Neue Zeitung, 1971 (15. évfolyam, 1-53. szám)
1971-11-26 / 48. szám
NEUE ZEITUNG Wochenblatt des Demokratischen Verbandes der Deutschen in Ungarn XV. JAHRGANG, NUMMER 48 Preis: 80 Fillér BUDAPEST, 36. NOVEMBER 1971 „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn...” — so beginnt Goethes Gedicht „Mignon” über Italien. Immer mehr Menschen können heute schon mit „ja” auf die Frage antworten, ob sie das sonnige Italien, das Land der Berge, Österreich, den jugoslawischen Meeresstrand, ja, auch fernere schöne Länder kennen. Wir müssen aber auch fragen, ob wir unser eigenes Land kennen? Kennen wir das Land, in dem wir leben, das — mit den schönen, Worten Vörösmartys zugleich unsere Wiege und unser Grab ist, uns „pflegt und zudeckt”? Auf diese unentbehrliche Basis der Heimatliebe macht die von der Volksfront ins Leben gerufene Bewegung für Heimatforschung immer mehr Menschen aufmerksam. Sprechen wir von der Heimat, von der engeren und der grösseren, vom Komitat und Bezirk, von unserem Dorf und unseren Landschaften. Decken wir die gemeinsame Vergangenheit auf, um zu wissen, aus welchem Holz unsere Wiege geschnitzt wurde. In der Gegenwart kann man sich nur gut orientieren, wenn man auch die Vergangenheit kennengelernt hat. Auf dieser Erkenntnis fusst die Bewegung für Heimatkunde, und jeder, der seine engere und grössere Heimat liebt, bejaht ihre Bedeutung. Der Schreiber dieser Zeilen verfasste schon viele Reportagen über ungarische Städte und Landschaften. Und es stellte sich immer wieder heraus, dass man in die Probleme der Gegenwart erst richtig eindringen kann, wenn man die Zusammenhänge mit der Vergangenheit ausgegraben hat, um zu verstehen, warum die Tradition je einer Menschengruppe gerade so ist, wie sie ist. Das Schreiben von Dorfchroniken bereicherte die Bewegung für Heimatkunde mit eigenartigen neuen Farben. (Wir haben einen Pädagogen — zugleich Parlamentsabgeordneter —, der die Geschichte eines von Nationalitäten bewohnten Dorfes im Komi tat Bács sehr interessant aufarbeitete.) Äusserst wertvolle Arbeit leisten auch die Heimatkunde-Fachzirkel in den Schulen: es genügt, auf den im November im Komitat Tolna stattgefundenen Wettbewerb hinzuweisen, an dem insgesamt 23 Mannschaften, bestehend aus Fachmittelschülern, Gymnasiasten, künftigen Landwirten, Lehrern und Ärzten, teilnahmen und in den „Sparten” Volkskunde, Kulturgeschichte, Archäologie und Ortsgeschichte wetteiferten. In Pápa habe ich kürzlich Schüler kennengelernt, die durch die Erforschung der Geschichte ihrer Umgebung Anerkennung errangen. Wie war das Leben einst im Dorf? Wie lebten die Grosseltern und Urgrosseltern? Die Bewegung für Heimatkunde bringt neben der allgemeinen menschlichen Freude an der Wissensbereicherung aufschlussreiche Lehren und Erkenntnisse. Es gibt keine Gegend in unserem Lande, in der die Ortsgeschichte, die Heimatforschung keine neuen Werte ans Tageslicht fördern würden und das bezieht sich selbstverständlich auch auf die auch von Nationalitäten bewohnten Dörfer, Bezirke. Beispielgebend in dieser Hinsicht ist jene Initiative im Komitat Vas, über die ich folgende Nachricht gelesen habe: Mitte November wurde in Szombathely eine Konferenz für Nationalitäten-Heimatkunde abgehalten. Über Kőszegfalva, Felsőcsatár, Horvátzsidány und Szentpéterfa sind bereits wertvolle Preisarbeiten über Ethnographie und Mundart geschrieben wurden, in manchen anderen auch von Slowaken, Kroaten, Deutschen bewohnten Ortschaften steht die Sammlung dieser Werte noch aus. Laut Meldungen endete die Konferenz damit, dass sich die Vertreter der Nationalitäten-Dörfer die Aufgabe setzten, mit der Sammelarbeit zu beginnen. 