Gutenberg, 1931 (Jahrgang 13, nr. 1-52)
1931-01-02 / nr. 1
GUTENBERG Erscheint jeden Donnerstag mit dem Datum dus nächstfolgenden Tages. — Einzelnummer 80 h. — Zuschriften werden nur frankiert angenommen. Nichtversiegelte Reklamationen sind portofrei und sind an die Expedition zu richten. Manuskripte werden nicht retourniert. ZEITSCHRIFT FÜR BUCHDRUCKER. UND VERWANDTE INTERESSEN IN DER CECHOSLOWAKISCHEN REPUBLIK Redaktion: Prag II., Smecky 27 n. — Administration: O. Kinsky, Prag II., Smecky 27 n. Expedition: Grafia, Arbeiterdruckerei, Prag II., Myslikova 15 n. — Annoncen werden bei der Administration angenommen und mit K 2'— pro Petitzeile berechnet. Bei öfterer Insertion Rabatt. XIII. JAHRGANG. Prag, den 2. Jänner 1931« INV- c. 35> 223 Wlimmer *• EIN NEUES JAHR! 1931! Für 300.000 arbeitslose Menschen in der Tschechoslowakei, für ungezählte Millionen in den anderen Staaten der Welt mag das letzte Weihnachtsfest kein Fest der Freude gewesen sein, konnte es auch nicht sein, denn wo Not und Sorge zu Gaste ist, da hat die Freude kein Verweilen. Das alte Jahr hat einen düsteren Abschied genommen und düster beginnt das neue. Der Fortschritt der Technik ist für Millionen Menschen, die das schwere Los der Arbeitslosigkeit tragen müssen, zum Fluche geworden, ohne dass aber die Hüter der heutigen kapitalistischen Wirtschaftsordnung das Versprechen geben könnten, daß es in der Zukunft eine Wendung zum Besseren gäbe. Und es ist das Unheimliche der jetzt bestehenden Krise der Wirtschaft, daß sie über alle Kontinente hinwegstreicht, alle Teile der Erde erfaßt hat und Landwirtschaft wie Industrie gleichermaßen in Bedrängnis bringt. Es ist das Verhängnisvolle unserer Zeit, daß die Bekämpfung der Krise noch immer mit den alten Mitteln, nach den alten Methoden vorgenommen wird. Man hat zwar schon die Ursachen der Wirtschaftskrise selbst von bürgerlicher Seite aufgedeckt, man hat nachgewiesen, daß der technische Fortschritt, die Rationalisierung, die ungeheure Ausnützung der Maschinen Arbeitskräfte freisetzen muß. Man hat auch nachgewiesen, daß die Kaufkraft des Nominallohnes der Arbeiter in den meisten Gewerben und Industrien lief unter den Ziffern früherer Zeiten liegt. Man weiß das alles, aber trotzdem glaubt man, das Elend der Massen, die Arbeitslosigkeit, in althergebrachter Art bannen zu können. Die Landwirtschaft kann ihre Produkte nicht verkaufen, weil die einheimische Bevölkerung nicht kaufen kann. Also werden die Grenzen durch weitere Zollerhöhungen gesperrt, der Handelsvertrag wird gekündigt, damit auch unsere Industrie nicht ausführen kann. Die Massenproduktion der rationalisierten Industrie übersättigt den Markt, der Absatz stockt. Statt die Kaufkraft der Bevölkerung, soweit sie Lohn- und Gehaltsempfänger sind, zu erhöhen, wird das Heer der Arbeitslosen vermehrt und das Heilmittel in einem Lohnabbau gesehen. Der technische Fortschritt macht die Menschenkraft mehr und mehr entbehrlich, die sinnreiche Maschine leistet das Vielfache dessen, was vordem das Handwerk in mühseliger Arbeit erzeugen konnte: Die erzeugten Massenartikel werden nicht billiger verkauft, denn das läßt der Profitinstinkt nicht zu, daher standardisieren Kartelle und Interessengemeinschaften der Industrie die Preise auf gewohnter Höhe, legen Betriebe still, schalten die Konkurrenz aus. Der Absatz stockt, die inländischen Käufer können nicht kaufen, die ausländischen Märkte sind durch Zollschranken versperrt. Die Preissenkungen sind minimal, so daß sie keine absatzfördernde Wirkung haben können. In den Reden der Minister kommt Optimismus zum Ausdrucke, wenn sich diese mit der Krise befassen. Das ist aber ein schwacher Trost, der von der Wirklichkeit nicht bestätigt wird. Die Wirtschaftspolitiker gehen die Krise und ihre Folgen mit dem alten Rüstzeug ihrer Wissenschaft an. sie gehen an den neuen Problemen einer neuen Zeit geflissentlich vorüber, die ihre kunstvoll aufgebauten Theorien über den Haufen werfen. Nur vereinzelt bricht sich in