Neue Zeitung, 1963 (7. évfolyam, 1-52. szám)

1963-01-04 / 1. szám

2 HEINRICH MANN In seinem letzten Romain „Empfang bei der Welt", der nach dem Tode des Schriftstel­lers erschien, treten der Reihe nach drei Generationen vor den Leser. Balthasar, der Grossvater, wurde Ende des vorigen Jahr­hunderts zum reichen Mann, hat aber nach dem ersten Weltkrieg durch die Inflation sein ganzes Vermögen wieder verloren. Um zum zweitenmal einer solchen Gefahr zu entgehen, sammelte er keine Banknoten mehr, nur pu­res Gold, das er — um auch vor den Einbrechern geschützt zu snn - in seinem Keller in Weinfäs­sern aufbewahrte. Sein Sohn Arthur vertrat jene Generation, die nur dem Geschäft nachlief und sich dabei bald dieser, bald jener Partei oder Machtgruppe verkaufte, und am Ende des zweiten Weltkrieges von den ei­genen Söhnen, von der dritten Generation zur Rechenschaft ge­zogen wurde. Dieses letzte vollendete Werk umfasst eigentlich die Zeit des ganzen Lebens des Dichters. 1871 in der Hansastadt Lübeck gebo­ren, lernte er schon früh kennen, wie die alten Bürger mit „klassi­scher” Moral den neuen Ausbeu­­tumgs- und Schwindelmethoden deis imperialistischen Zeitalters nicht mehr gewachsen sind. Als reifer Mann, hervorragender Schriftsteller und unermüdlicher Erzieher hatte er sein ganzes Le­ben hindurch einen schweren Kampf mit den vererbten preus­­sischen Methoden und den gewis­senlosen Neureichen zu führen. Er schlug nicht die Laufbahn seines Vaters ein. Er entschloss sich, ebenso wie sein Bruder Thomas, den kaufmännischen Be­ruf mit dem künstlerischen zu vertauschen. Das väterliche Erbe samt dem Handelsgebäude in Lübeck wurde verkauft und die beiden Söhne gingen auf Reisen, die den Anfang ihrer dichteri­schen Tätigkeit bedeuten. Hein­rich verweilte mehrere Jahre in Italien und bests sich dann in München nieder. Schon über zwei Jahrzehnte war er als Schrift­steller tätig,' ohne einen durch­schlagenden Publikumserfolg er­zielt zu haben, als am Ausbruch des ersten Weltkrieges sein neues Buch nicht erscheinen durfte. Erst 1918 wurde dann „Der Un­tertan" veröffentlicht und der langersehnte Erfolg war auf einmal da. Die Leser erkannten in der Uauptgestalt, in Diederich Hess­ling, den typischen Bürger der Vorkriegszeit, der in seiner Fa­brik die Arbeiter auf die grau­samste Weise zu schikanieren wusste, sich aber nach oben als gehorsamer Untertan i mmer brav und höchst „untertänig” benahm. Der Schriftsteller wurde mit ei­nem Schlag populär und in ganz Deutschland gelesen. Auch seine früheren Werke fanden jetzt den Weg zu den Leseim, ganz beson­ders sein satirisches Buch über den tyrannischen Lehrer Rat, der von seinen Schülern „Professor Unrat” genannt wuide. Der grau­same Lehrer, der seine Schüler mit Feldwebel-Methoden behan­delt, gehörte ebenso wie Diede­rich Hessling zu den heftigsten Verteidigern der alten Macht. Die kritische Abrechnung mit der Welt der Vorkriegszeit er­folgte noch in zwei weiteren Werken, in den „Armen” und dem „Kopf”, die zusammen mit dem „Untertan” eine Trilogie bil­den. Heinrich Mann war aber nicht nur Schriftsteller, sondern auch unermüdlicher Kämpfer für eine wahre Demokratie. Als die fa­schistische Gefahr um sich griff und ihn aus seiner Heimat ver­trieb, setzte er den Kampf in der französischen und