Hermannstädter Zeitung, 1997 (30. évfolyam, 1510-1555. szám)
1997-02-07 / 1510. szám
aink Eine Kirche ohne Gemeinde? Von der Burgberger Kirche könnte man's fast behaupten. Zu den Gottesdiensten am Sonntag fahren die zwanzig Evangelischen aus dem Ort ins benachbarte Rothberg. Die 1230 gebaute romanische Basilika gehört zu den ältesten in Siebenbürgen und wurde Ende des 15. Jahrhunderts befestigt. Heute ist sie bloß umzäunt, nur ein befestigter Turm ist noch vorhanden. Foto: Reinhold GUTT „Wir müssen nicht weglaufen" In Burgberg hat ein sächsischer Bürgermeister das Sagen Im wahrsten Sinne des Wortes links liegengeblieben ist Burgberg (rum. Vurpär) im Harbachtal, seit 1991 die Schmalspurbahn nicht mehr fährt, die das Dorf mit der Haupt- und Hermannstadt verband. Denn die Gemeinde liegt in einem linken Nebental des Harbachtals - von Hermannstadt aus gesehen. Die Holztransporte wurden von der Schiene auf die Straße verlegt, und die Bewohner sind auf die Überlandbusse angewiesen, die leider am Wochenende ausfallen. Links liegengelassen wurde Burgberg auch von den Autoren des „Lexikons der Siebenbürger Sachsen". Dabei war die 1296 erstmals als villa heoholm urkundlich erwähnte sächsische Gemeinde immerhin die „Wiege" weiterer drei Ortschaften im Umkreis: Thalheim, Rothberg und Neudorf, die von Burgberg aus besiedelt wurden. Burgberg war auch später eine stattliche und wirtschaftlich solide Gemeinde. Man erinnert sich auch heute noch im Dorf an die Zeiten, als hier Fleischrinder für Österreich und Italien gemästet wurden. Der gelernte Bäcker Michael Lienerth (40) will sein Dorf wieder zu Ehren bringen. Er wurde im Mai 1996 mit 85 Prozent aller Stimmen zum Bürgermeister gewählt. Die anderen sechs Kandidaten hatten gegen ihn keine Chance. Und das, obwohl von 2.210 Bewohnern (Fortsetzung auf Seite 4) Zuerst ein Fleckchen, dann ein Häuschen Wie eine Hermannstädterin Haus und Hof zurückerwarb und von dem Richter, der ihr dazu verholfen hatte, nach allen Regeln der Kunst hereingelegt wurde Frau Adele ist ganz begeistert, was für nette Nachbarn sie im Haus entdeckt hat. Die Neuen oben im Stock, Dumitru und Maria, arbeiten im Staatsdienst; er ist Chef jurist des Bürgermeisters, sie ist beim Finanzamt beschäftigt. Einfache Leute vom Dorf, aber tüchtig und sehr nett. Man trifft sich öfter zu einem gemütlichen Plausch in der Wohnung von Frau Adele, die alte Dame freut sich auch, wenn die Nachbarn Besorgungen in der Stadt für sie erledigen oder sie gelegentlich mit dem Wagen herumkutschieren. Im Herbst 1992 bot Maria Frau Adele an, ihr beim Rückerwerb des 1950 natio-nalisierten Hauses behilflich zu sein. Herr Dumitru, der im Prozeß den Staat vertreten würde - argumentierte Maria -, müsse nur schlecht plädieren, und Frau Adele würde gewinnen. Das leuchtete der alten Dame ein, und verwerflich fand sie das auch nicht, schließlich hatten die Kommunisten ihrem Mann, einem angesehenen Arzt, das Haus damals mit einem Federstrich und völlig unrechtmäßig weggenommen. Gesagt, getan. Frau Adele solle sich nur mit einer Kleinigkeit erkenntlich zeigen: einem Eckchen des Gartens (250 Quadratmeter), wo die häßlichen Hüh-nerställe und improvisierten Garagen der Mieter stehen und wo die netten Nachbarn sich „ein kleines Häuschen" bauen wollen. Diese Übereinkunft wird, wie es sich gehört, auch schriftlich fixiert. Frau Adele überläßt das Papier ihren, ach, so hilfsbereiten Nachbarn. In ihrem grenzenlosen Vertrauen übergibt sie dem ehrenwerten Beamtenpaar nicht nur dieses, sondern ihre sämtlichen Papiere und Hausakten und läßt sie schalten und walten. Sie ahnt nicht, in welche Falle sie gelockt wird und kann heute auch nicht (Fortsetzung auf Seite 5) SUM Mastschweine nach EU-Standard (Seite 7) Hermannstädter Deutsches Wochenblatt Erscheint jeden Freitag in Sibiu/Hermannstadt, Rumänien Nr. 1510 / 30. Jahrgang 7. Februar 1997 8 Seiten, Preis 500 Lei Rumäniens letzte Chance 13 Prozent Haushaltsdefizit / Victor Ciorbea zur Lage der Nation Premierminister Victor Ciorbea machte am vergangenen Donnerstag auf einer Pressekonferenz Aussagen, die einer gewissen Dramatik nicht entbehren. Die