9 9 9 Es wäre schön, wenn die Initiative aus Vas allgemeine Verbreitung fände in den Korriitaten Tolna, Baranya, Fejér, Veszprém, Békés, Komárom und Somogy. Die Lehren der kleinen, der „örtlichen Geschichte” sind zur Gestaltung unserer Zukunft genauso notwendig, wie das Kennen der Bodenverhältnisse zur Fundierung eines Hauses. „Der Donau Wellen — Gestern, Heute, Morgen — umarmen sanft sich in der breiten Flut...” schrieb Attila József in seinem wunderbaren Gedicht, in dem er die Forderung stellte, „endlich alles Gemeinsame zu ordnen”. Unsere gemeinsamen Sachen stehen heute besser, sind mehr geordnet als je zuvor in unserer Geschichte: der schöpferische Frieden und die gegenseitige Achtung sind die Grundlagen der gesellschaftlichen Atmosphäre unserer Heimat, und fügen wir hinzu, das kennzeichnet auch die Atmosphäre der engeren „kleinen Heimaten”. Diese günstige Atmosphäre ist geeignet, dass wir in aller Ruhe und Freundschaft besprechen, wie wir diese Höhen erlangten, welche Schwierigkeiten und welche gemeinsamen (oft schon vergessenen) Kämpfe unseren heutigen Zuständen vorausgingen? Lassen Sie mich nur einige Beispiele gerade im Zusammenhang mit den Deutschen in Ungarn anführen. Die bitteren Irrwege der Deutschen im zweiten Weltkrieg blieben vor der nationalen Öffentlichkeit kein Geheimnis, doch nicht überall weiss man, dass die Geschichte der ungarländischen Deutschen auch zwischen den Jahren 1939 und 1945 zahlreiche aufrichtige, mutige Menschen hervorgebracht hat, die der ungarischen Heimat treu blieben und sich für sie opferten wie der einfache Bauer Johann Leitner aus VÓ- kány, der die Hölle von Mauthausen nur als Krüppel überlebte, oder der Schustermeister aus Lánycsók, Kämpfer der Arbeiterbewegung, Ludwig Muck, den die SS-Schergen im Hotel Majestic zu Tode folterten. Und das sind nur. zwei Namen aus der langen Liste der bisher oft Namenlosen. Nicht allgemein bekannt sind auch die herrlichen, progressiven Bestrebungen von 1919, die die ersten Anzeichen des sozialistischen Bewusstseins der Angehörigen der deutschen Nationalität und die leninistische Nationalitätenpolitik der Ungarischen Räterepublik unter Beweis stellen. Und wissen wir wohl alles über den Freiheitskampf 1848—49, als auch so viele Freiheitskämpfer deutscher Muttersprache gegen die Unterdrückung der Habsburger kämpften? Ortsgeschichte, Heimatkunde: zwei mächtige Basen für den Dienst, den Aufbau und die Liebe unserer heutigen Heimat. Fügen wir hinzu: oft auch die Fabrikgeschichte. Wer z. B. in Bonyhád, in der Schuhfabrik, nach den Arbeiterdynastien forscht, begegnet sofort der Offenbarung des Fleisses, der Treue zum Arbeitsplatz und des Sachverständnisses der Arbeiter des Komitats Tolna. Es würde sich gewiss lohnen, die Geschichte der Gruben und Schächte zu erforschen: denn, wenn es ihre Sprache auch nicht war, so waren die Kämpfe gemeinsam, so z. B. der Streik, die auch während des Krieges begangene Feier im Mecsek am 1. Mai. Gemeinsam wie der Boden, auf dem wir leben, wie die Wände, die unsere Urgrossväter hochzogen. Es ist wahr: alte Stadtteile müssen oft „saniert” werden, nicht aber die Erinnerungen an sie. „Kennst du das Land?” Kennst du es nicht gut genug, dann lerne es besser kennen. Und wirke dafür, damit es auch andere kennenlernen. Ferenc Baktai Aussenpolitik • Aussenpolitik • Aussenpolitik • Aussenpolitik • Aussen Energische Warnung Präsident Sadats Die internationalen diplomatischen Kreise, die Weltpresse, begann sozusagen unverzüglich mit der Analyse