Kaschauer Zeitung, Juli-September 1888 (Jahrgang 50, nr. 75-111)

1888-07-03 / nr. 75

Fünfzigster Jahrgang 1888. Nr. 75.­­­­­­ Kaschauer Zeitung. Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag Pränumerationspreis ohne „Illustr. Unterhaltungsblatt“ ganzjährig fl. 5.—, halbjähr. 3 Zu vierteljähr. r Kaschau : it Postversendung : ganzj. fl. 6.60, „ , „ m —— KR ft. 1.65 Bei Inseraten wird die sechsmal gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 5 kr. berechnet. — Inseratenstempel 30 fr. für jede Anzeige. 25 und Samstag. Redaction und Expeditions-Bureau Kaschau, Hauptgasse Nr. 60. Mit dem „Jilustr. Unterhaltungsplatz” ganzjährig fl. 7.—, halbjähr. fl. 3.50, vierteljähr. fl. 1.75 ganzl.. fl. 860, „ fl. 4.30. 3 A. 2.15 Bei Inseraten, welche größeren Raum einneh­men und öfter eingeschaltet werden wird ein entsprechender Nachlaß gewährt. KASSA-EPERJESI ERTESITO. Für Kaschan : Mit Postversendung : Neueste Nachrichten. Ungarn. Budapest. Die Delegations-Sessionen wurden am 28. v. M. geschlossen ; die Delegationen haben in der kurzen Zeit von 19 Tagen mehr­­ bewilligt, als in jeder der früheren längeren Periode. Oesterreich. Wien. Der rumänische Minister des Aeußern, Carp, hatte am 30. v. M. eine längere Besprechung mit dem­ Grafen Kalnoky. Man hofft hier, daß die Zusammenkunft des deutschen Kaisers mit dem Czar auch auf das Verhältniß Rußlands zu Oesterreich-Ungarn von gutem Einfluße sein wird. Deutschland. Berlin. Die Begegnung des Kai­­sers mit dem Czar findet bereits zwischen dem 10. und 15.­­Juli statt. Der Zusammenkunftsort ist noch nicht festgestellt. So wird dies wahrscheinlich Petersburg, möglicherweise aber ein schles­wigischer oder dänischer Hafen sein. Der Kaiser reist Mitte Juli auf der kaiserlichen Yn<t „Hohenzollern“ auf mehrere Tage nach Petersburg. Graf Stolberg wurde auf der Verwaltung des Ministeriums dessen Ansuchen von des könig­­lichen Hauses entbunden und Regierungs- Präsident Wedell zum Minister des königlichen Hauses ernannt. Bismarc soll es gelungen sein, die Allianz Rußlands mit Frankreich zu zerreißen. Großbritannien. London. Die disponiblen Truppen in Natal erhielten Ordre sich für den Marsch gegen die Zulus bereit zu halten, mit denen die „Hetz“ wieder losgehen dürfte. Demnächst s­oll hier doch die Trauung des Battenbergers mit der Prinzessin Victoria von Deutschland stattfinden. Spanien. Madrid Das Amtsblatt publizirt das Gesetz betreffend­ die Verlängerung des Handelsvertrages zwischen Oesterreich-Ungarn und Spanien bis zum 1. Feber 1892. — Bulgarien. Sophia. Der Prinz von Coburg ist kein Hinderniß mehr am bulgarischen Throne, nur soll er einen russischen General als­ Kriegs­mi­­nister annehmen. Kaschau, Dienstag 3. Juli. General-Versammlung Des Abauj-Torager Komitats-Municipal-Aus­­schusses. (Abgehalten am 26 v. M.) Präses der Obergespan Herr Emerich von Darvas. Nach Vorlage und Verlesung der Protokolle über die General-Versammlung vom 25. wurden dieselben für authentisch erklärt. Das Intimat des Ministeriums, wornach die Regierung die Vermehrung des­­ Pensionsfondes für Komi­­tatsbeamte im Wege einer Lotterie nicht gestatten könne, wurde zur Kenntniß genommen. Ebenso diente der Erlaß zur Kenntniß, mit welchem der Generalversammlungs-Beschluß wegen Anlegung des Gel­­des obigen Pensionsfondes, genehmigt ist. Ueber die Verordnung des Ministeriums, bezüglich der das Eigenthum der Familie Lan­czy bildenden Hernäd­­br­ü >­e wurde beschlossen, den Inhalt den Betreffenden mit­­zutheilen, den Mauthtarif separat auszugeben und in gehö­­rigen