Neue Zeitung, 1967 (11. évfolyam, 1-52. szám)

1967-01-06 / 1. szám

4 Kulturhausweihe in Környe „Endlich!" — dieses Wort hört man oft in diesen Tagen in Kör­nye, im Komitat Komárom, — „endlich ist unser Kulturhaus fer­tig!” Ein alter Wunsch geht damit in Erfüllung. Die Baukosten be­trugen mehr als vier Millionen Forint, die Dorfbewohner leiste­ten überdies noch gesellschaftli­che Arbeit im Werte von 100 000 Forint. Nun kann man vielleicht schon den neuen Kulturhausdi­rektor über die Gegenwarts- und Zukunftspläne befragen? auf Kecskéd, Várgesztes, Vértes­­somló und Kömlőd Anziehungs­kraft ausüben soll, kann ohne Di­rektor seiner vielseitigen Bestim­mung natürlich nicht entspre­chen. Ungefähr vor zwei Monaten be­suchte ich Környe, und damals befand sich das Kulturhaus noch im Bau. Man hoffte im Dorf, dass es vielleicht bis zum Neujahrstag unter Dach und Fach gebracht werden kann. Und so geschah es auch. Das grosse Foyer kann noch grösser werden, man braucht bloss die Türen der grossen und kleinen Kabinetts zu öffnen, und schon ist mehr Platz zum Tanzen vorhanden. Von hier aus kommen wir in den Klub der Jugend. — Nein, einen Direktor haben wir noch nicht — teilt mir der Ratsvorsitzende Miklós Kassa die verblüffende Tatsache mit. — Wir bekamen zu unserem Kulturhaus keinen Status für den Posten eines Direktors. Der Bezirksrat Tata versprach jedoch, einen eben die Universität absolvierten Volksbildner zu uns zu schicken. Wir warten schon sehr auf ihn, denn das neue Kulturhaus, das Fernseher, Plattenspieler, ver­schiedene Spiele stehen den Ju­gendlichen zur Verfügung. Und selbstverständlich auch die Bü­cherei, zu der neben dem Zimmer des Jugendklubs auch ein wun­derschön eingerichteter Lesesaal gehört. Die Leiterin der Gemein­debücherei von 5500 Bänden ist die Lehrerin Marie Hoffart. Nun führt unser Weg durch die Vor­halle: Garderobe und Buffet sind hier zu finden, und schliesslich erreichen wir den grossen Saal. — Sie werden ihn nicht wie­dererkennen — sagt mir Miklós Kasza und schaltet die Beleuch­tung ein. Zuerst die Seitenbe­leuchtung, dann das Deckenlicht, und zuletzt die Reflektoren, die die Bühne beleuchten. Tatsäch­ Vertag mit dem Déryné-Theater ab; demgemäss kommt es in die­sem Jahr zehnmal ins Dorf. Die Umkleideräume, die Bühne und alle kleineren und grösseren Räu­me sind gleichmässig geheizt, der zentrale Kesselraum sichert für das ganze Gebäude die entspre­chende Wärme. Im Frühjahr be­ginnen hier die Kreiskulturwett­bewerbe, auch die der Pionieror­ganisationen; inzwischen werden regelmässig Filmaufführungen ge­halten, und nachher — hoffen wir — wird wohl auch schon der neue Kulturhausdirektor da sein. Aber zuallererst kommt die Kulturhaus­weihe. —■- Das Festprogramm ist be­reits zusammengestellt — sagt der Ratsvorsitzende. — Es beginnt mit der Hymne. Dann folgt ein Gedicht von Gyula Juhász, von einem Schüler vorgetragen, und danach bin ich es, der das Fest er­öffnet. Die Festrede wird Dr. György Kovács, der Vorsitzende des Bezirksrates Tata, halten, er wird uns auch die Schlüssel des Kulturhauses überreichen. Und nach der Festansprache kommen unsere Leute dran, die 12 Fleissig­­sten werden die Auszeichnung des Komitatsrates „Für gesell­schaftliche Arbeit” erhalten. — vy— zugleich auch als Kreiskulturhaus HERMANN KANT: Krönungstag 2. Fortsetzung Die kleine Tochter Judith ei­nes Hamburger Strassenfegers wird anlässlich des