Neue Zeitung, 1987 (31. évfolyam, 1-52. szám)

1987-01-03 / 1. szám

1987 Die Zyklonbildung auf deutsch Fachlehrer rüsten sich für den zweisprachigen Unterricht Neben seiner Fachliteratur wälzt Erwin Werner in letzter Zeit immer häufiger deutsche Lehr- und Wörter­bücher. Der aus der Branau stam­mende Gymnasiallehrer hat Deutsch zwar in seiner Kindheit als Mutter­sprache erlernt und sich später in ihr vervollkommnet, aber die Gele­genheit zu ihrem täglichen Gebrauch fehlt ihm schon lange. Daß er sich jetzt wieder stärker mit ihr beschäf­tigt, hat ein handfestes Motiv: Sie soll ihm zum Beruf werden. Erwin Werner unterrichtet am Gymnasium in Wieselburg-Unga­risch-Altenburg/Mosonmagyaróvár Biologie und Geographie. Das sind zwei der Fächer, die dort künftig in deutscher Sprache unterrichtet wer­den. Die Schule, an der Werner ar­beitet, gehört zu den 15 ungarischen Gymnasien, die sich auf zweisprachi­gen Unterricht vorbereiten. (Bei den Fremdsprachen, von denen jeweils nur eine am betreffenden Gymna­sium als Unterrichtssprache einge­führt wird, handelt es sich um Deutsch, Russisch, Englisch, Fran­zösisch, Italienisch und Spanisch.) Das wohl schwierigste Problem ist, geeignete Lehrkräfte zu finden. Teil­weise wird man sich Hilfe aus dem Ausland holen, aber natürlich muß der Bedarf auch mit heimischen Lehrern gedeckt werden. Zuerst ein­mal bieten sich für diese Aufgabe Lehrer mit Fachkombinationen wie z. B. Deutsch/Geschichte, Deutsch/ Geographie an, aber gerade für den Unterricht in naturwissenschaftli­chen Fächern dürfte es nicht ganz leichtfallen, gute Kräfte zu finden, die den Stoff vollwertig in der Fremdsprache vermitteln können. Lehrer Werner muß seinem Di­rektor János Halt als Glücksfall er­schienen sein. Von den Sprachfer­tigkeiten seines Kollegen hatte er erst erfahren, als dieser eine Gruppe österreichischer Botaniker auf einer Exkursion in der Umgebung der Stadt führte. Die Verständigung klappte reibungslos und Werner, des erstmals über fachliche Themen auf deutsch referierte, machte die Sache sogar — nicht zuletzt wegen der lange entbehrten deutschen Sprach­­kontakts — Spaß. So war er auch im Grunde nicht abgeneigt, als ihn der Direktor für den zweisprachigen Unterricht engagieren wollte. Bis es damit richtig beginnt, bleibt noch etwas Zeit. Interessanterweise werden bei der Aufnahmeprüfung von den Schülern nur Kenntnisse in Mathematik und Ungarisch getestet. Sprachkenntnisse stehen zu diesem Zeitpunkt noch nicht zur Debatte. Das entspricht durchaus der Ziel­setzung des zweisprachigen Gymna­sialunterrichts : In erster Linie möch-te man nämlich Fachleute gewinnen, die sich nicht nur in ihrer techni­schen oder wissenschaftlichen Diszi­plin auskennen, sondern daneben noch über zumindest eine Fremd­sprache sicher verfügen. Der Wert, den dies für die Wettbewerbsfähig­keit der ungarischen Wirtschaft, Wissenschaft und Technik, für die internationale Arbeitsteilung besitzt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Im Laufe eines Jahres, des soge­nannten Null-Jahres, sollen die Schüler in die Lage versetzt werden, die Zyklonbildung oder die Ent­stehungsbedingungen der französi­schen Revolution in deutscher Spra­che verstehen und auch wiedergeben zu können. In diesem Null-Jahr werden wöchentlich 20 Stunden Deutsch erteilt. Außer