Kirchliche Blätter, 1911 (Jahrgang 3, nr. 1-52)

1911-01-07 / nr. 1

Jikeli heute noch ist und so viel Jahre lang war, gelernt haben, sie werden von ganzem Herzen mit einstimmen in die Glühwüns­che, die­­ heute der ver­­dienten und geliebten Vorsteherin dargebracht werden. Viele von den Darstellerinnen und Darstellern des Luther, des Gustav Adolf, des Ulrich von Hutten werden gern zurückdenken an die Tage, die sie Alle vereinten und zu edlem Zweck ihr Bestes geben ließen. Die ersten Luther- Aufführungen 1888 mit Devrient selbst und Kuhlmann waren geradezu eine nationale und kirchliche Tat. Wie wußte Julie Seifeli dafür aber auch Stimmung zu machen, als sie 1887 von den Festspielen in Jena zurückgefehrt, in der großen evang. Kirche in Hermannstadt einen Vortrag hielt, der Begeisterung weckte und die Herzen für die gute, evangelisch-deutsche Sache entflammte. Wie mußte sie später, bei den Aufführungen die Kräfte Aller zu wüßgen und an den richtigen Plag zu stellen. Wie treffend wird ihre Wesen charakterisiert durch ein Wort, welches sie selbst einmal von sich sagte: „Ich bin nicht der Mensch, der vor Schwierig­­keiten leicht zurück­hreht." Im vielen Sagen ihres Lebens und ebenso als Vorsteherin des Frauen- Ortsvereines hat Zulie Zikeli Mut, was die Ent­­schlossenheit und Energie bewiesen und durch die frohe und feste Zuversicht in das Gelingen ihrer Pläne Zugende mitgerisfen und Schwierigkeiten überwunden. Von ihrem Ahnheren Martin Arz, Pfarrer in Urwegen und seit 1781 Stadtpfarrer in Mühl­­bach, berichtet der Ehronist mit Befriedigung, wie es Ar. vor mehr als 100 Jahren gelungen sei, alle Hindernisse zu überwinden und eine Mädchen­­schule in Mühlbach „von Grund aus ganz neu aufzubauen, wozu Herr von Werthern, damals Königs­­richter, den Plab schenste. Wir können mit eben­­solcher Befriedigung daran denken, daß die Urenkelin dieses Mannes, Julie Zikeli, den Mut hatte, den Hausbau des Frauen-Ortsvereines zu planen. Ihrer Energie ist es zu danken, daß der Frauen-Ortsverein, großherzig unterstüßt von der Spartafia, heute ein eigene Heim hat, in dem die — in moderner Weise sich entwicklnde — Frauenschule untergebracht ist. Ein Bild von dem Leben des Vereines, der einen so breiten Raum im Leben Julie Sifelis einnimmt, hat vor zwei Jahren der „Kalender des Siebenbürger V­olksfreundes“ gebracht und dabei auch all der treuen Helferinnen und Helfer, die ihr zur Seite standen und stehen, gedacht. Wer fünnte aber im engen Rahmen dieser Zeilen alle die Sonnenstrahlen der Tüchtigkeit, des stilen Sleikes, der ernsten Gedankenarbeit und des fröhlichen Humors, der praktischen Erfahrung und der zielbewußten Hand­­lungen zusammenfassen wollen, die eine so lebens­­volle Persönlichkeit, wie Frau Julie­ Zikeli es it, ausstrahlt. Wir sehen, daß ihr Haar wei geworden ist, aber wir vergessen es immer wieder, daß sie 70 Jahre alt geworden ist, denn ein Stüd innerer betrauert. V­or kurzem hat der Tod ihr einen ge­­liebten Bruder entrissen. Ihre Starken Schultern wissen auch das Leid würdig zu tragen. In jüngern Jahren hatte sie den Heimgang ihrer Eltern zu befragen. An der Erzählung „Katharina“ hat Julie Sikelt in der ehrwürdigen Gestalt des sächsischen Pfarrers auch ihrem Vater, Pfarrer Karl Arz, ein Denkmal gerebt. Wie einfach und anschaulich weiß sie, durch den Mund eines alten Bauern, die Trauer der ganzen Gemeinde, „die ihren besten Berater, ihren Vater verloren hat“, zu schildern. Wir sehen alle Einzelheiten eines jährischen Pfarrer- Begräbnisses auf dem Lande vor und. In Ddieser und in andern ihrer Erzählungen weiß Julie Zikeli mit seiner Beobachtung den sächsischen Bauern zu schildern. Wir hören das Geplauder der Frauen auf der Gasse am Sonntag-Nachmittag, wir freuen uns mit den Jungen, die sich nach­ manchen Hinder­­nissen endlich fliegen, wir spüren den Heute so modernen „Erdgeruc­h“, und was das Beste ist, es sind unsfere Bauern, die da Teben und ihre Scholle bearbeiten, die lachen und weinen, sich lieben oder haffen, um Mein und Dein streiten, sich verheiraten und sterben. Es ist unsere Heimat, die Frau Julie Sifeli mit dem Herzen erschaut hat und uns vor­­führt, es ist die sächsische Pfarrerstochter, die dem Bolf ins Herz gesehen hat. Boi Fahren, als diese Skizzen verstreut in Kalendern und Zeitschriften erschienen, haben sie Aufsehen hinter uns gemacht, aber­ heute werden wohl wenige noch etwas davon wissen. Möchte doch Mancher, auch der, dem der Kalender nicht das einzige Buch ist, das er liest, hie und da nach den sorgfältig aufzubewahrenden frühen Jahrgängen greifen und sich erfreuen am Bilde unseres Volkes. Das wäre für das Herz Julie Zikelis „Lohn, der reichlich Lohnet“. Uns aber drängt e 3, der verehrten F­rau an ihrem siebzigsten Geburtstag innigen Dank zu sagen für das, was sie in ihrem bisherigen Leben gewirkt hat, und ihr ein herzliches „Slüdauf“ für die Zu­­kunft zuzurufen. Marie Klein,­­­er eine starre Scheidewand zwischen der Gegenwart Jugend ist ihr geblieben, trug manchem Herden Berlust, den die Zeit ihr gebracht hat. Sie hat den Gatten vor Jahren schon verloren und tief ! Ein Erinnerungstag. Eine Pflicht dankbaren Gedenkens Hat das ab­­gelaufene Jahr uns zu erfüllen hinterlassen. Am­ 2. Dezember v. a. hat fi ein halbes Jahrhundert erfüllt, seit sich ein Auge Schloß, das mit besonders scharfem Blide in der Vergangenheit zu lesen ver­­mocht und auch vielen, vielen andern den Blid fü­r die Scheidung von echtem und unechtem Erbgut der Ueberlieferung erschlossen hatte. Ferdinand Christian v. Baur ging an diesem Tage vom Forschen zum Schauen ein. Nur ein halbes Jahrhundert trennt uns von dem Tage und doch scheint es, als Habe und der Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet, so stark, daß die Erinnerung sie kaum zu übersteigen

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