Neue Zeitung, 1983 (27. évfolyam, 1-53. szám)
1983-01-01 / 1. szám
2 NEUE ZEITUNG An der Jahreswende 1982/83 blickt die Welt auf die Sowjetunion. Ende Dezember beging man weltweit den 60. Jahrestag der Gründung des Sowjetstaates und gedachte der historischen Rolle, die die Sowjetunion im Schutz des Friedens, beim Sieg über den Faschismus, im Dienst an der Sache des Fortschritts spielte. Auch das Ableben Leonid Breshnews in der ersten Novemberhälfte und sodann die Wahl Juri Andropows zum Generalsekretär des ZK der KPdSU lenkten die Aufmerksamkeit auf die Sowjetunion. Beim Abschied von Breshnew unterstrich Andropow: die Tätigkeit Leonid Breshnews an der Spitze des Landes ist mit einer äußerst wichtigen Periode Verbunden. In dieser Zeitspanne stand die Sowjetunion an der Vorderfront im Kampf für den dauerhaften Frieden, für die Zusammenarbeit unter den Völkern. Die sowjetische Politik war auf den Abbau der internationalen Spannungen, auf die Abwendung der die Menschheit bedrohenden nuklearen Kriegsgefahr ausgerichtet. rende Politiker der Vereinigten Staaten betonten wiederholt, die Notwendigkeit umfassender Rüstungsmaßnahmen. Auf den Brüsseler Beratungen von Spitzenvertretern der NATO-Länder Ende November und Anfang Dezember stimmten die westlichen Bündnispartner dem Plan des amerikanischen Präsidenten Reagan zu, die amerikanische Angriffskapazität durch die Aufstellung von MX-Raketen um etwa 70—80 Prozent zu erweitern. Die nukleare Planungsgruppe der NATO sprach sich gleichzeitig für die Fortsetzung des Postierungsprogamms der amerikanischen Nuklearraketen aus, das heißt: Ende 1983 soll mit der Aufstellung amerikanischer Raketen und Marschflugkörper in Westeuropa begonnen werden. Die sowjetische Presse verwies in diesem Zusammenhang darauf, daß durch die geplante Stationierung von nuklearen Mittelstreckenraketen unweit des sowjetischen Luftraumes unweigerlich eine Situation entstehe, die unverzüglich Gegenschritte erforderlich mache. Durch die Aufstellung dieser amerikanischen Mittelstreckenraketen, der sog. Euroraketen, würde die sog. Atomschwelle äußerst stark herabgesetzt werden, da die Raketen ihre Zielpunkte binnen sehr kurzer Zeit erreichten. Die neuen Raketen würden gleichzeitig große Gefahr auch für die Zivilbevölkerung der europäischen Länder bedeuten. FeststellungNler NATO in Brüssel, bei den Genfer Verhandlungen sei ein gewisser Fortschritt zu verzeichnen. Ein besonders wichtiges Ereignis im Kampf gegen das Wettrüsten ist die äußerst starke Ausdehnung der Friedensbewegung nicht nur in Europa, in den von den Raketenaufstellungsplänen gefährdeten Ländern, sondern auch in den Vereinigten Staaten selbst. Auf der Abrüstungs-Sondertagung der UN-Vollversammlung bekundeten die sozialistischen Länder ihre volle Solidarität mit der Antikriegsbewegung der Volksmassen und betonten, diese Bewegung habe gerade vor und während der Abrüstungs-Sondersitzung bis dahin nie gekannte Ausmaße erreicht. Das Madrider Treffen Unter den Foren, auf denen sich Anhänger und Gegner der Entspannung gegenübergestellt fanden, nimmt das gesamteuropäische Treffen in Madrid einen besonderen Platz ein. Die Beratungen über Fragen der Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa fanden 1982 in zwei Etappen statt: Die Konferenzteilnehmer trafen sich zum erstenmal Anfang Februar, und nach achtmonatiger Unterbrechung versammelten sie sich dann wieder am 9. November in Madrid. Beide Male waren zwei voneinander abweichende Vorgangs weisen zu beobachten. Bestimmte westliche Delegationen, mit den Vertretern der Vereinigten Staaten an der Spitze, waren bestrebt, sich in die inneren Angelegenheiten der sozialistischen Länder einzumischen, die Koordinierung der Interessen zu verhindern. Demgegenüber bemühten sich die Delegationen der sozialistischen Länder um die Wahrung der Entspannungsergebnisse, der Resultate der früheren Arbeit und um die Ausarbeitung eines gemeinsamen Standpunktes, der weitere Fortschritte in Richtung Abrüstung und Zusammenarbeit in Europa ermöglichte. Wichtigste Aufgabe beim gesamteuropäischen