Neppendorfer Blätter, 1927 (Jahrgang 25, nr. 1-52)

1927-01-01 / nr. 1

Mr. 1 . Neppendorfer Blätter Als wir diesen Brief erhielten, waren wir ein wenig baff, doch bald drauf die „Drähte“ spielten und ein Telegramm eintraf: Der Mikado sei gestorben, hieß es in der Leitung beut, denn sein Magen sei verdorben,­­ und es glaubten das die Leut. Doch nach ein par Tagen wieder ging die Nachricht in der Rand, der Mikad hat starke Glieder und er fühlt sich pumperlg’fund. Auch die Nachricht von dem Dichter , daß er schon gestorben sei, ward verbreitet von Gelichter, dem sol Spiel ganz einerlei. Er sei wohl noch an dem Leben, gar nicht krank und drum gesund, doch den Sohn wir sollten geben, sonst k­äm er noch auf den Hund. Also nahmen wir „Mandate“, füllten sie mit Siffern aus, daß zur Weihnachtsfestkantate sie dem Dichter flog ins Haus. Noc find wir heut ohne Zeichen, ob ihm dies genüßet hat; — do wir wollen es erreichen, daß er wieder schreibt ins Blatt. Stirbt er einst vom vielen Dichten, wollen wir die Briten sein, die als „Denkmal“ ihm errichten einen mächt’gen Leichenstein. Konkurs, 3c habe irgendwo gelesen, daß man in alten Seiten die Pleitemacyer aufknüpfte. Allmählich wurde man nachricchtiger. Man stellte die Herren vom fünfprozentigen Ausgleich nur noch auf dem Marktpla einige Tage an den Pranger. Auch davon ist man mit der Zeit anscheinend aus Sparssamkeitsrücksichten abgekommen. Troßdem bildete eine Zahlungseinstellung noch vor zwanzig Jahren monatelangen Gesprächsstoff an Stammtischen und auf der Kegelbahn. Der Betroffene war „tot“, in der Gesellsshaft un­­möglich, von der „Konkurrenz“ und den Lieferanten geächtet und jahrmarktsartige „Sensation*“ der Frauen und Kinder in seinem Stadtteil. Der ehrbare Vater ART · Seile 3 zeigte ihm seinen Zungen als abschreckendes Beispiel: „Er war ein liederlicher Mensch.“ _ Und heute? Irgendeine kleine tägliche Zeitungs­notiz meldet in kleinen Buchstaben die neuen Insol­­venten. Kaum beachtet, außer von der Branche. Kaum besprochen, außer vom Gläubigerausschuß. Kaum weiter erzählt, außer von der Konkurrenz. Man hört den Fall, sagt „Wieder einer“ oder „Pedy gehabt“ und geht zu wic­tigeren Dingen über. Man ist eben heute nicht mehr pleite, sondern nur „insolvent“, zahlungsun­­­fähig. Konkurs! Ein Wort nur no. Heutzutage häufig und belanglos wie die Tageslosungen, Dividende, Unterschlagung, Eisenbahnunglück und Wahlsonntag. Konkurs! Ein Wort, das seinen gefürchteten und ent­­ehrenden Namen eingebüßt hat. Hunderte unserer Bekannten sind pleite gegangen, Hunderte leben troßdem weiter in und mit ihren alten Verhältnissen, Hunderte haben sie wieder in ganz kurzer Zeit ein neues Vermögen geschaffen. Vorwie­­gend — und das ist das Beachtendste — mit neuen Krediten ihrer alten, damals betroffenen Fabrikanten. Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Es ist aber — Rotungswort der Zeit — auch nicht alles „tot“, was in Konkurs geht. Zwei Geschäftsfreunde begegnen einander. „Lieber Freund,“ beginnt der eine, „ich bin in großer­­ Verlegenheit. Kannst du nicht als Bürge diesen Mechtel über 50000 LKer unterschreiben ?“ „Ausgeschlossen. Ich habe selbst erst vor zwei Wochen Konkurs gemacht.“ „Umso besser. Dann kannst du mir sicher das Geld leihen.“ “ Der Grund. „Warum hast du die alte Schachtel geheiratet ?“ — „Weil sie unter ihrem Deckel viele Banknoten hat.“ An unsere Leser! Mit der vorliegenden Nummer beginnt der 25. Jahrgang der „Neppendorfer Blätter“, eine hübsche Spanne Seit geht ihrem Abschluß entgegen. Da ist es begreiflicherweise unsrer­sehnlichster Munich, bei Erfüllung des 25. Jahres mit einer stattlichen Anzahl von Abonnenten abzuschließen. Daher bitten wir unsere Zeier, dieses Blatt im Bekanntenkreis zum Bezuge zu empfehlen. Diesem Zweck dient auch die beiliegende Karte, die irgend einem Bekannten gesendet werden möge. ITreudeutschen Grußs

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