Die Woche, 1972. Januar-Juni (5. évfolyam, 211-236. szám)

1972-01-14 / 212. szám

Die Woche Nr. 212/14. Januar 1972 Ein neuer Turm in der Stadt Wohnturm des alten Rathauses wird in ursprünglicher Form rekonstruiert Heute wird bei uns der Wiederher­stellung alter Bauten grosse Aufmerk­samkeit geschenkt. Während der Staat erhebliche Summen zu diesem Zweck zur Verfügung stellt, ist auch bei vie­len Bürgern ein wachsendes Interesse am Fortschreiten der Restaurierungs­arbeiten bemerkbar. Neben kleineren Baustellen wie in Valea Viilor, Vur­­păr oder Boian ist derzeit das alte Rathaus von Sibiu, an dem seit 1968 gearbeitet wird, das wichtigste Bau­objekt in unserem Kreis. Das Rathaus ist einer der wertvoll­sten Profanbauten des 15. Jahrhun­derts im Land. Ursprünglich als Wohn­haus gebaut, entstammt es einer Blüte­zeit der Stadt, die in dem Beitrag „Zwei gleichzeitige Berichte über die Eroberung Constantinopels durch die Türken im Jahre 1453“ (Archiv für Siehenbürgische Landeskunde, Band 2, 1855) charakterisiert wird. Es wird an­genommen, dass auf dem Platz, auf dem heute das alte Rathaus steht, ein anderer Bau gestanden hat, der auf der dritten Umfestigungsmauer (1357— 1366) errichtet war. Genauere Angaben über die Geschichte des nachmaligen Rathauses lassen sich allerdings erst ab Ende des 15. Jahrhunderts finden, als das Gebäude in den Besitz des Thomas Altemberger gelangte, der als „Königsrichter und Kammergraf zu Hermannstadt“ zwischen 1469—1491 in den Akten der Stadt erwähnt wird. Aus dieser Zeit stammt der Bautrakt im südwestlichen Teil der Gesamtan­lage, den Altemberger als Wohnung aufführte, und zwar als Wohnturm, wie er damals in verschiedenen Teilen Westeuropas üblich war. Sowohl in den erhaltenen drei Stockwerken des Wohnturms, als auch im Verbindungs­körper zum nördlichen Teil des Rat­hauses sind die Wappen Altembergers und seiner Frau Afra von Salzburg zu sehen. Nach 1491 gelangt das Haus in den Besitz des 1499 verstorbenen Bür­germeisters und Kammergrafen Niko­laus Prol, dessen Witwe 1501 Johann Lula(i) heiratet. Im Jahre 1521 wech­selt das Gebäude erneut den Besitzer, der Markus Pempflinger heisst. Aus seinem Nachlass wird das Haus 1545 schliesslich von der Stadt gekauft und zum Rathaus umgebaut. Um das Jahr 1818 scheint es sich in ziemlich vernachlässigtem Zustand be­funden zu haben, denn 1888 — als daran Bauarbeiten durchgeführt wur­den — wird berichtet, dass man vor siebzig Jahren den baufälligen Gang im Hof des Gebäudes abgetragen habe. Es wäre möglich, dass um die gleiche Zeit auch das letzte Stockwerk des Wohnturms abgetragen wurde, da es zum letzten Mal auf dem Gemälde von Franz Neuhauser aus dem Jahre 1808 erscheint. Aus der Vielfalt der Probleme, die sich während der jetzigen Restaurie­rung dieses komplizierten Baus erge­ben haben, greifen wir die Wieder­herstellung des Wohnturms in seiner ursprünglichen Form heraus, dessen erhaltene drei Stockwerke bei Beginn der Arbeiten von einem flachen Zie­geldach notdürftig abgedeckt waren und von einem aus der Erbauungszeit stammenden Treppentürmchen über­ragt wurden. Zur Wiederherstellung des letzten Geschosses und des Daches mussten folgende Daten ermittelt wer­den: die Zimmerhöhe, die Form des Daches, der Traufe und der beiden Giebel sowie Grösse und Form der Fenster. Die Höhe des Raumes konnte mit Leichtigkeit festgestellt werden, da noch die Spuren der Balken an der Giebelwand zu erkennen sind und eine Türeinfassung aus Stein die genaue Höhe des