Treffen in Madrid wäre es, einen Beschluß über die Einberufung einer europäischen Abrüstungskonferenz, über Maßnahmen zur Förderung des gegenseitigen Vertrauens zu fassen. Ungeachtet dessen, daß Madrid die ganze Zeit Schauplatz heftiger Auseinandersetzungen war, besteht Aussicht auf die Verbesserung der Atmosphäre, auf eine vernünftige Vereinbarung. Diese Hoffnung wird auch durch die Tatsache verstärkt, daß auf dem Verhandlungstisch in Madrid der Schlußdokumententwurf von acht neutralen und blockfreien Ländern liegt, der eine gute Grundlage für die konstruktive Arbeit bieten könnte. Als ein günstiges Signal ist auch die Tatsache anzusehen, daß der Idee, eine europäische Konferenz über Vertrauensförderung und Abrüstung einzuberufen, auch bestimmte westliche Länder Interesse entgegenbringen. nehmen verbieten wollte, Bauteile und Anlagen für die sowjetische Erdgasleitung zu liefern. Reagan drohte ausländischen Firmen wirtschaftliche Strafmaßnahmen für den Fall an, daß sie das Lieferverbot mißachten. Die amerikanische Embargopolitik löste starken Widerstand aus. Sowjetischerseits wurde unterstrichen, die Sowjetunion, die bisher immer die von ihr benötigten ausländischen Waren anschaffen konnte, ließe sich mit keinerlei wirtschaftlichem Druck erpressen. Noch größer war die Empörung bei den Bündnispartnern der Vereinigten Staaten, die über die wirtschaftlichen Aspekte hinaus auch darauf hinwiesen, daß Präsident Reagan auch ihre nationale Souveränität einschränken wolle. Die Bündnispartner zeigten sich aber auch deswegen empört, weil der Präsident, während er sie um ein günstiges Geschäft zu bringen sucht, die Getreidelieferungen in die Sowjetunion nach wie vor ermöglicht, ja diese sogar erweitert. Die Embargopolitik löste einen schweren Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und deren Bündnispartnern aus, der dadurch beigelegt wurde, daß der amerikanische Präsident sich gezwungen sah, die früher verhängten Sanktionen gegen die ausländischen Firmen, die an die Sowjetunion liefern, aufzuheben. Berufung auf die Lage in Polen einen Wirtschaftskrieg vom Zaun brechen. Die Lage und die Schwierigkeiten in Polen dienten auch den Gegnern der Entspannung und der internationalen Zusammenarbeit als Vorwand, wiewohl dieses Verhalten auch von zahlreichen westlichen Staatsmännern mißbilligt wurde. Führende Politiker Frankreichs, der Bundesrepublik Deutschland, Spaniens und anderer kapitalistischer Länder betonten, die polnische Führung solle ihre Entscheidungen im Rahmen der staatlichen Souveränität treffen und habe die Schwierigkeiten auf dem von ihr selbst gewählten Weg aus eigener Kraft zu überwinden. 1982 brachte für Polen zweifelsohne nicht die völlige Lösung seiner Probleme. Zweifelsohne hat sich aber die Lage des Landes beachtlich verbessert. Das Produktionsvolumen stieg an, die gesetzwidrigen, staatsfeindlichen Aktionen haben an Boden verloren. Die Lage hat sich in Polen soweit verbessert, daß mit vielen hundert anderen Menschen auch Lech Walesa freigelassen werden konnte, der — wie ein Regierungssprecher betonte — keine Gefahr mehr für den Staat bedeute. Die auf der Parlamentssitzung im Dezember getroffenen Maßnahmen signalisieren, daß das Land im Laufe des ausgehenden Jahres einen beachtlichen Schritt in Richtung völlige Konsolidierung tat. ABSCHIED VON EINEM DENKWÜRDIGEN JAHR Internationale Bilanz von 1982 Juri Andropow: Frieden ohne Waffen Auf der Sitzung des Zentralkomitees der KPdSU am 22. November erläuterte Andropow ausführlich die Grundsätze der sowjetischen Außenpolitik. Die Sowjetunion verfolgt in ihrer Außenpolitik nach wie vor die Ziele, die auf dem XXIV., XXV. und XXVI. Parteitag der KPdSU formuliert wurden. Ziel des Sozialismus ist: Frieden ohne Waffen. In dieser stark beachteten Rede, die auch eine Analyse der wirtschaftspolitischen Aufgaben der Sowjetunion enthielt, ging Andropow ausführlich auf das Programm der internationalen Zusammenarbeit ein. Die Sowjetunion ist bemüht, die Zusammenarbeit, die gegenseitige sozialistische Hilfeleistung der Bruderländer unter