Die neue Zeitung, April-Juni 1941 (Jahrgang 12, nr. 1559-1571)
1941-04-06 / nr. 1559
’U-f·,«·’Is-I-3 v- , Eigentümer und Direktor: Wilhelm v. v. Kassel Verantwortlicher Schriftleiter: Edmund Holly 12. Jahrgang Eingetragen in das Register der Veröffentlichungen beim Hermannstädter Gerichtshof unter Zahl 51/1938 Hermannstadt, Sonntag, den 6. April 1941 Nr. 1559 sven Hedins „Zentralasien-Atlas“ In Berlin wurde im „Institut der Deutschen Forschungsgemeinschaft“ das erste Blatt des „Zentralasien- Atlas“ von Sven Hedin, der von der kartographischen Anstalt Justus Perthes in Gotha mit den Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben wird, der Öffentlichkeit übergeben. Bei der Feier erläuterte der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Mentzel, die Bedeutung des „Zentralasien-Atlas“, der sich vor allem auf die Forschungsergebnisse von Sven Hedin stütze und die letzte grosse Lücke in dem grossen Atlas der Welt, das Gebiet von Zentralasien, ausfälle, das bisher kartographisch noch nicht erfasst gewesen sei. kk Als Sven Hedin seine erste Reise in Asien unternahm, war er zwanzig Jahre alt. Er besass keinerlei Ausbildung, wie sie vorausgesetzt werden muss, um zur Erweiterung und Erkenntnis der Erde beitragen zu können. Jene erste Reise ging nach Persien. Sie war nichts als eine Vorbereitung in der primitiven Technik der Reisekunst. Doch es schulte sich bereits der Blick des Reisenden für asiatische Landschaftsformen. Erst ein Jahrzehnt später begann Sven Hedin, Schüler Richthofens nun ein Geograph von reifem Wissen, jene weitläufigen Expeditionen, die ihr in immer erneuten Vorstössen, immer von einer anderen Seite her in die Tieftäler und Gletscherhöhen Zentralasiens und Tibets führen sollten. Das Bestreben des jungen Forschers ging dahin, die wechselnden Formen eines bisher unbekannten Teiles der Erdoberfläche und ihre charakteristischen Züge im Kartenbild wiederzugeben. Die Originalkarten, die Sven Hedin von seiner ersten grossen Expedition 1897 nach Hause brachte, errschienen, von Dr. Bruno Hassenstein bearbeitet, 1900 in „Petermanns Mitteilungen“. Sie gelten als noch heute als vorbildlich. Bei Justus Perthes in Gotha wurde im folgenden Jahrzehnt dann auch jener besondere Atlas ausgearbeitet, der neben den von den schwedischen Geographen Oberst Byström und Leutnant Kjellström ausgeführten Karten die Hunderte von Panoramen enthielt, die der Reisende in Tibet gezeichnet hatte, daneben die pastischen Einzelheiten, die aus seinen photographischen Aufnahmen herausgelesen werden konnten. Eine neue, zunächst noch unabsehbare Aufgabe entstand, als es sich darum handelte, die Fülle des kartographischen Materials zu sichten und zu veröffentlichen, das die Frucht der Reisen Sven Holins im Inneren Asiens während der Jahre 1927 bis 1935 war. Der Stil der Expeditionen hatte sich gründlich geändert. Aus dem kühnen Einzelunternehmen eines gelehrten Pilgers war ein Gemeinschaftsunternehmen geworden, das sich gleichsam unter dem Blick des Feldherrn in eine Reihe von Sonderunternehmen aufteilte. Diese wissenschaftlichen Expeditionen waren dank deutscher, schwedischer und chinesischer Unterstützung zustande gekommen. Ihre führenden Mitarbeiter Die kartographischen Aufnahmen gingen zwar nach einheitlichem Plane vor sich, aber die Ausführung ergab zunächst viele ungleichartige Stücke Es zeigte sich, dass die Kosten der Herausgabe dieses