Neue Zeitung, 1960 (4. évfolyam, 1-53. szám)

1960-01-01 / 1. szám

2 (12. Fortsetzung.) „Du armes Schätzchen“, sagte Sali, „ich glaube aber, Du hast es hinter den Oh­ren, nicht?“ „Das kannst Du ja nach und nach erfahren, wenn Du mich lieb hast!“ „Wenn Du einst meine Frau bist?“ Vren­­chen zitterte leis bei diesem letzten Wor­te und schmiegte sich tiefer in Salis Ar­me, ihn von neuem lange und zärtlich küssend. s traten ihr dabei Tränen in die Augen und beide wurden auf einmal traurig, da ihnen ihre hoffnungsarme Zu­kunft in den Sinn kam und die Feind­schaft ihrer Eltern. Vrenchen seufzte und sagte: „Komm, ich muss nun gehen!” und so erhoben sie sich und gingen Hand in Hand aus dem Kornfeld, als sie Vren­­chens Vater spähend vor sich sahen. Mit dem kleinlichen Scharfsinn des m.üssigen Elends hatte dieser, als er dem Sali begegnet, neugierig gegrübelt, was der wohl allein im Dorfe zu suchen ginge, undi isich des gestrigen Vorfalles erin­nernd, verfiel er, immer nach der Stadt schlendernd, endlich auf die richtige Spur, rein aus Groll und unbeschäftigter Bosheit, und nicht so bald gewann der Verdacht eine bestimmte Gestalt, als er mitten in den Gassen von Seldwyla um­kehrte und wieder in das Dorf hinaus­trollte, wo er seine Tochter in Haus und Hof und rings in den Hecken vergeblich suchte. Mit wachsender Neugier rannte er auf den Acker hinaus, und als er da Vrenchens Korb liegen sah, in welchem es die Früchte zu holen pflegte, das Mädchen selbst aber nirgends erblickte, spähte er eben am Korne des Nachbarn herum, als die erschrockenen Kinder herauskamen. Cie standen wie versteinert und Marti ^ stand erst auch da und beschaute sie mit bösen Blicken, bleich wie Blei: dann fing er fürchterlich an zu toben mit Gebärden und Schimpfworten und langte zugleich grimmig nach dem jungen Bur­schen, um ihn zu würgen; Sali wich und floh einige Schritte zurück, entsetzt über den wilden Mann, sprang aber zugleich wieder zu, als er sah, dass der Alte statt seiner nun das zitternde Mädchen fasste, ihm eine Ohrfeige gab, dass der rote Kranz herunterflog, und seine Haare um die Hand wickelte, um es mit sich fort­­zureissen und weiter zu misshandeln. Ohne sich zu besinnen, raffte er ei­nen Stein auf und schlug mit demselben den Alten gegen den Kopf, halb in Angst um Vrenchen und halb im Jähzorn. Marti taumelte erst ein wenig, sank dann be­wusstlos auf den Steinhaufen nieder und zog das erbärmlich aufschreiende Vren­chen mit. Sali befreite noch dessen Haare aus der Hand des Bewusstlosen und rich­tete es auf; dann stand er da wie eine Bildsäule, ratlos und gedankenlos. Das Mädchen, als es den wie tot daliegenden Vater sah, fuhr sich mit den Händen über das erbleichende Gesicht, schüttelte sich und sagte: „Hast Du ihn erschla­gen?“ Sali nickte ratlos und Vrenchen schrie: „O Gott, Du lieber Gott! Es ist mein Vater! der arme Mann!“ und sinn­los tvarf es sich über ihn und hob seinen Kopf auf, an welchem indessen kein Blut floss. Es liess ihn wieder sinken! Sali liess sich auf der anderen Seite des Man­nes nieder, und beide schauten, still wie das Grab und mit erlahmten reglosen Händen in das leblose Gesicht. Um nur etwas anzufangen, sagte endlich Sali: „Ér wird doch nicht gleich tot sein müs­sen? das ist gamicht ausgemacht!“ Vren­chen riss ein Blatt von einer Klatschröse ab und legte es auf die erblassten Lip­pen und es bewegte sich schwach. „Er atmet noch", rief es laut, „so lauf doch ins Dorf und hole Hilfe.“ Als Sali auf­sprang und laufen wollte, streckte es ihm die Hand nach und rief ihn zurück: „Komm aber nicht mit. zurück und sage nichts, wie es zugegangen ist, ich werde auch schweigen, man soll nichts aus mir herausbringen!