Kaschauer Zeitung, Juli-September 1873 (Jahrgang 35, nr. 53-78)
1873-07-02 / nr. 53
— NYERT TETTES METER A af Kaschau, Mittwoch 2. Juli. XXXV. Jahrgang 1873. Erscheint jeden Mittwoch und Samstag, für Pränumeration Kaschau vierteljährig 1 fl. 25 sendung fr., mit Postvert fl. 50 kr. Pränumeration wird jeden Tag angenommen bei der Administration der Kaschauer Zeitung, Dauptgasse Nr. 60, bei allen Postanstalten u. Buchhandlungen. Inserate, 5 kr. für eine fünfmal gespaltene Petitzeile. — J Inseratenstempel 30 fr. für jede Anzeige. Bei größeren Ankündigungen und öfterer Einschaltung entsprechender Nachlaß. In Wien übernehmen Inserate für uns die Herren A. Oppelik, Wollzeile Nr. 22, Vogler, Neuer-Martz Nr. 11 und Rudolf Messe Annoncen - Expedition. "Infrantirte Briefe an die Redaktion werden nicht angenommen. Nr. 53. " Haassenstein Inserate übernimmt für uns die Internationale Annoncen - Expedition von Lang , Schwarz Pest, Badgasse und Wien, Wollzeile 6. =In Berlin S. Kornik. In Stuttgart E. Stöckhardt. In Paris Havas Laffitte und Kundschaftsblatt für Kalchau und Spezies. Megjelen minden Szerdán és Szombaton. Anonyme Briefe werden nicht berii> sichtigt und Manuskripte nicht zurücgegeben. N . wer eilun Fokalblatt für Volks-, Haus: und Landwirthschaft, Industrie und geselliges Leben. (KASSA-EPERJESI ERTESITÖ) Bullier & Comp. ar mamam. sam Kaschau, 1. Zuli. Der Bischof von Rosenau hat sich alsbald nach seiner Ernennung zu der Stelle, die er gegenwärtig innerhalb des katholischen Clerus Oberungarns einnimmt, mit der Publikation des vatikanischen Unfehlbarkeitsdogmas beeilt und es wurde ihm von Seite unseres Cultusministers bekanntlich über eine diesbezügliche Anregung in unserem Abgeordnetenhause die Mißbilligung dessen ausgesprochen und ihm gleichzeitig eine Verwarnung ertheilt. Hiermit stellte sich jedoch der Interpellant und Landesdeputirte, Géza Lükös, keineswegs zufrieden und es gelangte, wie wir bereits in unserer vorigen Nummer hervorgehoben haben, dieser Gegenstand in Folge der Ablehnung des Antrages, die diesfällige Antwort unseres Cultusministers einfach zur Kenntniß zu nehmen, auf die Tagesordnung der am 28. d. M. stattgefundenen Sitzung unseres Abgeordnetenhauses, welche sich hiedurch zu einer der denkwürdigsten und folgenschwersten unserer parlamentarischen Geschichte gestaltete. Nachdem Geza Lüks abermals das Vorgehen des Cultusministers mißbilligt und die Erwartung ausgesprochen hatte, Herr von Trefort werde in Folge dieser Mißbilligung vom Amte zurücktreten, stellte er eventuell den Antrag: „Das Haus mißbilligt das vom Cultusminister gegenüber dem Rosenauer Bischof beobachtete Verfahren und weist den Minister an, daß er mit unversehrter Aufrechthaltung des jus placeti regii sowohl in diesem Falle, als auch in ähnlichen etwa vorkommenden Fällen strenge im Sinne der Gesete und der bisherigen Gepflogenheit vorgehe“, und weist in kurzer Begründung seines Antrages auf den Titel 7 des Decretes von Wladislaus I., 1597, hin. Die von unserem Cultusminister hierauf in Vertheidigung seines diesfälligen Vorgehens gehaltene Rede ist weniger interessant durch die darin ausgesprochenen kirchenpolitischen Meinungen des Herrn von Trefort, welcher sein bisheriges Verhalten als Cultusminister duch das Bestreben zu rechtfertigen sucht : „unser von centrifugalen Bestrebungen zerrissenes, mit Armuth und mit den üblen Folgen alter Versäumnisse kämpfendes Vaterland