Dachbodens anzeigt. Form und Aufbau des Daches mussten aber auf verschiedenen Wegen geklärt wer­den. Zuerst konnte eine annähernde Rekonstruktion anhand der bestehen­den Dachneigungen des Treppentürm­­ehens und des Verbindungskörpers ge­macht werden. Ein zweiter und inter­essanter Weg war die Rekonstituie­­rung in Analogie mit einem ähnlichen Gebäude. Mehreren Hinweisen in der Fachliteratur folgend, wurde ein Bau ausfindig gemacht, der aus der glei­chen Zeit (Ende des 15. Jahrhunderts) stammt, und wahrscheinlich demsel­ben Besitzer, Thomas Altemberger, ge­hört hat. Es ist das sogenannte Haller­haus auf dem Grossen Ring Nr. 10, das einen noch gut erhaltenen Wohn­turm besitzt, der mit dem Wohnturm des alten Rathauses viele Merkmale gemeinsam hat. So findet man an die­sem Bau den hölzernen Gang auf Steinkonsolen und die steinernen Fen­stereinfassungen mit ähnlichen, wenn auch etwas vereinfachten Profilen, so wie wir sie am Rathaus haben. Über­haupt hat man den Eindruck, dass bei diesem Bau die Ideen nur ange­deutet, skizziert wurden, während wir beim Rathaus die ausgereifte Lösung vor uns haben. Die reife, phantasie­volle Bearbeitung der Steindetails am Rathaus weisen auf enge Beziehungen zur Krakower Bauhütte hin. Im Wiederherstellungsprojekt des Turmes wurden vor allem konstruk­tive Details des Daches, der Gesimse, der Dachdeckung, der Abschluss der Giebel u. a. vom Hallerhaus übernom­men. Dabei konnte festgestellt werden, dass alle untersuchten Dächer eine ähnliche Dachneigung haben. Es blieb somit noch die Frage nach Form und Grösse der Fenster offen. Bei Freilegungsarbeiten konnten zwei Steinfragmente eines alten Fensters geborgen werden, die zusammen mit aufgefundenen Mauerresten eine ge­naue Rekonstruktion ermöglichten. Aufgrund dieser Untersuchungen wurde das Wiederherstellungsprpjekt angefertigt und die Ergänzung des Baukörpers auf Fotografien und Ko­pien alter Zeichnungen graphisch dar­gestellt, um zu überprüfen, wie sich der restaurierte Wohnturm in seiner näheren und weiteren Umgebung aus­nimmt: Der Innenhof des Rathauses wird von dem neuen vertikalen Akzent dominiert und die Nordwestansicht des Gebäudekomplexes gewinnt durch den Abschluss, den der Wohnturm dar­stellt, so dass der Bau seinen ursprüng­lich asymetrisch-rhythmischen Umriss wieder erhält. Die Stadtsilhouette aber wird durch die Restaurierung des Tur­mes um eine ihrer früheren Dominan­ten bereichert. Architekt Hermann FAB1NI Entwurf zur Restaurierung des Wohnturms (Aquarell vom Verfasser) Das Wappen des Thomas Altemberger Entwurfsskizze zum Wiederaufbau des Wohnturms Kleine Ortsmonographie Der schönste Fleck Betrachtungen über die Gemeinde Jakobsdorf im Harbachtal Die Jakobsdorfer sind offenbar nüch­terne Leute — sonst würden sie mehr Aufhebens von ihrem Heimatort ma­chen, der dreizehn Kilometer nordöst­lich von Agnetheln, in etwa 460 Meter Meereshöhe, am schönsten Fleck des ganzen Harbachtals liegt und in mehr­facher Hinsicht bemerkenswert ist. Da ist zunächst die breite Haupt­strasse, die dem auf der Asphaltstra­sse beim früheren Bahnhof Stehenden den Blick bis zum zwei Kilometer ent­fernten „Anger“ freigibt: an der eng­sten Stelle ist sie 40 Meter breit, und von der Ortsmitte an liegen sich die „Oosset“ und die „Soannhelt“ auf hun­dert Meter gegenüber. Zwei Wässer­chen, die — eines aus dem breiten Tal des „Müssigfelds“, das andere aus dem engeren, von den Erdrutschen des regenreichen Jahres 1912 gezeich­neten „Obenaus“ kommend — sich im Dorf