Neue Zeitung, 1968 (12. évfolyam, 1-52. szám)
1968-01-05 / 1. szám
Vergangenheit und Gegenwart unserer Dörfer Leányvár Wenn man von Budapest nach Leányvár fährt, verändert sich sozusagen die Landschaft von Kilometer zu Kilometer. Gebirge, Täler, Felder, Dörfer wechseln. Durch das Fenster des Zuges kann man den 757 Meter hohen Gipfel des Pilis-Gebirges sehen, und dann fährt der Zug plötzlich in den längsten Tunnel des Landes. Auf der anderen Seite des Tunnels: Leányvár. In Leányvár ist der Verkehr — in erster Linie wegen der Autostrada — auch jetzt im Winter sehr gross. Die breiten Strassen entlang erblickt man viele neue Häuser, viele eiserne Zäune, Neonlampen und hinter den Häusern kleine Weingärten mit Weinkellern. Siedlungsform: V Dieses Dorf hat eine eigenartige Siedlungsform. Sie ist dem Buchstaben „V” ähnlich, der eine Arm ist die alte Autobahn, der andere eine Strasse, die auf einen kleinen Hügel hinaufführt. Am 29. August 1526, neun Tage nach der Schlacht bei Mohács — so berichtet eine Chronik, die ich in der Széchenyi- Bibliothek aufstöberte — ritten Sultan Suliman und seine Truppen durch die Gegend, töteten die Menschen und steckten die Dörfer im Pilis-Gebirge in Brand. Damals stand an der Stelle von Leányvár auf einem kleinen Hügel nur ein einziges Gebäude: ein Nonnenkloster. Das Dorf kam erst Mitte des 18. Jahhunderts zustande und hiess Ulmodvár. Die Chroniken haben nicht vermerkt, woher dieses Dorf den Namen Leányvár (Mädchenburg) erhielt, , aber Zsigmond Móricz weiss folgendes zu berichten: „Woher Leányvár seinen Namen bekam? Schon vor vielen-vielen Jahren führte hier die Hauptstrasse durch. Wo der Weg am Hügel nach rechts führt, dort ging einmal ein Soldat hinter einem hübschen Mädchen her und rief: „Leány, várj!” (Mädchen, warte!). So bekam das Dorf den Namen Leányvár.” Ein Bekannter hatte Zsigmond Móricz diese Geschichte erzählt. Laut der Chronik kam der erste Siedler, eine Familie Sándor, Anfang des 18. Jahrhunderts hierhex-. Im Jahre 1755 betrug die Zahl der Bevölkerung bereits 198. Nach einer Statistik vom Jahre 1908 standen 139 Häxiser im Dorf, in denen 798 schwäbische und 36 ungarische Menschen wohnten. Nur S3 Bauern — Das Dorf zählt heute 1657 Einwohner — berichtet der Ratssekretär Mihály Lernyei, der schon seit 17 Jahren diese Position innehat. — Etwa 80—85 Prozent der arbeitsfähigen Menschen arbeiten in der Industrie: in den Gruben von Dorog, in der Relais-Fabrik in Esztergom und in verschiedenen Fabriken in Budapest. Viele Maurer wohnen im Dorf, die aber ebenfalls auswärtig ai-beiten. — Wer arbeitet dann in der Landwirtschaft? — frage ich ihn. Der Hotter des Dorfes ist ja, wie ich sehe, ziemlich gross. — Ja, das stimmt. Der Hotter des Dorfes macht 1261 Joch aus, aber davon sind nur 800 Joch Ackerland. Am 1. Januar 1961 wurde die LPG mit der in Kesztölc und Piliscsév vereinigt, und seitdem gibt es bei uns nur eine Betriebseinheit mit 53 Bauern, die 250 Joch Land bestellen und sich mit Viehund Geflügelzucht befassen. Der Wert einer Arbeitseinheit betrug voriges Jahr 30 Foi-int.