vor Religionsconflicten zu bewahren“, als vielmehr durch den Schluß derselben, womit er dem Abgeordnetenhause nachstehenden Antrag zur Annahme empfiehlt, nämlich : „Das Haus entsende einen Ausstoß, der mit Intervention des Cultus- und Unterrichtsministers einen Entwurf über die Regelung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche auszuarbeiten und diesen Entwurf dem Hause vorzulegen habe“. Mit diesem Antrage und seiner Annahme beginnt offenbar die kircenpolitisce Bewegung neuerdings in unserem Lande und es ist kein geringerer Mann, als Franz Deäk, welchem bei diesem Anlasse die Entwicklung des kirchenpolitischen Programms der Deákpartei im Abgeordnetenhause zugewiesen wurde, was er mit gewohnter Meisterschaft und mit unvergleichlicher Klarheit im Geiste der Freiheit und mit dem gereiften Urtheile des erprobten Staatsmannes vollbraute. Wir heben aus der jüngsten Parlamentsrede Deak s, die wir in der nächsten Nummer unseres Blattes vollinhaltlich veröffentlichen, vor Allem hervor, daß er die Mangelhaftigkeit der ungarischen Gesetzgebung mit Bezug auf die Uebergriffe der Kirche in die Rechtssphäre des Staates bloslegt, hieraus den geringen Werth des jus placeti regii ersichtlich macht und dann ganz folgerichtig die Nothwendigkeit ableitet, vorerst diejenigen kirchenpolitischen "Gesetze zu schaffen, welche erforderlich sind, um die Rechtssphäre des Staates vor den clericalen Invasionen dauernd und mit dem beabsichtigten Erfolge zu schüßen. Sehr treffend, den scharfsinnigen Juristen und freisinnigen Politiker beurkundend ist die Bemerkung Frank Deäk's, daß mit dem jus placeti regii ein Strafrecht des Monarchen keineswegs verbunden sein solle. „Vergessen wir jedoch nicht“, sagte Deaf, „daß vielleicht Niemand von uns billigen wird, daß der Monarch für sich allein, ohne Dazwischenkunft richterlicher Gewalt — wie es vormals der Fall war — „das Recht, zu strafen, besige. Ich behaupte, daß in einem constitutionellen parlamentarischen Staate der Souverain wohl begnadigen kann, denn sein allerhöcftes Begnadigungsrecht besteht unversehrt, daß er aber aus Ag Machtvollkommenheit nicht strafen arf“. Was der berühmte Führer der seinen Namen tragenden Partei bei diesem Anlasse über das Princip des confessionslosen Staates und des confessionellen, über die Civilehe, über das Kirchenvermögen, über das jus comitiorum der höheren Geistlichkeit in Ungarn, über die confessionelle Autonomie im Allgemeinen und über die Katholiten-Autonomie insbesondere gesagt hat, ist zwar weder neu, noch konnte es bei einem Manne, wie Deák, irgendwie überraschen, allein aus dem Munde desselben und unter den gegenwärtigen Verhältnissen erlangen diese eine außerordentliche Bedeutung und Wichtigkeit. Aeußerungen Nicht nur das hohe Ansehen, welches Desk im In- und Auslande genießt, sondern auch der Umstand, daß die freisinnige und gleichzeitig staatsmännische, den obwaltenden Umständen volle Rechnung tragende Auffassung De&äks der großen kirchenpolitischen, heutzutage die gesammte gesittete Welt bewegenden Frage die Zustimmung der gemäßigten Linken gefunden haben, während andrerseits die ultramontane Fraktion der Dealpartei unseres Abgeordnetenhauses sich hiedurch gezwungen sieht, mit ihrem Programme offen hervorzutreten und gegenüber den vereinigten liberalen Mitgliedern unseres Parlaments Stellung zu nehmen, verleihen dieser Rede und dem Regierungsantrage, zu dessen Unterftügung