Die neue Zeitung, April-Juni 1939 (Jahrgang 10, nr. 1452-1464)

1939-04-02 / nr. 1452

4 Sonntag den 2. April 1939 — Nr. 1452 Die Geige Mein Nachbar ist gestern in die Welt gefahren . Er hat meine dunkle Geige mitgenommen. Denn ihre Saiten waren in Nichts vergangen Und ihre Klänge träumten von blonden Mädchenhaaren. Wird er die Geige zu Dir tragen ? Oder wird er sie am Kreuz zerschlagen, Das beim Grabe der Träume steht ? Ein altes Lied durch mein Sinnen geht, Das ist verträumt und schon ganz alt, Und die Mädchen singen es im Wald, Wenn einsam die Zeit vergeht. Wilhelm v. Hannenheim Die neue Zeitung Die Katze im Sack Heitere Skizze von Hans Jüngst Tob sollte heiraten. Seine Eltern, die den grossen und einzigen Gasthof im Orte führten, trugen Verlangen, sich zur Ruhe zu setzen, und Tob — eigentlich hiess er Tobias, aber lieb Kind hat viele Namen, alle Leute nannten ihn Tob — Tob sollte das Geschäft übernehmen, mit dem Militärdienst war er fertig. Auch stellten sich Grosselternbe­­dürfnisse bei Tobs Eltern ein; es war Tobs Sache, für Nachwuchs zu sorgen. Leicht gedacht, schnell gesagt. Man traute Tob nicht zu, dass er sich die richtige Braut finden würde. Man traute ihm überhaupt nicht viel zu, und in manchem leider nicht ganz zu Unrecht. Denn Tod machte vieles falsch. Er war ein präch­­tiger Junge, immer zum Lachen aufgelegt, zu freundschaftlichen Streichen, ständig hilfsbereit. Aber doch auch ein wenig obenhin, leichtsinnig. Wenn andere Leute schliefen, wollte er arbeiten; wenn sie arbeiteten, sah er zu und machte Witze, so dass nichts gefördert wurde; wenn gegessen werden sollte, war er unterwegs. Die Mädchen nahm er nicht ernst und liess es sie, lachend und hänselnd, merken. Manche grämten sich um ihn und weinten, und gerade solche, die von den Eltern gern als Schwiegertochter wären aufgenommen worden. Tob hatte da gar keinen Blick. Aber eines hatte er den Eltern und allen anderen voraus: die Erkenntnis, dass nur Gustchen einen vernünftigen Menschen aus ihm machen konnte. Und er wollte gern ein vernünftiger Mensch werden. "Gustchen war auch ein Mädchen, Auguste, die Tochter eines kleinen Schuhmachermeisters, und Schuhmacherwerkstätten gab es gleich ein halbes Dutzend im Ort, sie waren nicht so rar wie Gast­höfe. Gustchen und Tod trafen sich stets heimlich, er wollte es so. Das gefiel Gustchen für alle die schönen Augenblicke, aber es machte ihr Sorgen für die Zukunft. — „Warum verheimlichst du mich vor deinen Eltern ? Ich glaube, du hast über­­haupt noch nicht mit ihnen von mir gesprochen !“ — „Weil ich dich sonst nicht kriege“, antwortete Tob. „Denn ich mache ja alles falsch. Wenn ich ihnen sagen wollte, ich möchte dich haben, schrie bestimmt die ganze Sippschaft: nein. Ich werde dich gelegentlich bei ihnen anschwärzen, damit sie auf dich verfallen und unsere Sache dadurch vor­­wärts kommt. Sie wollen mich verkuppeln. Ich bin es leid.