Exemplaren den Eigenthümern zuzustellen, zugleich aber im Komitate öffentlich kundzumachen. Eine andere Verordnung über dei Superrevision der Mauthbrüden, die Privateigenthümern gehören, auflaufenden Unkosten und deren Bestreitung wurde ad acta gewiesen. In Folge eines bezüglichen Intimates wurde für das kön. Bauamt zu Kanzlei-Zwecken ein Pauschale von 100 fl. für heuer zur Last der Rubrik : „Allgemeine Manipulations- Auslagen“ votirt ; für die Zukunft hat aber diese im Budget unter einen separaten Titel vorzukommen. Summe Die Appellation des Ladislaus Szent-Irányi und Thomas von Karja gegen die zweitbehördliche Ent­­scheidung in Komitat 8-Beamten-Pensionirungs-Sachen wurde — laut Ministerial-Erlaße­s abgewiesen und die zweitbe­­hördliche Entscheidung genehmigt Die General-Versammlung beschloß, die Pensionsfonds-Manipulations-Kommission nebst zur Kenntnißnahme — behufs Effecttiirung des Er­­lasses zu verständigen. Der pro 1888 zusammengestellte Kostenüberschlag für den Straßenerhaltungsfond, welcher Ueber­­schlag nun, den von oben her­gestellten Anforderungen ge­­mäß umgearbeitet, vorgelegt wurde, ward angenommen und es wurde bestimmt, denselben behufs Genehmigung der Re­­gierung zu unterbreiten. Ebenso die Statuten über die Ge­­rechtsamen und Pflichten der Kreisärzte, welche den Ministerial-Einwendungen gemäß abgeändert wurden. Die Circular-Verordnung über das Verfahren in Hin­­sicht der Versicherung von Waisen-Gebäuden, wurde behufs j. 3. Darnachhaltung — ad acta gemwiesen Die nach den vom Ministerium gestellten Anforderun­­gen gemäß umgearbeiteten Statuten über die öffent­­­ige Arbeitspflicht, wurden zur Genehmigung vorgelegt. Die Zuschrift des Zempliner Komitats-Muni­­zipiums behufs Unterstüzung seiner Adresse an die Legislative um Herabsezung der Pupillar-Hypothek betreffend, wurde beschlossen die Bestrebung des Komitats Zemplin mit einer gleichen Adresse zu unterfrügen. Ueber Bericht des Komitatshau­s-Bauko­­mitee über die Abänderung der Baupläne sind die abge­­änderten Pläne der Regierung zur Genehmigung vorzulegen. Die zu Gunsten des Resiczabányaer Kul­­turvereins votirte Summe von 30 Gulden wird, da der Beschluß seitens der Regierung genehmigt ward, zur Auszahlung angewiesen. (Schluß: folgt.) Lokal-Nachrichten. — Se. Hochwürden der Herr Didcelanbi­­s<of Dr. Sigismund Bubics reiste gestern Abend 10 Uhr­ nach Budapest ab, von wo sich Se. bischöfliche Gnaden wahr­­scheinlich nach Baden bei Wien begeben wird. Personalien. Herr Communikationsminister Baros3 ist gestern 6 Uhr Abends mit S.­A­­ Ujhely hier angekommen und heute Früh Separatzug von 6 Uhr wieder auf der Oderbergerbahn weitergefahren — Herr k u. Staatsanwalt Josef von Paksy hat einen mehrwöchentlichen Urlaub angetreten, während dessen Dauer ihn Herr Staatsanwalt Dr. Viktor Hanyi vertritt. — Herr Oberst v Salippenbach weilt seit einigen Tagen hier auf Besuch. Militärisches. — Herr Generalmajor Mih Hertlein reiste gestern nach Mezö-Köve3d und beginnt dort heute die Kavallerie-Reiseübung, nach deren Beendigung der Herr Ge­­neral Sonntag wieder hier eintrifft. — Das Generalstabs-Offiziers­corps hat seine heurige Uebungsreise beendet und sind die Herren Samstag schon hier eingetroffen. — Pensionirung. Der Ef. Hußaren-Oberst Herr Wilhelm Th­o­mka de Thomkahäz a és Falkusfalva des Hußarenregiments Albert Eduard Prinz von Wales Nr. 12 wurde nach dem Ergebnisse der neuerlichen Superarbiteirung als zum Truppendienst im Heere untauglich, zu Localdiensten geeignet, unter Vormerkung für letztere in den Ruhe­­st­a­n­d übernommen. Der Herr Oberst, durch dessen in seinen gestörten Gesundheitsverhältnissen basirtes Scheiden aus der Armee diese wieder eine ihrer Zierden verliert, hat Kaschau sich zum Domizil erwählt, wo er von jeher allgemeine Sympathie und Hochachtung genossen und sich auch fernerhin recht wohl fühlen möge. — Ernennung. Herr Assistenzarzt i. R. Dr. Hermann Rosenberg des Garn­-Spitals Nr. 20 in Kaschau wurde zum Oberarzt ernannt. — Eintheilung. Herr Oberarzt Dr. Baruch Altmann vom Garn.