je einer Stunde Mathematik und Ungarisch, die der Konservierung des Wissens­standes dienen, finden auf dem Stundenplan nur noch Sport, Zeich­nen, Musik und die Klassenleiter­stunde Platz. Mit dem Null-Jahr umfaßt die Gymnasialausbildung fünf Jahre. Im ersten Jahr mit vollem Unterrichts­programm werden Geschichte, Ma­thematik, Geographie und Physik in deutscher Sprache vermittelt. Im darauffolgenden Jahr kommt noch Biologie hinzu. Natürlich wird auch das Abitur in diesen Fächern in der Fremdsprache abgelegt. Je nach Kenntnisstand erhalten die Schulab­gänger ein Sprachzeugnis der Mittel­oder Oberstufe. Warum wurde das Gymnasium in Wieselburg-Ungarisch-Altenburg für den zweisprachigen Unterricht ausgewählt ? Die Schule erfüllte meh­rere Kriterien, die bei der Auswahl in Betracht gezogen wurden. Sie hat seit Jahren ein gutes Niveau im Fremdsprachenunterricht. Sie bietet nicht nur moderne Lernbedingun­gen, sondern verfügt auch über ein Schülerheim, das die aus ganz Trans­danubien kommenden Schüler auf­nehmen kann. Die Wahl des Deut­schen als Fremdsprache lag sowohl aufgrund der deutschsprachigen Tra­dition in Wieselburg-Ungarisch-Al­tenburg als auch der Nachbarschaft Österreichs nahe. Im Herbst 1987 beginnt das erste Null-Jahr. Erwin Werner, wenn er sich endgültig zu diesem Dienst entschließt, wird sich erstmals im darauffolgenden Jahr auf deutsch an seine Schüler wenden. Vorher drückt er aber selbst noch die Schul­bank: Bei zwei zehn wöchigen Lehr­gängen in Berlin wird er nicht nur in deutschen Klassen hospitieren, son­dern diese auch schon selbst unter­richten. Michael Müller Unterwegs geknipst Es hängt immer von den jeweiligen Deutschpädagogen ab, ob und wie sie das Klassen­zimmer schmücken, in dem die deutsche Sprache unterrichtet wird. Nicht alle haben das Glück, über ein Klassenzimmer nur für Deutsch zu verfügen, und nicht alle haben Zeit und Geschick selbst schöne mit dem Unterrichtsstoff zusammenhängende Bilder für die Kinder zu malen. Doeh einfache Zeitungsausschnitte sind auch mehr als nichts lind auch bei Erstkläßlern von Nutzen, die zwar noch nicht lesen können, sich aber Bilder oder die Trachten ihrer Ahnen gern anschauen. Unsere Aufnahmen ent­­standen jm Budapester XX. Bezirk, in der Schorokscharer Grundschule „Máté Zalka' in der die eine erste Klasse ab September dieses Jahres die Muttersprache bereits im Rahmen des zweisprachigen Unterrichtes erlernt. Lehrerinnen sind Frau Barbara Nagy und Frau Magdalene Jelenik. — vizi — Neue Zeitung3 Basisschule des Deutschunterrichts? „Wir dürften wirklich nicht kla­gen“, sagt Andreas Auth, stellver­tretender Direktor der Fünfkirchner Belvárosi-Grundschule, während er mich durch sein zweites Zuhause be­gleitet. Und tatsächlich hat er ein nagelneues und dazu auch sehr schö­nes Schulgebäude, genügend Lehr­kräfte — die im September gestar­tete zweisprachige Klasse wird von Györgyi Henzel unterrichtet — und fast doppelt soviel Bewerber, als die Schule in die Klasse A mit dem zweisprachigen Unterricht und in die Klasse B mit dem sogenannten Muttersprachunterricht aufnehmen kann. Von den vier Parahelklassen wird also in'zweien Deutsch unter­richtet, und das bedeutet, daß 379 von den 904 Schülern die Sprache ler­nen. Das „dürften“ ist trotzdem be­rechtigt, denn sei die Schule noch