Neue Zeitung, 1971 (15. évfolyam, 1-53. szám)

1971-06-11 / 24. szám

D as ist das „Nevegy”-Tal! — sagt mir der LPG-Vorsitzende Johann Scher. Wir stehen auf einem Hügel; von da bietet sich ein herrlicher Blick auf das Tal, auf das historische Wein­gebiet am Balaton, auf fünf kleine Dör­fer: Balatoncsicsó, Szentjakabfa, Szent­antalfa, Óbudavár und Tagyon. In die­sen Gemeinden beschäftigen sich die meisten Einwohner und alle fünf LPG mit dem Weinbau. Auch vom Hügel aus erblickt man Weingärten und Press­häuser, so weit das Auge reicht, bis zur natürlichen Grenze, dem Balaton. Johann Scher, Vorsitzender der LPG „Petőfi” in Balatoncsicsó, ist, wie er sagt, ein gebürtiger „Csicsóer”. Man hält ihn hier für einen grossen Lokal­patrioten. Allein um mir dieses herr­liche Panorama zeigen zu können, fuhr er mich mit seinem eigenen Trabant auf schlechten, sonst nur mit Pferde­wagen befahrbaren Feldwegen, zwi­schen Weingärten und Äckern auf die­sen Hügel hinauf. — Ich habe schon mehrmals nach dem Ursprung des Namens „Balaton­csicsó” geforscht — erzählt mir Johann Scher. — Einer alten Legende nach sie­delte sich da kurz nach der Landnahme ein Fürst namens Buda an und Hass auf dem nahen „Szentbalázs”-Berg eine kleine Festung bauen. Als seine drei Söhne, István, Antal und Jakab älter wurden, gab er ihnen drei Pfeile. „Schiesst die Pfeile in drei Richtungen! Wo sie sich in die Erde bohren, dort siedelt euch an!” Der Kosename des ältesten Sohnes, István, war „Csicsó”. Er hat der Sage nach unser Dorf ge­gründet. Festzustellen, ob das wahr ist oder nicht, ist schon Aufgabe der Hi­storiker — lächelt der Vorsitzende. Eine Weile geniessen wir noch die wunderschöne Aussicht auf das „Ne­­vegy”-Tal, dann geht die Fahrt auf ei­nem holprigen Weg abwärts. Unterwegs zeigt mir der Vorsitzende stolz die Weingärten der LPG. Von den fünf Ge­meinden hat Balatoncsicsó den grössten Hotter. Auf 90 Prozent des Gebietes wächst Wein. Und jedes Jahr werden neue Weingärten angesiedelt. Auch heuer. Wir halten bei einem arbeiten­den Bulldozer. — Jetzt, im Frühling, verwenden wir 300 000 Forint für Bodenarbeiten. Die­ser Bulldozer, den wir für diese Sum­me in Veszprém gemietet haben, pla­niert eine Fläche von etwa 40 Joch. Im vorigen Herbst war da noch ein Stück Wald. Jedes Jahr erweitern wir unsere Weingebiete. Das zahlt sich am besten aus. Neben dem Weinbau beschäftigt sich unsere LPG auch mit der Schaf­zucht. Vor einigen Jahren züchteten wir auch Mastrinder. Das war aber für uns nicht rentabel, und so gaben wir das auf. Die fünf Dörfer im „Nevegy”­­Tal sind verwaltungsmässig vereinigt, sie haben einen gemeinsamen Rat, die LPG wirtschaften aber einzeln. Die Ver­einigung der vier LPG ist derzeit noch nicht möglich, denn der wirtschaftliche Unterschied ist zu gross. Doch es gibt Ansätze zur Zusammenarbeit. Unsere LPG schlug unlängst den anderen vier Genossenschaften vor, im nächsten Jahr eine gemeinsame Viehzuchtanlage zu er­richten, weil sich dieser Betriebszweig nur auf diese Weise auszahlt. „Lenz-Moser” in der Hauswirtschaft Wir fahren weiter in die malerisch schöne Landschaft hinein. Im Weingar­ten arbeiten die Frauen fleissig. Hier wurde das moderne Weinbausystem Lenz-Moser angewandt. Derzeit treibt die LPG „Petőfi” auf 221 Joch Wein­bau und auf 170 Joch wurde bisher dieses moderne System, das die Bebau­ung durch Maschinen ermöglicht, ver­wirklicht. Johann Scher fuhr noch vor Jahren nach Österreich, nach Burgen­land, in die Heimat des Lenz-Moser- Weinbaus. Dort studierte er diese Me­thode. Zwei Jahre später fuhr eine gan­ze LPG-Delegation aus Balatoncsicsó nach Burgenland. Jetzt züchtet man den Wein in den Hauswirtschaften auch schon nach diesem System. Auch LPG-Mitglied Johann Strausz hat seinen Weingarten oben auf dem Hügel. Er besitzt ein eigenes Presshaus mit Weinkeller. — Sowohl in der LPG als auch in der Hauswirtschaft betrieben wir vor et­wa noch 5 Jahren den Weinbau auf tra­ditionelle Weise — erklärt mir Johann Strausz. — Das verlangte sehr