* Ein junger Mann im Ledermantel betritt das Zimmer des Sekretärs. Es ist der Arzt Dr. Attila Bernáth. Er kam vor drei Monaten nach Leányvár, und somit ging ein alter Wunsch der Einwohnerschaft in Erfüllung, denn früher gab es hier keinen Arzt. Die Menschen mussten immer ins Bezirkszentrum Dorog zum Arzt fahren. Ein anderes grosses sanitäres Problem des Dorfes konnte noch nicht zufriedenstellend gelöst werden. Das Wasser in den Brunnen ist mit Colibakterien vei-seucht und das Wasser der drei öffentlichen Brunnen ist auch nicht einwandfrei. Das nächste grössere Ziel des Dorfes ist die Sicherung gesunden Trinkwassers. Der Rat hat bereits 400 000 Forint für die Errichtung eines Zwergwasserwerkes zurückgelegt. Bei der Verwiklichung des Baus rechnet der Rat auch mit einer freiwilligen Mithilfe der Einwohnerschaft. SO neue Häuser Bei meinem Gang durch das Dorf sah ich mehrere Geschäfte: einen Gemüseladen, eine Fleischerei, einen modernen Lebensmittel-Selbstbedienungsladen, ei-ne Gaststätte und am Bahnhof eine beliebte Raststätte der Autofahrer und natürlich auch der gesamten Dorfbevölkerung, das Restaurant „Leányka”, wo — wie die Gäste behaupten — sehr gut gekocht wird. Die Stern-Bäckerei ist berühmt durch ihr erstklassiges und immer frisches Brot. * In den vergangenen vier bis fünf Jahren wurden in Leányvár aus eigener Kraft 50 Häuser mit Zwei-Drei-Zimmex-wohnungen gebaut. Kindergarten und Schule Im Hof des Kindergax'tens spielen Kinder im Schnee. Vor der Tür stehen die Rodel, ungefähr 20 Stück. Die Eltern bringen die Kleinen auf Schlitten hierher. Der Kindergai-ten besteht aus zwei Räumen, in dem einen sind die Kinder bis zu vier Jahren, im anderen Kinder bis' zu sechs Jahren untergebracht. Zwei Kindergärtnerinnen sind hier tätig, alle beide sind jung, haben vor ein paar Jahren ausgelemt. Giselia Schmidt in Sopi-on und Rosalia Eifert in Gyula. Viermal am Tage erhalten die 44 Kleinen hier Essen. Heute gibt es Schnitzel mit Gemüse zum Mittagessen und Apfelkuchen zur Jause. In der Schule verfolgt die achte Klasse gerade das „Schulfernsehen”. Sie haben Chemiestunde und lernen den Stoff, den auch das Fernsehprogramm behandelt. Der Direktor der Schule mit 12 Lehrkräften ist Jenő Erdély. Er ist hier geboren und aufgewachsen und kam nach dem Erwerben des Lehrerdiploms zurück. — Im Jahre 1953 wurde ich hier Direktor. Viele Eltern kamen damals zu mir mit der Bitte, den Deutschunterricht einzuführen. So geschah es auch. Zur Zeit lehre ich in vier Gruppen 44 Kinder die deutsche Sprache. — In der Gemeinde gibt es 387 Häuser. In alle Häuser kommt täglich eine Tageszeitung. Jede Familie besitzt ein Radio und jede zweite einen Fernseher. Dreissig Autos und sechzig Motorräder gibt es im Dorf — berichtet er. In den vergangenen 20 Jahren haben 540 Kinder die Grundschule beendet, das sind durchschnittlich 27 im Jahr. 70 Prozent der abgehenden Schüler leimen in Gymnasien und verschiedenen Fachschulen weiter. Jenő Erdély ist zugleich auch Kulturhausdirektor. — Wir haben ein schönes Kulturhaus mit einem Zuschauerraum für 200 Personen. Vor fünf Jahren wurden ein Klubraum und eine Bibliothek gebaut. In der Bibliothek befinden sich zur Zeit 2000 Bücher. 