so neu und schön, sie wurde doch nicht für den zweisprachigen Unter­richt gebaut, dazu hat sie nämlich zu wenig Klassenzimmer. So läßt sich auch erklären, warum trotz großem Interesse nur eine zwei­sprachige Klasse ins Leben gerufen wurde. In einem normalen ungari­schen Klassenzimmer müssen über 30 Schüler Platz haben, ein effekti­ver Sprachunterricht ist bei so hoher Schülerzahl jedoch nicht möglich, dazu muß man kleinere Klassen mit 15-20 Schülern bilden, braucht also praktisch doppelt soviel Räumlich­keiten. Der Traum des stellvertre­tender Direktors, aus seiner Schule eine Art deutsche Basisschule zu machen, kann also scheinbar — wenn überhaupt — erst in der fernen Zukunft verwirklicht werden, wenn die normalen Klassen vielleicht in irgendeiner anderen Schule unter­gebracht werden können. Schade, denn im übrigen wäre die Institu­tion mit ihrem ganzen gesellschaft­lichen Umfeld dazu wirklich geeig­net. Wenn man vergißt, daß die „Belvárosi“ zur Zeit genauso unter Lehrbuchmangel leidet wie die an­deren auch zweisprachig unterrich­tenden Schulen und daß nach Mei­nung der Deutschlehrerin noch nicht erfunden worden sei, „wie und mit welchen Mitteln in diesem Schultyp veranschaulicht werden kann“, und wenn man sich darüber, daß die Kinder, die den ganzen Vormittag über in deutschsprachiger Umge­bung sind, wegen Platzmangel im Hort mit einer Klasse mit erweiter­tem Schwimmunterricht zusammen lernen und so von deutschen Nach­mittagsbeschäftigungen nur träu­men können..., also wenn man sich darüber nicht auf regt, wenn man also diese Wenn und Aber wegdenkt, hat diese Schule gegenüber den an­deren einen großen „Vorteil“: Jene Eltern, die mit allen fairen und nicht ganz fairen, aber landesüblichen Mit­teln dafür gekämpft haben, daß ihre Kinder in die zweisprachige Klasse aufgenommen werden. Daß so die Klasse nur zum kleineren Teil aus ungarndeutschen Kindern besteht, ist ganz klar. Voraussetzung bei der Aufnahme war Deutschkenntnis der Eltern, und von den Kindern wurde ver­langt, daß sie — meist schon mit Sprachkenntniskeimen aus dem Kin­dergarten kommend — ein Jahr lang vor Schulbeginn wöchentlich zwei­mal an einem Vorbereitungskurs teil­nehmen, was natürlich seitens der Eltern viel Zeit in Anspruch nahm. Kein Wunder, daß diejenigen, die es mitgemacht und deren Kinder die Aufnahme geschafft haben, heute der Schule sehr viel helfen. Schließ­lich haben ja sie um einen Platz ge­kämpft — und nicht um sie wurde geworben. Mit welcher Begeisterung die städ­tische Intelligenz die Möglichkeiten des zweisprachigen Unterrichts nutzt, kann und sollte auch den Un­garndeutschen in Fünfkirchen — aber nicht nur dort — als Beispiel dienen. Denn, daß gerade die Intel­ligenz am empfindlichsten auf etwas Neues reagiert, ist natürlich und selbstverständlich. Es wäre aber ein großes Versäumnis, wenn ihr die Na­tionalität nicht schnell folgen und diese Chancen der Rückeroberung unserer Weltsprachen-Mutterspra­­che verspielen würde. Otto Heinek Für bessere Deutschlehrer Frankenstadt/Baja entwickelt sich allmählich zu einem der Zentren des ungarndeutschen Sprachtums. Außer dem deutschsprachigem Gym­nasium „Leo Frankel“ wurde in den 60er Jahren auf der Hochschule für Lehrerbildung „József Eötvös“ ein sog. deutsches Fachseminar ins Le­ben gerufen, das den angehenden Deutschlehrern aus den Nationali­tätensiedlungen eine fachliche Aus­bildung für ihren künftigen Beruf ermöglichen sollte. 