sie gehalten „wurde, eine epochale Bedeutung und eine, für jetzt kaum absehbare Tragweite bezüglich ihrer Wirkung. Die Gründe, welche Franz Deuf für seinen Antrag entwickelte, die Wahlen erst nach Wiedereröffnung unseres Landtags im Herbste dieses Jahres vorzunehmen, sind so triftig, daß sie kaum wiederlegt werden konnten, und es hat unser Abgeordnetenhaus dieselben auch mit großer Majorität angenommen. So wird denn der Ausschuß unseres Abgeordnetenhauses, welcher sich mit der Reform der Verhältnisse unseres Staates zu der Kirche zu beschäftigen haben wird. Schon nach Ablauf weniger Monate gewählt werden und dann sofort an die Lösung seiner Aufgabe herantreten. Es unterliegt heute keinem Zweifel mehr, daß in diesem Ausschusse nach dem Wunsche Deáks alle Confessionen und sämmtliche politischen Parteien unseres Landes vertreten sowie die tüchtigsten Kräfte unseres Parlaments in denselben gewählt werden. „Die Lösung seiner Aufgabe wird“, wie Franz Deäk ganz richtig vorhersagt, „eine große, dauernde Arbeit sein, doch durch ihre lange Dauer wird lange sie nicht schlechter, sondern hoffentlich besser ausfallen”, und wir wünschen diesem Ausschusse jezt schon die erforderliche Unbefangenheit, geistige und sittliche Kraft, Ausdauer und unerschütterliche Festigkeit. Die Ereignisse in dieser Sißung unseres Abgeordnetenhauses begrüßen wir als die Morgenröthe einer nahen besseren Zukunft unseres Vaterlandes ; denn in einem Lande, dessen Parlament sich für derartige Kämpfe rüstet, wie jezt das unserige, wo die Opposition den Fortschritt anregt und die Regierungspartei willig Folge leistet, da ist per tot discrimina rerum noch immer ganz gesundes Blut in dem Staatskörper und gegründete Aussicht vorhanden auf sein zukünftiges Gedeihen sowie auf eine lange Dauer. Der alte Deák aber ist noch immer der alte Deák — an Geist und Wissen, an redlicher Absicht und rechtzeitiger Energie, an glühender Vaterlandsliebe und staatsmännischer Mäßigung heute noch sonder Gleichen im ganzen Ungarlande ! Aus der Weltausstellung. Die Brennmaterialien. Die rohen oder natürlichen Brennstoffe finden zumeist in der metallurgischen Sphäre eine mehrfache indirecte Verwendung, insofern lauter Operationen, sie gedarrt, verkohlt oder vergast werden, womit vor Allem eine Erhöhung des Heiz-Effects bewirkt wird. Einige Materialien, wie Holz und Torf, besizen in lufttrogenem Zustande noch so viel higroskopisches Wasser, daß sie solchergestalt für viele technische Zwecke ungeeeignet sind und daher früher scharf getronnet werden müssen, was man eben unter Darren versteht. Braun- und Steinkohle werden nicht gedarrt, da ein gewisser Wassergehalt oft ganz erwünscht ist, abgesehen davon, daß dieselben mit der Abgabe der Feuchtigkeit auch mehr oder weniger zerfallen. Wird die Erhizung der Materialien in geschlossenen Räumen, nämlich bei Absperrung der äußeren Luft, über den Punkt hinaus getrieben, wo nur das mechanisch anhängende Wasser sich verflüchtigt, so tritt Verkohlung oder Carbonisation ein, ein Proceß, welchen man die trockene Destillation nennt. Hiebei gruppiren sich die elementaren Bestandtheile der wasserfreien Substanz zu neuen Verbindungen, welche theils gasförmig, theils condensirbar sind, und zurück bleibt ein an Kohlenstoff angereicherter Körper, welcher bei Holz und Torf schlechtweg als Kohle, bei Mineralkohle hingegen als Coaks bezeichnet wird. Die Menge und Natur der als Gase