Landwirtschaftliche Blätter, 1915 (Jahrgang 43, nr. 1-49)

1915-01-03 / nr. 1

Yinterhaltendes und Belehrendekk Etwas für Herz und Gemüt. Über ein Meines, du Seele voll ram, Schwindet dein Kummer und geht, wie er kam, Fliegen auf Erden der Tränen auch viel, — aber ein Kleines hat alles sein Bier. Ein neues Jahr hat angefangen. Auf der Straße des Lebens gehen sie dahin, die Jungen und die Alten. Die einen schreiten rüstig aus, die andern schleppen si nur müde fort, jene tänzeln fröhlich dahin, diese kommen kaum noch vorwärts. Das ist der Zug des Lebens, wie er alle Tage vor unsfern Augen vorbeimandert — und wir mitten darin. Woher kommt­ dieser unendliche Zug und wohin führt er? Seit einer Ewigkeit pilgern die Menschen, getrennt in Wölfer und Stämme, Gruppen und Sippen und Familien, Stände und Gesellschaften, über unsere alte Erde, sie leben und lieben, sie leiden und weinen, und müssen alle, alle fort in rastlosem Marsche. &3 gibt fein Halten, fein Bleiben. Und möchten doch so gern sich’8 hier und da wohnlic einrichten und ein Weilchen im stillen Frieden verleben. Aber — e3 gibt fein Raften. Die Zeit eilt dahin und mit ihr unseres Daseins irdische Kraft und Luft. Mag e3 dem einen und dem andern auch gelingen, an einem lauschigen Plägchen sich einen Kreis Lieber, gleichgestimmter Seelen zu versammeln, die Freude blüht nicht lange. Krankheit und Tod kennt seine Ausnahme und pocht allüberall an und nimmt allüberall reiche Beute mit. „Wir haben hier keine bleibende Statt.” Im Zug des Lebens fallen die Wanderer Hin und legen den Stab zur Geite. Und wenn nicht fort und fort junges Leben nachdrängte, es wäre bald unheimlich still auf dieser weiten, weiten Erde. Darum hat man den Zug des Lebens auch oft einen Zug des Todes genannt. Denn al diese zahllosen Pilger, die im Heere des Lebens marschieren, verschwinden schließlich an der dunklen Pforte, die Tod heißt: „Wir leben, um zu sterben.” Welch traurige Wahrheit ! Und gerade in dieser Zeit, wo wir aus unseren Dörfern und Städten junge, kräftige Menschenkinder haben dahinziehen sehen zu Hunderten und Tausenden. Welch ein Bild des Mutes, des quellenden Lebens war ein ausmarschierendes Regiment! Wie Hang der Schritt der Massen so fest und Hart, wie reihte si Schar an Schar, wie wogte der Strom der bewaffneten Krieger dahin, wie schmetterte die Musik so fröhlich darein — siehe ein Zug des Lebens — zum Tode, allerdings zum ehrenvollsten, schönsten Tode! Draußen an den Grenzen unseres Vaterlandes hat sich eine lebendige Mauer aufgebaut, um die Heimat zu fügen, da tobt seit Monaten ein furchtbarer Sturm. Wie ein Gewöll von Pulver­­dampf, Blutgeruch und dem Duft abgefallener Blumen Liegt es über den weitausgedehnten Schlachtgefilden. Und die Krieger fallen dahin, zu Hunderten und Zausenden. „Wir leben, um zu sterben.“ „Wir haben hier seine bleibende Statt.” Was blicht uns aber aus den Augen der Menschen so eigen, so fragend, so sehnsüchtig an? Die Pilger auf Erden erwarten alle etwas Wunderbares, Nie dagemesenes. Kinder Hören die Märchen so gern, ach so gerne! Sie patschen in die Hände, sie rufen mit lachenden Augen: Wie Schön, wie schön, wenn die Unschuld siegt, wenn die Ge­­rechtigkeit ihren Lohn empfängt und die Bosheit ihre Strafe, FAR Später merken wir, daß das Leben anders ist als die Märcenwelt. In der rauhen Wirklichkeit triumphiert Häufig der listige