den Kreisen der sogenannten »Wirtschaftsführer« die Vernunft Bahn und es wird erkannt, was notwendig ist, um der kommenden Katastrophe zu entgehen. Die kapitalistische Wirtschaftsordnung ist ein fortwährendes Taumeln aus einer Krise in die andere. Es kann ja auch gar nicht anders sein, wenn die Produktion sich nicht dem Bedarfe anpaßt, nur auf dem individuellen Gewinnprinzip aufgebaut ist. Wenn man dies auch noch nicht zugestehen will, so zeugt dort die Wirklichkeit unverkennbar dafür, daß die einstmals als abstrakt angesehenen Theorien des Sozialismus Eingang in das Gefüge der kapitalistischen Wirtschaft finden, die Regellosigkeit von der Planmäßigkeit verdrängt wird. Nur der Sozialismus, die reine vernunftgemäße Wirtschaftsordnung, kann Rettung aus dem Chaos bringen, in das der Kapitalismus gelangt ist, ohne Aussicht zu haben, jemals wieder mit heiler Haut aus ihm herauszukommen. Sozialismus ist die Zukunft, die gerechte Ordnung in Gesellschaft und Wirtschaft. Man gibt nicht zu, daß die Rationalisierung eine Verkürzung der Arbeitszeit zur Folge haben muß, um die Arbeitslosigkeit zu verhindern. Man gibt auch nicht zu, daß Massenproduktion durch die Maschine eine Verbilligung der Herstellungskosten und dadurch eine Preissenkung herbeiführen muß. Man gibt auch nicht zu, daß das freie Spiel der Kräfte in Produktion und Wirtschaft dem notwendigen Bedarfe angepaßt werden muß. Man gibt auch nicht zu, daß nur hohe Löhne im Inlande den Absatz aller Bedarfsprodukte erhöhen können. Das eben begonnene neue Jahr läßt keine Hoffnung zu, daß es besser werden wird als das vergangene. Gegen den Fortschritt der Zeit in Technik und Wissenschaft kann nicht mit den alten Mitteln angekämpft werden. Die alten Theorien haben ihre Unzulänglichkeit bereits erwiesen, sie haben ins Chaos geführt, aus dem es kein Entrinnen gibt. Durch ein Meer von Blut und Tränen mußte die Menschheit gehen, um den Frieden schätzen zu lernen. Durch Not und Elend ungezählter Millionen muß die Menschheit, die arbeitende Bevölkerung, in der nächsten Zeit gehen, um zu erkennen, daß der Kapitalismus und seine gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung abgewirtschaftet hat. Nichts auf Erden hat dauernden Bestand. Eine neue Zeit braucht neue Formen in allem, was dem Fortschritte zu dienen hat. Das Alte, das vom Fortschritte Überholte, muß verschwinden. Neues muß an dessen Stelle gesetzt werden. Das Neue kann nichts anderes sein als die sozialistische Ordnung, die wahre Menschlichkeit zum Inhalte hat, die Gerechtigkeit in allem und jedem bedeutet. Für den Sozialismus muß unser Kampf gehen, denn nur er allein ist imstande, die Not der Unterdrückten, der Ausgebeuteten zu verhindern, Arbeit und dadurch Brot allen zu geben, die arbeiten wollen, aber nicht können, weil die Gewinnsucht sie aus dem Produktionsprozeß ausschaltet. Der Sozialismus ist die Zukunft, das Wohlergehen aller Menschen. Jahreswende! Auf springt das Tor — Blicke — zahllos — starren gebannt Hin ins Neue: Unbekannt. Zukunftsfragen drängen hervor — Menschen stehen still und harren Einer Antwort. — Narren — Narren ... Jahre kommen und Jahre geh’n Ohne Ziel. — Auf endloser Bahn Reiht sich eins dem andern an. Inhaltslos das ganze Gescheh’n — Ewig nur ein stetes Gleiten Fort in rätselhafte Weiten. Erfurt. »So nur findest du dein Glück1 Hin zum Reich der Lieb■ > Verlau Deiner Kraft — Und nicht dem Geschick So nur findest du dein Glück. So entsteht dein stolzester Bau: Allen Menschen wird beschieden Daseinsfreude, Freiheit, Frieden. Volk! Ein unerbittlich’ Muß Bleibt dies Schweigen — stumm die Zeit. Eigenschicksal — Freud’ und Leid — Liegt in deinen Händen. Der Kuß Der Parzen hier auf Erden Muß von dir erobert werden. Volk der Arbeit! Streb' zum Licht! Auf zur historischen Tat! Schaffe rüstig deinen Staat, Erfülle treulich diese Pflicht! Dränge unaufhaltsam weiter Vorwärts auf der Lebensleiter Franz Tepper. Freudigstes und bequemstes Arbeiten nur an INTERTYPE- und MIEHLE-Maschinen.