zu einem namenlosen Bach vereinigen, haben die Häuserzeilen auseinandergedrückt. In andere Ort­schaften verschlagen, muss der Ja­kobsdorfer sich an das behutsame At­men in engen Gassen erst gewöhnen. Zum zweiten: Ob man nach Süden oder nach Norden hinausfährt, um nach Schässburg zu gelangen — in beiden Fällen sind es knapp über 39 Kilometer. Und auch nach Mediasch ist es über Agnetheln oder über Du­­nesdorf gleich weit: etwas über 50 Kilometer. Nach Norden fährt freilich nur noch, wer um der landschaft­lichen Schönheit willen (die der Tou­rismus noch zu entdecken hat) fünf Kilometer fast unbefahrbarer Strasse in Kauf nimmt. Und schliesslich treffen sich hier zwei Landschaftstypen. Der über die „Flech“ flach ansteigende, halb kahle Steinberg, dem man seine 625 Meter nicht ansieht, gehört zur Landschaft des Harbachtals. Das im Osten gele­gene „Hackerech“, mit Obstgärten und Weingärten an den steilen Hängen (wo kein Riesling wächst, sondern nur rieselnde Novatrauben mässig gedei­hen), und mit dem Buchen- und Föh­renwald erinnert an das Kokeltal und bleibt im Gedächtnis haften. Ihm ver­dankt die Gegend den landschaftli­chen Reiz. Wann der Ort entstand, weiss man nicht. Zum erstenmal wird er 1309 im Zusammenhang mit einem Zehntpro­zess als „Villa Jacobi“ erwähnt. 1336 klagen zwei Adlige aus der Familie Apafi Henning von Jakobsdorf an, er habe in einem schwebenden Rechts­streit den Urteilsspruch nicht abge­wartet, sondern ihnen Schaden in Hö­he von 50 Mark zugefügt. Es könnte sich um einen Gräfen gehandelt ha­­' ben — andere Hinweise auf die Exi­stenz von Gräfen gibt es aber nicht. Kaufurkunden und Prozessakten bleiben über Jahrhunderte fast die einzigen Nachrichtenquellen. Aus ihnen zu schliessen, ist es mit der Gemein­de aufwärtsgegangen. 1374 kauft sie den Schönbergern ein Hattertgebiet ab; die Kaufurkunde weist die bei­den Orte als Gemeinden des Schen­ker Stuhls aus. 1390 wird die Ur­kunde von den „Sieben Stühlen“ be­stätigt. Um 1500 zählt das Dorf — laut Verzeichnis der freien Königsbo­­dengemeinden — 75 Wirte und drei „Arme“, es gibt eine Mühle, eine Schu­le und vier wüste Höfe. Zweiunddrei­­ssig Jahre später sind es 81 Wirte. Von der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts an sind Vertreter der Nationsuniversität immer wieder be­müht, den Hattertstreit zwischen Ja­kobsdorf und Schönberg zu schlich­ten. Als 1628 der strenge Ortsrichter Petrus Orend auf einem nächtlichen Inspektionsritt erschlagen wird, ver­dächtigt man die lieben Nachbarn aus Schönberg. Diese Streitigkeiten fanden ihren Niederschlag in einer Sage, der- Aus der Geschichte des Dorfes 1309 erstmals als „Villa Jacobi“ vermerkt 1336 erster Hattertstreit 1374 als Gemeinde des Schenker Stuhls erwähnt um 1500 eine Schule erwähnt Anfang des 16. Jahrhunderts Bau der Wehrburg (Jahreszahl 1547 am Südwest-Turm der Ringmauer) 1626 Bau des Uhrturms 1802 Bau der Orgel um 1900 Schulbau 1909 Abschluss der Kommassation 1937 Bau des Gemeindesaals 1953 Elektrifizierung 1959 Gründung der LPG Einwohnerzahl etwa 1100 zufolge der Wald an der südlichen Hattertgrenze, der „Asdourn“, durch einen zweideutigen Eid an Schönberg fiel: Der Vertreter dieses Ortes habe geschworen, auf Schönberger Erde zu stehen — was auch stimmte: er hatte sich vorsorglich die Stiefel damit ge­füllt. Es gab auch eine Schönberger Version. Derzufolge sind die Schön­berger von den Jakobsdorfern auf die geschilderte Weise um die Harbach- Au gebracht worden. Man breitet sich später auch