viel Ar­beit. Vor drei Jahren fingen wir stufen­weise mit der Einführung des neuen Sy­stems auch in den Hauswirtschaften an. Bisher wurde die Lenz-Moser-Methode auf 60—70 Prozent der Hauswirtschafts­weingärten verwirklicht. Heute können auch die Hauswirtschaftsgärten mit Maschinen bebaut werden, man braucht nur ganz wenig zu hacken. Nicht nur diese bisher schwere Arbeit wurde da­durch leichter, sondern auch der Ertrag stieg um 30 Prozent an. Ehrlich gesagt, wir hatten am Anfang ein wenig Angst, als wir die unseren früheren Begriffen nach „zu breiten” Reihen sahen. Der Sinn des Systems ist nämlich, dass die Reihen mit Traktoren befahren und ge­pflügt werden können. Wir waren der Meinung, dass zu viel nutzbarer Boden dadurch aus der Produktion ausfällt. Die Reben wuchsen aber höher, sogar beträchtlich höher auf dem sog. „Hoch­kordon” als zuvor. Mit dem neuen Weinbausystem sind wir also auch in den Hauswirtschaften sehr zufrieden. Neuer Komplex am Dorfrande Nach dem Gespräch mit den Wein­bauern fahren wir mit dem Vorsitzen­den in Richtung des Dorfes. Am Rande der Gemeinde halten wir an. Da baut die LPG ein Kombinat. Aber was für eins! Obzwar die neue Errungenschaft am Dorfrand ensteht, wird diese bald der Mittelpunkt nicht nur von Balaton­csicsó, sondern wahrscheinlich vom gan-zen „Nevegy”-Tal sein. Es wird hier vor allem ein Riesenweinkeller mit einem Fassungsvermögen von 40000 Hektoliter Wein errichtet. Der Keller wurde be­reits im vorigen Sommer fertiggestellt und sehr modern eingerichtet. Da gibt es keine Fässer mehr, sondern nur rie­sengrosse Beton-Glastanks. Der vorjäh­rige Ertrag wurde schon in diesen Tanks gelagert. Der Wein — unter acht Sorten kann man wählen — schmeckt ausge­zeichnet. Dias habe ich selber auspro­biert. Nun, oberhalb dieses Riesenkellers entsteht der eigentliche Komplex: eine LPG-Verwaltung, eine Klubbibliothek, ein Forschungslaboratorium, ein Ball­saal, zwei Klubräume für die KJV-Or­ganisation, ein Ratssaal und weitere Werkstätten für die Weinaufarbeitung. Allein der Rohbau kostet mehr als fünf Millionen Forint, und dazu kommen noch die Kosten der inneren Installa­tion und der Einrichtung. Das alles fi­nanziert die LPG aus eigener Kraft. Etwa 50 Arbeiter sind am Bau tätig. Das Bautempo ist flüssig. Der Komplex sollte eigentlich im Frühling 1972 seiner Bestimmung übergeben werden. Wie mir aber der Leiter der Bauarbeiten, József Dukán aus Devecser — das Bau­unternehmen in Devecser führt nämlich den Bau in Balatoncsicsó aus — versi­cherte, können die Balatoncsicsóer Sil­vester schon im neuen Ballsaal feiern! Vom Dorfrand führt eine schön ge­pflegte Strasse ins Dorf. Entlang beider Seiten der Strasse blühen Blumen, der Schatten von schönen alten Platanen mildert die grosse Hitze. Mein Eindruck nach einigen Minuten war: Balatoncsi­csó ist ein gepflegtes Dorf. Um etwas Näheres über die Entwicklung des 300 Einwohner zählenden Dorfes zu erfah­ren, musste ich aber in die zwei Kilo­meter entfernte Gemeinde Szentantalfa fahren. Hier ist der Sitz des gemeinsa­men Rates der fünf Dörfer. Ratssekre­tär Franz Steixner ist ein Balatoncsicsó­er; er kennt also alle Angelegenheiten der Gemeinde sozusagen „von Haus aus”. — In den letzten Jahren wurde in Balatoncsicsó viel gebaut — sagt mir der Batssekretär. — Noch 1968 wurden im ganzen Dorf alle Strassen asphaltiert, auch die Gehsteige, damit parallel wur­den auch bedeckte Kanäle gebaut. Man kann ruhig sagen, dass die Hauptstra­sse der Gemeinde etwa so aussieht wie ein Villenviertel einer Grossstadt. Eine noch grössere Investition bedeutete der Ausbau des Wassernetzes, der vor drei Jahren beendet wurde. Heute ist das gesunde Trinkwasser schon in alle Häu­ser eingeleitet, und in 90 Prozent der Wohnhäuser gibt es auch ein Badezim­mer. Balatoncsicsó ist in kommunaler Hinsicht im Vergleich zu den umliegen­den Dörfern sehr weit entwickelt. Neben den zahlreichen positiven Er­gebnissen hat das Dorf auch ein noch ungelöstes Problem: die Schule. Es ist eigentlich nicht