Evangelischen Gymnasiums, Medgyes, 1872

4 Djdtigfeit bedfelben geftalten, fo baß jebed (Scfep berfelben gcnjiffermaßen gu einer proüiforifc^cn 53eftimmnng herabgefept wirb. Sepr treffenb fagt 9Í. 2B. 0. (Spiegel in feinen „SSorlefungen über je." IIL, <5. 116: „@d leültet ein, baß bér unüergänglidje, ober glcidjfam burdj oerfdjiebeue förper wanbernbe (Seift ber ißoefie, fo oft er fid) im fDienfdjengefdjlechte neu gebiert, and ben 9<aIjrungöftoffen cined öeränberten ßeitalterd fid) aud) einen anberd geftalteten Seib gubilbcn muß. föiit ber 9iicf>tung bed bidjterifdjen (sinned wedjfeln bie formen, unb wenn man bie neueren Dichtarten mit ben alten (Sattungdnamen belegt unb fie nad) beren ^Begriffen beurteilt, fo ift bied eine gang unbefugte Ülnwenbung oon bem 2(nfeßen bed flaffifdjcn 9(ltertßumd: 9?iemanb foil oon einer (Sericptd? bariéit belangt werben, unter bie er nidjt gehört." o. ©Riegel gibt in biefcm ©ape außer ber 33eftätigung, baß in ber ißoefie, fo wie in jebcr fünft, mit bent SBedjfel ber Zeitalter and) ein Söedjfel ihrer formen eintreten muß, gugleid) Anleitung gu einer richtigen fritif. ©r meint: Ißenn ich einen 'Dichter richtig beurtheilen foil, fo muß id) mid) tneincd ©ubfcctd cntlcbigenb in bad 3e*tnI(cr bed Didjterd oerfepen unb oon biefem ©tanbpunfte aud feine SBerfe beurtheilen. (SSon biefer 9infidjt audgchenb hat auch Äoberftcin in feiner 8it.=@efd). fid) fo oiel aid möglidt feines eigenen Urtl)eitd enthalten unb bad llrtheil oon 3eitgenoffen ber Dichter angeführt, welche wohl bie eigene 3ett am befteu oerftanben. ^it ber ÜBaljl ber geitgenöffifdjcn llrtheile ift ber ©ubjectioitcit allerbingd freier Spielraum geiaffen.) SBenn alfo g. ©hafedpearc; beurtljeilt werben foil, fo faun bied, oom literargefdjidjtlidjen ©tanbpunfte aud, immer nur in ftäter 33eri'«ffich|igung ber ihn umgebenben ßeitoerbäitniffe unb 3eit9eu0ffeu gesehen, benn wie jebe (Sröße ein relatioer söegri^f ift, fo gilt biefed auch »orgugdwcife oon .ber (Sröße bed Dichterd: Die Umgebung ift ber SDtaßftab feiner (Sröße. ©in fo bebeutenber DOiattn Sutljer für feine 3eit war, heutgutage würbe er fid) wohl fdjwerlidj áld berfelbe SDtann gu berfelben ,V)öf)c emporfdjwingen tonnen. SÖJenn id) nun aber an ©hafedpeare’d „93iacbeti)" bie (Séfévé ber jragöbie nachweifen foil, fo habe id) mich auf ben fubjectioen — nur oom büntelhaften fritifer aid objectio bargefteílten — ©taubpunít ber heutigen fritif gu ftclíen, fo baß benn ÜDtaudjed, wad gu ©hafedpeare’d $eiten áld richtig ancrfannt gewefen fein mag, oor bem Ütidjtftuhl ber mobernen fritit unmöglid) áld geredjtfertigt angefeheu werben tanú. lieber Dichter, alfo auch ©hafcdpeare, ift erfüllt oon bem (Seifte feiner er ift bad wahre f inb berfelben unb gibt ihr in feinem funftwerfe blöd ihr eigeued 33ilb, er hält il)r ben Spiegel oor, wo fie fid) felbft wieberfinbet, ihre Smgcuben fotoohl aid ihre Safter. (Id ift baher gänglid) falfch, eineif Dichter — unb fei ed felbft ©hafedpcarc — über alle 3e*ten unb