Karpathen-Post, 1914 (Jahrgang 35, nr. 1-51)

1914-01-01 / nr. 1

aß davon erhielt, daß z. B. in Budocz das seines Schmudes beraubte Shhristbäumchen von den Knaben zu Neujahr an das Dach jenes Hauses angeschlagen wird, in welchem seine Aus­­erwählte wohnt, was also als förmliche Liebeserklärung gilt, erst damals wurde mir die Hochgärtner Benennung in ihrem Beweggrunde klar. In Bus6cz heißt diese Sitte: 8 Naijohr­onschläun. SEIFE Ohne dem dazugehörigen Volksbrauch sind also viele mundartliche Ausdrücke sogar rein unverständlich. Und regt, als die ungarische Abteilung des Folklore Fellows genannten internationalen Vereines ungefähr seit anderthalb Jahren die Sammlung der Volksdichtung, Volkssprache und Volks­­musik, der aus dem heidnischen Götterglauben stammenden allerlei Boltsglauben und abergläubischen Gebräuche in den einzelnen Gegenden Ungarns mit katastermäßiger Genauig­­keit begonnen hat, kann doc das emsige Zipser Völk­en, welches eine unabhängige Kultur stolz sein eigen nennen kann, nicht ganz untätig zurückbleiben ! Das Zipser Wörterbuch will freilich in erster Reihe nur den eingehenderen, verschiedenen Sprachforschungen die Wege ebnen. Da aber alle die erwähnten anderen Be­­stätigungen des Volksgeistes mit den betreffenden mundart­­lichen Ausdrücken aufs engste verknüpft sind, so muß das Wörterbuch auch in diese Nachbargebiete der wissenschaftlichen Forschung wenigstens soweit hinübergreifen, als es die sprach­­wissenschaftliche Verarbeitung erfordert. Wort und Sache ge­­hören ja nun einmal bei gewissenhafter Forschung untrenn­­bar zusammen . Selbst Volksreime und Kinderverschen bieten sprachlich viel Interessantes. Nur so nebenbei sei hier folgender allgemein bekannte Kindervers als Beispiel angemerkt. Broden, broden, Birnbaum, War de sät, dar de mäht, Dar de sich ofs Oker fährt, Goldscmied Zemmerlait, Tuche, tuche Kaichelain, Manchwo S­latte Kend muß unsers sain. z. B. in Altwalddorf und Mühlenbach hört man folgende überwiegend schriftsprachliche Variante desselben : Breden, breden, Baubeln, Goldschmieds Anne, Zt das nicht ein liebes Kind, eldjes bei mir fitet, Mit Gold ausgeschmidet, Mit Silber ausgezieret­ Tude, tude Kaichelein, S’lagte kend muß unsers sain. Zwei Mädchen, welche dies singen, „reichen sich die Hände und die übrigen mitspielenden Mädchen gehen unter diesem künstlichen Tore durch; das lezte oder aber dieses, vor dem sie plößlich die erhobenen Hände herablassen, wird eingefangen. In Siebenbürgen lautet der Vers bei demselben Spiele folgendermaßen: Bürd­en, bürden Doka ki. Sn Echt en et ae) nieht (= Ginterfe) ne mer präden. — So wie sich nun das in dem so gründlichen Sieben­­bürgisc­h-sächsischen Wörterbuch als unerklärte ® verzeignete Wort doka (mit langem o) mit Hilfe unseres Zipser Verses : als „duden“ entpuppt, ebenso bekommen wir zur Erklärung­ des im Zipser Verschen schwerer verständlichen Wortes, „broden“ oder „brechen“ als willkommenen Stoßpunkt am Ende des siebenbürgischen Verschens das entsprechende prägen. Es scheint dort soviel bedeuten zu wollen, wie „erhaschen, gefangen zu nehmen“ Sonac­h würde der Anfang des Zipser­­ Vers8c­hens bedeuten : Erfasse den Birnbaum usw. Und es ist erfreulich, daß wir uns der frohen Hoff­­nung hingeben können, sowohl diese Kinder verschen, als auch die übrigen fostbaren Perlen der Zipser Volksdichtung in Herrn Rudolf Weber's reichhaltigen Zipser Volksbüchlein s von demnächst begrüßen zu können. Ich habe mit je einem Beispiele meiner Sammlungen leicht faßlich und kurz einige Lücken der Kölischen Samm­­lung öffentlich aufgehegt. Ich tue dies jedoch keinesfalls deshalb, weil ich vielleicht Gefallen finde an der Herab­­shägung Anderer — dann hätte ich ja dies schon viel eher tun können, — sondern