Hermannstädter Zeitung, 2016 (49. évfolyam, 2462-2510. szám)

2016-01-08 / 2462. szám

Hermannstädter Zeitung Nr. 2462/8. Januar 2016 GESELLSCHAFT Wie war das erste Jahr als Her­mannstädter Bürgermeisterin? Es war ein interessantes Jahr, ein Jahr mit Höhen und Tiefen, mit seinen Erfüllungen und mit seinen Plänen, die nicht umgesetzt werden konnten. Aber unter dem Strich war es ein gutes Jahr! Sie haben ja nicht nur den Wech­sel von dem einen in das andere Büro gemacht, sondern auch wirk­lich einen Verantwortungswechsel, der ja sehr groß war. Wie ist das ge­laufen, wie war dieser Anfang für Sie? Es war ein ganz großer Wech­sel. Anfangs gibt man sich nicht Rechenschaft, wie groß der Unter­schied zwischen der einen und der anderen Funktion ist. Die Verant­wortung ist unvergleichbar, das ist ein anderer Aspekt, der dazu­kommt: Als Bürgermeister trägst du für alles die Verantwortung. Jetzt kann ich besser verstehen, was das heißt, wenn man immer an der ers­ten Stelle steht. Auch für das Gute, für das Schlechte? Für alles, auch wenn ein Stein nicht gut steht in der Stadt, dann ist der Bürgermeister Schuld. Oder wenn der Wind zu steif geht, oder der Müll verweht, dann hat der Bür­germeister Schuld. Auch am Guten natürlich, das wird ihm auch zuge­schrieben, aber an allem, das nicht gut läuft, trägt der Bürgermeister die Schuld. Auch wenn es nicht zu seinem Aufgabenbereich gehört. Sie sind an der Seite von Klaus Johannis in dieses Amt gewachsen. Wie sehr hat das geholfen? Das war entscheidend. Es war eine gute Schule für mich und auch heute vergeht kein Tag, an dem ich nicht daran denke, wie Klaus Johan­nis an meiner Stelle handeln würde. Ich richte mich oft danach, weil ich ein sehr aufmerksamer Beobachter war und eine gute Schülerin. Aus dem Grund fällt es mir jetzt auch viel leichter. Ohne diese gute Schule wäre es für mich viel schwerer ge­wesen. Welches sind die Arbeitsschwer­punkte im Jahr 2015 gewesen? Wel­ches waren die Pfeiler, auf die Ihre Arbeit baute? Ein Arbeitsschwerpunkt war die technische Abteilung. Obwohl sie mir nicht untergeordnet ist, habe ich mir hier Rechenschaft gegeben, dass die Dinge nicht so laufen werden, wie ich mir das wünsche, wenn ich mich nicht mit ihnen beschäftige. Wie immer habe ich meine eigenen Unzufriedenheiten, weil es in der Verwaltung nach meiner Auffas­sung viel zu langsam vorangeht. Es sollte immer alles schneller gehen, aber es geht nicht, es sind klare Pro­zeduren. Man muss die verschie­denen Etappen einhalten. Aus dem Grund habe ich mich auf diesen Bereich am meisten konzentriert. Ich denke, das war gut so, denn so haben wir auch die Ergebnisse, die wir in diesem Jahr haben. Wie sehen diese Ergebnisse aus? Das sind erstens die Projekte, die unter Klaus Johannis begonnen wurden. Ich nenne hier den Via­dukt an der Kleinscheuerner Straße, eines der wichtigsten Projekte. Es war auch ein Herzensanliegen von Herrn Johannis. Wir haben in der vorigen Woche den Verkehr auf der Brücke freigegeben. Es ist ein sehr wichtiges Projekt, weil, es eine sehr große Investition über sechs Millio­nen Euro war, die wir aus europä­ischen Mitteln erhalten haben. Der Viadukt stellt eine sehr wichtige Al­ternative für den Verkehr Richtung Alba-Iulia-Straße dar und schafft die Verbindung zwischen der Stadt und dem Industriegebiet West. Das zweite große Projekt, das ebenfalls unter Klaus Johannis begonnen wurde, ist die neue Abteilung in der Kinderklinik mit einer neuen Ausrüstung im Wert von über zehn Millionen Euro, die • ebenfalls aus europäischen Mitteln abgerufen wurden. Es ist zurzeit die beste Ap­paratur in Rumänien, die den Stan­dard des Spitals erheblich erhöhen wird. Dazu kommen die anderen