Die Woche, 1972. Januar-Juni (5. évfolyam, 211-236. szám)
1972-06-23 / 235. szám
Die Woche E Ein Amerikaner in Hanoi ,Ich habe noch nie solche Menschen gesehen .. Was wissen die Amerikaner über die Aggression der Administration von Washington gegen die DR Vietnam? Was wissen sie Uber die Auswirkung der Millionen Bomben auf dieses Land? Was wissen sie über den Kampfgeist des vietnamesischen Volkes? Praktisch nichts oder, was noch schlechter ist, Unwahrheiten. Das ist die Schlussfolgerung des bekannten amerikanischen Publizisten Anthony Lewis, der eine für US-Journalisten ganz ungewöhnliche Erfahrung machte: Er erlebte Hanoi während amerikanischer Bombardements. Wir veröffentlichen nachstehend Auszüge aus seinen Reportagen, die in der „International Herald Tribüne“ erschienen sind. Am Südrand Haiphongs erstrecken sich Reisfelder, soweit das Auge reicht. Nur ab und zu wird diese Landschaft durch einen kleinen Weiler unterbrochen. Etwa fünf Meilen von Haiphong 'entfernt liegt das Dorf Phuc Loc. Phuc bedeutet im Vietnamesischen Frieden und Glück, und Loc bedeutet Wohlstand. In Phuc Loc sowie in den meisten Dörfern des Mekong-Deltas sind die Häuser aus ungebrannten Ziegelsteinen gebaut und mit Schilf bedeckt. Bis zum 16. April 1972 zählte das Dorf 611 Einwohner. Am Sonntag, dem 16. April um 2.20 Uhr bombardierten amerikanische Flugzeuge vom Typ „B-52“ Phuc Loc. 63 Personen kamen ums Leben, 61 wurden verletzt. Von den 161 Häusern des Dorfes, waren 78 nach dem Bombardement zerstört. Das sind die Behauptungen der Nordvietnamesen. Nach einem Besuch in Phuc Loc hat man keinen Grund, daran zu zweifeln. Ein Monat nach dem Bombardement sind die Ruinen uno' Bombenkrater noch sichtbar; dazwischen erheben sich einige neue oder unversehrt gebliebene Häuser. Aber die materiellen Beweise sind weniger überzeugend als die emotionellen. Als ich in das Dorf kam, sah ich eine Alte auf einem Trümmerhaufen sitzen und stöhnen. Als sie den Fremden sah, schwieg sie. Mein Dolmetscher nahm sie vorsichtig an der Hand und führte sie zu einem anderen Trümmerhaufen, wo sie sich hinsetzte und weiterstöhnte. Mein Dolmetscher kam zurück und sagte: „Seit sie ihre Familie verloren hat, ist sie verrückt geworden.“ Eine andere Frau bestand' darauf, sich mir zu nähern. Sie heisst Pham Thi Viet, ist 38 Jahre alt, sieht aber viel älter aus. Sie sagte mir, dass sie in der Nacht des Luftangriffs nicht zu Hause war. Als sie zurückkehrte, fand sie vier ihrer sechs Kinder tot. Auch ihr Vater, Onkel, ihre Schwägerin, ein Neffe und eine Nichte sind in jener Nacht gestorben. „Warum schickt Nixon ; B-52-Bomber um unsere Kinder umzubringen, wenn sie schlafen?“ fragte sie. Einwohner Nordvietnams erklären des öfteren, wenn sie mit amerikanischen Korrespondenten Zusammentreffen, dass sie wissen, dass es Amerikaner verschiedener Art gibt. Einige von ihnen sind Gegner des Krieges. Aber in Phuc Loc hat man mir das nicht gesagt. Die amerikanischen Strategen des Vietnamkriegs haben die Tendenz abstrakt zu denken, ohne die Menschen in Betracht zu ziehen. Sie behaupten, dass der Vietnamkrieg notwendig ist, um das Prestige des Präsidenten oder die Schiffswege nach Australien zu sichern. Aber könnten diese Ziele noch überzeugend wirken, wenn ihr Preis vorm Standpunkt der Menschenleben richtig aufgefasst würde? Abstrakt gesehen ist der Tod immer weniger schmerzlich. Ich habe oie Mittel, mit denen die USA diesen Krieg führen, auch vor meinem Besuch in Nord vietnam kritisiert. Aber eine Statistik der Bombenkrater aufzustellen und das Dorf Phuc Loc zu sehen, ist nicht dasselbe. Die Nord Vietnamesen sind der Meinung, dass die Amerikaner absichtlich Ziele wie Dörfer und Spitäler bombardieren, um die Bevölkerung zu terrorisieren. Ich teile diese Meinung nicht; ich glaube, dass es irrtümlich geschieht. Aber das ist keine moralische Rechtfertigung. Wenn Phuc Loc aus Versehen getroffen wurde, so stellt man sich doch die Frage, warum so etwas passieren konnte. Wenn wir das, was am frühen Morgen des 16. April geschehen ist, auch nicht ändern können, so können wir doch aufhören, von einer präzisen Bombardierung der militärischen Ziele zu sprechen. Wir können vermei-•den, das zu sagen, was andere nach anderen Kriegen erklärt haben: „Wir haben es nicht gewusst.