Kirchliche Blätter, 1932 (Jahrgang 24, nr. 1-52)

1932-01-14 / nr. 2

Kirchlineii­sitters ME­d.ev. LandesficheA.Bd. n Rumänien, Hermannstadt. Infertionspreist Die eingespaltene ei­nen oder deren Raum Lei 12.—, bei größeren Aufträgen Nachlaß. Nummer 2 Hermannstadt, 14. Januar 1932. XXIV. Jahrgang Inhalt: Ueber den Zusammenhang zwischen Bollstum, Kichlichkeit und Glauben. — Aus dem Leben der Schweizer­­Kirchen in Rumänien. (Aus der reformierten Kirche. Schluß.) — Orgelkollaudierungsbericht. (Michelsberg.) — Berfuhsschulen tun uns not! — Nachrichten aus Zeit und Welt. — Bücher- und Zeitschriftenschau. — Mitteilungen der Schriftleitung. — Anzeigen. Bezugspreis: Inland: ganzjährlich Lei 500.—, halbjährl. Lei 250 °—. Ausland: ganzjährl. Mart 15 °—, Dollar 3:50. Preis einer Einzelnummer 10 Lei, Geri­eint jeden Donnerstag. Berlagt aus der ev. Landeskirche U. DB. Bentene-Qugbnurpe 9 Sen in Rumänien Evangel. Wochenschrift für die Glaubensgenossen aller Stände über den Zusammenhang zwischen Volkstum, Rich­tihkeit und Glauben nebst einem Beitrag zur religiösen Erziehung. Bon Dr. Ed. Morres. Der deutsche Forschungsreisende Colin Roß be­­richtet in seinem aufschlußreichen Werkt „Der Un­­vollendete Kontinent”, daß er in der Nähe von Adelaide mehrere Landgemeinden mit­ deutschen An­­siedlern getroffen, deren Vorfahren vor etwa 110 Jahren ihr Vaterland Preußen des Glaubens wegen verlassen hatten. Sie waren nämlich als strenge Lutheraner mit der 1817 angeordneten Union zwischen der luther. und reform. Kirche nicht einverstanden, entzogen sich daher dem Glaubenszwang, indem sie auswanderten und si in Südaustralien eine neue Heimat gründeten, um hier dem Glauben ihrer Väter ungehindert die Treue zu halten. In mustergültigem Gemeinwesen sind sie mit ihrer Landwirtschaft all­­mählich zu Wohlstand und im öffentlichen Leben zu großem Einfluß gelangt, den sie troß der während des Krieges entflammten Deutschenhege heute noch behaupten. Roß war erstaunt, daß sie im Gegensat zu den Deutschamerikanern, die ihrem Bolfstum so leicht abtrünnig werden, ihr Deutschtum bis in die Gegenwart treu bewahrt haben. Er schreibt diese Tatsache mit Recht ihrer mit dem P­olfstum aufs engste verknüpften Frömmigkeit und Kirchlichkeit zu. Als er in einer solchen Gemeinde am Kirchgang teilnahm, war ihm zumute, wie wenn er in einem mecklenburgischen Dorfe wäre. Die Kirche war von Frauen wie von Männern dicht belegt. Aber es fiel ihm auf, daß die Jungen nur wenig vertreten­­ waren­­, weil sie sich zu den Gottesdiensten nicht so sehr hingezogen fühlen wie die Alten. Dazu bemerkt der Berfasler, daß das Schwinden der Religiosität und Kirchlichkeit auch das Ende des australischen Deutschtums im Gefolge haben werde. In diesem Bericht liegt eine Bestätigung der in unserem sächsischen Rolfe Schon seit Jahrhunderten wirksamen Tatsache, daß die Religiosität und Kirch­­lichkeit sich als die kräftigsten Stüßen unseres Bolls­­tums erwiesen haben. Bei dieser Erkenntnis war es und ist es ein Gebot der Gelbsterhaltung, die alt­­bewährte Anhänglichkeit unseres Volkes an seine Religion und Kirche zu erhalten und zu stärken. Noch bis an das Ende des Weltrieges schien der feste Ring, der sich von alters her um unsere Glaubens­­und Volksgemeinschaft gebildet, unzerstörbar zu sein, aber die schweren Erschütterungen, die der Ausgang und die Folgen des Krieges mit si) gebracht, haben eine befragenswerte Lage geschaffen, die vormals niemand für möglich gehalten hätte. Viele unserer Volksgenossen waren zu Schwach, die nötige Wider­­standskraft gegen die Ungunst der Verhältnisse — nebenher auch gegen lobende Verführung — und den erforderlichen Gemein- und Opfersinn aufzubringen und wurden unter Mißachtung der von den V­or­­fahren ererbten heiligen Güter fahnenflüchtig, während andere, nicht immer von der Sehnsucht nach einem tieferen Glaubensleben getrieben, ebenso unbesümmert um die übersommere Gebundenheit an das Ganze, den Gesten anheimfielen, und dadurch diese wie jene unserer Kirche verloren gingen, sich zugleich der Ge­­fahr aussößten, ihr Bollstum früher oder später einzubüßen. Wohl in den meisten Fällen kann ange­­nommen werden, daß die Abtrünnigen in ihrer Kirchlichkeit feinen festen Halt hatten, der sie vor dem Abfall hätte festtigen können. Ihre Kirchlichkeit mag eine äu­ßerliche Gewohnheit gewesen­ sein, der der feste Glaubensgrund fehlte. Denn dieser ist die Vorauslegung einer zuverlässigen und beständigen Kirchlichkeit, verleiht ihr erst den wahren Wert. Die Kirchlichkeit gleicht dann der silbernenen Schale, die auch­ das rostbarere Gold in id, birgt. Bis man also, daß die Kirchlichkeit sich auch fernerhin als ein sicheres „Bollwerk“ unseres Boltstums bewähre, so muß das Glaubensleben sorgfältig gepflegt und ver­­tieft werden. Unserem Bolfe wird nachgesagt, da es kirchlich sei. Das ist ganz richtig. Damit wird aber seineswegs behauptet, daß es in demselben Umfange an die Frohbotschaft Jesu im Herzen trage. In dieser Hinsicht besteht, wie allgemein zuge­­geben wird, ein Mißverhältnis, das zu beseitigen der Ruf nac) „Bertiefung” sc­hen längst erhoben und so oft wiederholt, daher auch die religiöse Be­­wegung ins Leben gerufen worden ist. Neben dem wertvollen Dienst, den der Glaube der Kirchlichkeit und dem Bollstum leistet, übersehen wir ja seinen höheren Zweck nicht, daß er als eine unerschöpfliche Quelle sittlicher Kräfte die edelste Blüte des Gemütslebens bildet, die zur Entfaltung

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