Projekte, die in diesem Jahr begon­nen wurden. Wir haben in diesem Jahr 53 Verträge für Straßen und Infrastruktur abgeschlossen. Davon haben wir 35 Straßen bereits begon­nen und 30 sind auch in diesem Jahr schon fertiggestellt worden. Die an­deren fünf werden auch bis zur Bin­deschicht fertiggestellt, so dass die Einwohner nicht durch die Baustel­le beeinflusst werden. Sie können ruhig darüber fahren. Und dann ha­ben wir in diesem Jahr zum ersten Mal Picknickplätze eingerichtet. Ich glaube, bei den Hermannstädtern sind diese sehr gut angekommen und das werden wir auch im kom­menden Jahr fortsetzen. Zugleich haben Sie auch alle Kulturprojekte der Stadt durchge­zogen. Mit Kulturprojekten werden wir auch weiter arbeiten: Dieses Jahr hat­ten wir eine neue Agenda eingeführt, und zwar die Agenda für gemein­­schaftsfördemde Projekte, die auch sehr gut angekommen sind. Und wir werden damit weitergehen. 2015 ha­ben wir über 140 Projekte seitens der Stadt unterstützt, damit werden, wir auch weitermachen, denn das gibt der Stadt eine ganz besondere Note. Wie Sie sehen, haben wir Veranstaltun­gen beginnend im April bis zum 31. Dezember und in Hermannstadt ist immer etwas los. Das hat auch dazu geführt, dass wir als eine Top-Stadt im Tourismus in Rumänien betrachtet werden. Und nicht nur in Rumänien, ich glaube schon fast, europaweit ist Hermannstadt als eine für Touristen seJtr attraktive Stadt bekannt. Was war im Jahr 2015 Ihr Ste­ckenpferd, welches Projekt hatten Sie am liebsten? Alle Projekte! Ich kann nicht sa­gen, dass ein Projekt besonders her­vorsticht, denn ich denke, für Her­mannstadt sind alle diese Aspekte wichtig. Auch wenn es ein kleines Projekt ist, es ist wichtig, denn sonst würden wir es nicht angehen. Aber wir haben in diesem Jahr begon­nen, an der Entwicklungsstrategie für die nächsten Jahre zu arbeiten. Das ist sehr interessant, denn un­sere Herangehensweise war, auch die Gemeinschaft in dieses Projekt miteinzubinden, um zu sehen, was sich die Hermannstädter eigentlich wünschen. Wir haben Umfragen gemacht, wir haben uns mit Bür­gern getroffen. Ich hatte bereits ein Treffen mit Bürgern im Vasile- Aaron-Viertel und wir werden die­se Treffen Anfang 2016 in anderen Stadtvierteln fortsetzen. Eben um diese Strategie nicht in einem Büro auszuarbeiten und nicht einfach meine eigenen persönlichen Vor­stellungen dort einzuarbeiten. Nein, das soll eine Strategie sein, die wirk­lich das widerspiegelt, was sich die Bürger wünschen. Und interessan­ter Weise wünschen sie sich gerade das, was wir uns bisher auch vor­genommen haben: Und zwar einen Aquapark, über 60 Prozent haben dafür gestimmt. Und über 50 Pro­zent für ein neues Theater. Das sind gerade die Projekte, an denen wir schon konkret arbeiten. Wir arbeiten an den entsprechenden städtischen Plänen für diese beiden Projekte. Und werden diese auch mit eu­ropäischen Geldern finanziert wer­den? Wir denken an ein Theater und ein Konferenzzentrum, für die wir bisher noch keine europäischen Fi­nanzierungsmöglichkeiten identifi­zieren konnten. Aber für den Aqua­park könnte es sein, dass wir einen Teil davon mit europäischem Geld unterhalten können. Wir sind in ei­ner guten Situation, denn wir haben einen Überschuss aus den Vorjah­ren, den wir für diese Megaprojekte erarbeitet haben. Hätten wir diesen Überschuss für kleine Vorhaben ge­nutzt, könnten wir nicht an solche großen Projekte denken. Also steht Hermannstadt in die­sem Moment gut da? Hermannstadt steht in diesem Moment in finanzieller Hinsicht sehr gut da! Wir sind auch dabei, einen Vertrag mit der Europäi­schen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung zu unterschreiben, ich denke, das geschieht noch in