Kirchliche Blätter, 1906. Mai -1907. April (Jahrgang 11, nr. 1-52)

1906-05-02 / nr. 1

3 — Ak.1. hernieder,und all das schrille Schreien der durchein­­anderirrenden Menschen muß dagegen verhallen,denn ihre tönenden Worte wechseln,sein Wort bleibt,ihre Lösungsversuche verwirren und verstricken die Herzen,sein­­ Wortgit­rieden und Klarheit.Weresje vernommen hat in all seiner Tiefe und Kraft,der sucht nichts anderes mehr, er traut ihm und fühlt neues Leben, das Leben in Gottes ewiger Vaterliebe. Und dann bricht aus seinem Snnersten das neugewonnene Petrusbekenntnis: „Es ist in feinem andern Heil." Allerlei G­eld bieten die Menschen an, Heil aber nur Einer, dessen große Taten im Menschen­­leben wir sehen, dessen erlösende Worte fortdauern in uns verminderter Kraft, dessen Lebenswirklung ein jeder in seinem Innersten spürt, der es ihm öffnet, suchend und sehnend. Darum, was auch die großen Stimmführer der Zeit rufen und pochen — wir wissen seine bessere Botschaft, als das P­etrusbekenntnis: „Es ist uns sein anderer Name gegeben, darinnen wir künnten selig werden. Darum können wir es nicht lassen, daß wir nicht reden sollten, was wir gesehen und gehöret haben.“ m « »­:4" Die VBergpredigt. $gür die Gemeinde erläutert. 4. Das neue Gese des Lebens. (Fortregung.) Feindesliebe. (5, 43—48.) Ihr habt gehört, daß gesagt is: Du sollt deinen Nächsten lieben und deinen Feind halfen. Ich; aber sage euch: liebet eure Feinde; [egnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die endt halten; bittet für die, so eucht beleidigen und verfolgen; auf das­ ihr Kinder feid eures Vaters im Himmel; denn er läßt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Unten und läßt regnen über Oberechte und Ungerechte. Denn so ihr liebet, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Böllner? Und so ihr end; nur zu euren Brüdern freund­ Lich nnt, was tut ihr Sonderliches? Tun nicht die Böllner andy also? Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist. „Ihr sollt dem Bösen nicht widerstreben!“, Hatte Sejus dem Gesäß der Vergeltung entgegengehalten. Denn das Böse kann durch Böses nicht vernichtet werden. Aber ein höherer Gedanke liegt noch darin: Wer unter der Herrschaft Gottes steht, darf sich in seinem Verhalten zum Nächsten gar nicht durch dessen Widerverhalten be­­stimmen lassen, sondern allein durch das ihm selbst eigne Wesen. Und der Grundzug dieses Wesens soll Liebe sein. Auch das Geseh sprach von Liebe, und die Er­­läuterungen dazu führten aus, wie und wo solche Liebe zu bezeugen sei. „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“" konnte man 2, Mof. 18, lesen. Aber das Pharisäertum hatte Dieseg weite Wort eingeengt. In fleinlicher Buchstabenklauberei ziffelten sie ängstlich ab, wer denn der „Nächste“ ei, und stellten diesem Nächsten die „Andern“ gegenüber, die von solcher Liebe ausge­­schlossen sind. Die Charisäer suchten sich, wie sie schon in ihrem Namen, „die sich Absondernden“ es ausdrückten, von aller Berührung mit der unreinen Welt fernzuhalten, um ja nur bis aufs legte Zwipfelchen das Geiäß zu er­­füllen. Sie schlosfen ich als „Bundesbrüder” zusammen und mieden ängstlich jede Berührung mit „denen aus der Mafse“. „Wer es auf sich nimmt, ein Bundesbruder zu sein, verlauft an einen aus der Mafse weder feuchte noch trocne Früchte, kauft von ihm seine feuchten, kehrt nicht als Gast bei ihm ein und nimmt ihn nicht in feinem Gewande als Gast auf“, Lehrten die Schriftgelehrten. Am ärgsten trieben es die Frauen mit dieser Absonderung. Da wurde bestimmt, wenn die Frau eines Bundes­­bruders in ihrem Haufe­n eine Frau­ aus „der Mafje“ an der Mühle mahlen ließ und fand zurückkehrend die Mühle stillstehen, so war das ganze Haus unrein. Denn jene konnte unterdessen alles berührt und unrein gemacht haben. Ging die Mühle aber noch, so war nur das unrein, was jene Frau „aus der Masse“ von ihrem Sitz aus mit der Hand hatte berühren künnen. Und innerhalb des Rharifäertums sonderten sich erst recht diejenigen ab, die noch­ strenger als die andern den gejeglichen Bestimmungen nachkommen wollten, und sahen nur Die gleichgesinnten Strengen als ihren „Nachhsten“ an, rechneten die andern, wenn sie auch P­harifäer waren, doch mit zur großen unreinen Masse. Da gab es denn Neigungen, Streitfragen, wie weit man gehen dürfe, einen andern als „Nächsten“, als Bundesbruder anzu­­erkennen, ohne sich selbst dabei unrein zu machen, und jener Schriftgelehrte, hatte bittern Ernst, als er sein Wort vom Gebot der Nächstenliebe überlegen lächelnd mit der Gegenfrage abtrumpfte: „So, wer ist aber mein Nächster?" Bor Jesu sittlichem Zorn stand die ganze Heuchelei dieses Pharisäertums, das sa auch das Gebot der Nächstenliebe zum Werkzeug der Selbstsucht gemacht hatte. Sie schärften in der Unterweisung der Synagoge die Nächstenliebe ein, sie schieden aber dabei scharf und erbarmungslos, wer ihr Nächster sei und wer es nicht sei. Und auf die „andern“, auf die Masse des Volkes sahen sie mit Verachtung herab, stießen sie von sich aus, mieden sie wie Aufsäßige und Verpestete. Und wie die Schriftgelehrten das Gebot der Nächsten­­liebe so auf den engsten Kreis eingeengt hatten, so fügten sie e8 in das sittliche System der „Vergeltung“ ein. Wie e8 hieß, „Zahn um Zahn, Auge um Auge“, so sollte­ auch nur gelten: Liebe gegen Liebe, Freundesgruß gegen Freundesgruß. Wenn e8 auch nirgends im Gefäß wirklich so steht und ansprüchlich auch in seiner Nabbinen­­vorschrift noch gefunden worden ist, so sah er doch Jesus

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