später in der amerikanischen Emigration fort. Er wurde zum Oberhaupt der deutschen Emigranten-Schriftsteller, die sich darin einig waren, mit allen Mitteln gegen Hitler zu kämpfen. In diesen Jahren schuf er ein monumentales Werk über den französischen König ■ Heinrich IV., der Hitler gegenübergestellt wird. Hitler wollte durch seine Propaganda populär v,-erden ... der französische König des 16. Jahrhunderts machte sich durch seine Talen beliebt. Der Schrift­steller gab seinen Lesern mit die­sem Roman zu verstehen, dass sie Hitler keinen Glauben schen­ken dürfen. Auch zahlreiche Auf­sätze und Zeitungsartikel jener Zeit sind in diesem Sinne ver­fasst. Als im Mai 1945 in Deutsch­land auf den Ruinen neue Hoff­nungen entstanden, arbeitete er weit von seiner Heimat entfernt an seinem — einleitend bereits erwähnten —■ Roman „Empfang bei der Welt”, wobei er zu fol­gender Erkenntnis kam: „Uns ist zugeteilt Arbeit und Liebe: von beiden viel”. Im hohen Alter wollte er noch einmal dieser vie­len Arbeit und Liebe teilhaftig werden. Er hatte schon die Schiffskarte gelöst und seine Koffer waren bereits gepackt, als ihn der Tod noch auf amerikani­schem Boden am 12. März 1950 ereilte. Dr. Antal Mád) Heirich Mann zeichnet ln diesem histo­rischen Roman den Lebensgang des gro­ssen französischen Volkskönigs, seine Heldentaten sowie auch seine menschli­chen „Schwächen”. Seine grosse Neigung zu schönen Frauen gehört zu d esen „Schwächen”, die ihn manchmal zu ga­lanten Abenteuern verleiteten. ZJenri aber reitet nach seiner Mühle. Wie oft, macht er unbegleitet den Weg, längs des Flusses La Garonne, hin­über bei einem alten Städtchen, und jetzt abgebogen. Er streift an Zweige, im welken Laub waten die Hufe. Am Rande des Gehölzes hält er und spät nach sei­ner Mühle droben auf windigem Hügel, ob er den Müller sieht. Sehr zu wünschen wäre, dass der Mann fort ist mit seinem Wagen. Henri trachtet danach, allein zu sein mit der Frau. Übrigens hat er das Recht zu kommen, wenn es ihm beliebt. Der Müller von Barbaste, das ist er selbst, wie jeder weiss. Sein Pächter ver­rät sonst von einem Schlaukopf nichts; dennoch ist der grobe Tölpel hier einge­zogen mit einer jungen hübschen Frau. Kennt seinen Herrn und bleibt ihm die Pacht schuldig. In Rechnung steht dafür die junge hübsche Frau, an die aber der Herr nicht rühren soll. Der Kerl ist ei­fersüchtig wie ein Türke. Der Müller von Barbaste lebt im Volks­mund. Ältere, sanfte Leute glauben wirk­lich, er selbst höchst eigenhändig lasse die Flügel laufen und sammle das Mehl, das aus der kreisenden Walze fällt. In Wahrheit hat er noch keinen einzigen Sack zugebunden: das tut der Pächter, und mit der Frau macht er’s wahrhaftig ebenso. Der Herr und der Ehemann ver­stehen einander ausgezeichnet, jeder weiss, was der andere will, jeder hütet sich und passt auf. Dieser Art sind sie einander nahegekommen. Sooft der Herr einkehrt, nötigt der Pächter ihn, zum HEINRICH MANN: Essen zu bleiben. Nicht die Frau hat die Kühnheit, nur der Mann. Er ist sich sei­nes Vorteils bewusst, ein stämmiger Mann, Besitzer der begehrten Frau, und hat seine Überlegenheit noch immer nicht genug auf die Probe gestellt. Soll nur der Herr in die Falle gehen! eute wartet Henri lange am Rande­­des Gehölzes, wo Schatten über ihn