Neue Zeitung, 1998 (42. évfolyam, 1-52. szám)

1998-01-03 / 1. szám

4 Unter der Regierung des Ministerprä­sidenten Bethlen wurde im Jahre 1924 die Zulassung der Gründung des Ungarländisch-Deutschen Volks­bildungsvereins erteilt. Seinem Na­men entsprechend entfaltete dieser seine Tätigkeit: Das kulturelle Leben und das Zusammengehörigkeitsge­fühl der ländlichen Bevölkerung soll­ten durch Bildung von Ortsgruppen, durch Einrichtung von Bibliotheken, Veranstaltung von Volks- und Trach­tenfesten, Musik- und kulturellen Wettbewerben belebt und gestärkt werden. Jakob Bleyer, dessen Name die gesamte ungamdeutsche Bewe­gung jener Zeit prägte (er gründete noch 1921 das Sonntagsblatt, ein Wochenblatt für die deutsche Min­derheit in Ungarn), arbeitete uner­müdlich an der Organisierung des UDV, wobei ihm auch ehemalige Soldaten des Ersten Weltkriegs be­hilflich waren, die dort bereits erste Erfahrungen im Umgang mit anderen deutschen „Volksgenossen” und mit dem eigenen „Volkstum” gesammelt hatten. Die Wirkung der Maßnahmen blieb jedoch begrenzt, der UDV zähl­te im Todesjahr Bleyers (1933) 12.000 Mitglieder (ca. 2,4% der deut­schen Bevölkerung in Ungarn). Am Anfang der von uns zu unter­suchenden Periode (Ende 1932-1933) hielt Jakob Bleyer als geschäftsfuh­­render Vizevorsitzender die Zügel fest in der Hand. Neben ihm spielte der ehemalige Außenminister Gustav Gratz eine wichtige Rolle, der seit der Gründung das Amt des Vereinsvor­sitzenden bekleidete. Im Gegensatz zu Bleyer beharrte Gratz immer auf der Zustimmung der Regierung zu den Aktivitäten des UDV, er wollte die Rolle eines Vermittlers zwischen der Minderheit und den politischen Machthabern spielen und wurde da­her oft als Vertrauensmann der unga­rischen politischen Führung abgetan. Mit Bleyer konnte er immer ohne größere Reibungen Zusammenarbei­ten, da ihre Ansichten bei der Forde­rung nach dem Ausbau des deutschen Schulwesens und einer minderheiten­freundlichen Behörde übereinstimm­ten. Nach dem Tode Bleyers erschien Anfang 1934 in den untersuchten Zeitschriften eine Reihe von Nachru­fen. Richard Csaky, Leiter des DAI in Stuttgart, sah in ihm den alleinstehen­den ,zähen schwäbischen Bauern”, der „mitten im Herzen der dazu noch besonders selbstherrlichen Staatsna­tion” in Budapest seinen Kampf ge­führt und auf die Hilfe aus Deutsch­land gewartet habe. (AD, Januar 1934) Günther Berka stilisierte Bleyer zum „Vater der Schwaben Ungarns”, dessen kraftvoller Persönlichkeit sich niemand zu entziehen vermocht habe: „Es wäre nicht überraschend, wenn sich um diese vollendetste Verkörpe­rung des Donauschwabentums ein Sagenkranz weben würde, (...) die den nahezu versunkenen Schatz schwäbischen Volkstums gehoben und (...) aus verstreuten und verlasse­nen Volksgenossen ein deutsches Volk in Ungarn geschaffen hat. ” (AD, Januar 1934) Ferdinand von Uexküll unterstrich das vorbildhafte Leben Bleyers. ,JDas ungarländische Deutschtum hat mit ihm seinen Führer verloren, Ungarn einen klugen Staatsmann und bedeu­tenden Gelehrten, der Verband der deutschen Volksgruppen aber einen treuen Freund und unermüdlichen Mitarbeiter. ” (NuS, Dezember 1933) Zu dieser Zeit wurde die Frage aufgeworfen, wer die Nachfolge Bleyers anzutreten befähigt ist. Gu­stav Gratz führte die Verhandlungen mit der Regierung, denen zufolge der Rechtsanwalt Franz Kußbach die Po­sition des Verstorbenen einnahm. So­wohl NuS als auch AD begrüßten diese Entscheidung, da Kußbach sich schon in mehreren politischen oder politisch motivierten Prozessen als Verteidiger deutscher Volksangehöri­gen ausgezeichnet und schon seit län­gerer Zeit beim UDV mitgearbeitet habe. Generalsekretär des UDV wur­de ein Mann, der später noch eine wichtige Rolle spielen sollte: Franz Basch, ein „ausgezeichneter Volks­redner”. (NuS, März 1934; AD, Juli 1934) Gleichzeitig habe die Regie­rung Gewicht darauf gelegt, „daß in die Leitung auch solche Persönlich­keiten hineingewählt werden, die wohl deutscher Abstammung sind, je­doch keine Beziehungen zu der unter der ehemaligen Führung Jakob Bley­ers gestandenen deutschen Bewegung hatten”. (NuS, Mai 1934) Der Zwiespalt in der Führung des UDV zeigte