Neue Zeitung, 1991 (35. évfolyam, 1-52. szám)

1991-01-05 / 1. szám

NZ 1/91 SONDERKONGRESS DES VERBANDES DER UNGARNDEUTSCHEN 3 den Muttersprachunterricht Schulverein ii Was in Ungarn seit Jahrzehnten Nationalitätenunterricht heißt, brauch ich Ihnen nicht ausführlich darzulegen. Wir alle durften es selbst erleben und erleben es auch heute noch durch unsere Kinder oder als Eltern bzw. als Lehrer. In den soge­nannten Nationalitätenschulen ist die Muttersprache bloß ein Unter­richtsfach in 4—5 Wochenstunden. Sie heißen auch offiziell: Nemzeti­ségi nyelvet tantárgyként oktató is­kola. Diese Benennung ist ja eine Absurdität. An dieser Situation konnte auch der zweisprachige Un­terricht nicht viel ändern: der Man­gel an personellen, sachlichen und finanziellen Voraussetzungen macht diese Arbeit fast unmöglich. Trotz der Schwierigkeiten muß sehr drin­gend ein wirkliches ungamdeut­­sches Schulnetz ausgebaut werden, und das darf auf keinen Fall wieder die Privatangelegenheit einzelner Schulen oder Lehrer bleiben. Es muß auf Regierungsebene geregelt werden. Es stellt sich die Frage, was wir tun können. Wollen wir auch weiterhin der Assimilation passiv Zusehen, oder sind wir fähig, mit Hilfe — ich frage mich: mit wessen Hilfe? — uns aktiv an der Entwicklung unserer ei­genen Zukunft zu beteiligen. Wir in der Branau wollen unsere Sachen selbst in die Hand nehmen, und gründeten einen Schulverein. (Den in Budapest gegründeten Verein be­trachten wir als eine Dachorganisa­tion.) Die Schwerpunkte unserer Arbeit wären: 1. In- und ausländische Weiterbil­dung der Deutschlehrer: Wir wollen vom Ministerium und vom Verband die Entscheidung selbst übernehmen und verlangen ein — der Lehrerzahl — entspre­chendes Kontingent. 2. Methodische Koordination zwi­schen den Schulen. 3. Verteilung der Lehrmaterialien aus den deutschsprachigen Ländern — nach Bedürfnissen der Schulen. 4. Organisation von sprachlichen und kulturellen Wettbewerben. 5. Hilfeleistung bei der Suche nach Partnerschulen. 6. Die letzte, aber wichtigste unserer Zielsetzungen ist: die Entwicklung eines Schulprogramms von der er­sten bis zur zwölften Klasse. Das wollen wir innerhalb von einem Jahr darlegen. Unser fester Wille ist, die­ses Programm in der Praxis, in einem ungarndeutschen Schulzentrum in Fünfkirchen, auszuprobieren. Die­ses Schulzentrum (Kindergarten, Grundschule, Gymnasium und Schülerheim) müßte in der nahen Zukunft auf gebaut werden. Der Kindergarten ist längst zu klein, möchte umziehen, bekommt aber die nötige Unterstützung nicht. i Fünfkirchen Die einzige Grundschule mit zwei­sprachigem Unterricht — die Belvárosi — ist nicht mehr fähig, al­len Ansprüchen nachzukommen, weil sie unter anderem immer noch ihren festen Einschulungskreis hat. Nach den Ansprüchen der Ungarn­deutschen in Fünfkirchen und Um­gebung sollte sie als Nationalitäten­schule umgestaltet werden. Als Be­weis dafür habe ich hier etwa 300 Unterschriften (innerhalb von 3 Wochen) gesammelt. Innerhalb der Schule ist die Sache einer Nationali­tätenschule leider nicht so eindeutig. Das Leöwey-Gymnasium möchte auch selbständig werden und benötigt dazu Gebäude und Klas­senräume. Im letzten Jahr konnten sie drei Klassen starten, aber näch­stes Jahr werden es wieder nur zwei. Dabei melden sich immer mehr Kin­der auch aus den Dörfern, in drei Jahren beenden auf einmal vier Klassen den zweisprachigen Unter­richt. Was machen da die Mittel­schulen? Sie sind nämlich auf die Aufnahme dieser Schüler total un­vorbereitet. Nicht alle wollen aufs Gymnasium, sondern lieber einen Beruf erlernen. Dieses Land braucht ja auch zweisprachige Facharbeiter. Mein Vorschlag wäre: z.B. in Mo­­hatsch eine Berufsschule für solche Kinder einzurichten. Solange es die DDR gab, bestand auch die Möglichkeit für ungarische und ungamdeutsche Abiturienten, an dortigen Hochschulen und Uni­versitäten zu studieren. Es war durch ein zwischenstaatliches Ab­kommen gesichert. Was wird jetzt mit den Leuten, die ihre Ausbildung in deutscher Sprache machen wol­len? Das sind nun die Punkte, über die wir uns Gedanken machen und auch an der Lösung aktiv beteiligt werden möchten. Um das Schulzentrum in Fünfkirchen so bald wie möglich auf die Beine stellen zu können, wollen wir — Eltern und Lehrer — eine Stif­tung ins Leben rufen. Wir hoffen aber auch eine stattliche Summe von den drei Millionen Mark Unterstüt­zung durch Deutschland zu diesem Projekt zu erhalten. Die Stadt hat ein Grundstück angeboten, das Deut­sche Generalkonsulat seine morali­sche Unterstützung. Da bitte ich den verehrten Kongreß um Unterstüt­zung. Auch die