Neue Zeitung, 1988 (32. évfolyam, 1-53. szám)

1988-01-02 / 1. szám

Neue Zeitung WOCHENBLATT BES DEMOKRATISCHEN VERBANDES DER PN&ARNDEPTSCHEN 32. Jahrpanp, Nr. 1 Preis: 1,80 Ft Budapest, 2. Jänner 1988 Ab Januar jeden Mittwoch fünf Minuten deutsche Nachrichten Presseausschuss beriet Allgemeine und konkrete Vorha­ben und Aufgaben standen auf der Tages irdnung der am 11. Dezember in Budapest abgehaltenen Sitzung des Presseausschusses des deutschen Verbandes, an der es weniger um die von Dr. Béla Szende angefertigte Diskussionsvorlage zur „Rolle der ungarndeutschen Medien bei der Pflege der Muttersprache“ (die Neue Zeitung wird sie in einer ihrer späte­ren Nummern veröffentlichen) als um die Rolle des Ausschusses selbst ging. Ausschußvorsitzender Lorenz Kerner hat die näherliegenden Auf­gaben in drei Punkten zusammenge­faßt, mit denen die Mitglieder auch einverstanden waren: Bestimmung der Aufgaben der Agitation und Propaganda für die ungarndeutsehen Medien; Koordinierung der Arbeit der drei Redaktionen (Rundfunk, Unser Bildschirm und Neue Zei­tung) sowie die Förderung der Instal­lierung von Satellitenantennen und des Empfangs deutschprachiger Satelliten-Fernsehprogramme in den auch von Ungarndeutschen bewoh­­ten Ortschaften. In der anschließenden Diskussion ging es unter anderem um eine be­reits öfter angeschnittenes Thema: Wie schreibt man die Mundart ? Wie Dr. Béla Szende dazu betonte, müsse man sich dabei an den Geist der deutschen Rechtschreibung hal­ten. Es gebe keine festen Regeln, doch sei es angebracht, kurze Mun­darttexte ungarndeutscher Autoren von Fachleuten korrigieren zu lassen und auf diese Weise Mustertexte anzufertigen, an die sich die Mun­dartautoren halten können. Martha Strangl, Leiterein der Re­daktion Unser Bildschirm berich­tete dem Ausschuß darüber, daß es ab nächstem Jahr im 2. Programm des Ungarischen Fernsehens wö­chentlich fünf Minuten Nachrichten in den Muttersprachen der ungar­ländischen Nationalitäten geben wird. Die deutschsprachigen Nach­richten werden mittwochs in den späten Nachmittagstunden gesendet (zuerst am 6. Januar, voraussicht­lich um 16.50 Uhr). Form und Inhalt dieser Nachrich­tensendungen sowie die Auswertung des diesjährigen Deutschen Kalen­ders werden auf der Tagesordnung der nächsten Ausschußsitzung ste­hen. -oh­ Im Wettstreit um Städte und Landschaften „Wer macht das schönste litera­risch-musikalische Programm zu Stä en und Landschaften der DL*.“, hieß es in einem gemein­samen Aufruf des Lektorats für dev che Sprache und Literatur beim Kultur- und Informations­­ze- ums der DDR in Budapest und de demokratischen Verbandes der Ungarndeutschen an Grund- und Mittelschüler. Und an die 130 Schü­ler hatten — gruppenweise — die Köpfe zusammengesteckt, beraten, Vo hläge gemacht, wieder ver­­wonen und dann neue erfunden — bis £ e sich endlich für ein bestimm­te.' hema entschlossen hatten. Da hif es dann in Büchern blättern, F en Zusammentragen, die Rollen ve Men, den Text einstudieren usw Natürlich waren dabei die Rat­schi ge der Lehrer, deren lenkende Ha* d nicht zu unterschätzen. T s Ergebnis dieser wochenlangen Mü m lief nun am 11. und 12. De­­zemoer an zwei Tagen im KIZ in Budapest über die Bühne. Am ersten Tr traten die Gymnasiasten in fr; liehen Wettstreit miteinander. Gei ommen waren zwölf Gruppen: sieben vom Klara-Leöwey-Gymna­­sium in Fünfkirchen (alle 1. Klasse), vier vom