“ Ungebrochene Kampfmoral Vor einer Woche sprach ein Junge aus Than Hoa, der am meisten bombardierten Provinz Nordvietnams, über die Brücke von Hamrong. In der Johnson- Zeit haben die Amerikaner diese Brücke wiederholt bombardiert, zerstört wurde sie aber nie. Die Nord Vietnamesen haben erklärt, dass sie in der Nähe der Brücke bis 1968, als die Bombardements eingestellt wurden, 99 Flugzeuge abgeschossen haben. Der Junge sagte: „Im Dezember vergangenen Jahres hat Nixon noch ein Flugzeug geschickt, um die Zahl abzurunden.“ Einige Tage später gab das amerikanische Oberkommando bekannt, dass die Brücke von Hamrong zerstört wurde. Befragt, ob er davon gehört habe, antwortete der Junge: „O ja, ich habe davon gehört. Wenn das stimmt, wird die Brücke bald wieder aufgebaut sein.“ Der Besucher muss sich unwillkürlich in Erinnerung rufen, dass dieses kleine Land, in dem die Wagen noch immer von Wasserbüffeln gezogen werden, dessen Bevölkerung in ihrer erdrückenden Mehrheit das einfachste Landleben führt, gegen die Vereinigten Staaten kämpft. Woher kommt dieses Vertrauen? Die meisten ausländischen Vietnam-Experten führen die Geschichte als Hauptfaktor an. Und wenn man die Dinge von Hanoi aus betrachtet, scheint dieses Argument überzeugend zu sein. Die Strasse, in der das grösste Hotel Hanois steht, führt den Namen Ngo Quyen, der im Jahre 938 fremde Eindringlinge vertrieben hat. Eine weitere Strasse ist nach den Schwestern Trung benannt, die einen Aufstand gegen andere ausländische Unterdrücker angeführt ‘haben. Die in Hanoi akkreditierten Journalisten sind Zeugen einer Haltung, die nicht einfach mi* Hartnäckigkeit gleichzusetzen ist. Wie kann man auf einen Fall, wie den weiter unten beschriebenen, reagieren? Vor kurzem war ich zum Sitz der Hanoier Vertretung der Revolutionären Provisorischen Regierung Südvietnams, die im Gebäude des ehemaligen Generalkonsulats der Vereinigten Staaten untergebracht ist, eingcladcn worden. Dort lernte ich Pham Thi Nguyen, ein 22jähriges Mädchen aus Südvietnam kennen. 1967 geriet sie in Gefangenschaft, wurde gefoltert. Ihre Hände wurden auf einen Holztisch genagelt. Schliesslich wurde sie von Partisanen befreit, denen sie sich anschloss. Nachdem sie 21 Amerikaner getötet hatte, wurde sie in einem Tagesbefehl für „Tapferkeit im Kampf“ zitiert. 1969 machte sie sich zu Fuss nach Hanoi auf und legte 500 Meilen in drei Monaten zurück. Es ist interessant, dass sie es für nützlich hielt, eine solch schreckliche Geschichte zu erzählen. In allen Kriegen werden Grausamkeiten verübt. Es müssen aber wenig Kriege gewesen sein, in denen solche Grausamkeiten wie in Vietnam begangen wurden. Selbst ohne die individuellen Schicksale dieser Art haben die Nordvietnamesen Grund genug zur Bitterkeit.. In der vergangenen Woche besuchte ich Haiphong. Einige Teile der Stadt, einschliesslich ein Krankenhaus, eine Schule und unzählige Wohnungen sind total zerstört worden. Einige westliche Diplomaten sind der Meinung, dass die amerikanischen Bombardements vom 16. April mehr als tausend Tote gefordert haben. Unter diesen Umständen — es gibt viele andere Beispiele von zerstörerischen Aktionen, die gegen die Zivilbevölkerung gerichtet sind — ist es bemerkenswert, dass die Mehrheit der Nordvietnamesen weiterhin einen Unterschied zwischen „Aggressoren“ und den