Ich heisse Kleit.“ „Oh!“ Doras Augen wurden gross und kugeln­­rund. Und Kleits Gesicht war eine Mischung von Verlegenheit und Freude. Endlich fragte Dora zögernd: „Aber wen haben Sie denn zum Stelldichein geschickt ?" „Den Magazineur. Und Sie?“ „Das Mädchen aus der Wäscherei. Ich sah mir die Szene von dem kleinen Kaffeehaus an.“ „Und ich vom Kinoeingang.“ Als der Druckereibesitzer Kelton einige Augen­­­blicke später den Raum betrat, musste er sich ein paarmal fest räuspern, ehe die beiden ihn be­­merkten, - Alle Sorten xıno DE ROMPFE, HOSENTRAGER, TASCH ST­ÜCH HER ferner OSEN, LEIN­­URZWAREN kauft man am billigsten im Strumpfhaus FRANZ HEMPER P. Reg. Ferd. 3­5 — Bodenkreditanstaltsgebäude R­NT TURNANZÜGE, REFORM, WANDE und sämtliche K Die Fliege als Vorbild Bisher haben Slugzeugkonstrukteure fiels die Körper­­form und Flügelordnung der Vögel als Vorbild für ihre Flugzeugkonstruktionen gewählt. Auf diese Weise hat ich die Stromlinienform durchaeleht. Amerikanische Konstrukleure wollen frei nach einem anderen Vorbild arbeiten. Und zwar isl dis die Fliege „Cephenomya Pratti Hunter“. Ihr Körper is kaum mehr als ein Zentimeter lang und ähnelt der gedrungenen Form einer Hummel. Man wählt sie Deshalb als Vorbild, weil Zoologen bereitet haben, dak diese Fliege das spnellste Robewesen überhaupt is. Ihre Stundengeschwindigkeit soll 1300 K­ilometer betragen, das wären annähernd 400 Meter in der Sekunde. Die Verliebte , sqzwstiutektrische Roman von (2. Sortießung) Auf dem Sekretär lagen f­ Bs ungefähr achzig wiibliche Photographi­n. Der Kap­­lan warf diesen Andrang an Hausdamen, Kindermädder, Höcinnen und Grubenmädchen etwas . „Na, komm nur ruhig näher! Wie heißt du denn ?" „Kofler, Mauritius.“ „Also gut. Die Sache ts die: Mir brauchen einen firen, verläßlichen Bushen." Der Kapitän sab ihn prüflid an. „DB­ fläßlich wi­st du doch fein 9" KG ja... da fehlt si nie.“ „Bs werden es halt p­opieren mit dir, 25 Mark Lohn, und du kannst gleich eintreten, das rei?” Aber der Mauritius tat die finanzielle Frage mit einer großzügigen Gest­­alt. „S’ weng dem, da dürfens Ihne nur antun! Da geben ©’ mir nur, was Ihne leicht dergralen. Mir brauchen keine Ritter neft" „Du scheinst ja wirklich ein ansfändiger und bescheidener Bursdhe zu sein. Da wirst nur noch einigen Schliff brenden. Am 17., wenn der Verrieb angibt, kriegst du eine Art Rioree und wirft Boy’ aerufen. Allo abgemacht, Gh­ießt und besorge dir deine Laden herauf, den Koffer oder was du halt­hast.“ Aber auch der Mauritius belle seine ganz persönliche Höflichkeit und kam noch erst mit ausgeftreckter Hand, die feuchtlich und unproportioniert groß aus einem zu kurzen Wlermel kam, sich zu empfehlen. Dann ging er langsam, den Teppichen ausmeidend, zur Tür, um dort noch einmal Hieffinnig siebenzubleiben. s BIT du roh was?" „3 moah vet... 3 moan, leider, t muß mers no... überleg­t,” der Kapitän sah ihn durchbohrend an. „Wasi? Du willst es dir no überlegen ? Das ist doch die verkehrte Welt, mein Lieber !“ Der Mauritius fhnten einsihtsvoll. Dann aber hob er seine kleinen, braunen Augen treuherzig und warm, „Sie warn mer ewi$ net z’wider.... aber z’wegn mei’m uifliihen Taufnam ... wann e mi halt am 17. nadheri auf... betdntje, rum­ ton... .! Da mükt i do eicht den... . Pfarrer fragn. 3 moan halt... dös derlaubt er nei.“ Er d­rehte melancholisch seinen Huf. Der Mauritius hatte in Haltung and Rede elwas, was auch den Asp­lan vollkommen entwaffnen konnte. Dieser lachte kurz auf: „Na, du bisf ja ein Troddel! Boy if doch nur eine... Barufsart, Schneider, Rokknechtf. Aber mir Scheint, wirklich ein vollkommenes Rindvieh" Doch der Mauritius atmete erleichtert auf und [len auch in seiner Muttersprache nicht sehr empfindlich. So kam er nun, völlig erfreut, mit seiner großen Hand noch einmal Abschied nehmend, zurück. „Alsdann.... fan mers!” * Steff Halfte mit Hilfe von Mauritius ein paar zusammens gefallene Futterfi­llen wieder bergifich­t im Walde und fiea jeßt oft mit feinen Sätern die fielen Schneehalden aufwärts oder fuhr, dur) die niedrige Verzweigung in den erstarrten Hodgwald eindringend, nach den Brunfle miesener Grenzen. Der Wald, der ddazugehörte, war ziemlich groß, aber es war ein rotes