Leo-Frankel-Gymnasium in Frankenstadt/Baja und eine vom Lajos-Tolnai-Gymnasium in Jink/ Gyönk. Die großen Favoriten unter den Themen waren Leipzig, Dresden und Berlin. Geboten wurde aber auch Allgemeines über die DDR, über die Ostsee- und Havelland­schaft. Der Einfallsreichtum in bezug auf Programme war recht groß: Da reiste z. B. eine Reisegesellschaft (Frankel-Gymnasium) nach Leipzig. Dort erwartete sie schon ein Reise­führer, der sie durch die Stadt führte, und gemeinsam mit ihnen erlebten auch die Zuschauer anhand von Dias die Sehenswürdigkeiten der Stadt, hörten sich in der Thomaner­kirche Bachsche Musik an, kehrtenin Auerbachs Keller ein usw. Eine an­dere Gruppe, ebenfalls vom Frankel- Gymnasium, erzählte sich nach den Ferien ihre Erlebnisse in der DDR, brachten literarische und musikali­sche Einlagen, berichteten über (Fortsetzung auf S. 6) Den 1. Platz der Grundschulen belegte die Gruppe Tom Bildungszentrum Fünfkirchen (7./8. Klasse) mit dem Thema „Leipzig“ Géza Hambuch, Generalsekretär des Demokratischen Verbandes der Ungarndeutschen Zum Nachdenken Wir spüren es täglich und immer stärker: Wir leben in einer Um­bruchszeit. Da müssen wir Ungarn­deutschen uns doch Gedanken ma­chen: Wie kommen dabei unsere Na­tionalitätenanliegen zur Geltung ? Kön­nen wir wie gehabt weiterkommen? Im Sekretariat unseres Verbandes liefen — noch im alten Jahr — zwei Briefe von einem Kulturhausdirek­tor ein. Aus einer Großgemeinde, in der vorwiegend Deutsche wohnen, wo in den vergangenen 30 Jahren über 100 neue und immer größere Wohnhäuser in die Flur gesetzt und praktisch alle anderen modernisiert worden sind. In der eine landwirt­schaftliche Produktionsgenossen­schaft wirkt, die — mit einem tüch­tigen ungarndeutschen Vorsitzenden an der Spitze — jährlich viele-viele Millionen Forint Gewinn erwirt­schaftet und bedeutend zur Ent­wicklung der Gemeinde beigetragen hat. Der Kulturhausdirektor, eben­falls ein Ungarndeutscher, hielt beim Sekretariat um materielle Unter­stützung für die Einrichtung eines Heimatmuseums im Ort an. Ein paar Wochen früher hatte er um ma­terielle Hilfe für eine geplante Aus­landsreise der Jugendkapelle und bei ihrer Ausstattung mit Trachten­kleidern gebeten. Das sind löbliche Vorhaben, die es verdienen, unterstützt zu werden. Dennoch: Sind die beiden Schreiben an die richtige Adresse gerichtet worden? Hätten nicht eher der Ge­meinderat und die örtliche LPG an­geschrieben werden müssen ? Hof­fentlich sind auch sie ersucht worden. Im Sekretariat liegen viele ähnliche Briefe vor. So drängen sich denn auch gleich mehrere Fragen auf: Müßten denn die Ortsleiter, ob nun Deutsche oder Ungarn, nicht von vornherein die Pflicht empfinden, uns Ungarndeutschen bei der Pflege unserer Muttersprache und Kultur auch finanziell beizustehen ? Müßten in den Entwicklungs- und Haushalts­plänen der Stadt- und Gemeinde­räte, in den Plänen der Genossen­schaften und anderer Betriebe nicht von vornherein auch die berechtig­ten Nationalitätenansprüche der Un­garndeutschen einen gebührenden Platz haben ? Steckt denn in den Er­gebnissen der betreffenden Siedlun­gen, Genossenschaften und Betriebe nicht auch der Fleiß der dortigen Deutschen heute und gestern drin? Darf dann die deutsche Einwohner­schaft nicht mit gutem Recht erwar­ten, daß man ihr bei der Wahrneh­mung, bei der Geltendmachung ihrer Nationalitätenrechte unter die Arme greift ? Nachdenken