1971 erhielten die ersten sechs Studenten nach dreijährigem Studium für Deutsch ihr Unterstufenlehrer-Diplom. Die damalige Ausbildungsform (z. B. wöchentlich zwei Deutschlehrerstun­den) konnten den ständig steigenden Anforderungen allerdings nicht nachkommen, außerdem nahm auch die Zahl der Studenten zu. Seit 1984 sind nun an der Hoch­schule zwei wissenschaftliche Ober­assistenten, Frau Susanna Petőcs und Frau Viktoria Kishegyi, und seit September dieses Studienjahres ein Fachlektor aus der DDR, Frau D. Dorothea Wolff, tätig. Die Zahl der Studenten ist dieses Jahr auch auf 19 angestiegen, so daß eine ge­sonderte deutsche Seminargruppe gebildet werden konnte. Die Hochschule dehnte außerdem ihr Immatrikulationsgebiet auf das ganze Land aus, früher waren es nur die südlichen Komitate. So studieren angefangen von Absolventen des Budapester Kossuth-Gymnasiums über welche aus Moor/Mór bis hin zu Jink/Gyönk auf der Hochschule, ob­wohl immer noch Studenten aus der südlichen Region — aus Franken­stadt selbst oder Kalocsa — über­wiegen. Aufgrund der unterschiedli­chen Intensität des Sprachunterrich­tes in den jeweiligen Gymnasien sind die Sprachkenntnisse der Studenten vor allem am Anfang recht hetero­gen. „Einige haben sogar noch mit dem verstehenden Hören Schwierigkei­ten, so daß im Unterricht eine dif­ferenzierte Beschäftigung erforder­lich ist“, meint Fachlektorin Dr. Wolff. „Dabei helfen die sog. Er­gänzungsstunden und der Literatur­zirkel. Besser könnte man arbeiten, wenn mehr Grammatikbücher zur Verfügung stehen würden.“ Das Sprachkabinett und die Bibliothek mit deutschen Büchern (schöngeistige Literatur) tragen zur Effektivität des Sprachunterrichtes bei. Von Vorteil ist auch, daß ein Semester als Teilstudium in der DDR an der Pädagogischen Hoch­schule „Rosa Luxemburg“ in Pots­dam absolviert wird. Darüber hinaus haben jeweils zwei Studentinnen des ersten Studienjahres die Möglichkeit zu einem einjährigen Studium in Innsbruck. Während der dreijährigen Ausbil­dung werden den Studenten außer dem Sprachunterricht Kenntnisse in Geschichte, Kultur und den Tradi­tionen der Nationalitäten vermittelt. Die Vorlesungsreihe „Nationalitä­tenkunde“, gehalten von Viktoria Kishegyi, behandelt den Alltag der Nationalitäten, die Nationalitäten­politik, Rechte und Gesetze, Mund­arten usw., aber auch, wie z. B. ein Zirkel geleitet wird oder die Handhabung einer Bibliothek. Da die Mehrheit der Studenten aus Nationalitätengemeinden kommt, hat die Initiative von|Frau Kishegyi einen guten Nährboden. Seit Jahren existiert unter ihrer Anleitung ein Studentenchor mit ca. 14 Mitgliedern, dessen Repertoire aus deutschen Volksliedern besteht. Aber auch in der Volkstanzgruppe der Hochschule (Leiter: Dezső Nagy) kommen die ungarndeutschen Tänze nicht zu kurz. So daß die Studenten im vergangenen Jahr sogar einen interessanten Nationalitätentag ver­anstalten konnten. - ni 1- Wer freut sich nicht, auf der Bühne Märchen, Lieder und anderes in Deutsch Tor­­tragen zu können, wie auf unserem Bild Grundschüler aus Wudersch/Budaörs. Denn gerade der Erfolg spornt zum Lernen der Muttersprache an.

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