26 Prozent der Einwohner sind ständige Leser der Bibliothek. Jetzt planen wir noch einen Raum für die Jugendlichen an das Kulturhaus anzubauen. und auch ein Büffet wird eröffnet. Im Kulturhaus befindet sich auch das Kino, dreimal in der Woche werden Filme vorgeführt. — Am 2. Dezember z. B. veranstalteten wir den Tag der Alten und am 16. Dezember einen Jugendball. Es wirken hier auch verschiedene Fachzirkel, wie z. B. der Literatur- und der Bastlerfachzirkel. Die jetzigen Gymnasiasten und diejenigen, die schon das Gymnasium beendet haben, wollen jetzt eine Literarische Bühne zustande bringen. Wir haben dann noch einen Sportverein und auch eine Fussballmannschaft. Kein „Dreimännerwein” In einem schönen Haus wohnt der älteste Mann des Dorfes, der 75jährige Georg Schiessler. Er sass gerade an einem Tisch und schrieb Weihnachtskarten an Verwandte im Ausland. Ungefähr 20 Karten lagen auf dem Tisch. Er hielt im Schreiben inne und holte zunächst einmal Wein aus dem Keller. — Den können Sie ruhig ti'inken, das ist kein „Dreimännerwein” — sagte mir Georg-Vetter, indem er mir einschenkte. — Was heisst „Dreimännerwein”? — fragte ich ihn neugierig. t— Das ist ein so saurer Wein, den man nur trinken kann, wenn einer von zwei Männern niedergehalten wird, während ein dritter einem den sauren Wein in den Mund giesst, — sagt er gutgelaunt. Georg Schiessler ist pensionierter Bergmann. In seiner Jugend arbeitete er als Läufer in der Tokoder Grube und später in Dorog als Häuer. 31 Jahre lang. Jeden Tag stand er um vier Uhr früh auf, damit er um sechs Uhr an Ort und Stelle sein konnte. Den acht Kilometer langen Weg legte er zu Fuss zurück. Vier Söhne hat er aufgezogen. Alle vier sind ebenfalls Bergarbeiter geworden. Der älteste Sohn, Franz, starb im Jahre 1953 bei einem Grubenunglück, die drei anderen arbeiten immer noch in der Doroger Grube, Georg Schiessler hat acht Enkelkinder und fünf Urenkel. — Damals, als ich noch jung war, sah das Dorf anders aus als jetzt. Es gab nur weissgetünchte Häuser, heute ist das eine rot, das andei'e grün angestrichen. Das ist auch ganz in Ordnung so. Aber das ein anderer schöner Brauch abgegangen ist, das freut mich gar nicht. An den Sommerabenden gingen wir Jungen und Mädchen Arm in Arm durchs Dorf und sangen schöne alte Lieder. Das machte nicht nur uns viel Spass, sondern auch denen, die uns zuhörten. Gleich neben dem Bahnhof finde ich die Steinmühle von Leányvár. — Wir beschäftigen 100 Personen — sagt mir Direktor Dénes Köles. — Davon arbeiten 30 draussen im Steinbx*uch. In fast jeder Gemeinde des Bezirkes Dorog leben Angehörige verschiedener Nationalitäten, neben Ungarn meistens Deutsche und Slowaken. Und gleich wollen wir noch hinzufügen: in Freundschaft und Einverständnis. Allerdings war das nicht immer so und ganz besonders nicht in den Zeiten vor der Befreiung. Die gegenwärtige Lage ist freilich nicht nur ein „friedliches Nebeneinanderleben”, sondern viel mehr, man könnte das Verhältnis zueinander als aufrichtig, brüderlich und vertraut bezeichnen. Welchem Umstand ist dies zu verdanken? Darüber sprachen wir mit József Szmodics, dem Sekretär der Patriotischen Volksfront im Bezirk Dorog, am Nationalitätenabend in Kesztölc, wo das Volksensemble Balassi aus Békéscsaba einen stürmischen Applaus errang. Als Einleitung sagte der Bezirkssekretär: „Es genügt