einfach aus den Grunde, um allen denjenigen, denen die würdige Ausführung des Zipser Wörter­­buches einigermaßen am Herzen liegt, klar vor Augen ge­­führt einige Winke zu geben, beziehungsweise jene Gesichts­­punkte anzudeuten, von denen aus betrachtet ihre Beiträge noch immer wesentlich dazu verhelfen können, daß das Zipser Wörterbuch nicht Stü>werk bleibe, sondern möglichst viele­seitig ausgebaut werde. Im Besonderen muß ich hier noch hervorheben, daß es hauptsächlich in Beziehung des Volksglaubens und der abergläubischen Volk­sbräuche dem Zipser Wörterbuch Not tue. Troßdem ich bestrebt bin, mir einen Einblic in das Alltagsleben des Dorfbewohners zu verschaffen, konnte ich kaum etwas mehr einheimsen, als was Herr Dr. Greisinger in einem kleinen Artikel diesbezüglich verzeichnet hat. Gerade in dieser Beziehung sind die Leute aus Furcht vor Verspottung dem Manne andern Standes gegenüber äußerst zurückhaltend und verschlossen. Selbst wer mit seinem Gemütsleben innig an diesem abergläubischen Volksbräuchen hängt, antwortet darüber befragt höchstens: „Ja die Leute haben so manchen Aberglauben, sie sagen so Verschiedenes von dieser und jener Sache, aber ich weiß davon nichtst­ Cs stehen aber in dem Aberglauben so manche wert­­volle Ueberreste des altersgrauen Heidentums, deren Kenntnis außerdem zum richtigen Verständnis des betreffenden Wortes unumgänglich nötig ist und sie gehören ebenfalls mit zum Lebensbilde des Zipser Völkchens, dessen sprachlichen Abglan nun eben das Zipser Wörterbuch vorführen soll. Es knüpft ss also in mehrfaches wissenschaftliches Interesse daran, wobei jeder Spott fernbleibt. Diesbezüglich muß ich mich mit der Bitte an helfende Vermittlung in erster Reihe an die Zipser Frauen und Mädchen wenden. Denn während der Mann in einem schweren Lebenskampfe meist achtlos an solchen Aberglauben vorübergeht, befigt das empfängliche Frauengemüt jenes wunderkräftige Zauberwort der flimmernden Märchenwelt aus Tausend und eine Nacht : „Sesam, tue dich auf!“ das Halten von fremden Arbeitern, welches den Zugang in diese geheimnisvolle Zauberwelt erschließt. Wer könnte mir z. B. über die Formalitäten des „Auszäjln'' Näheres mitteilen ? Ich habe nur so von ungefähr folgendes in Erfahrung gebracht : Um zu erfahren, von wem es das Kind „von Augen gekriegt'' habe, hebt eine sachkundige Frau den auf­­gestülpten unteren Saum ihres Kittels auf, spuckt ein wenig darauf und bestreicht damit die Stirne des berufenen Kindes. Was sagt sie nun während diesem Verfahren ? Vielleicht einen Zauberspruch ? Und wenn ja, wie lautet er? Ich glaube eher, daß sie dabei die Namen der betreffenden Per­­sonen herzählt, welche damals und dort zugegen waren, wo es das Kind „von Augen gekriegt hat", also wo es durch bösen Bli“ berufen worden ist. (Denn nur so kann ich mir die Benennung „auszähun'­ klar legen). Ich bin auch schon bisher gar manchem Verwandten, Freunde und Bekannten, auch sogar Unbekannten für ihre bisherige verständnisvoll betätigte Hilfsbereitschaft tiefen Dank schuldig. Es würde mich aber in meiner Arbeit zu weiterer Ausdauer ungemein auspornen, könnte ich es mit gegenwärtigen Ausführungen erreichen, daß sowohl sie, als auch andere neue Mitarbeiter mit ihren werten Beiträgen mein Vorhaben in den angegebenen Richtungen auf weiterhin fördern. 