Nation gebe mehr aus, als sie produziere. Das habe die neue Regierung zwar schon vor ihrer Amtsübernahme gewußt, aber das wahre Ausmaß der Mißstände habe sie erst jetzt erkannt. Das Defizit des Staatshaushalts 1996 (der 20.000 Milliarden Lei ausmachte) betrug am Jahresende 13 Prozent. Das sind nach unserer Berechnung 2.600 Milliarden Lei. Aufgeteilt auf die 22 Millionen Einwohner Rumäniens wären das Ende 1996 118.000 Lei Schulden pro Person. Ciorbea zeigte in seinem Bericht die wichtigsten Ursachen der katastrophalen Lage auf. Die Regierung Văcăroiu habe unpopuläre, im Wahljahr 1996 fällige Maßnahmen wie die Erhöhung des Strompreises und der Preise auf der Eisenbahn aufgeschoben. Dadurch erwuchsen der nationalen Eisenbahngesellschaft im Jahr 1996 Verluste in Höhe von 1.700 Milliarden Lei, und der Stromerzeuger RENEL verliert bis auf den heutigen Tag 5 Milliarden Lei täglich. Zudem war die Regierung Văcăroiu den zahlungsunfähigen Betrieben gegenüber sehr kulant: Bis zum 30. Juni 1996 hätten diese insgesamt 16.000 Milliarden Lei an den Staatshaushalt abführen müssen. Überwiesen wurde etwas mehr als die Hälfte der Summe. Die säumigen Zahler blieben unbestraft. Wegen der Verkettung der Industriebetriebe zieht die verspätete Bezahlung eines Lieferanten eine Kette von Zahlungsaufschüben an die Unterlieferanten nach sich. (Unser Beispiel dazu: Wenn der Autohersteller Dacia Piteşti die von Compa Hermannstadt bezogenen Spiralfedern nicht bezahlt, kann Compa den in Câmpia Turzii hergestellten Draht nicht bezahlen.) Auf diese Weise betrugen Ende 1996 die Zahlungsrückstände an Lieferanten, Banken und Staat insgesamt 28.000 Milliarden Lei. Das sind nur einige der Zahlen, die Ciorbea in seinem Bericht erwähnte, den er selbst die „schwarze Chronik der Volkswirtschaft" nannte. Die Diagnose hat er gestellt, doch über die Behandlung des Patienten wollte sich der Premierminister nicht genauer auslassen. Der einzige Ausweg aus der Krise sei eine schmerzhafte Roßkur mit mehr Arbeit und weniger Feiertagen. Das sei die letzte Chance für Rumänien. Er versprach, daß dies die letzten Entbehrungen sein würden, welche die Rumänen zu ertragen haben werden. „Wie bisher so zu tun, als würden wir Reformen machen" sei kein gangbarer Weg. Der Premier bezog sich in seinem Bericht nur auf Fehler der abgelösten Regierung, nicht auch auf die aufsehenerregenden Finanzaffären der letzten Zeit. Paradebeispiel ist die Klausenburger Dacia Felix Bank, der 600 Milliarden Lei abhanden gekommen sind. Das Geld wurde auf Umwegen im Ausland deponiert. Es ist offensichtlich, daß die von Privatpersonen aufgezogenen betrügerischen Geschäfte durchaus ins Gewicht fallen. Die von Präsident Emil Constantinescu vor zwei Wochen ausgelöste Großaktion zur Bekämpfung der Korruption könnte schon dadurch zur Gesundung der Wirtschaft beitragen, als sie verhindert, daß große Summen spurlos verschwinden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Staat, ein Bankkunde oder eine staatliche Gesellschaft betrogen werden: Für die Verluste muß letztlich der Steuerzahler aufkommen. Wolfgang FUCHS Fünf Jahre deutschrumänischer Vertrag Hermannstadt. - Zur Fünf-Jahr-Feier der Unterzeichnung des deutsch-rumänischen Vertrages über Partnerschaft und Zusammenarbeit in Europa - geschehen im April 1992 in Bukarest durch die damaligen Außenminister Hans- Dietrich Genscher und Adrian Nästase - findet am 30. April 1997 in Bukarest ein deutsch-rumänisches Wirtschaftsforum statt, zu dem Bundesaußenminister Klaus Kinkel, eine Gruppe Bundestagsmitglieder und rund 50 Vertreter der deutschen Wirtschaft anreisen werden. Für den 2. Mai ist in Temeswar - ebenfalls zur Feier der Vertragsunterzeichnung - ein Podiumsgespräch über die Rolle der deutschen Minderheit in Rumänien geplant. Als Diskussionsredner wurden u. a. Mathias Rüb von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die Münchner Rumänien-Expertin Anneli Ute Gabanyi, der Rumänien-Berichterstatter des Europarats Gunnar Jansson, der DFDR-Landesvorsitzende Paul Philippi, die SPD-Vizepräsidentin Renate Schmidt und das Bundestagsmitglied Hartmut Koschyk eingeladen.