Der Spiegel, 1842. július-december (15. évfolyam, 55-105. szám)

1842-09-21 / 76. szám

603 DER SPIEGEL 1843. Ruhe, nicht an päpstlichen Soldaten. Die Zuschauer konnten sich an den Herrschaften in gepuderten Perüken, Tressenröken und langen Handkrausen gar nicht satt sehen, die Fen­ster wurden förmlich belagert. Der Vollmond blinkte durch helle Schneewolken auf die Stadt herab, und schien seine Freude an dem lustigen Treiben zu haben. — Der junge Mann, dessen wir vorhin erwähnten, theilte diese Sorglosigkeit nicht; von Zeit zu Zeit Mitte er sich ängstlich um. Er wurde wirklich von großer Angst gefoltert, er war auf der Flucht. Was war ihm begegnet? Hatte er beim Feste Jemanden beleidigt und fürch­tete er jezt auf der Gasse die Rache? Trieb ihn das böse Gewissen? Oder hatte er eine Dummheit begangen? Genug, es regnete von Seiten der vorangehenden Musikanten Spöt­tereien und Nekereien ohne Ende. Denn er hatte, gegen seine Art, heute Abend unter aller Kritik gespielt und eigentlich verdient, aus der Kunstgemeinschaft der Bologneser Stadt­musikanten ausgestoßen zu werven. Welche Erscheinung mochte ihm die Sinne verwirrt haben? Eine Schönheit ersten Ranges oder eine alte Untreue? Ach nein, das schwarze Gesicht eines Negers hatte ihm Zittern in Arme und Beine gejagt und ihn zum schlechten Geiger gemacht. Was mochte der Musikant mit dem Schwarzen haben? Orios Freunde und Bekannte zerbrachen sich die Köpfe darüber und hofften ihn durch Stichelreden zum Geständniß zu bringen. — Doch Orio wich ihren Fragen aus, klagte über die unerträg­liche Hize im Saale, schob der natürlichen Befangenheit des Künstlers vor einem so strengen Publikum einen Theil seiner Angst zu, gestand, daß er einen unwiderstehlichen Widerwillen gegen Neger habe und jedesmal in Höllenpein gerathen sei, wenn ihn der Schwarze angrinste u. s. w. Uebrigens versicherte er, daß er diesen Neger vorher noch nie gesehen habe und nur von Hörensagen wisse, derselbe sei der Vertraute und das Fak­totum des Gesandten. — Orio's Freunde dachten bei diesen Gründen, was eben davon zu denken war, wünschten ihm an dem engen Gäßchen, in welchem damals das anato­­römische Theater stand, gute Nacht und zogen fröhlich ihres Weges. Die Anatomie war in dieser Gasse inveß nur Provisorisch, weil das alte Theatrum anatomicum der Univer­sität ausgebaut wurde. Als Orio allein stand, ging er vor das Haus und sah hinauf, ob noch Licht darin sei. Das anatomische Gebäude war von außen schwarz wie Todesnacht; im Saale des unteren Stoks, der einige, wohl zwanzig Fuß hohe Fenster hatte, befand sich das Am­phitheater. — Der Musikant klatschte zweimal mit den Händen; am Fenster erschien, das Licht in der Hand, eine weibliche Person, der er einige Worte zuraunte. Das Fenster wurde wieder geschlossen, die Thür ging auf und Orio stand bald mit der Signora in einem großen, öden Saale, der kaum zur Hälfte matt von der einen Lampe erhellt wurde. Der Saal, vessen Hintergrund die amphitheatralischen Size der Studirenden im Halbkreise einnahmen, war die provisorische Anatomie. In der Mitte standen mehrere Marmortische, auf welche die Leichen gelegt zu werden pflegten, auf Seltentischen standen Gläser, Phio­len u. s. w.; das Ganze wurde durch drei, hoch oben befindliche, offenstehende Fenster gelüftet. Der Musiker legte seinen Geigenkasten auf den Folianten, in welchem die Signora studirt zu haben schien, nahm ihre Hand und sagte mit bewegter Stimme: „Bianca, wir müssen fort von hier. . . noch in dieser Nacht." — Bianca erblaßte und von Orio's Angst angestekt, fragte sie besorgt: „Verreisen? . . noch in dieser Nacht? . . . Wes­halb denn?" — »Weil ich bei dem französischen Gesandten einem Menschen begegnete, der zu seinem Gefolge gehört und der mein Todfeind ist. Du wurdest vor drei Jahren in Rom mit ihm bekannt, und ich wette, er stellt dir wieder nach."— „Ambrosio hier, der Neger?" — „Ja der Schwarze, der gräßliche Mensch, der sich von den großen Her­ren zu den gefährlichsten Handstreichen gebrauchen läßt." — „Ja er hat den Dolch immer zur Hand. Drohte er mir doch einst mit seinem Limparile, weil ich die Satarella nicht mit ihm tanzen mochte. Aber wie kommt er zu dem Gesandten, wie hieher?" — „Weiß ich's, Bianca? Genug er ist hier und sein Grinsen sagte mir deutlich genug, was wir von ihm zu erwarten haben. Es ist ihm bekannt, daß ich dich liebe, daß ich meine Bianca anbete wie die Madonna von Foligno, daß ich Vater und Mutter verlasse, um dir anzugehören. O laß uns fliehen!" — „Armer Orio, du spricht wie ein Poet oder wie ein Träumer. Weißt du doch, daß meine alte Mutter Niemand als mich hat, daß ich sie ernähren muß und, großer Gott, wodurch ernähre! Während du lustig die Fiedel streichst, führe ich das Secirmeffer. Leben und Tod . . . nein, nein,' Orio, laß mich; reise allein, freue dich des Lebens: ich bin zu alt dazu und zu ernst!" — Bianca Pal-

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