traditionel­len Schulfestes „Kinnergreun” zur Königin im Wettbewerb für Taubenstechen. Nun rennt der Junge, der uns diese Geschich­te erzählt — d. h. der begabte DDR-S chrif tsteller Hermann Kant selbst — zur Mutter nach Hause und teilt ihr mit, dass sie „Königinmutter” geworden sei. Dieses freudige Ereignis birgt für die arme Familie nur neue Sorgen in sich: Ein Fest­zug ist von der Schule hierher, ins Armenviertel der Stadt, zu erwarten (um die Königin ab­zuholen), und zur gleichen Zeit naht ein Wägen mit einer rie­sigen Ladung Heu die Strasse herunter; der Vater der Köni­gin hatte nämlich die Erlaubnis erhalten, manchen herrschaft­lichen Rasen mähen und für die Ziege im Hinterhof Heu machen zu dürfen ... Nun kom­men die Nachbarn, einer nach dem anderen, um beim Abla­den mitzuhelfen, damit der Festzug eine gereinigte Strasse vorfinde... Früher hatte er im Hafen gear­beitet, aber seitdem ihm ein zu­rückfahrender Winsch die Schul­ter zerschlagen hatte, war es da­mit aus, und er konnte noch froh sein, dass er den Posten beim Le­sezirkel gefunden hatte. Die Frau­en, denen er die Liste mit der „Gartenlaube” und der „Hambur­ger Illustrierten” ins Haus trug, hatten bald heraus, wie man Adje in Gang brachte. Sie schimpften auf ihre Männer, die nicht einmal einen Nagel in die Wand schlagen könnten, oder sie sagten, ja, lei­der hätten sie gar keine Zeit mehr, sich mit Adje zu unterhal­ten, denn so eine Wäscheleine ma­che sich ja nicht von alleine an — und schon fragte Adje nach dem Hammer oder Hess sich die Leine geben. Dabei schimpfte er dann ordentlich und gebrauchte wieder­holt das Wort „Schietkroom”. I Inv er stündliches leistete er LJ sich, als die Krämerbude von Hulda Ewers abbrannte: Adje kam als erster zu Hilfe. Er sprang in die brennende Bretterhütte, und als er wenig später angesengt und hustend wieder auftauchte, trug er das schmierige Anschrei­bebuch Huldas unter dem Arm. Der Witz war nur, dass Adje wohl mit dem dicksten Posten drinnen stand. Adje brachte der Krämerin das Buch und sagte: „Hier, ick bün verrückt!” und: „Schiet­kroom!” Adje sagte auch jetzt bei jedem Bündel Heu, das er reinschaffte, „Schietkroom”, aber das nahmen wir gern in Kauf. Jetzt lief der Transport rei­bungslos, und wir konnten uns schon ausrechnen, dass wir noch rechtzeitig fertig würden. Da kam Alida nach Hause. Wir hatten sie ganz und gar vergessen, aber jetzt war sie da und weder zu überse­hen noch zu überhören; sie schrie, als sei sie vom Affen gebissen. Sie war es auch. Sie hatte sich nach dem voraus­gesehenen Ausgang des Sackhüp­fens ruhig auf den Heimweg ge­macht und war dabei an Zirkus Bellini vorbeigekommen. Zir­kus Bellini gastierte in jedem Jahr einmal oben am Ellernbrook und überraschte vor allem immer wieder durch die Wandlungsfähig­keit seines Besitzers, der einmal als,Irokesenhäuptling Minge-tan­­ke (Der weisse Büffel), ein ande­res Mal als Feuerfresser aus der hinteren Türkei und im Jahr dar­auf als Schlangenmensch von Ce­lebes unseren Beifall und unser Geld einheimste. Der Tierpark des Zirkus Bellini bestand aus zwei müden Schecken, einer Horde Hunde und einem alten Affen. D iesen Affen nun hatte Alida, die so tierlieb war wie mein Vater, aufgesucht. Mochte er nun keinen oder zu­viel Gefallen an dem Roten ge­funden haben, jedenfalls hatte er kräftig zugelangt und die Ab­drücke seiner Zähne kurz unter­halb der Impfpocken auf Alidas