fällt; sie können ihn nicht sehen von der Mühle. Diese schwingt mit Wucht ihre Flügel — nur in der Luke erscheint nie­mals das breite weisse Gesicht des Man­nes, der gewöhnlich den Umkreis ab­späht. Die Frau! Sie streckt den Kopf heraus, äugt herüber, blinzelt, findet nichts, dennoch scheint ihr Ausdruck so­wohl verschlagen als ängstlich. Was das wohl bedeutet? Gleichviel, das Mehl auf der Haut steht gut zu ihren dunklen Augen, und sie ist schmalgliedrig. „Ma­deion!” Er darf getrost den Namen rufen, der trennende Raum ist gross, die Flügel der Mühle klappern; sie hört ihn nicht. Jetzt erst erschrickt sie, denn sein Pferd hat gewiehert; und bevor sie zurücktritt, macht sie nach dem Waldrand hin ein Zeichen, es kann heissen: Komm! Ich bin allein. Henri bindet sein Tier an, geht hinüber und rund um den Hügel, ob der Pächter sich nirgends zeigt. Endlich dringt er ein. Die grosse Mahlkammer liegt übersicht­lich da. zwei Wände hinan sind Säcke geschlichtet, an der dritten arbeitet die Walze in ihrem Kasten, zu der vierten herein pfeift der Wind. Die Müllerin wendet sich schnell um, als von der Zug­luft die Türe zuschlägt; sie hat Korn auf die Walze geschüttet oder stellt sich, als habe sie es getan. Das Brusttuch ist ihr verrutscht, die Hügelchen aus hellem Fleisch werden hastig gehoben und ge­senkt von dem Atem der Überraschten. „Mein hoher Herr!” sagt sie, beugt ein Knie und rafft mit Anstand ihren Rock. Sie ist keine Bauerndirn, kennt Ironie und drückt sich in der Schriftsprache aus, sobald Henri erscheint; ist auch nicht zu bewegen, gemeiner zu reden. Das ist eine der Listen, mit denen sie ihn hin­hält. „Madeion”, sagt Henri voll Freude und Ungeduld. „Dein Aufpasser ist einge­schlafen in einer Schenke. Wir haben Zeit. Ich will Dir das Tuch binden.” Statt dessen öffnete er geschickt das Kleid. Sie wehrte sich nicht, wiederholte aber: „Wir haben Zeit. Wozu so eilig, mein ho­her Herr. Wenn Sie gehabt haben, was Sie wollen, werden Sie auf und davon gehen, und ich werde mir nach Ihnen die Augen ausweinen. Ich liebe so sehr Ihre Gesellschaft — weil Sie gut spre­chen”, setzt sie hinzu, und in ihren schmalen Augen, obwohl die Miene ehr­fürchtig blieb, sammelte sich mehr Spott als je bei einer Marschallin. ln diesem Augenblick verehrte Henri das ganze Ge­schlecht: darum beachtete er gar nicht, was sie trieb. Sie ordnete aber zwei Mehl­säcke unterhalb der auf geschichteten, es ergab einen Ruhesitz, und wenn man wollte; ein Lager. Darauf Hess sie sich nieder, winkte ihn zu sich, und gerade dadurch machte sie sich zur Herrin der Umstände. „Mein Freund”, sagte sie, „jetzt könn­ten wir sogleich darangehen, uns zu lie­ben; aber das ist eine Beschäftigung, in der ich nicht willens bin, mich unterbre­chen zu lassen. Nun kann es kaum aus­­bleiben um dies& Tageszeit, dass Kunden eintreten. Was die Schenke betrifft, mag es sein, dass jemand dort eingeschlafen ist; aber sie liegt keine tausend Schritte von hier, und mancher erwacht plötz­lich.” Dies alles sprach die schöne Mülle­rin mit hohen gleichmässigen Lauten, ohne Spur von Verwirrung, obwohl er erfolgreich bemüht war, ihren Rock zu entfernen. Es schien durchaus nicht ihrer Person zu geschehen. Sie selbst widmete sich einzig ihrer vorsorglichen Überlegun­gen — bog ihren runden Arm