Bösewicht, der verschlagene Verbrecher, der zähe Selbst­­lüchtling, aber gerade darum erwacht in unserer Seele erst recht der Durst nach Gerechtigkeit,­ der Hunger nach einem Neid­, das schöner, besser, reiner und edler ist als diese vergängliche Erde mit ihrer vergänglichen Luft und ihrem ewigen Hader und Streit. Darum das Fragen und Sehnen und Suchen in den Augen und Herzen. Wir haben hier keine bleibende Statt, sondern die zukünftige suchen wir! Ein neues 3­s Jahr Hat angefangen — eingehüllt in einen furchtbaren Kampf zu Wasser und zu Lande, in den Lüften und unter de Meeres Oberfläche. Was wird es bringen, das neue Jahr 1915? Unsere Feinde pochen auf ihre Überzahl und erwarten davon den baldigen Sieg, wir aber vertrauen auf unsere gerechte Sache, auf den heiligen Mut in unseren Seelen und auf des allmäc­htigen Gottes gnädige Führung. Alles hat seine Zeit! Unser Leben ist ein vergänglic Gut, mag es vergehen. Geboren werden — und sterben, pflanzen und aulerotten, würgen und heilen, brechen und bauen, weinen und lachen, Hagen und tanzen, Steine zerstreuen und Steine sammeln, herzen und ferne fein von Herzen, suchen und verlieren, behalten und wegwerfen, zerreißen und zunähen, schweigen und reden, lieben und haften, Streit und Friede, alles hat seine Zeit, jagt Salomo. Auch dieser Krieg mit seinen unbeschreiblichen Leiden und Prüfungen, Opfern und Heldentaten, Schrecen und Ängsten, mit feinen großen­­ und seinen Augenbliden wird vorübergehen, nicht aber Gottes Liebe. Die Gnade aber des Herrn währet von Ewigkeit zu Ewigkeit über die, so ihn fürchten. Wie herrliches Glodkengeläute tönt dieser Sang des Psalmisten auch in unser neues Jahr herein und richtet und auf mitten im dunklen Winter, mitten im finstern Tal des Kriegs, mitten in der Zeit der Prüfung. Wir wollen diesen Ton aus der Ewigkeit, nach der wir ung fehnen, aus dem Reich Gottes, das wir suchen, gut verstehen und darum von Herzen einstimmen um so inniger, je mehr Leid wir tragen, in das Lied des Bjasmisten Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lied in Ewigkeit!­­­­x— Am Familientifc. Kriegsallerlei, Feldpostlarten eines jährlichen Lehrers an seinen Pfarrer. Einer, der regelmäßig die „Landwirtschaftlichen Blätter“ liest und manchmal auch in diese Blätter schreibt, hält die fol­­genden Feldpostlarten um des Köstlichen deutschen Humors willen, der daraus spricht und der auch im ärgsten mörderischen Wölferringen nicht tot zu fliegen ist, wert auch anderen Lesern der Landin, Blätter mitgeteilt zu werden. Doch diene zum bessern Verständnis, daß der junge tapfere Lehrer St. M. in R. am 2. August I. 3. wie so viele andere Knall und Fall einraden und bald an auf den galizischen Kriegsschauplat ausrüden mußte, bevor ihm das Monatsgehalt für August eingehändigt worden war, das ihm aber bald als erste und legte „Kriegszulage“ mit der Feldpost nachge­­ihtet wurde. Denn die Zusendung des Septembergehaltes wurde nicht verlangt und auf eine spätere Anfrage, ob man im Kriege seine weitere Kriegszulage brauche, da sich hier zu Hause unge­wohnterweise nun fon ganze Berge von Schägen gesammelt hatten, die N­ost und Motten verzehren und die Diebe stehlen könnten, wurde deutlich ausgesprochen, daß man im Krieg auf Gehalt seine Not habe. Doch die Feldpostlarten mögen nun selbst zum Worte kommen ;

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