allein die Sorge der Balatoncsicsóer, sondern auch der an­deren vier Gemeinden. In Balatoncsicsó unterrichtet man die Schulkinder in der Oberstufe aus allen fünf Dörfern, hier ist nämlich die zentralisierte Grund­schule zu finden. Es fehlt aber ein ent­sprechendes, modernes Gebäude. Der­zeit wird im ganzen Dorfe zerstreut in mehreren kleinen Räumen unterrichtet, sogar im örtlichen Kulturhaus richtete man ein Klassenzimmer ein. — Wir möchten auf halbem Wege zwischen Balatoncsicsó und Szentantal­fa eine neue Grundschule bauen, deren Kostenaufwand etwa sechs Millionen Forint betragen würde. Aus eigener Kraft können wir das aber nicht schaf­fen, wenn auch alle fünf LPG je eine halbe Million Forint für diesen Zweck zur Verfügung stellen würden. Wir brauchen auch vom Komitatsrat und vom Ministerium für Bildungswesen Unterstützung, damit wir auch dieses Problem lösen können — so Franz Steixner. — Dann könnten wir auch den deutschen Muttersprachunterricht einführen, für den grosses Interesse be­steht, den wir aber wegen Platzman­gels bisher nicht verwirklichen konn­ten. Theaterbesuche und Gesellschaftsreisen Frau Mária Varga ist Kulturreferen­tin und KJV-Sekretärin in einer Per­son. Von einem regen kulturellen Leben in Balatoncsicsó kann man kaum re­den, weil es eigentlich kein richtiges Kulturhaus gibt. Im Dorf ist zwar ein altes Wohnhaus für diesen Zweck ein­gerichtet, es erweist sich aber als zu eng. In diesem „Kulturhaus” betätigt sich auch eine Bibliothek. — Tatsächlich stehen wir auf diesem Gebiet sehr schlecht — sagt mir die junge Frau. — Eben deshalb freuten wir uns sehr, dass die neue Klubbiblio­thek im Komplex der LPG voraussicht­lich schon dieses Jahr eröffnet werden kann. Und es ist auch sehr erfreulich, dass dort auch kleinere Klubräume ein­gerichtet werden und auch die KJV­­Organisation extra einen Klub be­kommt. Im alten Kulturhaus betätigen sich derzeit zwei Fachzirkel: der der Briefmarkensammler und der der Foto­amateure. Die meisten Mitglieder dieser Fachzirkel sind Schüler. Unsere Dorf­bücherei zählt 1800 Bünde, und von den etwa 300 Einwohnern von Balatoncsi­­csó sind 111 regelmässig Leser. Beson­ders gern gehen die Balatoncsicsóer ins Theater. In jedem Monat gibt das „Dé­ryné”-Theater ein Gastspiel im grossen Kulturhaus im Dorf Zdnka, das unweit von uns am Balatonufer liegt, und je­desmal fahren etwa 35 Abonnenten und etwa nochmals so viele mit, um dem Theaterspiel beizuwohnen. Dabei muss ich erwähnen, dass die Abonnements aus dem kulturellen Fonds der LPG „Petőfi” bezahlt werden. Auch die Ge­sellschaftsreisen werden teils vom Kul­turhaus organisiert. Dieses Jahr fährt eine Gruppe nach Österreich, die Teil­nehmer sind zum grössten Teil LPG­Mitglieder. Im August planen wir eine mehrtägige Gesellschaftsreise auf der Strecke Győr—Szombathely und Sopron. Bisher meldeten sich 45 Personen für diese Tour. Auch die Jugendlichen, die KJV-Mit­glieder, bekommen noch dieses Jahr ih­ren Klubraum im Komplex. Sie möch­ten so bald wie möglich umsiedeln. Des­wegen helfen sie an den Wochenenden beim Bau in freiwilliger Arbeit fleissig mit. Die LPG schenkte den Jugendli­chen auch ein Tonbandgerät, einen Fernsehapparat, eine Tischtennisplatte, einen Ölofen, usw. So warten alle, jung und alt auf die Übergabe des neuen „Zentrums” von Balatoncsicsó und des „Nevegy”-Tales. Es wird ein grosses Fest für alle fünf Gemeinden. Balázs Kratochwill Besuch in Balatoncsicsó * „Prosit!” Von links nach rechts: LPG­­Vorsitzender Jo­hann Scher, LPG­­Mitglieder Johann Strausz und Jo­hann Albert im Weingarten von Johann Strausz * Mit einem Kostenaufwand von fünf Millionen Forint wird der neue Komplex der LPG „Petőfi” gebaut Ratssekretär Franz Steixner Frau Anna Hor­váth lebt mit ihrer Familie oben auf dem Hügel. Sie geht nur selten ins Dorf. Selbst das Brot wird im ei­genen kleinen Backofen gebak­­ken Kulturreferentin und KJV-Sekretärin, Frau Maria Varga BUDAPEST, 11. JUNI 1971 NZ 3

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