“ sagte es und sein Ge­sicht, das es dem armen ratlosen Bur­schen zuwandte, überfloss von schmerz­lichen Tränen. „Komm, küss mich noch einmal! Nein, geh, mach dich fort! Es ist aus, ewig aus, wir können nicht Zu­sammenkommen!“ Es stiess ihn fort, und er lief willenlos dem Dorfe zu. Er begeg­nete einem Knäbchen, das ihn nicht kannte; diesem trug er auf, die nächsten Leute zu holen und beschrieb ihm ge­nau, wo die Hilfe nötig sei. Dann machte er sich verzweifelt fort und irrte die gan­ze Nacht im Gehölze herum. Am Morgen schlich er in die Felder, um zu erspähen. "ie es gegangen sei, und hörte von frü­hen Leuten, welche miteinander spra­chen, dass Marti noch lebe, aber nichts von sich wisse, und wie das eine seltsa­me Sache wäre, da kein Mensch wisse, was ihm zugestossen. Erst jetzt ging e* in die Stadt zurück und verbarg sich in dem dunklen Elend des Hauses. * Vrenchen hielt ihm Wort; es war nichts aus ihm herauszufragen, als dass es selbst den Vater so gefunden habe, und da er am andern Tage sich wieder tüchtig regte und atmete, freilich ohne Bewusstsein, und überdies kein Kläger da war, so nahm man an, er sei betrunken gewesen und auf die Steine gefallen und liess die Sache auf sich beruhen. Vren­chen pflegte ihn und ging nicht von sei­ner Seite, ausser um die Arzneimittel zu holen beim Doktor und etwa für sich selbst eine schlechte Suppe zu kochen; denn es lebte beinahe von nichts, ob­gleich es Tag und Nacht wach sein musste und niemand ihm half. Es dauer­te beinahe sechs Wochen, bis der Kranke allmählich zu seinem Bewusstsein kam, obgleich er vorher schon wieder ass und in seinem Bette ziemlich munter war. Aber es war nicht das alte Bewusstsein, das er jetzt erlangte, sondern es zeigte sich immer deutlicher, je mehr er sprach, dass er blödsinnig geworden, und zwar auf die wunderlichste Weise. Er erinnerte sich nur dunkel an das Geschehene und wie an etwas sehr Lustiges, was ihn nicht weiter berührte, lachte immer wie ein Narr und war guter Dinge. Noch im Bette liegend brachte er hundert när­rische, sinnlos mutwillige Redensarten und Einfälle zum Vorschein, schnitt Ge­sichter und zog die schwarzwollene Zip­felmütze in die Augen und über die Nase herunter, dass diese aussah wie ein Sarg unter einem Bahrtuch. Das bleiche und abgehärmte Vrenchen hörte ihm gedul­dig zu, Tränen vergiessend über das tö­richte Wesen, welches die arme Tochter nunmehr noch mehr ängstigte als die frühere Bosheit; aber wenn der Alte zu­weilen etwas gar zu Drolliges anstellte, so musste es mitten in seiner Qual laut auflachen, da sein unterdrücktes Wesen immer zur Lust aufzuspringen bereit war, wie ein gespannter Bogen, worauf dann eine um so tiefere Betrübnis erfolgte. Als der Alte aber aufstehen konnte, war gar nichts mehr mit ihm anzustellen; er machte nichts als Dummheiten, lachte und stöberte um das Haus herum, setzte sich in die Sonne und streckte die Zunge heraus oder hielt lange Reden in die Bohnen hinein. Fortsetzung folgt SPAZIERQANQ DURCH WEIMAR Noch nie habe ich die Strassen von Weimar betreten und doch fühle ich mich da heimisch, so­bald ich angekommen bin, Jedes Haus ist mir bekannt, jede Stra­sse. Welcher Kulturmensch wäre am Geburtsort des deutschen Klassizismus nicht zuhause. Es gibt keine Strassenbahn. Die Stadt liegt im Ilmtal, von romám tischen Laubwäldern umrauscht, die Strassen führen bergauf, bergab. Der Verkehr wird durch Autobusse abgewickelt. Ich habt aber mein Gepäck einem Träger übergeben und gehe zu Fuss wei­ter, um je mehr zu sehen, je mehr von den Eindrücken dieser wun­dervollen Stadt in mich aufzu­nehmen. So gehe ich denn lagsamen Schrittes zwischen grünen Gär­ten weiter, aus denen Türme von Kirchen und Schlössern winken, zwischen alten Stadtmauern, durch das Gewirr kleiner Gassen und Gässchen, vorbei an Häusern mit dreieckigen Stirnseiten. Dann folgt die lange, gerade Lenin­strasse. Plötzlich