diesem Monat. Wir nehmen einen Kredit über 15 Millionen Euro auf, wir arbeiten dieses Mal in Lei, das ist günstiger in unseren Umrech­nungskalkulationen. Aus diesem Kredit werden Straßen saniert, denn für Straßensanierungen haben wir schon Erfahrungen mit diesen Kre­diten, die wir aus diesem Grund auch leichter bewilligt bekommen. Dann bleibt uns das Geld aus dem Überschuss für die anderen großen Projekte, die wir in unsere Pläne ein­geschlossen haben. Man sieht, dass Sie als Diplom- Ökonomin richtig am Platz sind. Müsste man gewisse Vorbereitun­gen mitbringen, um Bürgermeister zu sein, um in einer Verwaltung zu arbeiten? Ich denke, es sind zwei Richtli­nien, die man wirklich als Bürger­meister verfolgen sollte. Man muss eine gute Ausbildung im wirtschaft­lichen Bereich haben und auch im technischen Bereich. Der technische Bereich ist sehr wichtig, denn dieser ist der sichtbare Teil meiner Arbeit. Wenn etwas in der Stadt nicht in Ordnung ist, dann ist es gewölmlich der technische Bereich, der nicht richtig funktioniert. Und welche waren die negativen Aspekte im Bürgermeisterdasein? Erstens einmal die Gesetzgebung. Und die Dauer der Prozeduren, ich kann Ihnen ein Beispiel geben: Für eine Ausschreibung, von Anfang beginnend mit Machbarkeitsstudi­en, mit technischen Projekten, mit den Bewilligungen, mit jeder muss man anschließend in den Stadtrat. Dieser hat auch seine Etappen und Sitzungstermine. Bis man dazu­kommt, einen Vertrag zu schließen, dauert es ein Jahr. Wir sprechen von einem Projekt, das Jahr ist zu Ende und man ist gerade bis zum Vertragsschluss gekommen. Das ist das Schwierigste, das ich nur schwer verkraften kann. Diese Ge­duld aufzubringen. Du nimmst dir vor, etwas zu machen und es ist nicht möglich, aufgrund der langen Dauer von Prozeduren. Und es wird immer davon gesprochen, dass die Prozeduren flüssiger sein sollen, aber ich sehe keine Verbesserung. Auch die Änderungen, die jetzt im Gesetz vorgesehen sind, werden un­sere Arbeit eher erschweren als er­leichtern. Die Gesetzgebung müsste viel flexibler sein. Ein Bereich wird häufig von zehn, zwanzig, dreißig Gesetzen, Regierungsbeschlüssen, Normen reglementiert, so dass man sie nicht mehr verfolgen kann. In diesem Bereich müsste unbedingt Ordnung geschaffen werden, wenn man will, dass die Dinge in Rumä­nien vorwärts kommen und gut laufen. Und würde das gehen? Wäre es möglich, Gesetze so abzuändem? In meinen Augen wäre das mög­lich, aber der Minister und das zu­ständige Ministerium müssten sich intensiv damit beschäftigen. Hermannstadt hat ja sehr viele Partnerstädte, auch deutsche und österreichische. Man sagt ja immer, die Deutschen können mit Ord­nung alles immer schnell und gleich durchziehen. Wie läuft das bei Ihren Amtsbrüdem? Die Situationen sind ja nicht ver­gleichbar. Sie müssen daran denken, seit wann wir in der EU sind. Wir mussten eine Reihe von Gesetzge­bungen an die Gesetzgebung der EU anpassen, ich habe mir das anders vorgestellt. Ich habe mir gedacht, das geht leichter, eben weil wir ein Mo­dell haben, aber oft sind die Interessen anders. Ich spreche nicht nur von den Spezifika jedes Landes, aber oft wer­den die Gesetze bei uns von verschie­denen Interessen diktiert, leider. Das spiegelt sich in unserer Gesetzgebung wieder. In einem Land, in dem alles schon geregelt ist, laufen die Dinge viel leichter, viel besser. Und wir müs­sen auch davon ausgehen, dass die Anzahl der Angestellten der öffent­lichen Verwaltung in einem westeu­ropäischen Land zwei- oder dreimal, manchmal viermal so groß ist, wie bei uns hier in Rumänien. Wir haben auch das Problem des Personalman­gels, nicht nur im Bürgermeisteramt, sondern auch in Hermannstadt und im Allgemeinen in Rumänien. Und die Gehälter bei einer riesigen Verant­wortung vieler unserer Angestellten sind viel zu gering, um attraktiv zu sein. Was wünschen Sie sich am meis­ten für die Zukunft? .Dass die Pläne, die ich für Her­mannstadt habe, auch umgesetzt werden können. Schneller und auf dem Standard, den ich mir wünsche. Dass Hermannstadt sich so weiterent­wickelt, wie diese Stadt es verdient. 