39 nehme jedwede Mitteilung dankbar an und vers werte sie an der geeigneten Stelle. Bei fleißig fortgesetzter Arbeit hoffe ich das Wörterbuch bis Ende des Jahres 1914 fertigstellen zu können, an, um Legen wir mit vereinten Kräften also nochmals Hand ein Werk zu vollbringen zur Ehre des Herrn! Dem­­nächst folgen direkte Fragen über einige Einzelheiten, welche auf dem Wege der Oeffenlichkeit Klärung erfordern. A 8306 d am 15. Dezember 1913. Der Niedergang des deutschen Bürgertumes in Szepeskela. Von H. A. A. I Eine charakteristische Erscheinung der Volks­bewegung unserer Zeit macht und ernstlich denken. Es ist dies der Verfall des deutschen Bürgertumes und in Verbindung da­­mit das rapide Anwachsen der flavischen Bevölkerung. Diese Erscheinung wirkt umso niederdrückender, wenn wir an Hand von geeigneten statistischen Daten nach deren Ursachen forschen. Diese Zahlen tuen uns die Verarmung der deutschen Bürger­­schaft in einer derart erschrekenden Weise kund, daß wir schweren Herzens die Prophezeiung machen müssen. Die Tage der deutschen Bürgersc­haft in unserer Stadt sind gezählt. > fi Wenn wir nun die Gründe dieser betrübenden Tate wie „er*richen und jene "m­achen, feststellen wollen, welche dieses eines besseren Schi>s als wüdige Element dem steten Verfall zutreiben, so müssen wir unsere Arbeit auf die­sen der Statistik, der Volksbewegung und der Geschichte auf­bauen, denn nur auf dieser Grundlage können wir der Wirklichkeit entsprechende Schlußfolgerungen ziehen. Bevor wir jedoch das zusammengesammelte Zahlen­­material besprechen, wollen wir vorerst daran erinnern, daß unsere Vorfahren biedere, strebsame Leute waren, die mit der ganzen Wärme ihres Herzens an ihrem Glauben hingen, ein von hoher Sittlichkeit durchdrungenes Leben führten, gute Patrioten und loyale Untertanen waren. Ihr Leben war ihrer Familie und ihrer Vaterstadt geweiht und sie be­­hielten Jahrhunderte hindurch ihre Muttersprache, was sie umso leichter tuen konnten, da sie sich als treuergebene Unter­­tanen der jeweiligen Herrscher erweisend, von diesen solche Privilegien erhielten, welche ihnen in Verbindung mit der durch ihre Sprachangehörigkeit bedingten hohen Kultur die Scaffung eines großen Wohlstandes ermöglichten. Sie wurden wohlhabende Landwirte, Kaufleute und Gewerbetreibende, wie es auch das Sprichwort besagt: Die Kösmärker sein die Broter, Die Beiler hon die Toler. Wenn wir das eben Gesagte zusammenfassen, so sehen wir, daß alle Bedingungen zu einer ersprießlichen Ent­­wickklung des deutschen Bürgertumes vorhanden gewesen. Und groß alldem wohin geraten wir? Noch leben einige, die die Kosaken des Generals Rossow durch die Stadt ziehen sahen und den Fall. Adjutanten Rottenburg zu Grabe ge­­leiteten und schon sind wir infolge des vehementen Nieder­­ganges des deutschen Bürgertumes so weit gekommen, daß heute­ morgen nur noch wenige Familien von der einstigen Macht, Ansehen und Reichtum der Deutschen Zeugnis legen werden können. Zu Zeiten Josef II. zählte die Stadt 2597 Seelen, von denen 257 römerat­. und 2340 evang. Glaubens waren. Nachdem unsere Vorfahren unter Gesa II. aus Thü­­ringen und der deutschen Niederlande hier einwanderten, unterliegt es keinen Zweifel, daß sie ihre Muttersprache bis heute bewahrten, einenteils weil ihnen dieselbe eine höhere Kultur sicherte, anderenteils weil sie geschüßt durch ihre Privilege, Fremde unter sich nicht aufnahmen. Ihre Söhne besuchten deutsche Schulen und die durch die Zunftgebräuche und das Bürgerrecht vorgeschriebenen Wanderschaften führten sie meist westwärts. Von den Bürgern kath. Glaubens dürften auch alle deutsch gewesen sein, denn unsere Vorfahren über­­traten zur Zeit der Reformation im Jahre 1545 zum evang. Glauben, so daß von 1545—1674 nicht einmal ein kath.