der Kommentierung der Rede des ägyptischen Präsidenten Sadat, die am Ufer des Suez-Kanals vor Truppenkommandanten und Offizieren am Samstag bzw. am Sonntag vor Soldaten verlautete. Im Osten und im Westen wird die Rede gleicherweise als energische Warnung ausgewertet. Zwar vergrössert die westliche Pressepropaganda einzelne Details, andere dagegen lässt sie völlig ausser acht. Präsident Sadat sagte folgendes: Durch den amerikanischen Diplomaten Bergus gab er der Regierung der USA zu wissen, dass zur Zeit Verhandlungen nicht am Platze seien. „Alles ist so lange beendet, bis Israel auf das Jarring- Memofandum vom 8. Februar 1971 keine Antwort gibt und der völligen Räumung der besetzten arabischen Gebiete nicht zustimmt... Wegen Mangels einer politischen Regelung bleibt den Streitkräften Ägyptens nichts anderes übrig, als ihre Pflicht zu erfüllen”, sagte de- Präsident. Mehrere westliche Kommentatoren folgerten daraus, dass Sadat der Meinung sei, ein Krieg ist nicht zu vermeiden. Demgegenüber war die Rede vielmehr von Verantwortungsgefühl erfüllt. Umso mehr, da sie unmittelbar vor Beginn der Nahostdebatte in der UNC verlautete und in diesem Sinne stellt sie tatsächlich eine energische Warnung für Israel, für die Vereinigten Staaten aber auch für die UNO dar. Die Rede verlautete am 4. Jahrestag der Fassung des Beschlusses des Weltsicherheitsrates. Das wesentliche der Sadat-Rede liegt darin, dass er dem amerikanischen Zeitverzögerungsmanöver ein Ende bereitet und gleichzeitig festlegt: Die israelische Besatzung könne nicht zud vollendeten Tatsache werden. Dem Beschluss des Weltsicherheitsrates muss Geltung xerschaffen werden! Und nicht in unabsehbarer Zukunft Sadat wies darauf hin, Israel möchte die Verhandlungen mindestens auf eine Zeitspanne von 10 Jahren verzögern, damit die Welt die Frage der besetzten Territorien vergesse. Der tatsächliche Inhalt der Feststellung „zur Zeit seien Verhandlungen nicht am Platze” müsse in diesem Zusammenhang gesucht werden. Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika, deren Vermittler im Interesse Israels die Zeit verzögern, sind nicht am Platze und hauptsächlich sind Besprechungen über verschiedene Detailfragen unerwünscht. So über die Eröffnung des Suez-Kanals, da Israel und die Vereinigten Staaten mit diesen Detailfragen die wesentlichen Probleme von der Tagesordnung nehmen möchten. All dies in Betracht ziehend, ist es eine Tatsache, und dies zeigt auch die Rede von Sadat, dass die Nahostkrise in eine kritische Etappe gelangt ist. Doch wurde diese Krise nicht durch die am Samstag verlautete Rede des ägyptischen Präsidenten hervorgerufen, sondern dadurch, dass Israel und die USA die gerechte und friedliche politische Regelung der Krise seit vier Jahren sabotieren. „Machtübernahme” in Bangkok Meldungen, die aus Indochina und aus dem Fernen Osten eintreffen, berichten über Kriegsoperationen, Putsche, Bombardierungen, über eine unveränderte Spannung, In Thailand hat unter der Führung des Ministerpräsidenten Kittikatschorn die Armee die Macht übernommen. Die Junta nennt sich „Revolutionsrat” und hat unter dem Vorwand „die Institutionen Thailands zu verteidigen”, das Parlament aufgelöst und den Ausnahmezustand verhängt. Der paradoxe Zug des Putsches ist es, dass die Macht in den Händen derselben Kreise blieb, in denen sie auch früher war. Niemand hat in Bangkok jemanden gestürzt, eigentlich geschah nichts‘anderes, als dass die Armee, die seit 1969 ihre Alleinherrschaft durch einen bürgerlichen Parlamentarismus tarnen wollte, sich jetzt des Parlaments entledigte. Wenn