Die Woche, 1972. Januar-Juni (5. évfolyam, 211-236. szám)
1972-06-23 / 235. szám
Oie Woche Nr. 235 / 23. Juni 1972 ţ Wache und reiche Sensibilität Atelierbesuch bei der bildenden Künstlerin Lidia Bogoş Lidia Bogoş ist dem Kunstpublikum und den Kunstkritikern in den letzten Jahren durch ihre ansprechenden Wandteppiche aufgefallen. Vor allem war es die Tapisserie mit den drei musizierenden Frauen, die den Titel „Jubiläumsgesang“ trägt und in der letzten Jahresschau der hiesigen bildenden Künstler zu sehen war, die besonderes Lob erntete. Wir suchten oie Künstlerin an ihrer Arbeitsstelle, in der Abteilung für Teppiche der Genossenschaft „Arta Sibiului“ auf. Als Chefdekorateurin entwirft sie Skizzen für handgeknüpfte Teppiche und Modelle für Stikkereien der attraktiven weissen Fellmäntel. Das ist ein Aspekt von Lidia Bogoş’ künstlerischem Schaffen. Die Graphikerin Lidia Bogoş erlebten wir dann bei der Filiale der hiesigen bildenden Künstler. Das Gesprächsthema lag auf der Hand: die Kunst, Tapisserien zu gestalten. Man weiss so wenig über diesen alten und doch so jungen Kunstzweig. Erst in der letzten Ausstellung der bildenden Künstler aus Sibiu wurde ihm zum erstenmal ein eigener Raum geboten. Seit der ersten Ausgabe der „Cibinium“-Festwoche im Jahre 1968, als Lidia Bogoş die Kunst-akademie „Ion Andreescu“ in Cluj, Abteilung Textilien, Klasse der Professorin Maria Ciupe, absolvierte und sich in Sibiu ansiedelte, stellt sie regelmässig bei jeder Jahresschau der Künstler aus. Ihr „Feuervogel“ — ihre bisher grösste Tapisserie, sie ist sechs Quadratmeter gross — war mit Tapisserien von anderen 30 Künstlern unseres Landes drei ■Jahre lang unterwegs. Von 1968 bis 1971 wurde die Ausstellung dekorativer Kunst aus Rumänien in Lateinamerika gezeigt. Seit 1968 bis 1972 sind unter ihrer Hand sieben Tapisserien entstanden: „Der Feuervogel“, „Zirkus“, „Festtag“, „Jubiläumsgesang“, Komposition I, Komposition II und „Blätter“. In derselben Zeit hat ein Graphiker oder Maler soviel Werke beisammen, dass er damit eine Eigenausstellung eröffnen kann. Ein Wandteppich entsteht aber viel langsamer. „Am ,Jubiläumsgesang’ beispielsweise habe ich ' drei Monate gearbeitet. Aber da hatte ich einen Termin einzuhalten“. Eine Tapisserie raubt, abgesehen von der grossen Materialinvestition, sehr viel Zeit. Aber eben weil soviel Arbeit an solch ein Kunstwerk verschenkt wird, liebt Lidia Bogoş gerade diese Kunstgattung. Die Genugtuung scheint ihr grösser zu sein. lst man da nicht Maler, wenn man das Modell entwirft, und danach einfacher Handwerker, der das Kunstwerk nach einer einmal festgelegten Skizze ausführt? „Das Wesen der Tapisserie muss beachtet werden. Man kann keine Malerei, die aus konturierten Farbflächen besteht, in eine Tapisserie Umsetzen. Die Farben müssen ineinander überspielen. Dieser feine Übergang vön einer Farbnuance zur anderen gelingt Zizi Frenţiu und Mimi Podeanu. Deshalb schätze ich diese beiden auch am meisten. Eine Farbcollage ist in der Tapisserie nicht wirkungsvoll. Wie ein Wandteppich entsteht? Zuerst ist also die Skizze da, auf welche die Farben eingetragen werden, und dann wird die Skizze in natürliche Grösse umgesetzt. Manche übertragen die Farben auch auf die grosse Skizze. Das ist aber doppelte Arbeit und ich erspare sie mir. Jede Farbnuance erhält eine Nummer, und dann kann mit der Ausführung begonnen werden. Ein Quadratmillimeter auf dem Papier ist ein Knoten in der Tapisserie. Man ist nicht einfacher Handwerker, denn während des Knüpfens ergeben sich notwendige Eingriffe, Retuschen. Erst wenn der Teppich fertig geknüpft ist, weiss der Künstler, ob sein Werk geglückt ist. Man kann sehr leicht die Übersicht verlieren, und Verzerrungen sind nicht ausgeschlossen. Dann werden Fäden herausgeholt und retuschiert.