anderem in der gemeinsamen Lösung der wissenschaftlichen, technischen, Produktions-, Transport- und anderen Aufgaben noch effizienter werden zu lassen. Die Sowjetunion will ihre Beziehungen auch zur Volksrepublik China im Geiste des gegenseitigen guten Willens, der Achtung der Interessen der anderen Seite entwickeln. Am Beispiel des guten Verhältnisses zu Indien demonstrierte Andropow die großen Möglichkeiten in den Beziehungen zu den nichtpaktgebundenen Ländern. Moskau wünscht — so betonte er — offene, ehrliche Zusammenarbeit mit all jenen Ländern, die daran interessiert sind. Die Entspannung gilt keineswegs als eine überholte Periode. Im Gegenteil: Die Zukunft gehört der Entspannung. Auf die Abrüstungsverhandlungen mit den Vereinigten Staaten und anderen westlichen Ländern eingehend unterstrich Andropow, die Sowjetunion strebt vernünftige, für alle Seiten annehmbare Lösungen, die Eindämmung des Rüstungswettlaufs an. Niemand darf aber von der Sowjetunion einseitige Abrüstung erwarten. Amerikas Rüstungspläne Gegen das Wettrüsten aufzutreten war 1982 notwendiger denn je. Füh U NO-Abrüstungs- Sondersitzung Gegen die Gefahr des Wettrüstens wurden 1982 sehr viele Aktionen unternommen. Am 7. Juli trat die UNVollversammlung zu ihrer zweiten Sondersitzung über Abrüstungsfragen zusammen. Auf dem fünf Wochen lang dauernden internationalen Forum konnte kein gemeinsamer Standpunkt vereinbart werden, das umfassende Abrüstungsprogramm wurde nicht angenommen. Im Schlußbericht der Sondersitzung wird jedenfalls an die Mitgliedstaaten der Weltorganisation appelliert, in kürzester Zeit die Vorschläge zur Vermeidung des Krieges, vor allem eines mit der völligen Zerstörung der zivilisierten Kultur drohenden Kernwaffenkrieges zu prüfen. Die Sitzungsteilnehmer billigten eine Resolution über die Einberufung einer dritten Abrüstungs-Sondersitzung. Leonid Breshnew sandte eine Botschaft an die Sondersitzung und kündigte an, die Sowjetunion verpflichte sich, Kernwaffen nicht als erste einzusetzen. Diese einseitige Verpflichtung der Sowjetunion brachte die für das Schicksal der Welt, die Erhaltung der Zivilisation empfundene Verantwortung der sozialistischen Länder zum Ausdruck. Die sozialistischen Länder, die auf der Sondersitzung vor allem Vorschläge zur Vorbeugung eines Kernwaffenkrieges unterbreiteten, betonten in einer gemeinsamen Erklärung, der sowjetischen Entscheidung müßte ein entsprechender Beschluß der anderen Atommächte folgen. Auf der Abrüstungs-Sondertagung hat sich bestätigt, daß die Vereinigten Staaten und einige andere NATO-Länder mit ihrem Obstruktionsverhalten dafür verantwortlich sind, daß keine konkreten Maßnahmen vereinbart werden konnten. Sowjetisch-amerikanische Verhandlungen in Genf All das bedeutet allerdings nicht, daß 1982 in Sachen Abrüstung keine Fortschritte erzielt wurden. Allein die Tatsache, daß in Genf die Vertreter der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten Beratungen über die Begrenzung und Verringerung der strategischen Nuklearwaffen abhielten, ist als ein gewisses Ergebnis zu betrachten. Als noch erfreulicher zu bezeichnen ist die Amerikanische Embargopolitik Westliche Einmischungsversuche waren indes nicht nur beim Madrider Treffen zu beobachten. Der amerikanische Präsident Reagan verfügte scharfe Liefereinschränkungen im Handel mit den sozialistischen Ländern, vor allem mit der Sowjetunion, mit dem Hinweis, er wolle einerseits verhindern, daß der Westen die militärische Entwicklung der Sowjetunion „fördere“, andererseits aber wolle er wegen der Ereignisse in Polen „Strafen verhängen“. Das Embargo war vor allem gegen den Bau der Erdgasleitung von Sibirien nach Westeuropa gerichtet. Der amerikanische Präsident ging schließlich so weit, daß er auch den mit amerikanischen Firmen in Kontakt stehenden ausländischen Unter Blutiger Krieg im Libanon 1982 war indes nicht nur das Jahr der Wirtschafts-, sondern auch blutiger Kriege. Der Nahe Osten, der seit Jahrzehnten für die ganze Welt als eine Gefahrenquelle gilt, war erneut Schauplatz eines Krieges ohne