Kittikatschorn die Macht nicht aus seiner eigenen Hand übernommen hätte, so hätte seine Regierung im Parlament wegen der innenpolitischen, wirtschaftlichen und finanziellen Krise eine Niederlage erlitten. Und nach dem alten Rezept wälzt der gestürzte Ministerpräsident, der derselbe ist wie der siegreiche Diktator, die Verantwortung auf den linken Flügel, sogar auf die chinesische Minderheit Thailands ab und behauptet, „die Erscheinung der Volksrepublik China in der UNO mobilisiert und sohleudert die chinesische Minderheit Thailands in Richtung des Kommunismus”. Sogar westliche Berichterstatter geben zu, es seien konkrete Zeichen dafür vorhanden, dass die Bangkoker Ereignisse Washington nicht unerwartet getroffen haben. Darauf weist auch die Tatsache hin, däss der stellvertretende amerikanische Aussenminister Alexis Johnson seit Montag der Vorwoche in der thailändischen Hauptstadt weilte. Was die neuralgischen Punkte des Fernen Ostens, Indochinas, betrifft: Die pakistanisch-indische Grenzkrise verschärft sich, die Pariser Viererkonferenz stagniert wegen der amerikanischen Haltung unverändert und auf den Kriegsschauplätzen Indochinas werden die Kriegsoperationen intensiviert. Dies bezieht sich auf die südvietnamesischen Freiheitskämpfer, die ihre Aktionen gesteigert haben und seit längerer Zeit vor Saigon stehen. -Inzwischen verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage des Thieu-Regimes, der Präsident bezeichnete diese direkt als katastrophal. Die inneren Probleme werden wahrscheinlich auch dadurch vergrössert, dass die Thieu-Clique — offensichtlich aufgrund eines Rates der Amerikaner zur Ablenkung der Aufmerksamkeit — den Beschluss gefasst hat, unter dem Schutz amerikanischer Flugzeuge mit mehr als 5000 Soldaten des Regimes gegen kambodschanische Gebiete eine Invasion zu starten. Die VR China nahm ihren Platz in der UNO ein Im Kreuzfeuer der Blitzlichter der Fotoapparate und der Jupiterlampen der Fernsehkameras hat die Delegation der VR China am 15. November 1971 ihren Platz in der UNO-Vollversammlung eingenommen. Noch am selben Tag verlautete die Rede des Leiters der chinesischen UNO-Delegation, des stellvertretenden Aussenministers Tschiao Kuanhoa. Der Vertreter Chinas charakterisierte die allgemeine Lage, indem er ausführte, dekadente reaktionäre Kräfte unternehmen alles zur Bremsung des Fortschrittes, doch sei die Revolution die Hauptströmung der Geschichte, die durch niemanden zurückgehalten werden kann. Der Rede wurde grosses Interesse und Aufmerksamkeit entgegengebracht. Der Vertreter Chinas verfocht auch die unhaltbare Theorie der zwei Supermächte, die versuchen, ihren Willen kleineren Ländern aufzuzwingen. Doch nannte er nur die Vereinigten Staaten als eine solche Supermacht, die Aggressionen durchführt. Tschiao Kuanhoa legte fest, das chinesische Volk sei entschlossen, Taiwan zu befreien, die chinesische Regierung und das Volk unterstützen den Kampf der Völker Indochinas gegen die amerikanische Aggression, und sie unterstützen die arabischen und palästinensischen Völker im Kampf, „den sie gegen den von Supermächten unterstützten israelischen Zionismus” führen. Seitdem wurden über die Rede detaillierte Analysen veröffentlicht. Wenn man auch die Rede nicht als völliges sich auf alle Einzelheiten ausdehnendes Programm betrachten kann, skizziert sie allerdings die UNO-Politik der VR China. Die Kommentatoren waren der Meinung, China beanspruche auch in der Weltorganisation die führende Rolle innerhalb der Länder der dritten Welt (der UNO-Delegierte Chinas legte auch fest, sein