Kaschauer Zeitung, April-Juni 1886 (Jahrgang 48, nr. 38-74)

1886-04-22 / nr. 47

SEE et FE Be EGE EE ES ZET EEG­ENT EINEN SETZE TFT a imn a Ze a POND RUFN IE : Nr. 47. XLVIII. Jahrgang 1886. Pränumerationspreis ohne „Illustr. Unterhaltungsblatt“ ganzjährig fl. 2. , halbjähr. fl. 2.50, vierteljähr. ür Kaschan:­it Boftversendung: ,, . Bei Inferatc un wird die sechmal gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 5 kr. berechnet. — Inseratenstempel 30 kr für jede Anzeige. „ 1.3.30, ft. 1.25 ft. 1.65 Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag. Redaktions- und Expeditions - Bureau Kaschau, Hauptgasse Nr. 60. Kaschau, Donnerstag, 22. April. eilung. => ee­m nommen m ausm um­ nm ums u u­ mm mm ng Mit dem „Zlufir. U­nterhaltungsblatt". f­ür Kaschau : it Postversendung: ,, H. 869, „ ganzjährig fl. 7.“, halbjähr. 4. 3.50, vierteljähr. A. 1.75 A. 4.30 de A. 2.15 Bei Inseraten, welche größeren Raum einnehmen und öfter eingeschaltet werden, wird ein entsprechender Nachlaß gewährt. Strafchauer 3 KASSA-E PERJESI ERTESTFG: Heueste Nachrichten. Ungarn. Budapest. Das Amtsblatt bringt eine­­ große Liste von Ernennungen bei der hauptstädt, Polizei und der Katastervermessung. Der Ministerpräsident trifft am Charfreitag hier ein und geht auf die Feiertage in's Sohler Comitat zu­r Tochter, der Gemalin des Obergespans Br. Radvansky. Seiner Minister Trefort besuchte am 20. seine Wähler in Preß­­burg, wo er am Bahnhof von den Seiten der Behörden empfangen wurde. Oesterreich. Wien. Prinz Alexander von Hessen ist am 19. von hier abgereist. Eine Intervention Oesterreichs zu Gunsten seines Sohnes bei Rußland zu veranlassen, scheint wohl die Absicht des Prinzen gewesen zu sein ; die Beziehun­­gen unserer­ Monarchie zu Rußland sind aber nicht so intim, um sich hier, wo auch ein wenig Familienstreit dabei ist, einzumischen. Rußland. Petersburg E3 werden neue Maßregeln der russischen Regierung gegen Deutsche, Polen und Juden angekündigt. Letzteren soll der Aufenthalt auf dem Lande ver­boten werden, auch soll ihnen nicht gestattet sein, Buchhandlungen und Buchdruckreien zu befigen. Die Zahl der jüdischen Mittel- und Hofs<ulen soll auf ein bestimmtes Maximum, das unbedingt nicht überschritten werden darf, beschränkt wer­­den. Gegen die Polen wird ein neues Erbrecht vorbe­­reitet, wonach zur Succession von Gütern in den­­ Westprovinzen nur die Erben in gerader Linie zugelassen werden. Die großen Zuerfabriken und Branntweinbrenne­­reien werden angehalten, ausschließlich Russen als Direc­­toren und Beamte anzustellen. Das österr.-ungar. Landsturmgeset beunruhigt „hier sehr. Deutschland. Berlin. Das Befinden des Kron­­prinzen ist fortdauernd zufriedenstellend. Großbritannien. London. Das Unterhaus er­­ledigte die Spezialdebatte der schott­ischen Kleinbauern-Bill und vertagte sich bis 3. Mai. Frankreich. Paris. Der Gerichtshof von Ville­­franche (Departement Averyron) verurt­eilte die Journalisten Quercy und Roche als Anstifter des Strikes zu Decazeville zu 15 Monaten Gefängnis. Spanien. Madrid. Alle beunruhigenden Ge­­rüchte, die über den Gesundheitszustand der Königin von Spanien hauptsächlich in Paris ausgestreut wurden, entbeh­­ren jeder Begründung. Die Königin, welche ihrer Nieder­­kunft in wenigen Wochen entgegensieht, befindet sich vollkom­­men wohl. Griechenland. Athen. Der hiesige russische Ge­­sandte wurde zum Kaiser nach Li­vad­ia berufen. Es ver­­lautet, die Garnison von Athen solle an die Grenze abrücken. Die Großmächte werden diese Woche die griechische Re­­gierung förmlich auffordern, binnen gewisser Zeit zu demobi­­lisiren. Im Falle etwaiger Weigerung wird unverzüglich die Blokade der griechischen Häfen erfolgen. Bulgarien. Sophia. Die britische