Hermannstädter Zeitung, 1991 (24. évfolyam, 1202-1252. szám)
1991-01-04 / 1202. szám
NACHRICHTEN UND BERICHTE '^rmannstädter Zeitung Nr. 1202 /4. Januar 1991 Seite 2 Wir sind nicht allein (Fortsetzung von Seite 1) ändert. Wir beginnen lauter zu sagen, was wir wollen, wir fangen an, selbständig zu denken, selbständig zu handeln. Das ist nötig. Denn ob wir bleiben oder gehen, von uns wird selbständiges Denken und Handeln erwartet. Wir dürfen und sollen so sein, wie wird sind, die Gaben und Fähigkeiten einbringen, die wir haben. Mit das Schönste aber, das wir in diesem Jahr erlebt haben, war die Solidarität der Vielen, die uns Hilfe brachten oder anboten. Wir erfuhren Hilfe in Form von Unterstützungen, von Lebensmittel- -und Kleiderspenden. Dabei haben wir erlebt, dass wir viele Freunde naben. Das ist für uns wichtig. Denn .ie weniger wir werden, desto stärker macht sich das Gefühl der Einsamkeit und der Verlorenheit breit. Die vielen Freunde aber machen uns Mut, helfen uns auf und lassen un- ser Leben lebenswert erscheinen. Freilich helfen uns auch, diese Freunde nur begrenzt in unserer Zukunftsangst. Denn sie ist begründet. Wir wissen nicht, wie es weitergeht. Es gibt zwar Schätzungen, Statistiken, Pläne und Hoffnungen, aber wie es wirklich wird, weiss niemand. Srnen wir aber zurück, auf das abgelaufene Jahr, dann müssen wir v fcststellen, dass es nicht nur Grund zur Sorge, sondern auch zur Hoffnung gibt. Es ging dann doch aufwärts, wenn es auch schwer,* sehr schwer war. Und die Freunde, die zu uns kamen, haben uns neue Kraft zugesprochen, neuen Mut gemacht. Unser Hermannstädter Forum sieht auf ein reiches Jahr zurück Es ging hier aufwärts, trotz des starken Schrumpfens der Bevölkerung. Rund vierzig Leute haben hier haupt- und ehrenamtlich Dienst getan, sie haben ihre Kraft und viel Freizeit für die Gemeinschaft zur Verfügung gestellt. Im Forumshaus erleben wir täglich, dass wir. gebraucht werden, dass wir Freunde haben. Leider reicht unsere Kraft nicht aus, all denen zu helfen, die auf Hilfe wanen, und sei es nur auf ein Wort des Zuspruchs. Das grosse Erlebnis für alle, die hier arbeiten, aber ist: Wir sind nicht allein. Für die, die hier sind, lohnt es, sich einzusetzen. Die Gemeinschaft ist geschrumpft, die meisten Freunde sind weg — wo und mit wem feiern wir Silvester? Eine Frage, die in den letzten "Wochen manch sächsisches Gemüt bewegt hat. Rund 150 Hermannstädter Forumsmitglieder hatten sich entschlossen, den Jahreswechsel im DFDH-Saal zu begehen. Die Stimmung war gelockert, die Tanzmusik — vom Band — eher auf den Geschmack der älteren Semester zugeschnitten. Die Jugend, soweit vorhanden, hatte es sich in einem Nebenraum mit einer Gruppe Klagenfurter Studenten und Oberschüler bequem gemacht. Ein Herr in ihrer Begleitung (Bild links) gab zur Harmonika österreichische Lieder zum besten. Die Silvesterfeier beim Forum: ein kleiner Versuch, Tritt zu fassen auf einem Boden, der unter den Füssen wegzurutschen droht. Fotos: Reinhold GUTT Wird eine Ungerechtigkeit legalisiert? tFortsetzung von Seite H Vergangenheit an dieser Minderheit gerade zu legalisieren bestrebt ist? Zum Zeitpunkt der Kollektivierung — 1949 — besassen die Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben keinen Boden mehr. Das neue Bodengesetz ist aber so abgefasst, dass es die Besitzverhältnisse gerade aus diesem Jahr zur Grundlage der Bodenrückgabe nimmt und deswegen den Rumäniendeutschen die späte Wiedererlangung ihres Bodenbesitzes verweigert, zugunsten anderer Bauern, die mit dem unrechtmässig enteigneten und nur wenige Jahre genutzten Besitz in die Kollektivwirtschaft eintreten konnten. Wir sind der Meinung, dass eine demokratische Gesetzgebung nicht willkürlich die Stunde Null der Demokratie ansetzen darf, und dass sie ihre Prinzipien verrät, wenn sie Sondersituationen gleichmacherisch aus der Geschichte auszulöschen versucht.