stehe ich an einem grossen Platz und lese betroffen die Aufschrift: Platz der Sechs­­undfünfzigtausend. Hitler liess das blutige Symbol seiner Schreckensherrschaft, das Kon­zentrationslager von Buchenwald in der unmittelbaren Nähe von Weimar aufstellen. Durch die friedlichen Strassen dieser alten Stadt wurden die Märtyrer ihrem grausamen Schicksal, dem qual­vollen Tod oder den furchtbaren Leiden entgegen getrieben. An jene Sechsundfünfzigtausend ge­mahnt der Platz, die niemals heimgekehrt sind ... Als ich vor dem säulenge­schmückten, in neoklassischem Stil erbauten Gebäude des Deutschen Nationaltheaters angelangt bin, verschwanden bereits die bluti­gen Schatten, und die ruhmreiche Vergangenheit erstand vor mei­nen Augen. Hier an dieser Stelle stand einst das alte Theater, das 20 Jahre hindurch von Goethe j geleitet wurde, hier gingen Schil­lers Dramen über die Szene. 1825 ist das Theater niedergebrannt und ein neues schöneres Gebäude wurde auf gebaut. In diesem Theater, das eine Zeit lang unter Franz Liszts musikalischer Leitung stand, wurden zum ersten Male Richard Wagners gewaltige Mu­sikdramen aufgeführt. Später wirkte hier Richard Strauss als Kapellmeister. Nach der 1918 erfolgten Prokla­­mierung der Deutschen Republik, tagte 1919/20 die neue deutsche konstituierende Nationalversamm­lung in Weimar. Und obwohl die Verfassung immerhin noch vieles vom Zeitgeist der wilhelmini­schen Aera übernommen hatte, war dies dennoch der erste Schritt zur Demokratisierung. Ich stehe vor dem Goethe— Schiller-Denkmal. Die zwei grössten deutschen Dichter ste­hen Hand in Hand auf dem Mar­morsockel und blicken auf die Leute hinab, die im Strassenge­triebe ihrer Arbeit nachgehen. Wie leben die Weimarer, die in den Fussstapfen der Unsterbli­chen gehen? Welch ein Ansporn für den Dichter in einer Stadt, wo einst Goethe, Schiller, Herder, Wieland ihre Werke schufen, welch ein Vorbild für den jungen Maler, der zu Lucas Cranachs Bildern das Auge erhebt, welche Anregungen für den Musiker, am Pult den Stab zu schwingen, wo Johann Sebastian Bach; Fränz Liszt, Richard Strauss' an der Spitze des (Orchesters standen. Der . Geist, der grossen. Meister lebt hier fort, um der jungen Ge­neration den Weg zu weisen. Aranka Starosolskry Das Deutsche Nationaltheater in Weimar Budapest, 1. Januar 1960. SÁNDOR PETŐFI : -ts martert ein 0fedanke mich... Es martert ein Gedanke mich: im Bett, am Pfühl soll sterben ich! * * verwelken wehrlos, wie die Blume welkt durch unsichtbare Wurmstiche entnervt, hinschwinden langsam, einer Kerze gleich, im leeren Zimmer, welche einsam bleicht, Nicht solchen Tod, Gott, fleh’ zu dir, nicht solchen Tod bescheide mir! Will sein ein Baum, durch den Blitzstrahl getroffen, den ein Sturmwind hat zum Boden geworfen, ein Fels, welcher vom Berg ins Tal sich löse mit Himmel-Erd’ erschütterndem Getöse ... Wenn einmal jedes Sklavenvolk des Joches satt dem Rufe folgt rotwangig und mit blutroten Fahnen und auf den Fahnen heiliges Mahnen: „Für die Weltfreiheit!“ und erschallt dies einst, erschallt dies einst von Osten nach Westen, die Despoten sich mit ihnen messen: dort find’ ich mein End’ auf diesem Schlachtfeld, dort möge mein jugendliches Herz verbluten, und wenn meine Lippen das Scheidewort jubeln, übertöne es gleich das Klingengeräusch, Trompetengeschmetter, Kanonengekreisch, über Blutgosse schnaubende Rosse sausen von dannen, den Triumph zu erbannen, man lasse mich dorten zum Tode zerstampfen! Dort soll die Leiche dann geborg'n werden, wenn die Begräbnistage sich melden, wo bei langsamen Trauerfeierklängen die florbehängten Fahnen tief sich senken, den Helden man gemeinschaftlich ein Grab weiht, die für dich starben, heilige Weltfreiheit! Deutsch von József Pásztor

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