ungarische Regie­rung will ihre Unterstützung finan­ziell zum Ausdruck bringen. Ich denke an die 14 000 bis 15 000 Fo­rint pro Schüler im Nationalitäten­unterricht. Mir sind bloß zwei Sachen nicht ganz klar: Welche Form von Unter­richt heißt Nationalitätenunter­richt? Wozu darf das Geld verwen­det werden? Eva Fath Der unlängst gegründete ungarn­­deutsche Schulverein sieht in seinem Programm den Aufbau eines un­­gamdeutschen Schulsystems von Kindergarten bis zur Hochschule vor. Dieses Vorhaben ist begrüßens­wert und seine Durchführung für den Fortbestand unserer Volks­gruppe von dringender Notwendig­keit. Es ist wohl bekannt, daß bei der gegenwärtigen sprachlichen Situa­tion unserer durch fortgeschrittene Assimilation gekennzeichneten Volksgruppe die Familie nur noch in geringem Maß zur Vermittlung der deutschen Sprache fähig ist. Diese Vermittlerrolle müßte deshalb im­mer mehr von den verschiedenen In­stitutionen, vor allem von der Schu­le, übernommen werden. Die Auf­gabe der Schule muß außer der Be­wahrung bzw. Rückgewinnung der deutschen Sprache auch die Ver­stärkung des Identitätsbewußtseins bei den Jungedlichen sein. Diesen Aufgaben kann aber die Schule nur innerhalb des deutschsprachigen bzw. des gut funktionierenden zwei­sprachigen Unterrichts gerecht wer­den. Eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Voraussetzung dafür sind sprachlich und fachlich gut ausgebil­dete, dem Ungamdeutschtum ver­pflichtete Pädagogen. Die gegen­wärtige Pädagogenausbildung für unsere Volksgruppe ist unzurei­chend. Das Sprachniveau der mei­sten Deutschlehrer ist ungenügend (nicht ausreichend, um Deutsch als Muttersprache unterrichten bzw. um den Unterricht in deutscher Sprache zu erteilen.) An den Hoch­schullehrstühlen, wo Lehrer für die deutsche Minderheit ausgebildet werden, ist die Stundenzahl für das Studienfach Deutsch in der Regel zu niedrig, und die sogenannten natio­nalitätenspezifischen Fächer wer­den meistens nur als Zweit- oder Drittfächer behandelt. Foto: László Papp Wir benötigen selbständige Hochschullehrstühle und einen Uni­versitätslehrstuhl mit intensivem Sprach- und Fachuntericht, vor al­lem mit intensiver Vermittlung der Kultur unserer Minderheit. Die Ver­selbständigungsbestrebungen der deutschen Nationalitätenklassenzü­­gen ist zu begrüßen. Dasselbe müßte auch auf Hochschulebene durchge­führt werden. Die Ausbildung von Nationalitätenlehrern sollten nicht in geduldeten Studiengängen an den Hochschulen erfolgen, sondern im Rahmen selbständiger Lehrstühle. Darüber hinaus müßte die Ausbil­dung von Nationalitätenlehrern nach Möglichkeit zentralisiert wer­den. Eine Gelegenheit dazu bietet sich an der „Janus Pannonius“-Uni­­versität in Fünfkirchen an, wo im September 1990 mit der neuen Deutschlehrerausbildung begonnen wurde. Laut des neuen Studienpro­gramms soll in Fünfkirchen die Aus­bildung von Nationalitäten- und Fremdsprachenlehrern mit dem 6. Semester, d.h. nach der fachlichen und sprachlichen Grundausbildung, getrennt werden. Durch das Starten des Universitätsprogramms an der „Janus Pannonius“-Universität ent­stand eine Lücke in der Ausbildung der Lehrer für die Minderheit: in Transdanubien werden keine Päd­agogen für die Oberstufe der Grundschule mehr ausgebildet. Zur Beseitigung dieser Lücke plant man, an der Szekszärder Hochschule ei­nen Lehrstuhl für Deutsch zu grün­den, wofür aber sowohl die perso­nellen als auch die sachlichen Vor­aussetzungen nur sehr schwer gesi­chert werden könnten; in erster Li­nie würden die Lehrkräfte des Fünf­kirchner Lehrstuhls auch in Szekszärd unterrichten müssen. Deshalb wäre es sinnvoller, an der Fünfkirchner Universität, wo man auf dem Gebiet der Nationalitäten­ausbildung schon große Erfahrun­gen hat, einen Nationalitätenlehr­stuhl neben dem Germanistiklehr­stuhl zu gründen. Innerhalb dieses Lehrstuhls könnten im sogenannten Zwei-Stufen-Programm sowohl Grundschul- als auch Gymnasial­lehrer ausgebildet werden. Nach er­folgreichem Abschluß des dritten Studienjahres könnten die Studen­ten ein Diplom erhalten, das sie zum Unterricht an Grundschulen be­rechtigt. Wer sich ein Gymnasialleh­rerdiplom erwerben will, müßte an­­schließhend noch zwei Jahre lang studieren. Der Lehrstuhl in Fünfkir­chen könnte außerdem auch ein Zentrum der Minderheitenfor­schung im südlichen Tansdanubien werden, wie er es in der Zwischen­kriegszeit war. Elisabeth Hajdú Zur Gründung eines Nationalitätenlehrstuhls Schillers Hoffnung trug Monika Gombár, Zweitkläßlerin des Budape­­ster Deutschen Nationalitätengymna­siums vor

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