“ Nachtrag: Dieser Protest, der auch der ausländischen Presse und brieflich dem Staatspräsidenten und dem Premierminister zur Kenntnis gebracht wurde, sowie die zweimalige Intervention des DF DR-Abgeordneten Ingmar Brandsch im Parlament haben ihre Wirkung nicht verfehlt: Noch kurz vor Jahresende wurde in' der Abgeordnetenkammer ein Zusatz beschlossen, der auch den deutschen Landwirten das Recht zuspricht, Boden zu erhalten. .,unabhängig davon, wie sie ihren Besitz verloren haben und selbst dann, wenn er nicht in das Eigentum der Kollektivwirtschaft übergegangen ist“ (sondern, beispielsweise, den SLBs zugeschlaged wurde, die vorläufig nicht aufgelöst werden). Auf einige Bestimmungen des neuen "SJodengesetzes werden wir in einem Gespräch mit dem DFDR-Abgeordneten zurückkommen — voraussicht'i h in der nächsten Ausgabe dieser Zeitung. Ate der Weihnachtsmann kam... Heiliger Abend mit Überraschungen im Mädchenheim bei Tumu Roşu „Tante, schau, was für ein schöner Baum!“ Kleine Hände ziehen rechts und links an meiner Pelzjacke. Mit weit offenstehendem Mund und aufgerissenen Augen zeigen mir die Mädchen den schön geschmückten Weihnachtsbaum. Eine der Kleinen hüpft vor Preude. So reagieren eben Kinder. Bis zu diesem Punkt hätte sich alles in irgendeiner Schule abspielen können. Die abwehrenden Gesten — Arme schützend über den Kopf geschlagen — sobald eins Erzieherin näherkam, ernüchterten uns. Wir befanden uns am Hei’igen Abend im Festsaal des Mädchenheims in Turnu Roşu, wo es zum ersten Mal richtig festlich aussah: ein wundervoll gesehnt "ckter Christbaum stand vor der klemen Bühne, deren Vorhang noch zugezogen war. Unter dem Baum liebevoll angeordnete Bausteine aus Holz. Die 25 Tische waren mit weissen Tischd""ken gedeckt; jeder war mit einer schönen Kerze versehen und einem Teller mit allerlei Gebäck, das Hermrnnstf'dter gespendet hatten. D es einmalige Erlebnis hatte der junge Entwicklungshelfer Dirk Grünig o-ganDicrt, der seit September seitens des deutschen „Notärztekomitees“ an der Sanierung und Ausstattung des Heimes arbeitet. Als der Weihnachtsmann mühsam eintrat — gebückt unter der Läst des Sackes —, waren sowohl Limonade als auch Gebäck vergessen. Einige starrten ihn stumm an, andere heulten einfach los. Vor Angst oder vor Freude? per Weihnachtsmann — meisterhaft ge-pielt von dem Puppenspieler Dan Händoreanu — liess sie ihre Gefühle aust beit und sprach asnn langsam und klar mit ihnen. Ob sie vielleicht Gedichte gelernt haben, wellte er wissen. Gleich schnellten die Hände hoch. Und schon gab es die ersten Tränen, da nicht alle angehört werden konnten. Während die Mädchen Weihnachtelieder sangen, mit schönen klaren Stinfmen, wippten ihre Oberkörper hin und her, signalisierten Bedürfnis nach Zärtlichkeit. Wir mussten bestürzt erkennen: diese Kinder sind nicht so sehr geistig wie seelisch behindert Diese Kinder brauchen nicht eine „starke Hand“, sondern Zuneigung. Bloss die Erzieher wissen das nicht. Einige stehen tei nahmslos da, andere zerren an den Kindern, herrschen sie an und meinen, damit ihre Pflicht getan zu haben. Der Direktor der Anstalt verschwand noch vor dem Eintreten des Weihnachtsmannes, zusammen mit zwei Vertretern des Innenministeriums, das die Patenschaft des Heimes innehat. Sie seien gekommen um die Mädchen zu beschenken, erklärte uns der Vertreter der Polizei. Aber als er sah, dass schon Geschenke aus Deutschland angekommen waren, hätte er es sich überlegt: „Sie bekommen sonst zu viel!“ Was bedeutet „zu viel“ für Kinder, die bis jetzt kein richtiges Weihnachtsfest miterleben durften? Der Höhepunkt des erlebnisstarken Abends war, als tier Vorhang aufging und im Licht einer Stehlampe die schönen Geschenke zu sehen waren: Spielzeuge, Kuscheltierchen, Süssigkeiten. Gespendet wurden diese von Menschen aus Meerane (dem Geburtsort von Dirk), Parchim und Bruchsal aber auch von der Hermannstädter evangelischen Kirchengemeinde. Leider ging cs bei der Verteilung etwas chaotisch zu, der Weihnachtsmann hatte Mühe, da er ja jedes der 140 Kinder einzeln beschenken musste. Gab es auch Tränen, so hielten doch die meisten glücksstrahlend ihr Geschenk fest und zeigten es stolz vor. Als wir das Heim verhessen, standen die Mädchen an den Fenstern ihrer Schlafräume und winkten' dem Weihnachtsmann zu. Sie werden diesen Abend nicht so bald vergessen. Wir auch nicht. Beatrice UNGAR In der Hermannstädter Stadtpfarrkirche verdeckte ein riesiger Christbaum den Altar. Kinder spielten Szenen aus der Bibel. „Fürchtet Euch nicht!