rechtem Oberarm hinterlassen. Da stand die Unglückselige nun mit zerrissenem, Kleid und schrie ihren Schmerz in die Welt hinaus. Die Störung war enorm. Der Heutransport wurde sofort abge­brochen, und es gab eine medizi­nische Beratung. Max empfahl ge­kauten Salbei, und Schadder wusste, Affenbisse seien noch ge­fährlicher als die von Bisamrat­ten; Adje Hüller sagte, wenn ein Blutspender gebraucht werde, so könne man auf ihn rechnen und mein Vater pumpte Luft in die Schläuche seines Fahrrades, denn er wollte mit Alida zum Arzt fah­ren. Aber meine Mutter sagte, dann wäre es aus mit der Krönungs­feier und Tante Elsa müsse mit Alida gehen. Sie schaffte es auch wirklich, dass sich die Heuträger wieder an die Arbeit und die Ret­tung der Lokalehre machten. Sie ging sogar soweit, Max aus der Kolonne herauszunehmen und mit Pinsel, weisse'r Farbe und dem Auftrag zu versehen, er solle die Gartenpforte und die Blumen­kästen unter den Fenstern anstrei­chen. Won der Feuerwache her heul­» te die Sirene es war drei Uhr — die Zeit, da sich oben an der Schule der Festzug in Bewe­gung setzen sollte. Alle arbeiteten noch schneller, und wenn nun nicht noch etwas passierte, muss­te es klappen. Aber es passierte noch etwas. Daran war Oskar schuld oder vielmehr die Ziege von Fräulein Senkenblei. Niemand hatte Fräulein Senkenblei und ihre Ziege gesehen, bis sie plötzlich vor unserer Gartenpforte standen. Die Ziege machte sich sofort über das Heu her, und Fräulein Senken­blei eröffnete meinem Vater, dass das gute Tierchen zu Oskar müsse. Oskar war nämlich der staatlich gekörte Ziegenbock, der vom Kleingärtnerverein bei uns eingestellt war und hier zur Herbstzeit eine fruchtbare Tätig­keit ausübte. Zur Herbstzeit ja, aber jetzt war Juni. Das sei ihr völlig gleichgültig, agte Fräulein Senkenblei, es stehe nirgendwo geschrieben, dass eine Ziege nicht auch einmal im Juni Liebe fühlen dürfe, und es sei an sich schon Schande genug, dass wir aus dem Spiel der natürlichen Kräfte auch noch Geld zögen, und schliesslich sei sie im Vorstand des Kleingärtnervereins, und wenn wir nicht unserer Pflicht nachkämen, so werde sie Sorge tragen, dass man Oskar woanders unterbringe. Das wäre nun freilich ein har­ter Schlag gewesen, denn Oskar war für uns wirklich eine wich­tige Finanzquelle, und so man­ches Mal hatten wir, wenn wie­der einmal Ebbe in der Kasse war, hoffnungsvoll die Strasse hinun­tergesehen und nach einer Ziege A usschau gehalten, die Oskar Ver­gnügen bereiten und uns vier Mark einbringen sollte. Aber, wie gesagt, das war eben immer im Herbst, und jetzt war Juni und ausserdem Krönungstag. r\och gegen Fräulein Senkenblei LJ war nicht aufzukommen; wir hatten das schon einmal erfahren, damals, als sie uns das „Blätt­chen” aufgeschwatzt hatte. Das „Blättchen” war das evangelische Sonntagsblatt, für dessen Ver­trieb in unserem Bezirk Fräulein Senkenblei verantwortlich und al­les zu tun bereit war. Sie kam alle vierzehn Tage damit und kassier­te stets einen Groschen und eine Tasse richtigen Kaffee dafür — so süss und so verbindlich sie auch bei diesem Geschäft sein mochte, heute stand sie hier als Sachver­­walterin einer Ziege und deren für die Jahreszeit so ungewöhnlichem Anliegen und Hess sich auch mit dem Hinweis auf den Ernst und die Dringlichkeit der Stunde nicht abweisen. Mitten hinein in die Debatte über Naturgesetze und die Sat­zungen des Kleingärtnervereins