um seine Schulter, damit er besser zuhörte, und kam zur Hauptsache. „Ich will, dass wir nächstens von früh bis Abend allein beisammen sind und einander alles Liebe und. Gute gewähren, ohne dass Fremde dazwischen kommen oder ein Ungebetener uns die angenehm­sten Minuten verdirbt. Bist Du nicht mei­ner Meinung, lieber Freund?” „Soweit ich Deine Predigt verstanden habe”, stiess er hervor, versuchte sie um­zuwerfen, und übersah, dass ihr Arm, der ihn zärtlich umschlang, ganz neben­bei auch ihre Stütze war. Da er seine Arbeit aufgeben musste, lachte er und DIE MÜHLE (Aus dem Roman „HENRI Quatre”) FÜR DIE THEATERSAISON 1962/63 gab das „Gergely Csiky”­­Theater von Kopisch/Kaposvär 6800 Abonnements heraus, zu de­ren Besitzern zahlreiche LPG­­Mitglieder der Komitate Schomo­­dei und Tolnau gehören. Damit die Besucher aus den Dörfern die Vorstellungen an Samstagabenden und Sonntagnachmittagen regel­mässig besuchen können, wurden besondere Theater-Busse einge- I stellt. Budapest, 4. Januar 1963. AUGUST BEBEL: Charles Fourier-sein Leben und seine Theorien Im Herbst dieses Jahres waren es 125 Jahre, dass der geniale Utopist Charles Fourier starb. Dem Mangel, dass seine Werke bis heute in ungarischer Sprache nicht zugänglich sind, hilft Be­bels Buch einigermassen ab. Die sogenannten „utopistischen Sozia­listen” wurden in den vergange­nen Jahren nämlich oft genannt, aber selten gelesen — der Verlag „Gondolat” will mit einer neuen 3ücherreihe diese Lücke aus­­fü llem. Bebel erörtert in diesem Buch nicht nur Fouriers Zeit, sein Le­ben und sein Wirken, sondern zi­tiert auch reichlich aus seinen wichtigstem Werken. So lernen wir den grossen Träumer und seine auch von Marx und Engels hochgeschätztem Vorstellungen über die ideale Gesellschaft und seine geistreiche Kritik an den Zuständen seiner Zeit — die der französischen Revolution, des na. poleonischen Kaiserreichs und der Bourbonenrestauration — kennen. Der leidenschaftliche Menschenfreund sah, dass das Zeitalter, in der die bürgerliche Epoche geboren wurde, dem Vol­ke, den Armen nur Leiden und Illusionen brachte, aber die ihm verhassten Kaufleute und Gross­bürger bereicherte. Deshalb ent­wickelte er — oft phantastisch und märchenhaft — den Plan einer anderen Gesellschaft. Seine originellen Theorien fasste er in seiner eigenwilligen -Sprache mit einer Reihe von ihm geschaffener Wendungen ab. Dar­um auch bedeutete die Über­setzung eine schwere Aufgabe, die von Sándor Haraszti auf Grund der 1907 in Stuttgart er­schienenen Ausgabe erfolgreich gelöst wurde. Eva Weinrich Neuaufführung des Singspiels ,,Hóry János” lm Staatlichen Opernhaus wurde das Singspiel „Háry János” von Zoltán Kodály neueinstudiert und anlässlich des 80. Ge­burtstages des grossen Meisters zur Aufführung gebracht. Nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in zahlreichen Provinz­­slädten unefaim Auslande wurde der weltberühmte Komponist durch Aufführung seiner Werke geehrt. Der berühmte Musik­forscher Bence Szabolcsi sagte treffend über ihn: „Die gro­ssen Tondichtungen kamen, um ihren Schöpfer zu Ehren des seltenen Jubiläums zu grüssen!” Und die vielen Verehrer sei- , ner Kunst schlossen sich diesen Worten mit. grossen Begeiste­rung und Liebe an.

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