Land betrachte sich als Teil der dritten Welt). Der amerikanische UNO-Delegierte Bush war natürlich empört, da der Vertreter der VR China „schon bei der ersten Gelegenheit” die Vollversammlung zu „Ausbrüchen” benutzt hat. Noch grösser war seine Missbilligung, als der Delegierte der VR China, nachdem die von ihm geführte Delegation den Platz in der Weltorganisation eingenommen hatte, in der ersten konkreten Frage den Knopf mit der Aufschrift „China” gedrückt hat. Zusammen mit der Mehrheit der Mitgliedsstaaten stimmte die VR China auch für den Beschluss, der die Vereinigten Staaten wegen ihrem mit dem rassendiskriminierenden Regime Rhodesiens geführten Handel verurteilt hat. Der amerikanische Kongress beschloss nämlich — die UNO-Sanktionen, die das Smiths-Regime verurteilen, ausser acht lassend — den amerikanischen Chrom- Import aus Rhodesien zu genehmigen. Die chinesische UNO-Delegation stand in der Vorwoche im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der internationalen Presse. Dorch wird auch der chinesischen Hauptstadt grosses Interesse entgegengebracht, wo unter der Führung von Ministerpräsidenten Pham Van Dong die Partei- und Regierungsdelegation der DRV bereits ihre Verhandlungen begonnen hat. Bemerkenswert ist das hohe Niveau der Delega-tion und der wahrscheinliche Themenkreis der Beratungen, und nicht zuletzt auch der Zeitpunkt: Der Einzug der VR China in die UNO, die Vorbereitungen des Peking-Besuches Nixons und die Tatsache, dass die amerikanischen Bombenangriffe gegen die DRV unverändert fortgesetzt werden. Ein historischer Moment: Der ständige Vertreter der VR China, Kuan-hoa, nimmt seinen Sitz in der Generalversammlung ein. Gas oder Bremse ? Die Verhandlungen, die zwischen den beiden deutschen Staaten geführt werden, gehen gut voran, stellten jene Journalisten fest, die von den Beratungen der Staatssekretäre Dr. Michael Kohl und Egon Bahr berichteten. Die offiziellen Kommuniques besagten Wochen hindurch, dass „in bestimmten Detailfragen ein Fortschritt erzielt wurde”. Das offizielle Kommunique in der Vorwoche gibt jedoch bekannt, dass in einer ganzen Reihe von wichtigen Fragen ein bedeutender Fortschritt erzielt wurde. Die Beratungen werden unverändert in zwei Themenkreisen geführt: Welches sind die nötigen Massnahmen im Zusammenhang des am 3. September Unterzeichneten W estberlinvertrages, und welcher Verkehrsvertrag soll zwischen den beiden deutschen Staaten abgeschlossen werden? Aus den offiziellen Presseerklärungen, die über die Kohl- Bahr-Verhandlungen herausgegeben wurden, kann man die Folgerung ziehen, die Verhandlungspartner nähern sich der erfolgreichen Beendigung und werden dieses Ziel vielleicht noch in diesem Monat erreichen. Interessanterweise weisen die Kohrt-Müller-Verhandlungen, die zwischen der Regierung der DDR und dem Westberliner Senat geführt werden, eine entgegengesetzte Tendenz auf. Diese stagnieren nämlich seit Wochen. Die Richtung der beiden Verhandlungen ist auf alle Fälle dissonant. Nebenbei wurde vom regierenden Bürgermeister Westberlins, Klaus Schütz, erklärt, er habe seine Verhandlungstaktik mit der westdeutschen Regierung erstklassig koordiniert. Und wenn dies den Tatsachen entspricht, dann führt Bonn eine „Gas-Bremse-Politik”. Die nächsten Wochen bzw. Tage werden entscheiden, wer bremsen und wer Gas geben will. Genauer gesagt, wenn die Kohl-Bahr- Verhandlungen so schön vorwärtsschreiten, kann Bonn aufgrund des Prinzips der ausgezeichneten Koordinierung der Taktik den Westberliner Senat dazu bewegen, endlich den toten Punkt zu überwinden. Éva Szécsi