“ tönte eine glockenhelle Stimme durch die Halle. In der neunten Reihe sassen Professor Klemm und some Frau. Helga. Meistens gingen sie zum Gottesdienst in die Johanniskirche Von der Kornhauserstrasse Nummer Erei, wo Familie Klemm gewohnt hatte, war das näher. Zur Weihnachtsfeier waren sie aber in die Stadtpfarrkirche gekommen. „Fürchtet Euch nicht!“ ... Professor Werner Klemm ist am Heiligen Abend 1990 nicht mehr vo- d-‘m Weihnachtsbaum gesessen. Er ist am 19. Dezember, 81 Jahre alt, dahin gegangen, wo ewiger Friede herrscht. Werner Friedrich Heinrich Klemm wurde am 24. Juli 1908 geboren und besuchte in Aiud und Mühlbach die Volksschule Das Abitur bestand er 1928 am Brukenthalgymnasium in Hermannstadt. Während der dreissiger Jahre studierte der junge, begabte Werner Klemm in Jena, Klausenburg und Ein Anwalt dar Matyrschüfczor Zum Ableben von Professor Werner Klemm Berlin Biologie und Theologie. Er erlebte dann den Krieg und die Verschleppung nach Russland. Er wurde Lehrer und unterrichtete in Buşteni, in Kronstadt, in Hermannstadt. Er gründete eine Familie, aus der vier Kinder hervorgingen. Der H rmannstidter Pädagogischen Lehrerbildimgsanstalt galt sein jahrelanges Wirke« als Lehrer und Schulleiter. Die Umbauarbeiten des Ursulinenklosters zum ,.Päda“ wurden in dieser Zeit vorgenommen. Als Verd; nter Professor ging er in den Ruhestand. Als junger Rentner unterhielt Professor Klemm einen ganz p-iva* m, freien Studienk-eis in der Laube des Gartens Kornhauserstrasse Nummer Drei. Der durch seine beharrliche Tsog.. keit als Nat’Tkund’.er, Ökologe. irer, vor allem aber als Ornithologe erkannte und international ges " Wissenschaftler hat in verschie Sprachen über 200 Studien ve-> fl licht, wobei er die Anliegen d r Vogelkundler und der Naturschützer zur Sprache brachte. Er hat das Netz der Beziehungen in der heutigen Umwelt im Sinne der Erhaltung der A-*“n, im S nne der Vielschichtigkeit un-' der Verst ocktheit darg steüt, und trotz.fern schien das alles so einfach, so klar aus dem Munde und den Beiträgen des Lehrers. Er war erfolgreich bemüht Vorläufern, die ihr Leben .werk noht Ijeenden konnten, zur P ibtikation *u verhelfen. So veröffentlicnie er ..Die Ornis Siebenbürgens“ von unserem Ornithologen Hans Salmen. UntermVzt vom Keener Vogelkundier Stefan Kohl brachte er seine eigenen Bemo-k ngen zu diesem Werk seines Vor gär jo-s als umfang-eichen Ergänz” igskand mit einer neuen Übersicht über d.e gesamte Vogelwelt Siebenbürgens heraus. Stets war Werner K’emm bemüht, sich auch in der P-a\ s zi engas? eren. D.eses brachte ihm das Ehmnum* eines Kustos der Naturschutzkomm <-s nn Rumäniens ein In dieser Eigens-haft hat er jahrelang im Donaudelta naen dem Rechten gesehen und — leider nur m:t begrenztem Erfolg — versucht, gegen die vielen schädlichen Eingriffe n dieser einzigartigen Landschaft zu wirken. Doch auch in Siebenbürgen war er immer wieder anzutreffen wo er beispielsweise die Fauna bei den neuen Fischteichen von Salzburg untersuchte oder Storchzäblungen vornahm. 198" vanderte er in hohem Alter in die Bundesrepublik Deutschland aus. Be; mernem vorletzten Besuch bei Professor Werner Klemm hatte er, n der ihm vertriebenen Wohnküche wo denhodi die Schreibmaschine den Mittelpunkt bildete, einen Adler in Kost und Quartier. Der Adler hatte sich e'nen Flüge! gebrochen. Ausflügler hatten das Tier zu „Vogel-Klemm” gebracht, zu wem auch sonst? Und Werner Klemm gab dem jungen Vogel das Fleisch aus seinem Teller. E- verband den Vogel, sprach mit ihm, und schliesslich verhalf er ihm wieder in die Freiheit. Wolfgang FUvJHS