Gutenberg, 1933 (Jahrgang 15, nr. 1-52)
1933-01-06 / nr. 1
Nummer 1. GUTENBERG XV. Jahrgang. Arbeitslosigkeit und Arbeitszeitverkürzung. Das Internationale Arbeitsamt veröffentlicht soeben einen Bericht, der der am 10. Jänner 1933 in Genf zusammentretenden technischen Konferenz über die Verkürzung der Arbeitszeit als Beratungsgrundlage dienen wird. Bekanntlich sollen die Beratungsergebnisse dieser Konferenz der 17. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz unterbreitet werden, die am 31. Mai in Genf zusammentritt. Der Bericht behandelt die verschiedenen Seiten des Problems der Verkürzung der Arbeitszeit als Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Er bringt insbesondere die verschiedenen öffentlichen und privaten Maßnahmen und Methoden zur Verkürzung der Arbeitszeit und die damit gemachten Erfahrungen in einzelnen Ländern und Industrien zur Darstellung, um darauf eine Reihe von Schlußfolgerungen aufzubauen, die gegebenenfalls Gegenstand der in Aussicht genommenen internationalen Vereinbarung werden könnten. Es handelt sich diesmal bei der internationalen Arbeitszeitregelung nicht, wie beim Washingtoner Übereinkommen, um eine rein sozialpolitische Frage, sondern vielmehr um eine Frage von umfassendem wirtschaftlichen Einfluß. Noch stark umstritten ist die Frage, ob die internationale Regelung für die Dauer in Aussicht genommen werden soll, oder als eine vorübergehende und provisorische Maßnahme. Gegen die Arbeitszeitverkürzung als vorübergehende Maßnahme wird eingewendet, daß bei dem heutigen Stande der Technik selbst eine Wiederbelebung der gewerblichen Tätigkeit ein beträchtliches Maß von »technologischer« Arbeitslosigkeit übrig lasse. Aus diesem Grunde müsse die Arbeitszeitverkürzung mindestens teilweise als Dauermaßnahme in Aussicht genommen werden. Andere Vorschläge sehen die Schaffung eines ganzen Netzwerkes internationaler Übereinkommen zur Verkürzung der Arbeitszeit nach einzelnen Industriezweigen vor. Die Verabschiedung einer solchen Reihe von Übereinkommen würde jedoch zweifellos mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Schon aus diesem Grunde dürfte ein einheitliches Übereinkommen, das bald in Kraft treten kann, den Vorzug verdienen, abgesehen davon, daß bis heute eine internationale Verständigung über die Abgrenzung der einzelnen Industriezweige nicht besteht. In bezug auf die durchschnittliche Dauer der verr zten Arbeitswoche sind zwei wesentliche Vorschläge zu verzeichnen. Der eine fordert die Vierzigstundenarbeitswoche, der andere die Sechsunddreißigstundenarbeitswoche. Zweifellos würde jede Regelung, die nicht mindestens eine Begrenzung auf 40 Stunden wöchentlich mit sich bringt, dem Zweck des Übereinkommens nicht entsprechen. Dagegen weist der Bericht des Internationalen Arbeitsamtes darauf hin, daß die Begrenzung auf 36 Stunden wöchentlich für die Arbeitgeber ernste Folgen haben könnte, wenn die Löhne auf dem alten Stande bleiben sollen und auch für die Arbeitnehmer, wenn etwa die Löhne im Verhältnis zur Arbeitszeit ganz oder teilweise gekürzt würden. Unter besonderer Betonung dieser und einer Reihe anderer Fragen, die durchaus umstritten sind, gehen die Anregungen des Internationalen Arbeitsamtes über den etwaigen Inhalt des in Aussicht genommenen internationalen Übereinkommens dahin, daß die Regelung auf alle öffentlichen und privaten gewerblichen Betriebe, die mindestens 10 Arbeitnehmer beschäftigen, Anwendung finden soll. Ausnahmen sollen lediglich für Personen, die eine leitende oder eine überwachende Tätigkeit ausüben, oder die Vertrauensposten bekleiden, zulässig sein. Dabei wäre es vielleicht zweckmäßig, die Zahl der unter diesen Umständen vom Anwendungsbereich auszunehmenden Personen auf einen bestimmten Hundertsatz der im Betrieb beschäftigten Personen zu beschränken. Die Grundlage des Übereinkommens soll die Vierzigstundenarbeitswoche bilden. Dabei soll die Durchschnittsberechnung der Arbeitszeit sich im allgemeinen auf einen kurzen Zeitraum, beispielsweise vier Wochen, erstrecken. Sie soll ausnahmsweise für einen längeren Zeitraum, jedoch höchstens ein Jahr, zugelassen werden. Dabei soll jedoch die maximale tägliche Arbeitszeit nicht über die im Washingtoner Übereinkommen und im Übereinkommen für die Arbeitszeit im Kohlenbergbau vorgesehenen