“ ’Lidia Bogoş arbeitet meist mit Wolle. Braun, Ocker, Grau zieht sie als Farbnuancen vor, jedenfalls keine leuchtenden, grellen Farben. Eines ihrer Lieblingsthemen ist die Musik. Diese Vorliebe stammt noch aus ihrer Mittelschulzeit, als sie das Lyzeum für bildende Kunst in Jassy besuchte und viel mit ihren Kollegen vom Musiklyzeum zusammen war. Auch rein dekorative Teppiche hat sie geknüpft. Doch wenn sie Wolle verwendet, gestaltet sie immer eine Thematik. Von den einfachen Läufern, die Lidia in ihrer Kindheit unter Anleitung ihrer Mutter am Webstuhl ausgeführt hat, bis zu ihren Bildteppichen ist ein weiter Weg. Jetzt leitet sie selbst an und sorgt dafür, dass die Heimarbeiterinnen aus Sălişte und Răşinari unverfälschte Volkskunst hersteilen. „Sehr gewissenhaft in der Ausführung sind die Teppichknüpferinnen aus Sălişte. Ihnen übergebe ich meine Entwürfe mit vollstem Vertrauen.“ Lidia Bogoş hatte Gelegenheit im Vorjahr, als Rumänien sich an der Ausstellung von Volkskunst- und Kunstgewerbeerzeugnissen in Florenz beteiligte, dort die alten italienischen Tapisserien zu bewundern. Denn diese Kunst ist alt. Ihr Ursprung liegt weit zurück. Vor allem in Italien florierte sie und geriet dann später in Vergessenheit. Dem Franzosen Lurgat kommt das Verdienst zu, diese Kunstgattung in unserem Jahrhundert belebt zu haben. Er hat ein wichtiges Zentrum gegründet, wo etwa 20 Weberinnen beschäftigt sind und für den Kunstmarkt Wandbehänge hersteilen. „Das sind Teppiche! Zehn Farbnuancen auf zehn Zentimeter!“ Lidia Bogoş kann begeistert von den naturalistischen Tapisserien der Medicis erzählen, von jenen, die in Lurgats Werkstätten entstehen, und von den Teppichen der Heimarbeiterinnen aus Sălişte. Über ihre eigenen erzählt sie nicht viel. Weshalb sie diese nicht signiert? „Das ist doch so unwichtig. Ein solcher Teppich soll zuallererst gefallen, das Auge erfreuen. Dann hat er seinen Zweck erfüllt, und es ist für den Betrachter ganz unwichtig, von wem er stammt.“ Ihre Wandteppiche sind vor allem für Institutionen gedacht, um diese intimer zu gestalten. Und Wärme, eine wache und reiche Sensibilität ist in all ihren Wandbehängen zu finden. Elke SIGERUS Oratorienkonzert Ein gelungenes Oratorienund Orgelkonzert wurde am vergangenen Sonntag in der Stadtpfarrkirche der Kreishauptstadt geboten. Zur Austragung kam, unter der Leitung Prof. Ernst Helmut Chrestels ein vielfältiges Programm barocker Musik. Besondere Erwähnung verdient die Landeserstaufführung von Antonio Caldaras „Magnificat“. Die Solisten waren: Christian Reich (Flöte), Annemarie Bielz (Sopran), Ernst Helmut Chrestel (Bass) und Ilse Maria Reich (Orgel). W. S. Vorarbeit zu einer rumäniendeutschen Presse-Geschichte Dr. Heinz Stänescus Anliegen: Die Kontinuität fortschrittlicher deutschsprachiger Presse-Tradition belegen Dr. Heinz Stänescu vom Bukarester Lehrstuhl für Germanistik hat sich bisher in zahlreichen Aufsätzen und Buchveröffentlichungen um die wissenschaftliche Erschliessung des rumäniendeutschen Literaturerbes verdient gemacht. Seine „Berichte“ und die Lyrikanthologie „Das Lied der Unterdrückten“ sind seinerzeit von der Kritik überwiegend gut aufgenommen worden. Vor allem für unsere Deutschlehrer erscheint in „Volk und Kultur“ die Artikel-Reihe „Literatur-Lexikon“, die hauptsächlich von Dr. Heinz Stänescu betreut wird und ausschliesslich dem einheimischen deutschen Schrifttum gewidmet ist. Wir sprachen mit Dr. Heinz Stänescu über seine kürzlich im Kriterion- Verlag erschienene bio-bibliographische Arbeit „Im Spiegel der Presse“. Welches Ziel haben Sie sich bei der Herausgabe der Sammlung „Im Spiegel der Presse“ gesteckt? Dr. Heinz Stänescu: Wenn wir heute darum bemüht sind, das rumäniendeutsche