und Dämpfe entweichenden Producte der trockenen Destillation richtet sich nach dem Charakter des Rohstoffes und nach der Leitung des Processes. Die abstreichenden Gase bestehen in ihrer Wesenheit aus Kohlenwasserstoff, Kohlenoxyd und Wasserstoff, drei brennbaren und heizenden Körpern, welchen wir auch im Leuchtgas begegnen. Die condensirbaren Producte scheiden sich in eine wässerige und eine fette Schichte, das Theerwasser und den Rohtheer. Der Rohtheer stellt ein variables Gemenge complicirter Körper dar, welche theils aus Kohlenstoff und Wasserstoff, wie die Hydrocarbate und Paraffine, theils aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, wie die Carbolsäure und das Kreosol bestehen, oder es tritt noch Stickstoff hinzu, wie beim Anilin, jenem merkwürdigen Ausgangskörper der modernen Farbstoffe. Die Mineral-Oele und Paraffin sind nichts weiter als concentrirte Gase, welche sich zu flüssigen und festen Körpern verdichteten, oder, wenn man will, ölartiges und compactes Leuchtgas. Der im Ofen oder in der Retorte verbleibende Rückstand Kohle oder Coaks enthält außer den Aschebestandtheilen noch gewisse Antheile von Wasserstoff und Sauerstoff, welche fest an den Kohlenstoff gebunden erscheinen. Von den Braunkohlen liefern nur die fetteren Lignite und einige Pech- und Glanzkohlen brauchbare Coaks. Auch die Steinkohlen unterscheidet man nach ihrem Verhalten beim Vercoaken in Fett- oder Baukohlen, welche in der Eige erweichen und zusammenfließen, und in magere oder Sandkohlen, welche die Eigenschaft des Badens nicht besitzen und im Coaksfeuer nur zusammensintern. Es können daher von den Steinkohlen nur die badenden Varietäten vercoaft werden. Der bei der trockenen Destillation gewonnene Theer wird nicht allein zur Darstellung mannichfaltiger Producte und Fabrikate verwendet, er dient auch als solcher zur directen Feuerung und häufiger zur Erzeugung von Gas. Das sind die sogenannten flüssigen Brennmaterialien, zu denen auch das Petroleum gerechnet wird. Wenn die Besüßung von Petroleum oder Erdöl zu Beleuchtungs- und Heizungszween erst der jüngsten Zeit angehört, so experimentirt damit die Natur schon seit Jahrtausenden in großem Maßstabe. Die seit undenklichen Zeiten lebenden heiligen Feuer von Baku am kaspischen Meere deuten uns gleichsam als Schornsteine die unterirdischen Werkstätten an, in welchen die organische Materie zu gasförmigen und flüssigen Leucht- und Brennstoffen umgebildet wird. Das Steinölgebiet des Orients erstreut vinzen Rußlands im Kaukasus sich von den kubanischen Proüber Persien bis in das birmanische Reich. Gegenwärtig, wo die Consumtion von Petroleum riesige Dimensionen angenommen hat, ist dieses Naturproduct keine Seltenheit mehr. Fast jedes Land in Europa verfügt über mehr oder weniger ergiebige Fundgruben von Erdöl oder stellvertretenden bituminösen Mineralien. Die Zone des Erdöls in Galizien umfaßt einen Flächenraum von vierzig Meilen Länge und drei Meilen Breite. Nicht minder reich an Petroleum und Bitumen ist auch das Fürstenthum Rumänien. Alle diese Vorkommen werden jedoch von dem immensen Oelreichthum Nord- Amerikas tief in Schatten gestellt. Erde steht Nord-Amerika in Bezug Unter allen Ländern der auf fossile Brennstoffe in vorderster Reihe und beherrscht namentlich im Petroleumhandel den europäischen Markt. . Die Entstehung des Petroleums ist wahrscheinlich zunächst auf das Vorhandensein von Mineralkohlen zu- | -