Grenzen hinausgehen. Die Verkürzung der Arbeitszeit auf durchschnittlich 10 Stunden wöchentlich kann auf folgenden Wegen erreicht werden: a) durch Erhöhung der Anzahl der Schichten, insbesondere Einführung des Vierschichtensystems zu je 6 Stunden bearbeiten, die notwendigerweise im ununterbrochenen Betriebe erfolgen müssen; b) durch entsprechende Anordnung der Schichten für andere Arbeiten, die in mehreren Schichten erfolgen; c) Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit durch Verringerung der täglichen Arbeitsstunden oder durch Verringerung der wöchentlichen Arbeitstage oder durch Einführung des Krümpersystems für Arbeiten, die in nur einer Schicht durchgeführt werden; d) Berücksichtigung der Arbeitsstunden, die infolge des jährlichen Urlaubs ausfallen; e) durch jede andere Art der Verkürzung der Arbeitszeit auf dem Wege der Gesamtvereinbarung, die eine öffentlichrechtliche Bestätigung erhält, vorausgesetzt, daß die im Übereinkommen vorgesehene durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit eingehalten wird. Ausnahmen sollen zugelassen werden bei Unfällen, dringlichen Arbeiten an den Maschinen oder den Betriebseinrichtungen, wenn höhere Gewalt vorliegt, ferner für Vorbereitungs- und Ergänzungsarbeiten bei Personen, deren Arbeit in besonderem Maße Unterbrechungen mit sich bringt. Ferner sollen etwa zulässige Überstunden allgemein begrenzt werden. Nach den Vorschlägen des Internationalen Arbeitsamtes könnte man drei Gruppen von Überstunden unterscheiden. Die erste Gruppe von Überstunden bleibt vollständig der Anordnung des Arbeitgebers überlassen. Die zweite Gruppe von Überstunden kann nur mit Zustimmung der Arbeitsaufsicht angeordnet werden, während die dritte Gruppe von Überstunden nur möglich ist auf Grund einer besonderen, zu diesem Zwecke geschaffenen Gesamtvereinbarung. Dabei wäre es zweckmäßig, für jede Art von Überstunden etwa den üblichen Lohnzuschlag von 25 Prozent vorzusehen oder gegebenenfalls den Überstundenzuschlag zu staffeln. Schließlich wären für eine Reihe Länder, die auch im Washingtoner Übereinkommen eine Ausnahmebehandlung erfahren haben, besondere Ausnahmen zu erwägen. Dies sind im großen und ganzen die vom Internationalen Arbeitsamt angeregten Grundlinien des in Aussicht genommenen Übereinkommens über die Verkürzung der Arbeitszeit in gewerblichen Betrieben. Gegebenenfalls könnte für die Arbeit im Handel und in den Bureaus ein besonderes Übereinkommen, das auf den gleichen Grundsätzen beruht, in Aussicht genommen werden. Eine außerordentlich wichtige Frage, die sich aus diesem Zusammenhang ergibt, ist die des Lohnausgleichs. Im allgemeinen ist bei früheren Übereinkommen, die eine Begrenzung der Arbeitszeit vorsahen, die Lohnfrage nicht behandelt worden. Dazu kommt, daß die Regierungen nicht über die notwendigen Mittel zur Regelung der Löhne auf nationaler Grundlage verfügen, und sich eine internationale Regelung daher von selbst verbietet. Dagegen kann im vorliegenden Falle die Internationale Arbeitskonferenz gegenüber dieser Frage nicht indifferent bleiben, insbesondere wenn die Durchführung des Übereinkommens zu der Befürchtung Anlaß gibt, daß das Realeinkommen der Arbeiter verringert werden könnte. Es darf in diesem Zusammenhang auch daran erinnert werden, daß die 16. internationale Arbeitskonferenz schon endgültig Stellung genommen hat, indem sie in der Entschließung über die Vierzigstundenarbeitswoche die Lohnkürzung mit der Begründung verurteilte, daß dadurch die Krise nur verschärft werde. Es wäre daher erwünscht, eine Empfehlung in Aussicht zu nehmen, die jede Lohnkürzung, d. h. jede Verschlechterung der Lebenshaltung der Arbeiterschaft, ablehnt. Der Bericht des Internationalen Arbeitsamtes zeigt die großen Schwierigkeiten, die der Schaffung eines internationalen Übereinkommens zur Verkürzung der Arbeitszeit, das auch praktisch durchführbar ist, entgegenstehen. Die ungeheure Arbeitslosigkeit in allen Ländern der Welt und das damit verbundene soziale Elend erfordern aber dringend, daß diese Schwierigkeiten im Interesse der Millionen von Arbeitslosen überwunden werden. IAA. Laibach (Slowenien) ansässigen und dort arbeitenden ausländischen Kollegen, die gegen den Willen des Zentralvorstandes in Agram in ihrer Existenz bedroht werden, dann vom