weiteren Amerikanern machen. Im allgemeinen werden die Ausländer von den Vietnamesen höflich und freundlich behandelt. Ein anderer, ausserordentlicher Tatbestand: Das Land ist vorbereitet, neue Zerstörungen zu ertragen. Viele bestätigen dies mit vollster Überzeugung. Die Behörden erklären, dass eine neue amerikanische Eskalation erwartet wird. Deshalb ist der Befehl erteilt worden, die Mehrheit der Bewohner Hanois in die Dörfer zu evakuieren. Ein nichtkommunistischer Beobachter erklärte mir in Hanoi: „Ich habe noch nie solche Menschen gesehen. Für sie gibt es keine unerträglichen Leiden.“ Gefangener US-Pilot in der DR Vietnam Unterirdischer Betrieb in der DR Vietnam aus aller weit — 4000 Menschen mit transplantierten Organen Die Auswechslung noch gesunder, aber abgenützter Organe durch junge Organe zur Verlängerung des Lebens — diese Möglichkeit erwähnte bei der Eröffnung des 16. Weltkongresses der Chirurgen der Vorsitzende des International College of Surgeons (ICS) Paridé Stefanini. Nach 9500 Transplantationen leben heute mehr als 4000 Menschen mit transplantierten Organen (Herz, Leber, Lunge, Niere, Bauchspeicheldrüse usw.). Mit übertragenem Herzen leben heute Menschen etwa 43 Monate, mit übertragener Leber 40 Monate, bei Übertragungen der Bauchspeicheldrüse zwölf Monate und der Nieren über zehn Jahre. 6 Milliarden holländische Gulden verschwanden Holland steht vor einem Rätsel. Volkswirtschaftler der Universität Amsterdam haben entdeckt, dass von den von der Nationalbank ausgegebenen Banknoten im Wert von 9,5 Milliarden Gulden nur noch 3,5 Milliarden in normalem Umlauf sind. Papiergeld im Nominalwert von sechs Milliarden Gulden, vor allem grosse Scheine zu 100 und 1000 Gulden, scheinen aus dem öffentlichen Verkehr verschwunden zu sein. Bei der Untersuchung gelangte man zu der vorläufigen Schlussfolgerung, dass die fehlenden Banknoten zu einem erheblichen Teil für steuerfreie Geschäfte benützt werden. Tödliche Halsketten Die aus Bohnenhülsen hergestellten Halsketten im afrikanischen Stil, die derzeit in Grossbritannien viel verkauft werden, enthalten eine tödliche Gefahr für ihre Trägerinnen: In den Hülsen ist ein Gift enthalten, von dem schon der winzigste Teil eines Körnchens einen erwachsenen Menschen töten kann. Der Chef des städtischen Gesundheitsamtes in Bristol hat die Gefährlichkeit des Kunsthanowerkes, das aus Afrika importiert wird, entdeckt. aus aller weit — aus aller weit — au: Nr. 235 / 23. Juni 1972 im Zeitgeschehen Nikolai Podgornyi, Mitglied des Politbüros des ZK der KPdSU, Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR, stattete der DR Vietnam an der Spitze einer Sowjetdelegation einen nichtoffiziellen Freundschaftsbesuch ab. Chiles Regierung ist umgebildet worden. Sechs der fünfzehn Kabinettsposten sind dabei neu besetzt worden. Erstmalig in der Geschichte Chiles gehört eine Frau — Arbeitsminister Mireya Baltra (Mitglied der KP) — der Regierung .an. Getötet wurden am Sonntag abend in der nordirischen Ortschaft Bleary drei britische Militärangehörige durch ein Bombenattentat. Die Zahl der Todesopfer der letzten drei Jahre in Nordirland erhöht sich somit auf 379 Personen, davon 80 Militärangehörige. In Prag fanden offizielle tschechoslowakisch-indische Gespräche statt. Die tschechoslowakische Delegation stand unter Leitung des Vorsitzenden der föderativen Regierung, Lubomir Strougal, und die indische unter der des Premierministers Frau Indira Gandhi. Frankreichs Präsident Georges Pompidou sprach sich in einem dem holländischen Fernsehen gewährten Interview für die Einberufung einer gesamteuropäischen Konferenz über Sicherheit und Kooperation aus. Das Parlament in Salisbury hat den Antrag der rassistischen Regierung Ian Smith, den im November 1965 verhängten Ausnahmezustand für ein