2016 finden Kommunalwahlen statt. (Anmerkung der Redaktion: das Zentrumsforum Hermannstadt hat Astrid Fodor zur Bürgermeister­kandidatin gewählt, das Kreisforum Hermannstadt hat diese Kandidatur bestätigt). Was würden Sie als Her­mannstädter Bürgermeister empfeh­len? Ich kann Ihnen schwer darauf ant­worten. Ich denke, mit Hinblick auf die Zugehörigkeit zu dieser Stadt ist mir nichts für diese Stadt zu schwer, was mich anbelangt. Ich habe keine Freizeit mehr, ich habe keinen Urlaub mehr, ich setze meine ganze Energie und meine ganze Kraft in diese Stadt. Und das, denke ich, ist sehr wichtig. Sogar meine Familie muss ich ver­nachlässigen, aber sie versteht das und steht mir zur Seite, eben damit ich mich total auf die Probleme der Stadt konzentrieren kann. Ich denke, man muss die Stadt lieben, den Ar­beitsplatz lieben und dann hat man auch Erfolge. Ich sehe es nicht als ei­nen Job, in dem ich acht Stunden ar­beite und meine Zeit verbringe. Jetzt laufe ich schnell nach Hause und sehe nach meinen anderen Angelegenhei­ten. Nein. Für mich ist es wirklich ein 24-Stunden-Job. Wir wünschen Ihnen, dass er Ih­nen erhalten bleibt und dass die Stadt wirklich so perfekt aussieht, wie Sie selbst. Und das ist immer ein gutes Modell. Dankeschön! So wie wir es uns alle wünschen, wie sich die Hermann­städter es sich wünschen, so soll die Stadt aussehen. Herzlichen Dank für das Ge­spräch. „Unter dem Strich ein gutes Jahr!" Bürgermeisterin ad interim Astrid Fodor blickt auf das Jahr 2015 zurück Von einem Vertrauensvotum sprach Klaus Johannis 2004 als 60 Prozent der Hermannstädter Bevölkerung für seine Forumsmannschaft stimmte, die dadurch 16 von 23 Mandaten im Hermannstädter Stadtrat erzielte, also die absolute Mehrheit. Das war auch der Augen­blick, als die Diplom-Okonomin Astrid Cora Fodor in den Stadtrat kam, Verantwortung für die Stadt über­nahm. 2008, als Klaus Johannis erneut mit einer über­wältigenden Mehrheit wiedergewählt wurde, stieg Astrid Cora Fodor zur Vizebürgermeisterin auf. Seit einem Jahr ist sie nun Hermannstadts Bürgermeisterin ad interim. Sie wurde vom Hermannstädter Stadtrat in dieses Amt gewählt, nachdem Klaus Johannis es ab­getreten hat, nachdem er zum Präsidenten Rumäniens gewählt wurde. Im Folgenden lesen Sie das Interview, das Astrid Fodor am 5. Dezember 2015 für die deutsche Sendung im Rumänischen Fernsehen deren Chefre­dakteurin Christel Ungar-Topescu gewährt hat. Am 18. Dezember 2015 unterschrieb Astrid Fodor (links) einen Vertrag mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, vertreten durch Miruna Gala, Associate Banker, über einen Kredit im Wert von 67,5 Milli­onen Lei. Mit dieser und den aus dem städtischen Haushalt veranschlagten Summen soll die Modernisierung von 61 unasphaltierten Straßen finanziert werden. Zunächst werden 2016 die Ausschreibungsprozeduren durchge­führt. Foto: Pressebüro des Hermannstädter Bürgermeisteramtes Kurz vor Jahreswechsel, am 22. Dezember 2015, wurden weitere drei kom­plett sanierte Straßen in Hermannstadt für den Kfz-Verkehr freigegeben. Es handelt sich um die Straßen Calea Guşteriţei/Hammersdorfer Straße (unser Bild), Măgheranului, Oţelarilor und Macaralei. Foto: Pressebüro des Hermannstädter Bürgermeisteramtes Seite 4

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