Bericht über die Lohnbewegung in der Tschecho- Slowakei, über eine Veröffentlichung des französischen Verbandes hinsichtlich der Auszahlung des Viatikums und über die Meinungsäußerung des österreichischen Verbandes betreffend eine Geldanlage und die Beitragsregelung pro 1932. Die Fusion von drei bisher gegnerischen Gruppen in Sofia zu einem einheitlichen Verband der Buchdruckerarbeiter in Bulgarien wird mit großer Befriedigung zur Kenntnis genommen und die Hoffnung ausgedrückt, dieser Schritt möge zur endlichen und endgültigen Einigung unter der Bucharbeiterschaft Bulgariens führen. Der internationale Sekretär gibt einen ausführlichen Bericht ab über seine Besprechung mit dem Zentralvorstand des jugoslawischen Verbandes in Agram am 2. November bezüglich der Tarifverhandlungen und der finanziellen Lage. Die Kommission bringt dem Kampfe der jugoslawischen Kollegen volles Verständnis entgegen und begrüßt die Maßnahmen, die zur Ausgleichung von Einnahmen und Ausgaben getroffen wurden; diese Maßnahmen waren um so angebrachter, als finanzielles Eingreifen seitens ausländischer Bruderverbände zur Unmöglichkeit geworden ist. Das unkollegiale und ungewerkschaftliche Verhalten der Laibacher Filiale wird mit Entrüstung zur Kenntnis genommen und der Zentrale in Agram auch weiterhin jede moralische Unterstützung zugesichert. Der in den »Mitteilungen« erschienene Bericht über den Verbandstag des ungarischen Verbandes wird durch den internationalen Sekretär ergänzt und von der Kommission zur Kenntnis genommen. Die Kommission nimmt sodann einen Bericht entgegen über eine am 16. Dezember seitens des Vorsitzenden, Koll. Schlumpf, und des internationalen Sekretärs beim neuen Direktor des Internationalen Arbeitsamtes in Genf, Herrn H. B. Butter, gehabte Besprechung. Diese fand im Beisein und unter Mitwirkung des Genossen Staal statt und nahm einen für beide Teile sehr befriedigenden Verlauf. Die mit dem verstorbenen Direktor Albert Thomas gepflogenen guten Verbindungen sollen auch weiterhin unterhalten werden. Besonders eingehend wurde die Frage der Verkürzung der Arbeitszeit besprochen und es wurden verschiedene Maßnahmen ins Auge gefaßt. Über besonderen Wunsch wurde in Aussicht gestellt, daß die Zusammenstellungen über die Lebensmittelkosten seitens des Amtes in Zukunft wieder, und zwar in ergänztem Maße, fortgeführt werden sollen. Die da und dort aufkommende Praxis der Kündigung und der nachherigen Ausweisung von ausländischen Arbeitskräften, die schon lange ansässig sind, zugunsten von einheimischen Arbeitslosen wird ausgiebig behandelt und in Aussicht genommen, allen nachweislichen Auswüchsen in dieser Richtung energisch entgegenzutreten. Das Datum und der Ort für die Abhaltung der Frühjahrstagung der Erweiterten Sekretariatskommission zur Vorbereitung des XII. Internationalen Buchdruckerkongresses werden zuhanden der auswärtigen Mitglieder in Aussicht genommen. Internationales Buchdruckersekretariat Sitzung der Sekretariatskommission vom 19. Dezember 1932. Die Kommission nimmt vorerst Kenntnis von Berichten über die Lage in Palästina und über die Beitragsregelung seitens dieses Verbandes, über die Lage in Spanien, wo die Arbeitslosigkeit ebenfalls stark zunimmt, über einen Austausch von Korrespondenz mit dem Bureau der Prinzipals internationale hinsichtlich der Ausweisungen von schon lange in Die betrübende Nachricht von dem unerwarteten Hinscheiden des Kassiers der Typografická beseda und Obmannes des Wohltätigkeitsvereines, Koll. Josef Bauer, wird gewiß unsere ganze kollegiale Öffentlichkeit überraschen. Und sie hat auch auf die Kollegen überraschend gewirkt, die mit ihm in der Organisation mitgearbeitet, mit ihm tagtäglich verkehrt haben und von seinem Leiden zwar wußten, jedoch nicht ahnen konnten, daß diesem guten Kollegen, gewissenhaften und fleißigen Funktionär, der erst zwei Tage vor seinem unerwarteten Hinscheiden die Kanzleiräume der Typografická beseda, seinen Arbeitsplatz, auf dem er im Dienste der Organisation und deren Mitgliedschaft beinahe ein Vierteljahrhundert zugebracht hatte, verließ, der Tod auf den Fersen gefolgt war. Kassier der Typografická beseda war Koll. Bauer seit 1909, nachdem er schon früher als KOLLEGE JOSEF BAUER, Kassier der Typografická beseda und Obmann des Wohltätigkeitsvereines