Regierung hat dem Fürsten Alexander in Sophia ihre Befriedigung darüber ausdrücken lassen, daß derselbe das Arrangement der Konferenz bezüglich Ostrumeliens angenommen. Die russische Regierung hat noch seinerlei offizielle Aeußerung über dieses Thema nach Sophia gelangen lassen. In Sophia besorgt man, Rußland werde auf der bedingungslosen Unterwerfung des Fürsten Alexander bestehen. Es heißt, der diplomatische Agent Ruß­­lands in Sophia habe Instruktionen in diesem Sinne von seiner Regierung erhalten. Ostrumelien. Philippopel. Hier ist kurz oder lang eine neue Erhebung und schließlich der Bürgerkrieg zu erwarten, zu dessen Niederschlagung tür­kis<­e, respec­­tive russische Truppen nothwendig sein würden. Russische Stimmen halten es demgemäß für das einzig Rich­­tige, daß Rußland jener Währung Rechnung tragend, selbst dieselbe dirigire, damit er das Heft in der Hand habe und sich vor unausbleiblichen Ueberraschungen bei einer etwaigen Fortenteilung der Bewegung ohne rus­­sische Theilnahme bewahre. Nordamerika. New­ York. Durch den Austritt des Lorenzflusses ist die Stadt Montreal von einer kolossalen Ueberschwemmung heimgesucht worden. Alle Haupt­­läden, Hotels und Zeitungsbureaus stehen unter Wasser. Der Schaden beträgt 6 Millionen Dollars. Auch zahlreiche Men­­schen sind in den Fluthen umgekommen. ;­ ee a id Age Lokal-Nachrichten. — Die Eharwoche, in deren Mitte wir uns be­­finden, ist der bedeutsamste und vornehmste Zeitabschnitt im Osterkreise und sonach im ganzen Kirchenjahre. Diese Woche ist der Erinnerung an die Krönung des gesammten Erlösungswerkes: an das Leiden Sterben Christi geweiht; in ihr fallen die und Ge­­denktage an die Kreizung aller großen Mysterien des Chri­­stenthums zusammen. Deshalb heißt die Chorwoche in der Sprache der Liturgie "Hebdomada major", die große Woche, eine Benennung, mit welcher das unga­­rische nagy hét vollständig zusammenfällt. Sie heißt ferner die Passions-, die Leidens-, die Marterwoche, auch die Trauer- oder die­­warze Woche, durchweg Benennungen, welche sich aus dem Obengesagten von selbst erklären. Weni­­ger klar und außer Frage ist die Etymologie der de­u­t­­ig­en Benennung. Die meisten Sprachforscher führen das heutige Char auf die altdeutsche Wurzel „Kar“ welche Trauer, Klage, Sorge, auf Buße zurückk be­deutet. Das Wort findet sich in vielen IIdiomen in der gleichen Bedeutung wieder, so im angelsächsischen ce­ar­u, im gothischen c­ara, im englischen care, im romanischen carena oder carina, woraus das französische c­a­­réme, die Fasten. Der Name „die stille Woche“ endlich erklärt sich aus einem Verbote Konstantin's des Gro­­ßen, welches in der Chorwoche alle öffentlichen Arbeiten, Ge­­richtsverhandlungen u. dgl. selbstverständlich auch alle Er­­lustigungen, ja in den Kirchen selbst das Spielen der Orgel und das Läuten der Glocken untersagte. Und gleichwie der Name dieser Woche, so deutet auch die gesammte Liturgie der­­selben auf Trauer und Klage hin. In den ersten zwei Ta­­gen — Montag und Dienstag — gelangt dieser allgemeine Charakter des Ritus vorerst nur dadurch zum Ausdruch, daß während des regelmäßigen Gottesdienstes die Passion, die Leidensgeschichte Christi nach der Darstellung der Evangelien zur Verlesung gelangt; erst am Mittwoch erfährt dieser all­­gemeine Charakter eine Steigerung durch den Vortrag der Klagelieder des Propheten Jeremias und geht dann am Don­­nerstag in die volle tiefe Trauer über. Diese Gradation ist ganz­ und gar dem allmäligen Fortschreiten des großen, welthistorischen Dramas angepaßt, welches sich in jenen denkwürdigen Tagen in Jerusalem entwickelte. Auch dort erging sich die Aktion der Widersacher Christi nach der großen Volksdemonstration vom Palmsonntag die nächstfol­­genden