ungeheuren Materials an Kartenaufnahmen ein Drittel des gesamten Betrages erreichen mussten, der für die Veröffentlichung aller wissenschaftlichen Ergebnisse überhaupt zur Verfügung stand. Das ethnographische Material konnte mit Hilfe schwedischer Gönner gedruckt werden. Die Kosten für die meteorologischen Arbeiten brachte Sven Hedin selbst aus den Erträgen seiner in Deutschland erschienenen Bücher auf. Als die wichtigste, zugleich aber auch als die schwierigste Aufgabe gehörten den drei beteiligten Ländern an, erwies es sich, das umfangreiche kartographische Material auszuwerten. Hier ging es um die Generalkarte von Zentralasien, das erste Unterdieser Art überhaupt. Ein solches Kartenwerk musste bestimmt sein, das Lebenswerk des Forschers zu krönen. Hier wird nun auf vierundfünfzig Blättern im Maßstab von 1:1 Million die Sumrge aus der gesamten Zentralasien Forschung der letzten fünf Jahrzehnte gezogen. Endgültig verschwinden die weissen Flecke von der Landkarte Innerasiens. Und was mehr ist auch die Lücken werden ausgefüllt, die Fehler beseitigt, die die grossen wissenschaftlichen Weltatlanten bisher noch aufwiesen. Sven Hedin hat, wie er aum Anlass des Erscheinens des neuen Kartenwerkes sagte, den Ausweg nicht in Betracht gezogen, dass irgendeine der Grossmächte, deren Besitzungen unmittelbar an die von seinen Expeditionen kartierten Gebiete angrenzen, sich mit Freuden der Herausgabe und Bearbeitung des gewaltigen kartographischen Materials annehmen würde. Es war ihm selbst verständlich, dass die vertiefte und erweiterte Erkenntnis der riesigen, bisher unzulänglich beskannten Gebiete von besonderer Bedeutung sein mussten in einer Zeit, „da eine Umwertung und eine gerechtere Verteilung der Erdoberfläche eines der für die Menschheit bedeutungsvollsten Probleme ausmacht“. Die deutsche Wissenschaft hat diese Haltung begriffen. Dank dem Entgegenkommen der Reichsregierung und der deutschen Forschungsgemeinschaft sind die Wege geebnet worden, um den gewaltigen Zentralasien-Atlas herzustellen, der nun bei der geographischen Anstalt Justus Perthes in Gotha erscheint. Das erste, soeben veröffentlichte Blatt des Werkes umfasst das Gebiet von Turfan. Das gesamte Werk, ein Denkmal dr asiatischen Wanderungen des Forschers in vielen Jahren seines Lebens, zugleich das Denkmal einer Wende der Erdforschung und des Abschlusses der Periode der soll im ER der A.P. grossen Entdeckungsreisen, nächsten sechs Jahre erscheinen, nehmen „Wer niemals einen Rausch gehabt“ In den letzten 20 Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde auch im Sachsenlande unendlich viel gesündigt gegen das Gebot des Masshaltens im Trinken. Man hatte keinen rechten Begriff über die grosse Schädlichkeit des Alkoholgenusses, im eigentlichen Weinlande schon gar nicht und lebte zu sehr die feuchtfröhlichen Unterhaltungen. Wir Jungen wurden sozusagen täglich Zeugen dessen, wie unsere Väter von dem Wein, den sie im Keller liegen hatten, literweise tranken und wie gut ihnen dieser schmeckte. Was Wunder, dass wir schon mit 15 Jahren eben im Weingenuss ein Attribut besonderer Männlichkeit erblickten. Und wenn wir nur konnten, uns im Wein — und im Winter im „Rumtfee“trinken — förmlich überboten haben. Der eine wollte den Anderen ausstechen. Eine dem Andern beweisen, dass er mehr von dem „köstlichen Nass” vertragen könne, ohne deshalb trunken zu werden. Besonders auch die