und Umdenken tun da sehr not. Entscheidend ist in diesem Bereich gewöhnlich auch heute die Einstel­lung einzelner maßgeblicher Personen zur Sache. Selten läßt man da Kon­trolle walten. Noch seltener wird da jemand zu Rechenschaftslegung auf­gefordert oder gar für Versäumnisse zur Verantwortung gezogen. Darf es so weitergehen? Werden wir so weiterkommen ? Einige sind anderen bereits voraus. Ein landesweit angesehener un­garndeutscher LPG-Vorsitzender war im November vergangenen Jah­res mit dem Chor aus einem Heimat­dorf zum Galaprogramm des Ersten Ungarndeutschen Sängerwettstreites nach Budapest gekommen. Die Jury hat dem vor zwei Jahren neugegrün­deten und mit neuen Gewändern ausgestatteten Chor eine Bestnote vergeben. Verdienterweise. Die Sän­gerinnen und Sänger strahlten vor Glück und hätten am liebsten nach dem Programm im Vorraum des Theatersaales noch stundenlang für Zuhörer und zu ihrer eigenen Freude gesungen. Und der LPG-Vorsitzende ? Ich bin sehr stolz auf unseren Chor. Und auch auf unsere Blaskapelle. Hut ab vor der Opferbereitschaft der Sänger und Bläser. Ohne sie läuft natürlich nichts. Aber sie brauchen natürlich auch materielle Hilfe. Und daran dür­fen sie, soweit es an unserer Genos­senschaft liegt, keine Not leiden. Die paar zehntausend Forint werden uns bestimmt auch künftig nicht umwer­­fen. Und ohne die Kultur können wir uns unser Leben einfach nicht vor­stellen. Ohne unsere eigene schon ganz und gar nicht. So der LPG-Vorsitzende. Ich war froh, ihn auch persönlich kennenge­lernt zu haben. Ich glaube: Solches und ähnliches Denken kann uns weiterbringen. Der 7. Kongreß der Ungarndeutschen, der für Ende 1988 vorgesehen ist, wird erwartungsgemäß auch kräftige An­stöße zum Umdenken in diesem Sinne geben. Der Rat eines Komitates, in dem Schätzungen zufolge 32 000 Deut­sche, 25 000 Slowaken und 3000 Ser­ben und Kroaten leben, hat kürzlich auf einer Sitzung kritisch und selbst­kritisch die Verwirklichung der Na­tionalitätenpolitik eingeschätzt und die weiteren Schwerpunktaufgaben bestimmt. Im Komitat, wurde festgestellt, sind seit den letzten Kongressen der Nationalitäten (1983) beträchtliche mengenmäßige Ergebnisse erzielt worden. Zum Beispiel was die Zahl der Kinder betrifft, die am Deutsch­unterricht teilnahmen. Mit der Qua­lität könne man sich jedoch längst nicht zufriedengeben. So gibt es in diesem Komitat keine einzige Schule mit zweisprachigem Unterricht. Von 94 Deutsch unterrichtenden Lehrern haben 54, von 63 Kindergärtnerin­nen 34 keine sprachliche Ausbildung. In 19 Gemeinden wirken Amtsträ­ger von Nationalitätenherkunft. Die Lage der Nationalitäten ist in den zurückliegenden sechs Jahren in 22 von insgesamt 61 Siedlungen erör­tert worden. „Die Interessenvertre­tung der Nationalitätenbevölkerung kommt nicht entsprechend zur Gel­tung“ — hieß es in der Vorlage zur Diskussion. In die Gemeinde- und Stadträte seien in entsprechender Anzahl Mit­glieder aus den Reihen der Nationa­litäten gewählt worden. Darüber ist jedoch nichts verlautet, wie oft die Gewählten ihre Stimme für die unmit­telbaren Nationalitätenanliegen er­hoben haben. Erfahrungen lassen mich sagen: Viel wird sich wohl auch in diesem Komitat nicht geregt ha­ben. Woran liegt das? Liegt es an den Gewählten oder liegt es am poli­tischen Klima der jeweiligen Sied­lungen? Daran, wie sich die Ortslei­tung zur Nationalitätenfrage ver­hält ? Ob die