“ Nein, an die Schuhmacherstochter Gustchen dachten die Eltern des Gasthoferben nicht. Aber an Adelheid Gnatz zum Beispiel. Adelheid war reich. Oder an Gensinchen Lauterwasser. Die Lauterwassers hatten Einfluss, hatten Verbindun­­gen. An Dora Stürmer auch. Dora war hinreissend schön und spielte Tennis. Und bei Ulrike von Donn­­hof, Tochter des pensionierten Forstrates, die eben­­falls auf der Liste von Tobs Eltern stand, genügte ihnen schon dieser wundervolle Name, und sie war obendrein keineswegs stolz. Es gab eine vielbes­iegte Zeit, Einladungen, Besuche, Verkehr hin­­über und herüber. Einmal musste Tob mit Ulrike tanzen, und mit Adelheid sollte er sogar Reit­­stunden nehmen. Tob liess sich von allen schön tun. Er entdeckte seinerseits diese und jene Vor­­züge bei den Damen. Adelheid hatte schönes Haar, aber er liebte Gustchen. Gensinchen wusste ihm wundervolle Sächelchen vorzuplaudern. Dora konnte gurgelnd lachen wie eine Taube, Ulrike war köstlich einfältig — es half alles nichts, Tod liebte Gustchen, er ging in keine Falle. Er lobte die ihm zugedachten Bräute vor den Eltern mit Ueberschwang, so dass sie stutzten. Denn Tod machte ja alles falsch, hatte von allem eine schiefe Ansicht. Sie sahen sich die von ihrem Sohne so begeistert Gepriesenen kritischer an, entdeckten Fehler, zögerten . . . Viel kostbare Zeit wurde vertan. Die Eltern härmten sich. Ihre Sehnsucht nach beschaulicher Die ganze Ruhe und nach Enkelkindern wuchs. Verwandtschaft wurde zur Mithilfe aufgeboten, man hielt weiter Umschau. Es kam, sozusagen, die zweite Garnitur an die Reihe, die heiratsfähigen Töchter solider Bürger, ordentlicher Handwerker, und da Schuhmachermei­­­sters Gustchen eine der hübschesten, erzogensten war und sich des besten Rufes erfreute, fiel eines Tages auch ihr Name dem Sohne gegenüber. Hierauf hatte Tob ges­tartet: — „Ach die? Ich kenne sie kaum. Doch ich entsinne mich flüchtig...“ Die Eltern redeten auf ihn ein. Tob lachte sie aus. Sie liessen nicht nach. Tob wurde entrüstet, wehrte leidenschaftlich ab, ja der sonnige Tob verfinsterte sich vor Unmut. Dies Mädchen musste ein Ausbund von wün­­schenswerter Schwiegertochter sein, da Tob sie so grimmig ablehnte. Man nahm näher Fühlung mit der Familie. Gustchens Vater trank nun jeden Abend seinen Schoppen im Gasthof. Sie hörten nicht auf, Gustchen vor Tod zu rühmen. Sein Herz gab ihnen recht und verherrlichte im Stillen Gustchen noch viel mehr, aber er blieb bei seiner Weigerung. — „Sieh sie dir nur näher an Sie muss dir gefallen. Bestell dir ein Paar Stiefel!“ Tod ging hin. — „Guten Tag, Gustchen! Ich soll mir bei deinem Vater Stiefel bestellen und dich ansehen, ob du mir gefällst. Gefällst du mir —?" Es kam das Geschenk einer Extra- Schäferstunde dabei heraus. Als er nach Hause kam, legte er los. Es schüttelte ihn­ nur so: „Das ist ja ein kleines Scheusal! Lieber die Adelheid, Dora, Gensinchen, Ulrike — oder alle vier zugleich !“ Und er strich die abge­­blitzen Bräute noch einmal himmelhoch heraus und zog Vergleiche, die durchaus nicht zu Gustchens Gunsten ausfielen. Die Eltern lächelten überlegen, sie waren entschlossen. Der Familienrat beschloss, Gustchen oder keine! Zum nächsten Sonntagnachmittag wurden Schuh­­machermeisters eingeladen. Man sass im Garten­­haus beim Kaffee. Gustchen entzückte alle. Was für einen dummen, blinden Jungen haben wir, be­­dauerten sie Tob. Jedoch man wusste es trefflich einzurichten, man hatte plötzlich das Verlangen, im Garten das Spalierobst zu besichtigen, einen Strauss Rosen zu schneiden. Und es gelang: Tob blieb mit Gustchen allein im Gartenhaus zurück. Die tolle Küsserei, die vorgefallen war, als sie alle wieder hereinkamen, konnten die beiden beim besten Willen nicht verhehlen. Man brauchte Gustchen nur anzusehen und Glück zu wünschen. Tobs Freunde staunten, als sie es erfuhren. „Du hattest dich doch nie um sie gekümmert ?