-Spital Nr. 15 in Krakau wurde zum Garn.-Spital Nr. 20 in Kaschau eingetheilt.­­ , Der Scußgeist. Roman von Carl Zastrow. (67. Fortsetzung.) „Walter.“ sagte sie einmal mit ihrer bestridenden Zärt- Tischkeit, „laß fahren, was außer Dir liegt. Was brauchst Du Glanz und Ehre ? Sieh ! Du hast mich ja, ich will Dir al­ 1er hingeben, jede Faser meiner Seele, mein ganzes Herz. Du sollst so glüclich werden an meiner Seite, so glücklich !* Das ist der Egoismus des Herzens. Er glaubt in sei­­nen überschwänglichen Träumen den geliebten Gegenstand für ewig in seinen Bann zu ziehen. Er traut sich die Versezung himmelhoher Berge, den Aufbau riesiger Welten zu und irrt. Der Rat seufzte s­chwermütig auf. Nie war ihm die Unvollkommenheit der menschlichen Natur in grellerem Licht erschienen, als heute. Früher, als Irma ihn über die schwie­­rigsten Fragen des Lebens und der Wissenschaft zu Rate 409, war ihm der Befug eines Wesens, wie Wachholda als der Inbegriff aller Glückseligkeit erschienen. Jett, wo keine Gewalt der Erde ihm dieses Wesen mehr streitig machen konnte, trat unwillkürlich der Name „Irma“ auf seine Lip­­pen, und er empfand etwas wie Verachtung seiner selbst. War wirklich mit Irma sein Schußengel gegangen ? "Er war beinahe geneigt, dies zu glauben, als Tage mehrere Herren bei ihm eintraten, die sich am folgenden als Beamte der Oberrevisions-Kommission zu erkennen gaben und beauf­­tragt waren, sämmtliche Kassen- und Rechnungsbelege, Ein­­nahmen und Ausgaben der Bahnverwaltung von dem ersten Spatenstiche des Unternehmens an zu kontrollieren. Konnte er einer derartigen Revision aus mit dem besten Gewissen von der Welt entgegensehen, so empfand er diese Anordnung des Gebieters doch wie eine deprimierende Maßregelung. Er durchschaute klar die Absicht ; man wollte ihn fah­­len lassen, weil er es gewagt hatte, sich eine Frau aus dem Volke zu wählen und auf diese Weise der aristokratischen Welt, die ihn zu sich erhoben, einen Faustschlag in das Ge­­sicht zu verießen.­­ Er spottete jedoch im Geheimen der ohnmächtigen Wut seiner Feinde. Er wußte, daß eine Kraft, wie er, so leicht nicht zu ersehen war, so viel Mühe man sich auch gab, diese oder jene Persönlichkeit heranzubilden. Klar bis zur Evidenz bewies er den herzoglichen Räten, wie die Interes­­sen des Bahninstituts leiden würden, wenn er von seinem Posten zurücktrete und als Abteilungschef im preußischen Handelsministerium eine Konkurrenzbahn ins Leben riefe. Zähneknirrschend mußte man ihn gewähren lassen. Er arbeitete unausgeregt, Tag und Nacht, und durch diese angestrengte Thätigkeit schien er einzig und allein sei­­nen inneren widerstreitenden Empfindungen ein Gegengewicht zu schaffen. Er teilte seine Arbeitszeit zwischen den Anforde­­rungen, welche sein Posten als Bahndirektor, und denen, welche das Handelsministerium an ihn stellten , und wie man auch über ihn als Mensch denken mochte, seinem Genie mußte man Gerechtigkeit widerfahren lassen, da alle seine Vor­­schläge durchaus praktisch erschienen und sich in ihrer Aus­­führung von