Tage über vorerst in geheimen, vorbereitenden Schrit­­ten : man konzipirte die Anklage des Hochverraths und sicherte sich aus der nächsten Umgebung des Verfolgten den Helfers­­helfer, der es ermöglichen sollte, den Gefürchteten aus der Mitte der enthusiasmirten Massen ohne Aufsehen und Wi­­derstand „aufzuheben“ und unschädlich zu machen. der Hw. — Zur Kircenordnung. Am Ostersonntag wird Pater Al­varus des Dominikanerordens in der Klosterkirche der P. P. Dominikaner um 10*­, Uhr eine deutsge Predigt halten; der Hochw. Predikant, ein Deutscher, hat erst vor Kurzem sich die ungarische Sprache angeeignet und frappirt durch seinen gediegenen Vortrag in diesem Idiom. — Für die Armen zu den Osterfeiertagen spendete B. ©. 3 fl., Carl Ber­nolak sen. 2 fl., die Baronessen Barkóczy 1 fl. Weitere milde Spenden werden dringend erbeten ; selbe sind an die Stadthauptmannschaft zu leiten, damit diese im Stande ist, ihren Armen ein Osterbrod zu verabreichen. Ez Die heutige Nummer umfaßt 6 Seiten "ZI Bes U, REER DIER ENTGE 5 EEE SES ess ész sás —— nn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ; Aechzen der Sturm jo fie peitscht. Drittes Preis-Feuilleton. In der Sturmnacht. *) Von Joseph Willomitzer in Prag. Seltsam ! In der allerseligsten Stimmung — mit einem zarten Brieflein an den Lippen — war er einge­­schlafen — einen herrlichen Sechserzug mit lieblichen Joey- Genien hatte sich der Einschlummernde vor das Bett hin­­geträumt — wie himmlische Musik hatten ihn die Worte des Briefes umtönt : Wohlan, Dein will ich sein für immer ! . . Blumenstreuend war eine finneberühende hüllen­­lose Gestalt dem Zuge vorangeschwebt — dem fröhlichen Zug in's Paradis . . . Und jegt Mitten in der Nacht faßt es ihn an und reißt ihn empor . . . Seltsam, seltsam ! Hat ihn sein Glüc aufgerüttelt ? — Ah nein — so rauh greift es gewiß nicht zu, sein sanftes Glück. Oder war etwa das Souper . . Unsinn! Diese Marke ist gegen schnöde Nachrede gefeit — und sein Magen, der wackere hummernfeste Gesell großer Eindringlichkeit zu überzeugen — zu frieren. . *) Bei der von der „Wiener Allgemeinen Zeitung“ . Ach Unsinn, Unsinn! — Aber der Sturm — ach ja, der Sturm mag’s wohl gewesen sein, der Sturm, der an die frostbemalten Fenster rüttelt : Hujuh ! — da weint es auf: die Winternacht Oder während Millionen rasselt der und rüttelt ist es draußen Millionen ächzen und fernes weil ihm sich mit ein angeneh­­mes Gefühl, sa da­zu liegen in behaglicher Wärme, wohl­­gesättigt, glühgefrönt, darben, wimmern und eulen 4.77 Hujuh — er wieder mit aller Macht. In der That, der alte Römer — wie heißt er — hat vollkommen Recht : . Suave, mari magno, turbantibus aequora vefittis . . Noch ist Berthold daran, in seinem Gedächtnisse die verwischte Fortlegung des Sprüchleins aufzufrischen — da unterbricht er sich selbst mit den fast laut hervorgestoßenen Worten: Ich bin ein Schuft ! Er will lächeln. Ich ein Schuft ? Sehr gut! Bin ich nicht der weichherzigste Mensch auf Gottes Erdboden ? Habe ich nicht unzähligen Bettlern . Nun ja, sie betteln wohl Alle noch, die ich im Laufe von vierzig Jahren habe. Aber du lieber Himmel, kann man denn Allen beschenkt gründ­­lich helfen ? . . Halt, mein Junge, da steht's ! . . Weil ich nicht All­en aushelfen kann, darum habe ich keinem herausgeholfen . . Das ist der gräßliche, abscheuliche, wahn­­sinnige Trugschluß ! . Ja wohl, ich bin ein Schuft! . . . Mein Glück ist grenzenlos; zum Ueberfluß soll nun auch das herrlichste Weib der Welt für immer mein Eigen wer­­den . . . ich sonne mich, ich dehne mich auf meinen Millio­­nen — ich fühle mich angenehm durchpindelt bei dem Ge­danken an das Heulen und Zähneklappern der Armen und Elenden . Und weil ich ihnen Alles in Allem einen Bettel hingeworfen habe, der in lächerliche Atome zerstob , bild' ich mir bei alledem noch ein, ich sei ein gutmüthiger Bursche ! DO, mir graut vor mir. Aber das soll anders werden. Morgen . . . nein, heute noch . . . sofort will ich meine Schuld an die Menschheit abtragen. Einen Einzigen will ich herausretten aus dem Drum der Noth, aber diesem Einen soll g­a­n­z geholfen werden Glückliche sein ? Wer aber soll der Karl, mein Diener? . Hm, es wäre dieser ehrlichen Haut zu gönnen . . . allen... es geht nicht. 