­­­­ Pfarrer in Szepesbela amtierte. Zur Zeit der Gegenrefor­­mation kehrten jedoch viele zu ihren alten Glauben zurück. Die statistischen Daten­­ des Jahres 1853 geben bies 87 Nichtdeutsche (78 Slowaken, 3 Rutenen und 6 Ungarn) an, zugleich aber auch wissen sie von 447 Katholiken bei einer Gesamtseelenzahl von 2323 zu berichten. In 1790 war also die Eiwohnerschaft der Stadt in ihrer Gänze noch deutsch und wenn auch Slowaken vorhanden waren, so dürften diese sich nur vorübergehend als Dienstboten 2c. hier aufgehalten haben, denn eine Verordnung vom 2. März 1786 verbietet­­ . Doch mögen nun die Zahlen reden : In Perzenten ausgebracht, waren von den Einwohnern: Hievon waren Ein­­át­ent 4 Deutsche | Slowaken | Polen | Ruthnen | Ungarn 1790| 2597 2597 —_­­­­— — 18531 2323 2225 787­­ 2 6 1880| 2589 1941 542 8 3 96 1890| 2225 1572 542 20 3 88 1900| 2623 1441 926 56 2 198 1910| 2894* Wenn wir nun aus den bevorstehenden Daten die per­­zentuelle Entwickelung der einzelnen Sprachen ermitteln wollen, gelangen wir zu folgendem Ergebnis : Wenn wir nun diese Zahlen näher betrachten, so sehen wir, daß die Slowaken bereits Ende 1880 in ganz beträcht­­licher Zahl vorhanden sind. Während sie im Jahre 1853 bi­s 78 Seelen zählen, also mit den Polen zusammen nur 339 der Bevölkerung ausmachen, steigt ihre Zahl in 1880 schon auf 542, so­ daß sie mehr als ein Fünftel (2099) der Bevölkerung ausmachen. Diese Zunahme bedeutet eine Steigerung von 549,8% zu ihren Gunsten. Es wäre interes­­sant genau den Zeitpunkt ihrer rapiden Vermehrung festzu­­stellen, doch ist dies mangels geeigneten Volkszählungs­­materials nicht möglich. Auch die Katasterbögen, die alten Grundbücher und die Grundsteuer-Personalveranlagungsbögen geben, da sie in früheren Jahren nur sehr unregelmäßig oder überhaupt nicht geführt wurden, hierüber keinen Ausschluß. Wie aus den Tabellen ersichtlich, ist die Verminderung der Deutschen eine ständige und steht mit der Vermehrung der Slowaken in Zusammenhang. In den Jahrzehnt von 1880—1890 stagniert zwar die Vermehrung der Slowaken, doch müssen wir diesen Umstand damit erklären, daß viele der Eingewanderten nach Amerika gingen, um dort für die Deckung des Kaufpreises ihrer hiesigen Immobilien, oft in ganz menschenunwürdiger Arbeit, die nötigen Summen auf­­bringen, Tautschen noch 96,5% der Bevölkerung ausmachen, ihre Zahl in 13890 auf 7179, in 1900 aber sogar auf 55% herab­­sink, und in 1910 sie schließlich aufhören die Mehrheit der Bevölkerung zu bilden. Ihre Zahl muß — aus der absolutem Majeität der Katholiken schließend — schon bedeutend unter 50% gesunkt sein. Diese Verminderung bedeutet eine jähr­­liche perzentuelle Abnizite von 0,85 %, anders gesagt werden die Deutschen jährlich um 23 Mann weniger, hingegen vermehren sich die Slowaken um 24%. Und dieser Umstand birgt eine große Gefahr in sich. Ohne Pessimiseen zu sein, müssen wir auf Grund der geschichtlichen Erfahrung zu i statieren, daß eine eingewanderte Nationalität, selbst bei der humansten und wohlwollendsten Behandlung seitens der erbeingesessenen Bevölkerung, sobald sie einmal im Wege der natürlichen und nicht durch gewissenlose Agitation künstlich hervorgerufenen Entwickelung, jene Stufe der Intelligenz er­­reicht hat, wo ihr nationales Selbstbewußtsein zu erwachen beginnt, sich zur Wahrung ihrer nationalen Interessen zu­­sammenschließt und tatkräftig die Befriedigung ihrer bes­­onderen Wünsche erheischt. Und diese Erscheinung ist keine rein örtliche, sondern macht sich im ganzen Lande geltend (Fortsezung folgt). *) Das statistische Landesamt hat die diesbezüglichen Daten nor nicht veröffentlicht. 1) Wahrscheinlich mit den Polen zusammen. Wir ersehen ferner, daß während im 1853 die REITER LETO EHER EN EEEETEENN HBEGT IE EVT EHE Ne: Jahr Deutsche | Slowaken | Polen | Rutenen | Ungarn 1790 1100:--%| — — — —_ 1853 96 ° 5 33% -- 019 019 1880 75"2 209 019 0"| 37 1890 72*7 244 09 01 39 1900. | 55— | 354 21 01 6-4 P erzentuelle Schwankungen der­­ deutschen | ungarischen | slawischen Bepvölkerung o “ v­on DE-DE BEI 2­518.18­42 [5] > [=] [ OS | g Pe] 192 SS |S] S|SE|S| S/S | RUE = | 218 12/1218 |8191)8 kein SE AA BS sé er ki

Next