tausendfachem Nuten zeigten. So verstich ein Jahr. Da wurde ihm das Glück zu theil, für welches er bis dahin nur eine beseligende Ahnung gehabt : Wachholda schenkte ihm einen Sohn. Wer vermöchte sein Entzücken zu schildern, wenn die Mutter den bildsc­hönen Knaben mit einem verschämten Lä­­<eln in seine Arme legte und er sich in die weichen, lieblich gezeichneten Züge­­ vertiefte. Der gewaltige Mann wurde selbst zum Kinde. Im tollen Jubel sprang er mit dem kleinen Streihals durc­h alle Zimmer seiner weitläufigen Wohnung. Tausend Spiele erfand er, um das lebhafte­­ unruhige Kind zu unterhalten. Er bewachte seinen Schlaf, er belauschte sein Erwachen, und wenn der Kleine mit den Beinchen strampelte, die Aermchen nach ihm ausstrecte und ihn mit den hellen Augen ansah, vergaß er die Welt, vergaß er seine glühenden Wünsche und ehrgeizigen Träume. Mehr­ als je zog er sich von der Welt zurück, und jede Stunde, die er sich abmäßigen konnte, widmete er der reinsten Quelle aller seiner Freuden, der Familie. Aber auch hier fehlten die dunklen Punkte nicht, die er mit der Geschäftigkeit seiner rastlosen Kombinationsgabe aus den innersten Tiefen seiner Seele heraufbeschwor. Würde er sein­ geniales Fuer, seine stolze digkeit und Thatkraft in dem Knaben wiederfinden Selbstsinn­­? Würde der Sohn die Fähigkeit besizen, das begonnene Werk fort­­zusezen und zu vollenden ? Oder würde er den beschränkten Ideenkreis, die Anlehnungsbedürftigkeit der Mutter kundgeben ? war die zärtliche Wachholda überhaupt die Frau, einen Mann heranzubilden ? „Irma würde es, Irma könnte es !“ flüsterte er trübe vor sich hin. Konnte Wachholda zu dem glühenden Sinn, dem reichen, liebevollen Herzen nicht den strahlenden Geist, die himmel­­anstrebende Seele Irma'3 besagen ? Nein, Wachholda wäre dann gewesen, was man so selten findet, =­­ein vollkomme­­nes Weib. Die Zurücgezogenheit, in welcher das junge Ehepaar lebte, brachte es mit sich, daß Wachholda's Umgang sich nur auf wenige Frauen beschränkte. Zumeist waren es die Gattin­­nen der dem Rath unterstellten Oberbeamten, welche sich durch Wachhol das herziges, gewinnendes Wesen angezogen fühlten, und unter diesen hatte es die hübsche gebildete Frau eines Direktionsmitgliedes verstanden, sich das ganze Vertrauen der jungen Räthin zu erwerben. Id Frau Reichardt stand mit Wachholda in einem Alter. Auch sie war, als die einzige Tochter eines Handwerkers, aus dem Kern des Volkes hervorgegangen, wenngleich sie eine sorgfältige Erziehung erhalten hatte und nicht ganz ohne Ver­­mögen gewesen war. Dieser Umstand hatte die beiden Frauen zusammengeführt und Wenn Helmstedt's sie waren bald Freundinnen geworden. Anwesenheit in der königlichen Re­­sidenz nothwendig war, sah man die Frauen fast immer bei­­sammen. Was Wachholda die Freundin besonders wert machte, war der Umstand, daß die Direktorin sich stets eines takt­­vollen Urteils, einer liebenswürdigen Bescheidenheit befleißigte, wozu noch kam, daß sie stets mit einer gewissen Ehrfurcht von dem „Herrn Geheimrat“ sprach. Nun konnte man Wachholda aber keine größere Huldigung darbringen, als wenn man gut und respektvoll über ihren Gatten urteilte. Diese kurze Skizzierung des Charakters der­ Freundin dürfte genügen, um es begreiflich zu finden, daß sie niemals Wachholda gegenüber Helmstedt's erster Gattin Erwähnung gethan hatte. ' ; T Wachholda wußte nichts von Irma. Helmstedt­ hatte ir gegenüber seiner ersten Gattin nie Erwähnung gethan. 7 Fortlegung folgt.) | AL RE : ;

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