39 finde nicht leicht einen Ersaß für ihn. So weit kann der Edelmuth denn doch nicht gehen . . . Vielleicht der Kutscher ? Hm, dieser Hallunie mit seiner bedenk­­lichen Hinneigung zum Alkohol wäre wohl zu entbehren. Aber das hieße ja das Laster prämiiren­­ . Nein, ein Wildfremder soll es sein, "blind will Fich hineingreifen in's volle Menschenleben, um den herauszufischen, der durch mich frei und glücklich werden soll.“ Er drückte den Klingelknopf. Schlaftrunken erschien der Diener. „Geben Sie mir die Kleider . . den Pelz... Ci­­garren. Ich werde spazieren gehen.“ Karl stierte ihn sprachlos an, deutete auf die Wanduh : und stammelte : „Entschuldigen, Euer Gnaden . . ., es ist Mitternacht.“ „Das seh ich.“ „Ein grausiger Sturm . . .“ „Das hör’ ich.“ „Es fallen Ziegel von den Dächern . . Ein scharfer Blik Berthold's schloß dem Diener die Lippen. Als er angekleidet war, öffnete Berthold den eisernen Geldschrein. „Zwanzigtausend Gulden — murmelte er — ich denke wohl, das wird genügen.“ Eingehüllt bis über die Ohren schritt Berthold durch Nacht und Wind. „Dieser gute Karl“, sagte er sich, „ist ohne Zweifel fest davon überzeugt, daß ich verrückt geworden bin. Und bei Lichte besehen . . Herrgott, das wird unge­­müthlich ; nicht einmal rauchen kann man... Armer Teufel, so ein Schußmann. Wie wär's, wenn ich an ihm meinen Ausgleich mit der Menschheit vollzöge, bevor mir ein Schornstein auf den Kopf fällt ? — Doch nein. Ein Scußmann, der würde ja sofort dasselbe glauben . . was Karl glaubt. Er würde mich mit sanfter Gewalt zur Wache bringen und die ganze Geschichte fände frühzeitig einen lächerlichen Abschluß — oder gar einen tragischen, wenn der Schußmann Recht behielte und ich auf Grund „amtlich erhobener Geistesstörung” in den Narrenthurm oder wenig­­stens unter Curatel käme . . Geistesstörung ! Wahrhaftig, ein recht unbehaglicher Gedanke ! Ist nicht schon dies ein bedenkliches Anzeichen, daß ich mit solcher Heftigkeit mein Auge auf eine Circusreiterin geworfen habe... Daß ich mit meiner Freiheit ein Glück erkaufen will, welches sich viel­­leicht auch . . . in Freiheit genießen ließe . . Pfui! Das ist abscheulich, an so etwas auch nur zu denken, nachdem ich mich doch sattsam davon überzeugt habe, daß . . daran gar nicht zu denken ist . . Nein, ich bin nicht verrückt, ich habe noch nie so klar gedacht, wie jezt und im Herzen ist mir wohler, denn je... Aber läßt sich denn Niemand sehen ? . . . Die leidende Menschheit liegt auf der faulen Haut... Ach, wenn's die Leute wüßten, daß ein vers­tummter Harun al Raschid, ein Kaiser Joseph, ein „coeur change“ durch die Straßen zieht, dann wäre die Stadt ge­­wiß nicht menschenleer ! . . . Da kam in dürftigem Röd­ein ein Obdachloser des Wegs einher, der schon zwei vergebens angebettelt hatte. Ein Neuling, der noch schwankte, es mit dem Dritten zu versu­­chen. Im letzten Augenblicke verliert der unverbesserliche Pech- Sehr erstirbt das Wuthgeheul, und Wimmern löst sich in weint, Sturm, weil kalt ist ? — Jedenfalls — davon sucht Berthold nur .“ (Nachdru> verboten.) ausgeschriebenen Feuilleton-Concurrenz mit dem dritten Preise von 200 Mark in Gold prämiert. =. se -..

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