Nationalitäten Vertreter ermuntert oder eher zurückgehalten werden? Ob sie überhaupt als Spre­cher der Nationalitätenbevölkerung akzeptiert werden? Wir wissen es auch aus unserer Geschichte: Schicksal und Verhalten einer Minderheit werden maßgeblich vom Wohlwollen, von der Unter­stützung der sie umgebenden Mehr­heit bestimmt. So könnten wir heute ohne die Hilfe des Staates, der Ge­sellschaft einfach nicht auskommen. Auch ohne unser eigenes Zutun kann natürlich nichts laufen. Die Schluß­folgerung : Beide Seiten müssen über­denken, was sie anders, was sie besser machen müssen. Unser Verband hat — wie die Schwesterverbände — keine Mit­gliedschaft, keine Ortsgruppen. Das beeinträchtigt erheblich die gesamte Verbandsarbeit. Die Ungarndeut­schen haben — wie die anderen in Ungarn beheimateten Nationalitäten — in ihren Wohnorten keine wirklich funktionierende Interessenvertretung. Für uns Fragen von besonderem po­litischen Rang. Reimt sich dieser Zustand mit der notwendigen gesell­schaftlichen Erneuerung, auf die immer stärker gedrängt wird ? Ohne Komitats- und Ortsvertretungen gleicht unser Verband einem Haus mit einem Dach, das an dünnen Drähten hängt. Oder einem Baum mit schmächtigen Wurzeln. Da haben wir mit der gesellschaft­lichen Entwicklung in unserem Lande nicht Schritt gehalten. Das schmälert das Ansehen, den Einfluß unseres Verbandes. Da muß bald eine entsprechende Lösung gefun­den werden. Eine soll hier angedeutet werden. Es liegt im Interesse unserer Na­tionalität, daß bei den bevorstehen­den Wahlversammlungen Kongreß­delegierte gewählt werden, die dem Ungarndeutschtum verpflichtet sind. Von denen zu erwarten ist, daß sie auf dem 7. Kongreß gute Beschlüsse fassen, dann auf ihre Verwirklichung drängen und selber ihr Mögliches dafür tun. Die ihre Hand zu Mit­menschen ausstrecken, Verbündete suchen und finden. Die nicht gleich beim ersten Hindernis oder Unver­ständnis die Flinte ins Korn werfen. Die sich nicht einengen, sondern auch ein Auge für Zusammenhänge, fürs Ganze haben. Die ungarndeutsche Bevölkerung muß die Verantwortung für ihre Ent­scheidung auf den Wahlversammlun­gen tragen. Auch für eventuelle Gleich­gültigkeit. Und sie muß dann die für fünf Jahre Gewählten auch unterstüt­zen. Es könnten doch in allen Orten um die Delegierten Arbeitsgruppen gebildet werden, die die Interessen der ungarndeutschen Bevölkerung wahrnehmen. Ich denke dabei vor allem an Ungarndeutsche, die im öffentlichen Leben mitmachen. Zum Beispiel an Ratsmitglieder, an Volks­frontaktivisten . Darüber müssen noch Meinungen ausgetauscht werden. Eins ist jedoch sicher: Die Delegierten und die von ihnen gewählten Organe des Verban­des müssen in der kommenden Kon­greßperiode stärker am Strang mit­ziehen. Sonst kann der Wagen leicht stecken bleiben. Wir leben in einer Umbruchszeit. Die Veränderungen zwingen auch uns zum Nachdenken. Die ange­strebte Erneuerung, die erwartete wei­tere Demokratisierung, die Entwick­lung dürfen an uns Ungarndeutschen nicht Vorbeigehen. Wir wollen sie mit­gestalten, mittragen, aber auch je frü­her die Früchte genießen. Als Bürger dieses Landes. Als Zugehörige zu einer Minderheit — zum Ungarn­deutschtum. Auch die Wahlversammlungen und der Kongreß kommen uns zu­paß nachzudenken, wie es weiterge­hen soll, wie wir unsere Möglichkei­ten bündeln, unsere Kräfte sammeln können.

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