Der Spiegel, 1844. január-december (17. évfolyam, 1-104. szám)

1844-05-04 / 36. szám

er die Heirath zu vollziehen. Die Manieren dieses Menschen kamen mir sehr sonderbar vor. ES war ein Gemisch von studirtem gutem Ton, von edler Sprache und gemeinen AuSdrüken. Er hatte in seinen Stellungen eine erzwungene Ruhe, welche mit seinen zukenden Bewegun­gen im Widerspruch stand. Er besuche mich, sagte er, erstlich um mir seine Aufwartung zu machen und zweitens, um mich wegen der bei einer Heirath im Ausland zu beobachtenden Förmlichkeit zu befragen. Ich gab ihm alle Erläuterungen, die er zu wünschen schien. Seit jenem Besuch habe ich ihn zweimal wieder gesehen, und diesen Abend können Sie ihn in der Loge uns gegenüber in Gesellschaft der beiden Damen erbliken. Das Signalement, welches Sie mir gegeben haben, trifft zu bis auf die Haare. Diese sind hier als blond und kurz an­gegeben, und bei unfern Individuum erscheinen fie schwarz und etwas lang. Jndeß eine solche Veränderung kann jeder Haarkräusler bewerkstelligen, und ob fie stattgefunden bat, ist leicht zu entdeken." — Albert bat den Konsul, ihm einen Plaz in seiner Loge zu überlassen, und int nächsten Augenblike sandte er beobachtende Blike in die Loge gegenüber. Kaum hatte er seinen Mann ins Auge gefaßt, so bemerkte er, daß denselben daS Beobachtetsein beunruhigte. Wäh­rend das Publikum begeistert ein italenischeS Duett beklatschte, bewahrte er eine finstere Un­beweglichkeit. In seiner schwarzen Kleidung, mit seinem gelben Galeerengeficht, seinem starren Auge, seinen zukenden Nüstern schien er ein Dämon zu sein, der einen Höllenplan erwägt. Neben ihm im scharfen Gegensaz überließ fich Anna ihrer unschuldigen Freude an dem Schau­spiel, der Taube vergleichbar, die neben einem Habicht auf demselben Zweige stzt. Im nächsten Zwischenakt stand Albert auf, grüßte den Konsul mit der vertraulichen Be­wegung, welche bedeutet: Ich komme bald wieder — und begab fich nach der Loge gegenüber. Nach dreimaligem Anklopfen ging die Thüre auf. Albert, ohne einzutreten, sprach ruhig und vernehmlich: „Herr Albert von Kerbriant!" — „Der bin ich, werther Herr," erwiderte Gat« dan. — „Ich hätte zwei Worte mit Ihnen zu sprechen," sagte Albert. — Eordan stand aus, nicht ohne einige Verlegenheit zu verrathen, und ging hinaus auf den Gang. — „Also mit Herrn Albert von Kerbriant spreche ich?" fragte Albert. — „Allerdings," antwortete der Verbrecher mit gedämpfter Stimme. — „Sind Sie dessen sicher?" — „Hm! Sonderbure Fra­ge !" erwiverte Cardan lächelnd. — Albert faßte seines Gegners Perrüke, entblößte den rastr­­ten Kopf und rief: „Du bist ein Bandit aus dem Bagno von Toulon!" — Mit einem Laut, der wie das Brüllen eines RaubthierS klang, zog der entlarvte Bösewicht einen Dolch, um fich deS bedrohlichen Gegners zu e> tledigen. Albert, der auf so etwaS gefaßt war, Pakte sei­nen Arm und drükte den Verbrecher wider die Wand. Auf seinen Ruf kamen Leute auS den benachbarten Logen und Polizeidiener herbei und nahmen den Dolchträger fest. Albert faßte ihn beim Hemd, und streifte ihm dies nebst Weste und Rok von der Schulter, so daß die eingebrannten Buchstaben T. F. (Traveaux forcés) zum Vorschein kamen. Ein Gemurmel deS Entsezens lief durch den versammelten Haufen. Albert überließ den Verbrecher der Polizei und wandte sich zurük nach der Loge der Frau von Mellan. Diese und ihre Tochter horchten angstvoll auf den Lärm, der aus dem Gange erscholl, und wagten nicht, fich unter die neu­gierige Menge zu mischen, die sich hinausdrängte. Plözlich trat der Konsul ein, begleitet von einem Mann in der Uniform der französischen Marine, und sprach: „Ich bitte Sie, verehrte Damen, meinen Arm anzunehmen und mir in meine, daS ist, in Ihre Wohnung zu folgen, denn meine Wohnung ist die aller Franzosen." — Zu sehr ergriffen, um eine Frage stellen zu können, folgten die beiven Damen der Aufforderung. Die Witkwe nahm den Arm Alberts, Anna den deS Konsuls. Beim Heraustreten auS dem Haus erblikten sie beim Schein der Kan­delaber, welche den Säulengang erleuchteten, einen kahlköpfigen, bleichen Menschen mit ent­blößten Schultern von Polizeidienern geführt und von dem Hohngeschrei der Menge verfolgt. „Mein Gott, das ist ja Albert!" rief Frau von Mellan entsezt. — „Nein, Madam," sagte der Konsul, „dieser Mensch ist nicht Albert von Kerbriant. ES ist ein Bandit, der gegen Sie und Ihre Tochter einen schändlichen Plan geschmiedet hat. Es ist ein aus dem Bagno zu Toulon entlaufener Galeerensklave, der die Brandmark T. F. auf der Schulter trägt, wie Sie sehen können, wofern daS Gedränge uns verstattet, an ihn heranzukommen." — Frau von Mellan war sprachlos vor Entsezen. Im HauS deS Konsuls kam eS zu gegenseitigen Erklä­rungen, bei denen das Staunen über die Verwegenheit deS Verbrechers sich mit dem Entse­zen über die Folgen einer länger verzögerten Offenbarung der Wahrheit mischten. In Folge dieser Erklärungen waren die beiden Damen zu sehr angegriffen, alS daß fie dem wahren Bräu­tigam sogleich mit der herzlichen Freude hätten entgegenkommen können, wie er eS verdiente. Am folgenden Tag aber waren sie hinlänglich gefaßt, um ihren Retter in alle die Rechte ein­­zufezen, welche der Fälscher erschlichen hakte; und an der Tafel deS französischen Konsuls ward ausgemacht, daß die Trauung Anna's und AlbertS in der Ludwigskirche zu Toulon stattsinden, und daß der Avmiral gebeten werden sollte, den HeirathSvertrag zu unterzeichnen.

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