SBerfjciltniffe erheben gu wollen, ihn aid fompctcnt g>;”">rfmen für jebed 3e'tflttcr unb für jebed 93olf. 2Bie bereitd gejagt, I)<U alfo jebe 3«t ihre beftimmten 9>erhcúiu.nv, Wf) benen fich bie tiiuftlerifchc Djätigfeit unb bie (Séfébe berfelben geftalten. Um baher einen flaren ^Begriff oon ben (Sefepen ber Sragöbie unferer 3c>t gu erhalten, müffen wir guncidjft einen ©inblicf haben in ijic 33erl)ältniffe nuferer 3eit, wornad) fid) bie (Sefepe ber f unft geftalten. Da nun nufere 3eit bie ^Bereinigung ber flaffifdjcn unb ber romantifdjen ißeriobe ift fo wirb fie auch nothwenbigerweife wefeutlidje ÜJIerfntale biefer beibeh 23orftufen ihrer ©ntwidlung aufguweifeti haben, ©hafedpearc erfdjeint nad) Dp- Bifdjer aid ber Vertreter ber romantifchen ©chute, ober bed natura? liftifdjeu unb inbioibualifirenbcn ©tpld, bie alten (Sriedjen unb fJtömer bagegeu finb bie Vertreter bed tlaffifchen, ober ibealifirenben unb generalifirenben ©tpld. 9lud biefen beiben «Schulen nun, aud ber romantifd)?d)rifttidj? germanifefjen unb aud ber flaffifch?gried)ifd)?römifdjen hat fich ber ©tpl bed mobernen Dramad gu eutwideln; eine Bereinigung beiber ©tplc, unb gwar nad) $í). 23ifdjer. III., 1416, „mit llebergewidjt bed djarafteriftifdjen ©tpl’d", bad ift bie gorberung einer mobernen fritif. 33on biefcm ©tanbpunfte audgehenb, will id) ed benn oerfudjen, ben Stadjweid gu führen inwieweit ©hafedpearc in feinem ÜDtacbetfj ben ©efepen bed mobernen Dramad (Seitüge geleiftet hat unb inwieweit nidjt. (Stuf eine betaillirterc Darftellung beiber ©tple tonnte ich wich aud leid)t erfidjtlidjen (Srünben nicht einlaffeu; idj begnüge mich, blöd auf einige Duellen fjittguweifen, welche hierüber Sludführíidjercd mittheilen: 9t. 3B. o. ©Riegel „SJorlefungen :c." I.,7 ff. unb III., 119 f. — „9íntif unb SDtobern“ (Sötlje’d fänuntlid)e SBerfe. Stuttgart unb Tübingen 1856. XXX., 463 ff. — „Die fftomantif" $j. .jrjeinc’d fämmtliche äöerfe. Hamburg 1867. XIII., 13 f. :c. :c.) Die bramatifdjc Dichtfunft ift bie höchfte. ©ntwidlung ber poetifdjen Jhdtigteit, fie ift bie frone ber fünft überhaupt unb fann erft entfielen, nachbem bereitd alle übrigen 3weige ber ^oefic ihre 9SolIenbung erreicht haben. Daher war ed benn ben eingelnen SSölfern nicht möglich, gu jeber 3^it if)*cd Dafeind ein nationaled Drama fich audbilben gu tonnen, ba fie gunädjft bie 33orfchule gu biefer hohen fünft mitmachen mußten, bie SSorfdjule, bie ihnen blöd ©pod unb Sprit barbieten tonnten. Unb erft wenn auf (Srunb biefer ©djuíe „in bem wirflicpen Seben ber ^nbioibuen bie entfprechenben bramatifdjen ©eelenprogeffc bereitd häufig unb gahlreich heroor? traten" (f. f^reptag „STedjnif ic." ©. 20 f.), erft bann tonnten bie im wirtlichen Seben bereitd oorfjanbenen ©eelenprogeffe im Drama gu fünftlerifdjer 9ludbilbung gelangen. Da nun bad Drama bad ißrobuft ift oon ben beiben S3orftufen bed ©pod unb ber Sprit, fo entfteljt aid SBefcn bedfelben, „bie (Segenfäpe bed ©pod unb

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