weiteres Jahr zu verlängern, genehmigt. Rhodesiens Justizminister begründete diese Massnahme mit der „Gefahr seitens der afrikanischen nationalistischen Organisation“ und mit der Tatsache, dass die von der UNO verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Rhodesien aufrechterhalten werden. Ulrike Meinhof (37), führendes Mitglied einer westdeutschen Terroristengruppe, ist in der Nähe von Hannover verhaftet worden. Dadurch wurde nahezu das ganze Führungszentrum der Baader- Meinhof-Gruppe dingfest gemacht. Ausser Meinhof wurden bisher Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Holger Meins und Jan- Carl Raspe festgenommen. 23 Mafia-Angehörige sind von einem italienischen Gericht verurteilt worden. Sirhan Bishara Sirhan, der wegen vorsätzlichen Mords am ehemaligen Senator Robert Kennedy zu Tode verurteilt worden war, wird nun nach Abschaffung der Todesstrafe in Kalifornien lebenslänglich in Haft bleiben. Die bisher grösste britische Flugzeugkatastrophe ereignete sich am Sonntag abend, als ein Passagierflugzeug des Typs „Tridend 1“ kurz nach dem Start vom Londoner Flughafen Heathrow abstürzte. Sämtliche 118 Passagiere kamen dabei ums Leben. Darunter waren auch die acht grössten irischen Industriellen, die sich auf dem Weg nach Brüssel befanden, um dort über Irlands Anschluss an den Gemeinsamen Markt zu verhandeln. Ausland Aussenpolitische Wochenschau Von Walter ENGEL EWG: Keine frohen Ferien Ende Mai und Anfang Juni häuften sich in EWG-Kreise» die Zweifel daran, ob das für Oktober geplante Treffe» der zehn Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Gemeinsamen Marktes Zustandekommen wird. Die Divergenze» zwischen den EWG-Ländern sind neuerlich bei verschiedenen Anlässen deutlich sichtbar geworden.I Knappe drei Jahre nach dem Gipfel von Den Haag, d< einige EWG-Historiker etwas voreilig als Wendepunkt in di Beziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten eingestuft hatten, ist nun eine nächste EWG-Konferenz auf höchster Ebene im Gespräch. Die Initiative ging auch diesmal von Paris aus. Doch gerade aus der französischen Metropole werden jetzt ernste Bedenken darüber angemeldet, ob eine solche Konferenz in diesem Herbst sinnvoll sei. Der Schreckschuss auf die anderen neun EWG-Mitglieder, die sich offenbar mit Gipfel- Gedanken tragen, kam von Präsident Georges Pompidou. Er erklärte dem belgischen Premier Gaston Eyskens bei dessen Besuch im Elysee Anfang Juni, dass ein Treffen von solch weitreichender Bedeutung einer äusserst gründlichen Vorbereitung bedarf: „Ich kann nicht die Verantwortung übernehmen, neun Regierungschefs einzuladen, wenn die Aussicht besteht, dass aus dieser Begegnung nur undeutliche Absichtserklärungen, Abkommen über geringfügige Punkte oder, schlimmer noch, schlecht verdeckte Unstimmigkeiten herauskommen sollten.“ Einerseits will Pompidou kein erfolgloses Gipfeltreffen — Kommentatoren meinen, er könne sich das nach dem nicht gerade glanzvollen Referendum über seine EWG-Politik gar nicht leisten — andererseits deuten diese unverhüllten Äusserungen über die EWG-Lage auch darauf hin, dass Paris auf seiner uneingeschränkten Entscheidungsfreiheit in Sachen EWG besteht. „Le Monde“ hielt denn auch nicht mit der Meinung hinter dem Berg, dass Pompidou „die gaullistischen Methoden, wenn nicht gar Akzente wiedergefunden hat“, um dafür zu sorgen, dass „die Standpunkte Frankreichs in BeVJ tracht gezogen werden“. Zum selben Schluss kamen einige EWG-Partner Frankreichs, die von der Pariser Gangart „schokkiert“ sind. So schreibt die Hamburger „Zeit“ (16. Juni): „Die barschen Töne aus Paris schockieren um so mehr, als sie nicht einer Augenblickslaune entspringen, sondern eine politische Grundstimmung offenbaren.