auf den Hattert von Nachbargemeinden aus und kauft sich 1619 von dem da­für zu entrichtenden Zehnten frei. 1669 leiht man den Merglern 200 fl., wo­für diese den Gläubigern den „Hewis“ überlassen. Abseits von der Heeres­strasse gelegen, hatte es weniger zu leiden als andere Orte. Vor einem Jahrhundert urteilte ein Chronist: „Doch so viel scheint festzustehen, dass Jakobsdorf von jeher eine stattliche Gemeinde gewesen sein muss, da es in der Stuhlversammlung im Range unmittelbar den beiden Märkten Gross­schenk und Agnetheln folgte ...“ Freilich hatte die Gemeinde inzwi­schen einiges durchgemacht. Die Sage berichtet von Pestzeiten, in denen ein Nachbardorf ausgestorben sein soll. Seine letzten Bewohner sollen in Ja­kobsdorf eine Heimstatt gefunden ha­ben. Aber von dem grossen Cholera­sterben in den dreissiger Jahren des vorigen Jahrhunderts weiss die Über­lieferung nichts zu berichten und auch von den verheerenden siebziger Diphte­­rie-Jahren nicht. Denn die Jakobsdorfer sind nüchterne Menschen und wenig traditionsgebunden: Nur in wenigen Dörfern verschwand der altväterliche Hausrat so früh und so gründlich wie hier, und paradoxerweise spielt die Tracht in dieser stadtfernen Ortschaft eine weit geringere Rolle als etwa in den Gemeinden um Sibiu. Für die Erhaltung des einzigen Bau­denkmals, der Kirchenburg mit dem für das obere Harbachtal typischen massiven Westturm, ist manches Op­fer gebracht worden, aber zum Bau der neuen Schule musste um die Jahr­hundertwende ein Teil der Vorburg­mauer doch abgetragen werden. Es wurde ein solides Gebäude, dessen Zinnen den Ortsfremden freilich stö­ren. Mehr Geschmack bewiesen Bau­meister und Bauherren, als sie 1937 den Gemeindesaal im Stil der Bauern­häuser bauten. Ein tüchtiger, fleissiger Menschen­schlag, etwas dickschädlig, aber intel­ligent — der Name „Studenten“ zeugt davon — und aufgeschlossen, suchten die Jakobsdorfer nach immer neuen Erwerbsquellen. 1906—1909 wurde der Boden kommassiert. Von der Ochsen­mast ging man zur Schweinezucht und Milchwirtschaft über. Der Jahrmarkt war der schönen Jakobsdorfer Pferde wegen bekannt und besucht. Die Klein­bahn erschloss das Harbachtal — auch wenn man bis Schässburg über drei Stunden fuhr. Heute errinnert nur das Stationsgebäude daran; der Transport läuft über das Asphaltband. Mit rund 1100 Einwohnern ist der Ort um kaum ein Zehntel grösser als um die Jahrhundertwende. Die Mehr­zahl der Bewohner arbeiten auf den Farmen des SLB oder sind Mitglieder der 1959 gegründeten LPG. Einige Dutzend pendeln ins nahe Agnetheln. Der Zug zur Stadt macht sich auch hier bemerkbar. Auch bei Schlechtwetter geht man trockenen Fusses durch das Dorf, da­für sorgen die 4,5 Kilometer Gehstei­ge. Mit der Elektrifizierung (1953) zo­gen Hörfunk und später Fernsehen in die Häuser ein. Heute zählt man fast 200 Rundfunk- und Fernsehge­räte. Rund 180 Zeitungen und Zeit­schriften finden den Weg ins /»Dorf. Die Gemeindebibliothek bietet 13 000 Bände an — die Jakobsdorfer stellen mehr als die Hälfte der Leser, also mehr als die anderen vier Dörfer der Gemeinde zusammengenommen. Hier spielt und sieht man gern Theater und zur Zeit der „Lehrerdynastie“ Martini gab es ausser der Blaskapelle auch ein Streichorchester. Jakobsdorf ist zwar als Luftkurort noch nicht entdeckt, aber für seine­in den Städten lebenden Enkel ist es dc-r begehrteste Ferienort — der schön­ste Fleck im Harbachtal. Alfred Fl ELK Heimatkunde Seite 8

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