Kapital und lieferte nur das Brennholz. Bis an die alten unortigen Fichten kam nie eine Ahi, denn die Abfuhrverhältnisse hatten ion vor Jahrzehnten jede Einnahme unmöalich gemacht. So­­ fand er dunkel und unberührt da. Der Kapitän hatte zwar seinen Gewehrschrank ,dhon kontrolliert und geordnet und wäre ganz gern einmal auf den Fuchsen gegangen. Aber er war vor lauter Bors­arbeit, die er selbsherrlich ganz allein durchführen wollte, 106 nicht dazu gekommen. Hingegen war Sieff, seit die Arbeit im Hause vorüber war, fast jiten Tag draußen. Orientierend flieg er zugeschneite Wege, die und da flühlendes H­ohwild auf­­treibend. „Na, na“, rief er ihnen versöhnlich nah. Er war als Jäger nicht zu fürchten. Es mache ihm wenig Spalt. Die Bilder taten ihm leid. 60 um 5 Uhr kam er dann meistens mit einem Bären­­hunger beim zum Tee. Haufe wieder in einem win­­igen, pfeifenden Schneefreslen, das das ganze Tal verschleierte und aus ein paar hellen Senstern von B­unfichesen In milleiner Dämmerung eine leuchtende Eisinsel ful. „Du, Franz, is ki bin ich shhon ein rietongroßes Stück unsere Grenzen abgegangen. Ich werde sie nächstens mit den Plänen vergleichen.“ „Sa! Das wäre ganz gut. Es hat sich ja Die lekten Sabre niemand darum gefriert”, senfzle der Kapitän. „Ich habe inziwischen auf deine V­erantwortung diese zwei Weiber fir angenommen und kommen lassen. Die Adchin und diese Raunzkiın von einer Hausdame,* „Das machıjli du auf, Franz ! Auf meine Verantwortung ! 34 Mich’ ja auch in keiner drin.“ Aber der Kapitän blieb heute überhaupt büsfer. Er nahm sich noch einen Schr­ Aum in den Tee und war gegen seine Art Ichweissam und in ich gekehrt. “Wann soll er sie eintreffen? Den wied­esien haben wir denn heute?” fragte St-ff. Darauf bekam er überhaupt keine Antwort mehr, denn es war der berü­hmte 17. „Sranz! Bis du krank?" fragte er seinen fanftmäfig verschlosfenen Bruder besorgt. Aber der Kapitän rührte fi­fler in seiner Teetaffe: „Rad mich!" Ihn konnte die zivilistische Unpünkte ligen­ des Schluss gegen seine festgefeßten Termine wirklich wurmen und daß sein Bruder natürliá mieber regi behalten halte. Denn froh der Anstrengungen zu lekten Wochen lag das Haus in seinem Eröffnungse­se also wirklich bienftbolenlos und wenn möglich noch ton abgebichteter und unberüh­rter denn je in feinem Schnee, Mauritius trug grobe Holztheile nach den Kaminen, denn es versprach eine kalte Naht zu werden. Ueberall trieb es Neuv­ee an und mache alle Schnörkel der barocken Senftergitter mit. Um halb 7 Uhr ertönte plößlich die Hausierglocke, Mau­ilius [hob Kopffchüttelnd den Riegel zurück und [Hüttelte noch den Kopf, als er oben am Gang auf den jungen Harn traf. „Es is aner un’, A junger Bua, Im Sit [dann er her wia’r a Mabel,* Sieff kam noch ziemlich gleichgültig die Treppe herunter, aber an der Windung trat in seine Augen ein flaunend interessierter Blick. Unten in der Halle, noch ganz nahe der Haustür, sind eine junge Dame im Skidrek, verséneit und verweht. Eine dunkle Gelbenloce unter einer schlefiken­­den, kleinen Wollmüße klebte dich bereift und glikernd an einer glatten, kindlichen Stirn. Der Mund war rot aufgesprungen und zu einer Entihuldigung [hüdlern liebenswürdig schon gelöst, „Stefan Kauz”, jagte er Hefernft und, noch wie aus den Wolken gefallen, mit einer leichen Berbeugung. Sie lächelte abgekämpft entihulitgend und doc sehr erleichtert. „DVB erzeihen Sie, dab ich Sie fidre! Aber ich habe mich verirrt. Ich kenne mich nicht mehr aus! 34 follte einer kleinen Skigesellschaft nachkommen. Man hat mir alles genau beschriebn, aber ich muß mich de Holle kommen verlaufen haben, und es wurde auch so schnell dunkel bei dem Schneefell. DVi Allsicht kann mir hier jemand helfen oder die Richtung auflick jagen.“ „Selbstverständlich!" erklärte Steff­o sofort mit einer Hilfebereitm­aft und Begeisterung, die ihm gar nicht bewußt wurde: „Über Hilfe, wollen Sie nicht wenigstens ... Doch da erschien der Sk­apitän und den, von Mauritius verständigt. Ebenfalls überrascht, mit ges­­äßigter Energie, kam er dem kleinen, verjäneilen Bräulein näher. (Fortjebung fola!) Du krieg Sst dir , wie Schulter, du bist ja -

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