Namenstage, Schulschluss und -beginn, dann Weihnachten mussten zu diesem Zweck herhalten. Suche nur nach Gelegenheiten das Verbotene zu tun und du findest sie stets! Mit 14, 15, 16 Jahren veranstalteten die hoffnungsvollen Buben von damals bereits ihre Tee und Weinabende und ich selbst bin wiederholt Zeuge geworden, wie meine älteren Brüder im sogenannten „roten Zimmer“ kleinere und grössere Symposien mit ihren Schul- und Coetuskameraden der veranstaltet haben. Da musste dann jeder, der Stimme hatte, wenn er aufgerufen wurde, ein „Solo” singen und j: kühner und burschikoser das erklang, desto lärmender und begeisterter wurde es aufgenommen: „Wenn ich einmal der Herrgo tt wär’, Mein Erstes wäre das“ Ein Kerl wie ich, was macht sich der daraus, Ein Kerl wie ich, trinkt ganze Fässer aus.” Es hörte sich besonders drollig an, wenn dieses alte Renommierlied ein kleines, zartes Bürschchen sang oder wenn der verliebte „Puber” das Kommerslied freiliess: „Und wäre ein König ich und wäre die Erde mein, Du wärst in diesem Königreich mein schönster Stein.“ Es gab dann natürlich auch Kommunallieder ; unter diesen war bei uns besonders beliebt das Goethe’sche Weinlied: „Ergo bibamus" und die „Alte Burschenherrlichkeit“, der man jedoch erst langsam entgegenträumen sollte, letzten Endes auch der „Rumgesang und Rebensart”, wobei dann mancher Koiros, der — vielleicht zu seinem Glück — noch niemals einem Mädchen die Hand, geschweire denn den Mud geküsst hatte, seine „Liebste” nennen musste. Ich war in einer ebenso knabenreichen als feuchtfröhlichen Gemeinschaft herangewachsen. Mein Vater selig trank gern von den eigenen Keller, wie auch von den Gastwirtschaftsweinen. Er vertrug mächtig viel und hielt sich auf seine Trinkfestigkeit viel zu gute. Ich selbst war noch nicht sechzehn Jahre al, war sonst ein schüchternes, ja schamhaftes Bürschchen, das nicht bis auf zwanzig zählen zu können schien, als ich die erste, grössere Kneiperei in Weichbild des Heimatstädtchens über mich ergehen lassen musste. Der Anlass war folgender: Die Leitung unseres Gymnasialcoetus hatte nach einer alten Tradition im Mai zu Ehren des bevorstehenden Maifestes zwei Fässer St einbruck Bier bestellt gehabt. Diese sollten im „Majalis” von uns „Rotkappigen“ getrunken werden. So war es festgesetzt. Nun war aber dieser Sommer, den ich hier verlebt habe, ‚schwer verregnet und verwettert, so dass das heiss ersehnte Malfest nicht stattfinden konnte. Was sollte nun aber mit den „Fasseln” geschehen? Diese mussten doch in jedem Falle ausgetrunken werden, denn das Bierdepot hätte sie nicht zurückgenommen. Ergo fragte es sich, bloss noch, wo das zu geschehen habe. In einem Wirtshause ging es — abgesehen davon, dass unsere Schulordnung das Kneipen in öffentlichen Lokalen streng verbot und die Stadt so klein war — auch deshalb schwer, weil wir über den nötigen Irickstoff bereits verfügten und deshalb jeder Wirt schief angesehen hätte. So bestimmte denn die löbliche, stets infallible Leitung, "dass auf der geräumigen Bude eines meiner lieben, längst entschlafenen Schulkameraden die Kneipe dann und dann in den Nachmittags= stunden abgehalten werde und wurden alle Coetusmitglieder aufgefordert, sich zuversichtlich zu beteiligen. s Obwohl nun gerade die verbotenen Früchte die süssesten sind, so fühlten wir fleissigen Schüler uns doch stark erleichtert, weil man ja dieses "uns TESTEN há DER 2 re