* Und einer, der sich’s erlauben durfte, sagte: „Mir scheint, du hast die Katze im Sack gekauft!“ — „Ja!“ triumphierte Tob. „Aber ich habe sie selbst hineingesteckt !" Am Tage nach der Hochzeit schon hatte Tob die Zügel des Gasthofes fest in der Hand. Er machte nie mehr etwas falsch. Tod wusste, woran das lag. Die richtige Frau muss man haben! Ofterbrezel als Liebeszeichen Im Südwesten Deutschlands gilt die Brezel als eigent­­liches Ostergebäck. In der badischen Schwarzwaldgegend wird es kein Bursche versäumen, seinem Mädchen eine Schnur mit Brezeln zu schenken — je länger die Schnur und je mehr Brezeln daran hängen, um so größer die Liebe. Wer seine Gefühle besonders nachdrück­h darkun will, der hängt die Brezelsschnur in der Nacht zum Oster­­sonntag vor dem Stammerfenster seines Mädchens auf, fast sie am andern Tage zu überbringen. Eine angebissene Brezel vor dem Fenster aufhängen, bedeutet eine schwere Beleidigung für das Mädchen. Damit deutet der Bursche nämlich an, daß er an der Treue der Erwählten zweifelt, gibt sid­elma ein abgemisfener Freier aus Radjudi dazu verleiten, eine solche Brezel anzubinden und er wird dabei ertappt, sind ihm arge Prügel gewiß. Auch wird kein ehrbares Mädchen des Dorfes mehr mit einem solchen Burschen tanzen, der so die Ehre ihrer Kameradin angelastet hat. Mädchen, deren Lebenswandel nich einwandfrei ist, hängt man In der dortigen Gegend gern eine aus Stroh gewundene Brezel vor die Tür. Sand bedroht eine Stadt Die australischhe Minenstadt Broken Hill kämpft schon seit mehreren Jahren einen verzweifelten Kampf um ihre Streng; ihr Gegner iat der Sand, der von Süden und Osten fortwährend weiter in die Stadt e­indringt. An der südlichen und westlichen Peripherie der Stadt flieht man ganze Häuserreihen, die von ihren Bewohnern bereits verlassen wurden. Die wenigen Häuser in jenen G Stadtvierteln, deren Bewohner noch heute dem vordringenden Sand ftoßen, sind mit zwei Meter hohen W­irblehmauern umgeben, aber auch das bietet keinen wirklichen Schuß vor der Sandflut; die sich dort bildenden Sandanhäufungen müssen mehrmals in der Mode abzetragen und ab­­transportiert werden, weil sonst ein Verkehr in jener Gegend ganz unmdslich wäre. Die Rennbahn im südlichen Teil der Stadt, einst der Stolz von Broken Hill, wurde bereits ein Opfer des vordringenden Sandes, so daß eine neue Rn­bahn im östlichen Teil der Stadt errichtet werden muste. Troß allen Gegenmaßnahmen, wie Aufwerfen von Dämmen usw., ist es fraglich, ob es auf die Dauer mö­llich sein wird, dem Sand erfolgreich Widerstand leisten zu können. Die dortigen Schafzutäter haben zum größten Teil die Gegend bereits verlassen, weil ihre M­ordepläne derart versandet wurden, daß eine sich lohnende Schafzucht nir mehr möglich war. Kongreß menschlicher „Originale“ In einer Stadt im Westen der Vereinigten