tönten die Klänge des Hohenfried­bergers. Der Festzug kam heran. KAeine Mutter zerrte Fräulein ir I Senkenblei und ihre Ziege hinter das Haus und rief nach der Königin, denn ihr Hofstaat nahte. lich: wie in einem Theater! Die Stuhlreihen — mit Kunstlederbe­­zu'g — bilden einen Halbkreis und steigen nach hinten an, da­mit die Bühne gut zu sehen sei. — Im grossen Saal haben wir 304 Plätze — sagt Miklós Kasza, — er soll nicht nur den Theater­aufführungen, Veranstaltungen, Bezirkskulturwettbewerben die­nen, sondern auch als Zuschauer­raum bei den Filmvorführungen. Wöchentlich viermal: Montag, Donnerstag, Freitag und Sonntag werden hier Filme gezeigt. Mit dem neuen ungarischen Film „Aranysárkány” (Der Golddra­chen) beginnt das Kino am 6. Ja­nuar seine Projizierungen. Da noch kein Direktor vorhan­den ist, versieht zur Zeit der Ge­meinderat alle mit der Kulturar­beit oder dem Kulturhaus zusam­menhängenden Aufgaben. Sogar ein Programm wurde schon zu­sammengestellt. Man schloss ei­nen UBER NEUE FILME: Alexis Sorbas (Zorba, a görög) Der Grieche, von dem hier die Rede ist, ist die wilde Lebenslust, die unbezähmbare Natur selbst. Der junge EngDänder, dem er seine Dienste anbietet, ist die Personifizierung der Wohlerzogenheit, der Weltfremdheit schlechthin. Die beiden ziehen gemeinsam nach Kreta. Wie zwei solche gegenteilige Charaktere friedlich nebeneinander leben können, die Gedanken und die Handlungen des anderen zu begreifen versuchen, wie sie schliesslich eine tiefe menschliche Achtung einan­der entgegenbringen, — davon spricht dieses wahrhaft humanistische Meisterwerk des griechischen Regisseurs Michael Kakoyannis. Der junge Engländer, ein gescheiterter Schriftsteller, möchte nun auf der Insel Kreta ein Erbstück, eine vernachlässigte Lignitgrube ver­walten; das Unternehmen scheitert, trotz — oder dank? — allen Bemü­hungen seines griechischen Weggefährten. Der unternehmungslustige Grieche erlebt inzwischen ein — leider etwas sentimental gefärbtes und allzu in die Länge gezogenes — Abenteuer mit der alternden Ho­telbesitzern; der linkische, scheue Engländer wird von der schönsten Frau des Dorfes, der von allen Männern hoffnungslos umworbenen jungen Witwe, ausersehen; beide Frauengeschichten enden tragisch, die Alte stirbt, die Junge wird aus Rache erdolcht. Der Film bleibt uns hierbei die psychologische Motivierung schuldig: wie nämlich der sen­sible Engländer, solcher rohen Sitten wie die der Blutrache, nicht ge­wohnt, sich über dieses grausame Erlebnis hinwegzusetzen vermoch­te, wird einfach nicht gezeigt. Trotz dieser Mängel ist und bleibt der Film ein Erlebnis; die mit scharfer Linse fotografierten scharfen Gesichtszüge des armen Kretaer Volkes; die Szene, in der die junge Witwe im Kreis eingefangen, mit Steinen beworfen wird und das drohende Schwarz der Kleider, die kaum sichtbaren Bewegungen des immer enger werdenden Kreises, die dem Zuschauer die Kehle zuschnüren, oder die Szene, in der das Haus der im Sterben liegenden Hotelbesitzerin von den alten Weibern des Dorfes geplündert wird, bis sie zwischen den kahlen vier Wän­den daliegt... Unser Bild zeigt die beiden Hauptdarsteller: (rechts) Alan Bates in der Rolle des Engländers und (links) Anthony Quinn, der durch die Verkörperung des Griechen wieder einmal Aussergewöhnliches leistete. Maria Ember Budapest, 6. Januar 1967

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