Kirchliche Blätter, 1903. Mai -1904. April (Jahrgang 8, nr. 1-52)

1903-10-14 / nr. 24

Dr. 24. Erscheint jeden Mittwoch.. Für das Inland: Halbjährlich K. 3.—. Mai—© ft., Nov.— April. re Hermannstadt, den 14. Oktober 1903. VI Jahre. Administration: WM. Krafft, Hermannstadt. K­irchliche % ++ atter 1 ES aus der et. Landeskirche A. 8. in den siebenb. Landesteilen Ungarns. BmzRX. TE : u­m Subalt: Der Heiland. — Zur Statistik der ev. Pfarrgemeinde Hermannstadt und ihrer Schulanstalten. — Über die 56. Generalversammlung des Gustav-Adolf-Bereicd. — Neue Literatur zum evangelischen Religionsunterricht. — Nachrichten aus Schule win Kirche. — Anzeige. Evang. Wochenschrift für die Glaubensgenossen aller Stände. Für das Ausland: Halbjährlich ME. 3.—. Mai—Ost., Nov. — April. Der Beiland. 1. Kommt her zu mir alle, die ihr mähtelig und beladen seid, ich will euch erquiden, Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Zaft ist leicht. Matth. II, 28-30. Nachdem Jesus Christus in der Wüste seine Gedanken auf seinen himmlischen Bater gesammelt, die Versuchungen von sich gewiesen hatte, fehrte er, ausgerüstet mit seines Gott,3 eigner Kraft, nach Galiläa zurück und kehrte­ in den Schulen und Gemeinden und ward gepriesen von­­ denen, die seines Moesens Rauber erfuhren. Eines Tages,­­ es war am Sabbath, trat er in die Schule seines Heimat-­städtchens, Nazareth; da ward ihm das Buch des Propheten Seraios gereicht. Als er es aufschlug, fand er die Stelle: „Der Geist des Herrn ist bei mir, darum, daß er mich gesalbet hat; er hat mich gesandt, das Evangelium zu versünden den Armen, zu heilen die verstoßenen Herzen, zu predigen den Gefangenen, das sie los sein sollen, und den Blinden das Gesicht und den Zerschlagenen, daß sie frei und ledig sein sollen und zu verfündigen das ange­­nehme Jahr.“ Und als er das Buch zutat, gab er’s dem Diener und jeßte sich. Und aller Augen, die in der Schule waren, sahen auf ihn. Und er fing an zu jagen: Heute ist diese Schrift erfüllt vor euren Ohren... Ihr aber werdet freilich zu mir jagen: Arzt, Hilf dir selber! Fürwahr ein Arzt, der nicht sich selbst, wohl aber ihnen und ung geholfen hat. Denn die Worte des Propheten Sseraias, Die Jesus Christus in seine einfache, herzergreifende Sprache gekleidet hat, kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquieren, haben seine Predigt und seine Worte alle Tage durchleuchtet ; aber — und das ist das Entscheidende — hinter diesem Spruch stand auch eine ganze Persönlichkeit. „Sprich, daß ich dich sehe." Dies tiefe Wort des Blinden gilt auch heutzutage. Wir hören den Heiland zu wenig sprechen, und darum sind wir blind, hörten wir ihn, das rechte Schauen wü­rde auch uns werden. Denn wer könnte dieser Gestalt, gewoben aus Sonnenlicht und Himm­elsfrieden, widerstehen? Aufgehen würde sein Reich auch in uns, sein Reich, das da nicht kommt mit äußern Gebärden, sondern als stille Kraft, die in jedes Herz einzieht und es bildet und gestaltet nach des Meisters Seele und­ Sinn. Darum machet die Tore weit auf und streitet ihm Palmen und eure Liebe unter seinen Tritt, auf daß er einziehe in die Herzen aller, die mühselig und beladen sind — und welcher von uns, der nicht gedankenlos in den Tag hineinlebt, trüge nicht solch schwere Bürde? Lastet diese Bürde nicht auf dir und mir, auf uns aller, die wir um unseres Glaubens, unserer Überzeugung willen verfolgt und gefangen werden? Und sollte der wehende Morgenruf des Heilands: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch er­­quiden — nicht auch uns, nicht auch den Nöten und Kämpfen des heutigen Tages gelten? Der Gedanke kann nur in Streit und Kampf sich entfalten; ja man kann sagen, daß die Größe einer­dee gemessen werden kann an dem Widerstande, den die Welt ihr entgegenfegt. Darum gilt es, daß nur im Leibe das Große geboren wird. Nur das Große? Auch unser Glaube, auch des Alltagsmenschen Überzeugung erheirscht Kampf und Streit. Verremnung ist bis jept noch jedermann entgegen­­gelegt worden. Wie einsam und verlassen ist selbst der Stärkste dann. Verlaffen nur? Nein, Kampf und Fehde, allüberall, weil du, weil wir den eignen Glauben — den himmlischen oder irdischen, das ist gleich , nicht opfern wollen. Da weint dann wohl das Herz, und die Sorge des Geliebten fleht und bittet, abzustehen, zu weichen. Da­ hebt sich auch der Neid, der mit scheelem Auge nach dir zielt, da flattert auf das üble Wort und schwirrt ver­­giftend durch die Menge... Und ist es mit einem Wolfe, mit unserm Wolfe denn anders? Die Verleumdung, die Berführung, die Feigheit und auch Gewalttat, sie sind auf unser Häuflein flein nicht nur einmal herangestürmt — und dennoch hat es und soll es nicht verzagen, denn der Heiland ruft auch heutzutage: Kommt her zu mir

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