literarische Erbe neu zu werten, dem Leserpublikum, vor allem der Jugend, ein umfassenderes Bild über das einheimische deutsche Schrifttum zu vermitteln, so sehe ich nicht ein, warum die fortschrittliche deutsche Presse Rumäniens dabei ein Stiefkind sein soll. Pressestimmen sind ausgezeichnet dazu geeignet, kulturpolitische Kontexte vergangener Jahrzehnte zu verdeutlichen. Mir ging es bei ö'er Zusammenstellung des Bandes „Im Spiegel der Presse“ darum, die Kontinuität der fortschrittlichen, kämpferischen, sozialistischen Presse-Traditionen in der rumäniendeutschen Kultur dieser Zeitspanne (1893—1921) nachzuweisen. Die Kontinuität revolutionärer deutscher Lyrik bei uns habe ich im Band „Das Lied der Unterdrückten“ (1963) zu belegen versucht. Welche neuen Erkenntnisse bringt Ihre Anthologie sozialistischer Pressestimmen über das zu diesem Thema bisher Veröffentlichte hinaus? Dr. Heinz Stänescu: Erstmalig werden eine Reihe von fortschrittlichen Publizisten vorgestellt und: ins zeitgenössische Bewusstsein gehoben. Es war nämlich nicht immer einfach, die Autoren der Presse-Artikel zu ermitteln. Ich gehe im Vorwort des Buches darauf ein. Hier möchte ich bloss hinzufügen, dass die Leistung der einzelnen sozialistischen Journalisten jener Zeit — Josef Gabriel, Nándor Herczog, Koloman Müller, Johann Schuster-Herineanu u. a. — nur schlagwortartig festgehalten ist. In dieser Richtung gibt es für unsere Literatur- und Kulturforschung noch viel zu tun. Damit im Zusammenhang betrachte ich den bio-bibliographischen Anhang des Buches als einen Beitrag zur Erforschung der Geschichte der rumäniendeutschen Presse. Im Vorwort der hier diskutierten Veröffentlichung sprechen Sie von einem weiteren Pressestimmen-Buch. Was wird dieser Band enthalten? Dr. Heinz Stänescu: Ich arbeite zusammen mit Verlagslektor Michael Bürger, der auch den vorliegenden Band exemplarisch betreut hat, an einer Auswahl von Zeitungsartikeln aus der Periode 8. Mai 1921 bis 23. August 1944. Die letzte periodische deutschsprachige Publikation unseres Landes; die unter dem Einfluss der kommunistischen Partei vor der Befreiung erschien, war die Temeswarer „Neue Zeitung“. Sie wurde 1940 verboten. Denken Sie auch an ein drittes Buch dieser Art? Dr. Heinz Stänescu: Die Herausgabe einer Geschichte der rumäniendeutschen Presse wäre, wie schon Eduard Eisenburger, Emst Breitenstein und Bert Millitz festgestellt haben, eine begrüssenswerte Kulturtat. Meine bisherigen Arbeiten bieten gewisse Anhaltspunkte. Ein nächster Schritt wäre ein Band Me-morialistik von verdienstvollen Journalisten der älteren Generation. Ich denke an Georg Hromadka, der über das Reschitzaer Blatt „Das freie Wort“ (1932—1933) schreiben könnte, an Franyó Zoltán über seine Leitungstätigkeit an der Temeswarer „Arbeiter-Zeitung“, Ernst Breitenstein über die Anfänge der Presse nach 1944. Es gibt auch antifaschistische deutschsprachige Manifeste, die hier aufgenommen werden könnten. Memoiren antifaschistischer Kämpfer, wie Koloman Müller und Emmerich Stoffel, wären als Ergänzung eines solchen Bandes interessant. Einen wichtigen Beitrag könnten die Forscher aus Sibiu mit der Auswertung der Publikationen „Wahrheit“ und „Der Kampf“ liefern. Diese beiden Zeitungen sowie die dreisprachige Gewerkschaftspüblikation „Muncitorul“ (1934) sind erst wenig bekannt. Unter anderem auch deshalb, weil die Beiträge selten signiert sind. Wir danken Ihnen für das Gespräch. (Das Gespräch führte Walter ENGEL) Kultur „Sieh jene Kraniche in grossem Bogen“ Werner Schuller, geb. 1939 in Petersdorf bei Sebeş-Alba. Germanistikstudium 1960—1965 in Cluj, gegenwärtig Deutschlehrer in Zagär (Kreis Mureş). Begann 1968 Gedichte zu schreiben und debütierte im gleichen Jahr in der .Karpatenrundschau“. Veröffentlicht