Kirchliche Blätter, 1925 (Jahrgang 17, nr. 1-53)

1925-06-25 / nr. 26

d —290«— Das germ­anischesesnsbild im»Helian­d­«.«) Von dem kürzlich verstorbenen deutschen Maler­n Gebhardt sin­d prächtige Bilder aus dem Liebsen Jesu so dargestellt,daß die h­andelnden Personen in die zurzeit der Reformation übliche deutsche Volkstracht g­ekleidet sind und dadurch bekommen­ die­se Bilder,wie z.B.d­ie Bergpr­ed­igt,Jesugunid der reiche Jüngling,J­esu­s inmitten der Kinder usw. ein außerordentlich anheimelndies deutsch-heimat­­liches Gewand Es gibt sich darin die Auffassung kund, daß­ der Heil­ an«dwiein«seiner Zeit,so­ auch heute mit seinen Lehren zumal auf das tiefe deutsche Ge­­müt einzuswirken berufen ist.Mit dies­en male­­rischen Darstellungen Gebhardts aus dem Leben Jesumöchteich­ vergleichen­ die poetische Schilderung des Lebens und Wirkens Jesu in dem von einem altsächsischen­ Geistlich­en um das Jahr 820,n.Chr­., also bald nach Einführung des Christentums unter den noch zur Zeit Karls des Großen heidnischen Sachsen, gedichteten „Heliand“. Auch diesem bedeu­­tenden volkstümlich epischen Dichter, der sein Epos in gewandte alliterierende Verse gekleidet hat, war es daran gelegen, die vor kurzem erst zum Christen­­tum befehrten, mit ihren religiösen Vorstellungen nu) vielfach am Heidentum hängenden alljährischen Stammesgenossen dadurch für die Person und die Lehre unseres Heilandes zu gewinnen, daß er so­­wohl den Schauplan der Handlung, als die han­­delnden Personen und deren Gesinnung. in­ heimat­­liches altsächsisches Gewand kleidete. Wir betrachten zunächst den heimatlich anmuten­­den Schauplag der Handlungen. Schon die Erde wird in altheidnische germanischer Weise bezeichnet als Middilgard-Mittelgarten, Mittelpunkt der Welt. Der­ Wohnort der Seligen wird nach altdeutscher Weise gedacht als am Flusse gelegene, mit blumigen Kräutern bewachsene Wiese; der­ Dichter heißt das Himmelweich die grüne Gottesaue, oder Himmels­wiese, wie sich bis heute die „Paradiesesauen“ poetisch erhalten haben. Wie es im Sachsenlande befestigte Burgen gab, um die sich allmählich städ­­tische Ansiedlungen bildeten, wir erinnern an Städtes­namen wie Olvenburg, Magdeburg, Hamburg, so heißt der Helianddichter die Städte im heiligen Lande Nazaretburg, Serichoburg, die Burgen von K­apernaum, von Jerusalem, Rom heißt Romaburg. Stattliche Burgwälle umgeben im Heliand die Städte; sie lesen von hohen Holmflippen herab. Aus Fels­­­­stüden gefügte Steinwege führen zu ihnen hinauf, in ihnen ragen hohe Hornsäle, sogenannt von den geseinigten Zierraten des altdeutschen vornehmen Hauses, empor. Das Richthaus wird altgermanisch Thinghaus benannt. Da der altsächsische, neube­­lehrte Christ­us­ von einer Wüste seine Vorstellung machen konnte, läßt der Dichter unsern Heiland nach der Taufe nicht in eine Wüste, sondern in eines großen Waldes Didicht in die Einsam­­keit ji zurückziehen. Weil die Kreuzigung eine dem alten Deutschen unbekannte Todesstrafe war, stirbt Christus in unserm Epos an einem Galgen: „Die Juden errichten auf dem Sande den Galgen, einen Baumsstamm auf dem Berge.“ Die Fahrten Sefu und seiner Jünger auf dem See Genezareth gewinnen in der Schilderung des Dichters eine Aehnlichkeit mit den Seefahrten der Bewohner der deutschen Nordseeküste. In der Schilderung des See­­sturmes heißt es: „Da begann des Wetters Kraft, eine Sturmwolfe steigt auf, die Wogen wachen, Schwarze Wolfen schwingen ji Durcheinander, das Meer wird zornig.“ Oder „es entstand ein gewal­­tiger Wind, ein mäctiges Wetter erhebt ji, es tojten die Wellen, der Sturm im Strome, im Wett­­streit ruderten die Männer gegen den Wind. Die Seefahrer glaubten nit mehr ans Land zu kom­­men dur den Widerstand des Wetters. Und da auf einmal dur das Gebot des Heilands werden die Wetter stille und Tieblich die Wogen; der Nahen fuhr weiter, das Hochgehörnte Fahrzeug“. Was die handelnden Personen im Heiland betrifft, so werden wir immer wieder an die alt­­deutschen Verhältnisse in der Karolingerzeit erinnert. Die jüdischen Hohepriester werden als Bischöfe bezeichnet, Wärter des Meichtums (des Tempels); edelgeboren sind die Vornehmen des Volkes; die Volfsgenossen sind Krieger, Wigande, Reden, Ram­­pen, Degen, selbst die Schriftgelehrten heißen Wehr­­männer, ein kampflich Geschlecht. Die Hirten auf dem Felde bei Bethlehem hüten nicht etwa Schafe, sondern sind Raffehirten. Dem friegerischen Sacsenwolf werden die Jünger des Herrn dadurch achtunggebietender, daß sie als Helden, als Reden, Degen bezeichnet werden; sie sind die Gefolgsman­­­nen ihres Dienstherrn Sejus Christus, treue Ge­­fährten seiner Heerfahrt. Allen Degen bester aber ist Petrus, ein kroftberühmter Rede. Als schneller Schwertheld­ gerät er bei der Gefangennahme seines Herrn in zornige Aufwallung, sodaß er kaum ein Mort hervorbringen kann, so leid tut es ihm im Herzen, daß man seinen Herrn fesseln will. Und er zieht das Schwert, und Malkus wird von ihm am Haupte verwundet, „oda vom Schwerte blutig Kinnbaden und Ohr von schweren Wunden sich­­ pal­­teten; das Blut sprang hervor, es quoll aus den Munden“ Die Aufforderung des Thomas zur­ Nach­­folge in Not und Tod wird zur V­erherrlichung der Mannentreue der Zünger, die für ihren königlichen Gebieter in echt germanischer Weise, wie es au im Nibelungenliede immer wieder hervorgehoben wird, in den Tod gehen wollen. Das Verhältnis der Jünger zu Christus ist auf gegenseitige Treue des Dienstherrn und seiner Gefolgsmannen gegründet. Um­so ver­­abscheuungswürdiger erscheint der Verrat des Judas als Treubruch; als solcher wird der Verrat von Christus angekündigt. „So Habe euch da das Reich Gottes, das Himmelslicht verheißen und ihr habt mir freundlich euern Gefolgsdienst gelobt; nun wollt ihr aber den nicht Teisten und weicht ab *) Vortrag Andrn u der Biltriß-Schogener Bastoral­­konferenz am 11. Mai 1

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