Kriegserklärung: Die israelischen Streitkräfte drangen in das Territorium des benachbarten Libanon ein. Seine Aggression begründete Israel mit seinem „TSeherheitsanspruch“, ihr Ziel war aber eingestandenermaßen, die militärische Kraft der PLO zu liquidieren, zu vertreiben. Nach dem Abzug der palästinensischen Kämpfer aus Beirut blieben aber die israelischen Besatzer weiterhin im Lande. Die Kriegsgreuel im Libanon füllten wochenlang die Spalten der Zeitungen. Lange wird man sich an den Massenmord in zwei palästinensischen Flüchtlingslagern in Beirut erinnern, dessen Täter immer noch nicht zur Verantwortung gezogen worden sind. Die Tragödie im Libanon demonstrierte abermals, welch große Gefahren die Konfliktsituation im Nahen Osten in sich birgt und daß die Vereinigten Staaten völlig außer acht lassen, durch welche weiteren Tragödien ihre für diesen Raum ausgearbeiteten Pläne realisiert werden. .. .und auf den Falklandinseln Der andere Krieg des Jahres 1982 wurde im Frühsommer zwischen Großbritannien und Argentinien ausgetragen. Großbritannien stellte mit Waffengewalt und mit der stillschweigenden, dafür aber wirksamen Unterstützung durch die Vereinigten Staaten seine Macht auf den Falkland-(Malvinen-)Inseln wieder her. Der Krieg dauerte zweieinhalb Monate und forderte weit mehr Todesopfer als die Gesamtzahl der Inselbevölkerung. Die seit dem „Sieg“ publik gewordenen Vorereignisse beweisen: es hätte die Möglichkeit bestanden, den Hunderte von Opfern fordernden Krieg zu vermeiden. Antipolnische Sanktionen Die innere Lage Polens war eines der am häufigsten erwähnten Themen der internationalen Politik. Die Außenminister der NATO-Länder drohten auf ihrer Ratssitzung unter Hinweis auf die Lage in Polen mit „Strafsanktionen“, und auch die Vereinigten Staaten wollten unter Wandlungen in Bonn In den Ländern Westeuropas vollzogen sich im Jahre 1982 viele bedeutende innenpolitische Veränderungen. Die größte Aufmerksamkeit erweckte der Sturz der sozial-liberalen Koalition in Bonn. Die 13 Jahre lange Periode, die im September zu Ende ging, war in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zweifelsohne eine sehr produktive, an Ergebnissen reiche Ära. Diese Epoche brachte die großen Erfolge der Zusammenarbeit in Europa. Die Regierungen von Willy Brandt und Helmut Schmidt trugen in nicht geringem Maße zum Erfolg des Entspannungskurses bei. Der Partnerwechsel der Liberaldemokratischen Partei, der den Sturz unmittelbar auslöste, wurde nicht durch Differenzen in der internationalen Politik, sondern durch wirtschaftspolitische und taktische Überlegungen herbeigeführt. Die neue Koalition, die Bundesregierung von Helmut Kohl (CDU) und Hans- Dietrich Genscher (FDP) machte wiederholt das Versprechen, am 6. März 1983 die stimmberechtigten Bürger bei Bundestagswahlen zum Regierungswechsel Stellung nehmen zu lassen. Die neue Regierung in Bonn will — wie dies auch von Bundesaußenminister Genscher während seines Budapest-Besuches Ende November betont wurde — die Außenpolitik ihrer Vorgängerin fortsetzen.* 1/1983 Die Aufzählung aller bedeutungsvollen Ereignisse der ungarischen Außenpolitik würde den Rahmen dieses Überblicks sprengen, deswegen sei an dieser Stelle lediglich auf einen der wichtigsten Grundsätze verwiesen, indem János Kádár zitiert wird, der während seines Bonn- Besuches im Frühjahr 1982 folgendes erklärte: „Auch bei dieser Gelegenheit möchte ich betonen, daß wir den Helsinki-Prozeß für historisch bedeutend betrachten, und ich verweise jedesmal auch darauf, daß wir Helsinki nicht als Abschluß, sondern als Beginn ansehen. Ich bin tief davon überzeugt, daß es für die Menschheit, die Völker Europas keinen anderen Weg gibt, als die Fortsetzung des Geistes von Helsinki und dessen Ausdehnung auf andere Völker der Welt. Es mag jetzt vielleicht unglaublich scheinen — ich bin aber davon fest überzeugt —, daß auf diesen Weg wir alle zurückkehren werden, auch jene, die ihn heute noch kritisch betrachten oder es abstreiten. Nach dem gesunden Menschenverstand gibt es keinen anderen gangbaren Weg.“ Georg Kertész