“ Sie offenbaren vor allem, dass die Rivalitäten innerhalb der EWG viel stärker sind, als der so oft bemühte Gemeinschaftsgeist der nun zehn Mitgliedländer. Weder bei der nach dem Gipfel von Den Haag angestrebten Wirtschaftsund Währungsunion, noch bei der Bildung einer politischen Union ist man in Brüssel wesentlich vorangekommen. Die geplante Währungsunion ist durch die gewaltige westliche Währungskrise vom Mai vergangenen Jahres anscheinend genau so erschüttert worden, wie der amerikanische Dollar. Aber vor allem über die politischen Institutionen der EWG gehen die Meinungen scharf auseinander. Frankreich und andere EWG-Staaten sprechen sich nach wie vor gegen übernationale Gremien aus, die das Souveränitätsrecht schmälern könnten. Andere Mitgliedländer wieder fordern zunächst für die Aussenpolitik der EWG gemeinsame Standpunkte. Ein Anfang soll diesbezüglich ein politisches EWG-Sekretariat sein, das Pompidou allerdings bezeichnenderweise „Telephon- Zentrale“ nannte. Die zehn EWG-Minister sind bei ihren Vorbereitungsgesprä-^j chen für den herbstlichen Gipfel in Paris auf keinen grünen Zweig gekommen. Vorläufig wurde allerseits die Parole akzeptiert, „die Divergenzen nicht zu kristallisieren“. Allem Anschein nach können die EWG-Minister ihrer Ferien nicht mehr froh werden. Burundi: Blutige Fehde Mehr als 100 000 Tote sind das erschütternde Ergebnis blutiger Zwischenfälle im kleinen zentralafrikanischen Staat Burundi. Ausgelöst wurden die tragischen Ereignisse, die den ganzen Monat Mai über andauerten, von einem Putschversuch in Bujumbura. Einzelheiten über Ursachen und Auswirkungen der Unruhen sind erst vor kurzem bekannt geworden. Es ist nicht die erste Tragödie, aber vielleicht die schwerste, die den dreieinhalb Millionen Einwohner zählenden Staat Burundi heimsucht. Wie in manchem afrikanischen Land, reichen auch hier die Würzein der Stammesfehden zurück in die Zeit der Kolonialherrschaft, die ihnen immer wieder neue Nahrung zuführte. Fest steht, dass in einigen Staaten (etwa Nigerien) äussere Einmischung und innere Ambitionen zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen führten. Die Geschichte des nach anfänglich deutscher und dann belgischer Kolonialherrschaft erst 1962 unabhängig gewordenen Burundi ist von blutigen Stammesfehden übersät: wiederholte Mal lehnten sich die Bahutu (über 80 Prozent der Bevölkerung des Landes) gegen die Vorherrschaft der Tutsi (13 Prozent) auf. Letztere beherrschen die Wirtschaft Burundis und stellen traditionsgemäss die meisten führenden Staatsbeamten. Zwei Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung wurde Premier Pierre Ngendamdumwe (Bahutu) ermordet. Im Oktober 1965 folgte ein Aufstand der benachteiligten Bahutu, der blutig niedergeschlagen wurde, genau wie jener im Jahre 1969 und der bisher letzte im Mai 1972. Nach anfänglichen Erfolgen der Bahutu, denen sich unzufriedene Tutsi angeschlossen hatten, die die Monarchie (Ntare V.) wiedereinsetzen wollten, begann ein blutiges Abrechnen der Tutsi mit den Aufständischen. Presseagenturen, die infolge der Nachrichtensperre in Burundi nur über mangelhafte Informationen verfügten, meldeten vom Hinmorden der wehrlosen Männer, Frauen und Kinder. UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim sprach seine tiefe Besorgnis über die Ereignisse in Burundi aus. Jetzt scheint in diesem schwer heimgesuchten Land, dessen gesamte ökonomische und soziale Struktur stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, wieder Ruhe zu herrschen. Über die Massengräber, die ein in Tansanien gestarteter Sportflieger laut „Spiegel“ (Hamburg) gesehen haben soll, wird wieder das Gras wachsen. Die Ursachen des Konfliktes bleiben jedoch. Hinzu müsste eine Frage kommen: Wie ist es möglich, dass sich ein solches Massaker in einem Staat ereignet, der Mty^j glied der UNO ist? er d£M ng\ Seite 10 X