selten, „weil es ihm schwerfällt, Gedichte zu schreiben“, wie er es selbst formuliert hat. WERNER SCHULLER Der misse Flieder wieder Im Garten blühend Flieder. O weisser Flieder deiner Glieder! Am Wegrande roter Mohn. Roter Mohn verblutet schon. Nun blüht die blaue Aster Ernüchterung. Desaster. Im Garten blüht der Flieder. Der weisse Flieder wieder. Grasnarben Grasnarben schliessen der Landschaft offene Wunden und auch unbegangene Wege zwischen mir und dir. In kühlerem Hauch der Graszeit bergen wir Erinnerungen an Wälder die abgebrannt sind und auch die Schlüsselblume. Trägt die Wahrheit. . . Trägt die Wahrheit ihr Fleisch zu Markte, findet sie reissenden Absatz. Dem, der später kommt, dem bleiben die Knochen: daran kann er sich die Weisheitszähne ausbrechen. Seite 7 Prägnanz und klangschöne Strahlkraft Gastkonzert des Mediascher Schülerchors mit Ernst Irtel Mittwoch, den 14. Juni, gastierte der gemischte Chor des Lyzeums „Axente Sever“ aus Mediasch unter der Leitung von Prof. Ernst Irtel in der Zibinsstadt. Trotz der Sturmflut musikalischer Ereignisse, die kurz vor Saisonschluss noch eingesetzt bat, trotz Schulschlusspanik und Europafussballmeisterschaften im Fernsehen zeugte der überfüllte Philharmoniesaal von dem Renommee, das Prof. Ernst Irtel und sein Schulchor durch wiederholte Konzerte in unserer Stadt geniesst. Der Chor, der vom Rundfunk und Fernsehen des öfteren schon zu Aufnahmen herangezogen wurde, hat in der Tat ein für ein Schülerensemble selten hohes Niveau. Durchschlagende. Strahlkraft, äusserste Sauberkeit und eine vorbildliche Aussprache verraten das Werk des umsichtigen Stimmbildners. Prof. Ernst Irtel ist bestrebt, dem Chor mit weitausholenden leidenschaftlicher, fast überschwenglicher Gestik ein Höchstmass an Ausdruckskraft abzuringen. Man weiss nicht, ob man es bedauern oder begrüssen soll, dass ein solch trefflicher Chorpädagoge Riesenenergien in die musikalische Erziehung immer neuer Schülergenerationen investiert und nie an einen grossen Chor herankommen konnte. Die mi treissende Begeisterung, mit der die Schüler singen, dürfte der schönste Dank für den Erzieher sein. Ein erster Höhepunkt des Abends nach Chirescus „Partid, pavăza mea“ und nach Beethovens mächtigem „Die Himmel rühmen“ war der Freiheitschor aus Handels Festoratorium, der von dem grossen Chor mit unwahrscheinlicher Prägnanz und Leuchtkraft gebracht wurde. Ein etwas verkleinerter Chor sang anschliessend Madrigale eines unbekannten Meisters des XVI. Jahrhunderts und von. Heinrich Isaac („Innsbruck, ich muss dich lassen“) sowie Ion Vidus neckischen Chor „Vraja“. Grossen Anklang fand besonders die stimmungsvolle Vertonung Irtels des Stormschen Gedichtes „Es ist ein Flüstern in der Nacht“, mit seiner spannungsvollen Harmonik uno> mit seinem ängstlich ringenden, unheilverkündenden Rhythmus. Irtels stimmbildnerische Bemühungen haben es immer noch zu Sololeistungen der Schüler gebracht. Diesesmal hörten wir den sympathischen Zehnklässer Hermann Klaus — mit Mozarts „Ridente la calma“ und Haydns „Ein kleines Haus“, — dessen angenehmer Tenor eine weitere Entwicklung hoffen lässt. Den Abschluss bildete erneut der grosse Chor mit Irtels bekenntnishaftem Kanon „Deiner Sprache, deiner Sitte“ und dem Orchesterkanon, einem amüsanten Quodlibet in rumänischer und deutscher Sprache. Gewissermassen als Gastgeschenk einer jüngst geknüpften Freundschaft boten die Schüler des hiesigen Musiklyzeums zwei Instrumentaleinlagen, und zwar Johann Christian Bachs „Quintett Opus 11“ und Haydns beliebte Streicherserenade mit Adelina Opreanu als feinsinniger Solistin. Es soll der Auftakt zu einer geplanten Zusammenarbeit zwischen dem Mediascher Schülerchor und dem Orchester des hiesigen Musiklyzeums sein. Heinz ACKER