Staaten is ein Mann namens Friedrich Fyler auf den sellsamen Gedanken gekommen, einmal einen AonareB von soges nannten „Originalen“ zu veranstalten. Diefr feltsamste aller Kongresse kam wirklich vor kurzem zustande. Was dabei aufmark­ierte, waren wirklich Mustertypen vers­tückter Originalität. So war zum Beispiel ein Mann gekommen, der sich rähmt, durch die gesamte Länge der Fleet Street eine Nuß mit einem Sabnít oder vorwärts­ getrieben zu haben. Dann war ein Ruffe da, der sein Pferd ausschließlich mit Auftern aus Ostende aufgezogen hat und es immer noch damit füttert. Einer habe eine löcknlose Sammlung der Originalköpfe sämtlicher auf der Erde erscheinenden Leitungen, ein andrer besaß in vielen Koffern eine Überraschend große Sammlung von Kaffee»­löffeln, die in den berühmtesten Hotels und Goastflätten aller Länder zusammengestohlen worden waren. Ein wißiger V­ersuch, den jeder machen kann En waiger Privatdozent stellte einmal mit seinen Studenten der juristischen Fakultät und gleich darauf mit einem Kreis von Zaren ein kleines wibises Experiment an. Binnen zehn Minuten mußte die Frage beantwortet werden: „Kann jemand nach allüblichhem Recht die Schweler seiner Witwe heiraten?“ Erst in der neunten Minute kam ein Student nach angestrengtem Grübeln darauf, daß diese Frage zu verneinen sei, da niemand, nach welchem Recht es au fel, Überhaupt dazu imstande­n­. Das gleichgroße Auditorium von Laien jedoch, dem dann die gleiche Frage vorgelegt wurde, war schon nach drei Minuten mit der Beantwortung fertig und ladle fhallend ob des Unsinns dieser Preisaufgabe. A o­­ Ü . « ER ar .« / )) für mau Sie sind stets tadt­l­os gekleidet, wenn Sie Ihre Kleidungs­­stücke öfters chemisch reinigen lassen in der best­­renommierten chem. Reinigungsanstalt und Kunstfärberei Karl 3. G. Mühlsteffen Uebernahmsstellen: Quergasse Nr. 2 und KI. Erde Nr. 1 Reparatur und Vertrieb für Büro­­mascinen und Füllfedern TRIUMPH, Piafa Regele Ferdinand 19 Tagesneuigkeiten Todesfall Nach bloß zweitägigem Krankenlager ist Oberstleutnant d. R.F­iedrich Sigerus einer schweren Quanonentzündung erlegen. Der E­rstorb­ne wurde im Jahre 1880 als Sp­olie einer alten Patrizierfamilie in Sermannstadt geboren, wo er auch die Volksschule und das Gymnasium b­sachte, um sich später di­e b­ärtighen Laufbahn zuzuwenden. Als Leutnant und Oberleutnant diente er in d­n 3 fanteries­regimentern Mr. 31 und 63. Im Jahre 1914 309 er bei Ringsausbruch als Saup­mann auf den serbischen Artegig­­idauplak. Dort machte er die besonders schwierigen Kämpfe der ersten P­riode des Weltkrieges mit. Er wurde schwer vrwundet. Bleibende Invalidität hat ihm sein späteres Beben schwer gemacht. T­ok seiner Krank­­heit bat er treu und ehrlich, den ganzen Willkrieg lang, Dienst gemacht. Als R­eferent der Personalabt­ilung des Art­esministeriums hat er dan­n Freundesdienst geleist-k, fl und ruhte, ohne daß der Betroffene selbst et­was da­­von wußte. Nach dem Arien war er erst Major dann Doerstle­utnant in der rumänischen A­r­ re. Sablieite Ariegsauszeichnungen ziterten seine Brust. Friedrich S­g’rus war ein treuer Freund und auter Kamerad. Dein Andenk­n wird mit allen, die ihm nahestanden, in Ehren bl­ ıben.

Next