Neppendorfer Blätter, 1923 (Jahrgang 21, nr. 22-52)

1923-06-10 / nr. 24

­ ·Sieppendorfer Blätter - Mr 24 Seite2 Ihr aber, die ihr meines Sinnes sehd, den Wert der Zwiebel visionär erkennet, laßt räumen uns von ihrer Rünft’gen Größe, laßt uns verachten die, die­ sie verachten, laßt uns dereins um ihre Knolle scharen, laßt uns verbreiten ihren Wonneduft, laßt uns ersehnen heiß den großen Tag, da unser Sehnen stolze Wahrheit wird ! Aus dem Gerichtssaal. Bor ungefähr 7 Monaten hat sich in einer größern­n Stadt Siebenbürgens folgende Geschichte abgespielt, die manchem jungen Manne, der Zahre hindurch in dem Hause eines Mädchens verkehrt und u. a. auc­h noch freundlichen Empfang, Kaffe, Nachtmahl usw. dafür erhält und, wenn die Sache, deretwillen er im Hause verkehrt, forciert wird, feige beiseite steht, als Beispiel dienen kann. Unser Held, nennen wir ihn Paul Schön, hatte ich im Jahre 1920 nach allen Regeln der bürgerlichen Moral mit Frl. Amalie verlobt. Nach kurzer, aber unglücklicher Brautzeit entschloß er sich aber, 2 Tage vor der festgeseßten Trauung, seiner Braut folgenden Brief zu schreiben: Liebste Amalie ! Es ist mir im höchsten Maße peinlich, mich der Aufgabe zu entledigen, die ich mir aufgebürdet habe, aber es muß sein. Zu meiner Entschuldigung diene, daß ich es in unser beiderseitigem Interesse tue. In der jahrelangen Zeit unserer Bekanntschaft sind solche Fälle vorgekommen, die das Zustandekommen unserer­­ Heirat unmöglich machen. Immer habe ich darüber hinweggesehen und habe dir niemals einen Vorwurf gemacht wegen deiner N­ervosität, für die du ja selbst nichts kannst. Meine Eltern aber denken anders. Sie wollen unter allen Umständen nur eine durchaus ge­ funde Frau als Schwiegertochter haben. Aus diesem Grunde bin ich leider gezwungen, dich zu bitten, du mögest das, was bisher zwischen uns war, als unge­ ichehen befracjten. Baul wie sich Amalie über diesen Brief Hinwegfeßte, will ich vorläufig noch verschweigen. Ihre Mutter jedoch reichte beim zuständigen Gerichtshof die Klage auf Schadenerfa im Betrage von 23.000 Rei ein. Die Worten der Schadenerlaßklage sind ungefähr folgende: 1. Zweimaliger 20-tägiger Aufenthalt des Bräutigams bei seiner Braut (ganze Verpflegung, Bedienung usw.) Lei 1000.—, 2. die Kosten der Verlobungsfeier Lei­­ 2000.—, 3. die unmodern gewordenen Grüc­e der Brautausstattung Zei 4000.—, 4. für die Hochzeit des ftellten Mehiipetfen, gekauftes Geflügel und 30 kg. Felt Zei 3500.—, 5. das Drucken der Trauungsanzeigen und seinladungen Zei 300.—, 6. die Reife des Vaters der Braut nach A. im Interesse des Bräutigams Let 500.—, 7. nach Empfang des Briefes erkrankte die Braut, Ärztliches Honorar Let 500.— usw. usw. Den Prozeß in der Schadenerlaßklage, die ja klarer ist als Brunnenwaffer, übernahm ein bekannter Advokat, und nachdem die Akten den vorgeschriebenen Kreislauf durchgemacht hatten, wurde die Verhandlung ausgeschrieben. Bei der Verhandlung begann der Advokat der Braut die Klage zu begründen und führte u. a. aus, daß der Angeklagte seiner späteren Braut volle 10 Jahre den Hof gemacht und ihr während dieser Zeit fortwährend die Heirat versprochen hatte. Indessen ver­­lobte er sich aber erst im August vorigen Jahres mit ihr und sie ferten den Tag der Hochzeit für 4. Won. fest. Die Braut, die nach großem Pomp ihre Hochzeit feiern wollte, war am 30.­ Oktober mit allen Vorbe­­reitungen fertig. Das Brautkleid, die Wäsche, 30 Kg. Bett, 35 Paar Geflügel, sowie alles andere waren. Schon beschafft. Da kam plößlich am 2. Nov. der Brief des Bräutigams an, der die Braut so in Verzweiflung trieb, daß sie einen Siervenschock bekam und mehrere Moden das Bett hüten mußte. Hierauf begann der Advokat des Angeklagten: „Hochlöblicher Gerichtshof! Abgesehen davon, daß das Brautkleid in seiner M­eise an die Person meines Ktienten Paul Schön gebunden u­­­nd auch die ver­­schiedenen anderen­­ Ausstattungsgegenstände jederzeit auch unter anderen Umständen getragen werden können, muß ich erklären, daß die Verlobung unter keinen Umständen als bindend bezeichnet werden kann. Aus der Verlobung kann man auch dann nicht immer auf eine Heirat schließen, wenn sie bedingungslos zustande gekommen ist. Bei der Verlobung mit Frl. Amalie aber stellte mein Ak­ent, Herr Paul Schön, die Bes­dingung, daß er nur dann geneigt wäre, die Braut zu heiraten, wenn ihre Gesundheit nichts zu wünschen übrig lasse. Die Beziehungszeit ist logischerweise die einzige Möglichkeit, sie gegenseitig genauer kennen zu lernen. Diese gegenseitige Erkennungszeit hat diesmal aber leider für fl. Amalie schlecht geendet. Als Be­­weis dafür, daß die Brauf­ nicht gesund ist, erwähne ich — was übrigens der Bräutigam jederzeit der Zeugen bestätigen lassen kann — dab Frl. Amalie mehrere Male aus ganz nichtssagenden, unerklärlichen Gründen sich so ereiferte, daß sie zu schreien und zu zittern begann und sich sofort ins Bett legte.“ Der Gerichtspräsident unterbricht: „Was hat sie gemacht? Ins Bett gelegt hat sie ich? Na, das Sifja nicht einmal so schlechts* ' .-

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