nicht, die edlen Grundprinzipien zu betonen, man muss sie auch verwirklichen. Unsere Verfassung legt genau unsere auf den Leninschen Prinzipien beruhende Nationalitätenpolitik fest, die unsere Partei und Regierung auch konsequent befolgt. .Der Grundlage dieser Politik entspricht auch die Tätigkeit der Patriotischen Volksfront. Es ist nämlich ihre vorrangige Pflicht, alle werktätigen Schichten unserer Heimat — und so auch die Nationalitäten — in einer Massenbewegung zusammenzufassen. Die Patriotische Volksfront nimmt r aktiven Anteil an allen Begebenheiten des Landes und infolgedessen auch gleicherweise am politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben der Gemeinde. Dieses dreifache Gebiet hängt eng miteinander zusammen und übt gegenseitig eine Wechselwirkung aus. Wir freuen uns. dass durch unsere politische Tätigkeit das sozialistische Bewusstsein der Einwohnerschaft unserer Gemeinden erstarkt und wir in wirtschaftlicher Hinsicht bei der Kräftigung der örtlichen Produktionsgenossenschaften sowie hauptsächlich bei der Schaffung von Arbeitsplätzen für Frauen umfassende Hilfe bieten konnten. Selbstverständlich erreichten wir die augenfälligsten Ergebnisse auf kulturellem Gebiete.” „Wir möchten Sie bitten, uns den Wir fei'tigen schon seit 40 Jahren u. a. verschiedene Mosaikplatten und Treppen für Häuser im ganzen Lande an. Wir verarbeiten täglich 200 Tonnen Steine. Die Menschen, die hier ai'beiten, sind alle aus Leányvár. Giselia Witzénleiter z. B. arbeitet schon seit 10 Jahren hier. — Viele Ai'beitsgänge in unserer Fabrik sind in den letzten Jahren weithin automatisiert worden, so ist die Arbeit heute unvergleichlich leichter als früher. Man braucht einfach nur auf einen Knopf zu drücken . . . Christine Merly letzten Satz etwas genauer zu erklären”, baten wir den Bezirkssekretär. ..In den Nationalitäten-Gemeinden fördern wir den Unterricht der Nationalitätensprachen sowie die Tätigkeit der Nationalitäten-Kulturgruppen. Zwecks Belebung der Kulturtätigkeit sehen wir es geirn, wenn Naticnalitäten-Kulturgruppen in unserem Gebiet- Gastspiele geben, wie jetzt im Moment in Kesztölc. Wir bedauern es ausserordentlich, dass sich die bei uns beheimateten Csolnoker und Máriahálmer Kulturensembles, die sich doch schon einen guten Ruf erworben hatten, aufgelöst haben. Wir möchten uns jetzt gern dai'anrnachen, diese neu zu organisieren. Und es hat den Anschein, dass etwas daraus wird. Ansonsten entsprechen im allgemeinen die Kulturhäuser unseres Bezirks. Unter ihnen nimmt einen ganz hervorragenden Platz das Kulturhaus der Bergleute in Sárisáp ein, in dem das „Déryné”-Theater regelmässig Vorstellungen gibt, die auch von den Einwohnern der benachbai’ten Dörfer besucht werden. Selbstverständlich befriedigt uns das allein nicht, denn es ist unser Ziel, dass die örtlichen Kulturgruppen die alten Traditionen, Bräuche, Volkslieder und -tänze der Dörfer wieder aufleben lassen und sie pflegen, bewahren . . Gyula Kollányi Die Mitte Volksfront id die Midin im Doroger Bezirk Der Schul- und Kulturhausdirektor Jenő Erdély Hurra, wir turnen! Georg Schiessler, der älteste Mann des Dorfes Winter in Leányvár József Szmodics BUDAPEST, 5. JANUAR 1968. NZ 3