sich im Frühjahr 1935, als Ministerpräsident Gömbös Neu­wahlen für die Besetzung des ungari­schen Parlaments ausschrieb. Mehre­re Personen aus der neuen Führung des UDV sowie einige ihrer Anhän­ger kandidierten, die sich als Vertre­ter der Deutschen in Ungarn bezeich­­neten: die „Vertrauensleute der Re­gierung” in den Farben der Regie­rungspartei, Basch und seine jungen, radikaleren Mitstreiter als Kandidaten der oppositionellen Kleinlandwirte­partei. Dies entfachte eine Diskussion über die „wahren Vertreter der Volksgruppe”: „In der Tat besteht ein Unterschied zwischen (...) Deutschen, die das ungarländische Deutschtum in ihrem Volkstum erhalten wollen und dafür kämpfen, und (...) ungari­schen Staatsbürgern deutscher Ab­stammung, für die diese Frage gleichgültig ist oder die ihr Deutsch­tum gar in den Dienst der Entvolkli­­chung stellen. (...) Im Namen der deutschen Volksgruppe zu sprechen und zu handeln haben doch nur jene Recht, die den unzweifelhaften Be­weis dafür geliefert haben, daß sie deutsches Volkstum in Ungarn erhal­ten wollen. ” (NuS, März 1935) In der Sitzung des Vollzugsaus­schusses am 14. Juni 1935 rief Gratz dazu auf, die Erhaltung von Sprache und Kultur der Eintracht zwischen Ungarn und Deutschen unterzuord­nen und die Lösung der Frage nicht außerhalb der Landesgrenzen zu su­chen. Weiter stellte er den Antrag, Basch bis zum Ende seines Prozesses von seiner Position als Generalsekre­tär zu beurlauben, weil seine Person vor der Öffentlichkeit nicht mehr tragbar sei. Basch lehnte einen Rück­tritt ab, so daß nur Gratz als der Vor­sitzende des Vereins ihn seines Am­tes entheben konnte. Die Zeitschriften stuften diesen Schritt eindeutig als ei­ne negative Entwicklung ein: „Gewis­se deutschstämmige Persönlichkeiten, die jedoch Bleyer und seiner Bewe­gung femstanden, hielten ihre Zeit für gekommen und ließen die Regierung wissen, daß sie als deutsche Führer ihre Aufgabe patriotischer erfüllen würden, als die Mitglieder der deut­schen Bewegung. ” (AD, August 1935) Von diesem Zeitpunkt an wurde Gustav Gratz immer heftiger kriti­siert. Während man Anfang 1937 noch einen Ausgleich zwischen dem von ihm geführten UDV und der Basch-Gruppe erwartete, betrachtete NuS die Spaltung des UDV nach der Veröffentlichung eines Briefes der Mágocser Ortsgruppe (300 Mitglie­der), in dem deren Auflösung ange­kündigt wurde, als besiegelt. Franz Riedl äußerte sich über Gratzens Buch ,Deutschungarische Probleme” (Budapest 1938) weitgehend kritisch und resümierte: „[Gratz] ist weder zur Führung des ungarländischen Deutschtums berufen noch hat ihn die Volksgruppe jemals berufen. Er wur­de als Präsident für die Organisation von außerhalb des Deutschtums ste­henden Faktoren eingesetzt. ” Er be­sitze zwar intellektuelle Einfühlungs­gabe, aber keine innere Verwurze­lung, keine einen seelischen Gleich­klang gewährende Verbundenheit” mit dem donauschwäbischen wie mit dem ganzen deutschen Volk. ,Feine Tragik ist es, Fremdling zu sein unter Blutsverwandten”. (NuS, Juni 1938) Im November 1938 gab Gratz sei­nen Rücktritt vom Posten des Vorsit­zenden des UDV bekannt, dieser Schritt wurde von beiden Zeitschrif­ten begrüßt. Gratz und die anderen (Führer des „vom ungarländischen Deutschtum und auch vom Gesamt­deutschtum restlos abgelehnten UDV”) haben „durch ihre Ideologie von einer ‘seelischen Harmonie’ und eines ‘doppelsprachigen Unterrichts’ - durch fremdvölkische Lehrer - mit mathematischer Genauigkeit über die seelische Assimilation auf die sprach­liche Einschmelzung" hingearbeitet. Abgesehen von dieser „volksschädli­chen Tätigkeit der UDV-Leitung” könne und dürfe zu dem gefährli­chen Präzedenzfall einer vom Staats­volk geleiteten und in jeder Bezie­hung abhängigen ‘Minder­heitenorganisation ’ von seiten der Volksgruppen niemals die Zustim­mung gegeben werden ”. (NuS, März-April 1939) In dem Satz wurde also all das verfehmt, was die Zeit­schrift sechs Jahre lang selbst für richtig und erkämpfenswert anpries. Nach Basch traten weitere seiner Anhänger (teils freiwillig, teils ge­zwungenermaßen) aus dem UDV aus, die sich in der Volksdeutschen Kameradschaft versammelten. Aus dieser Gruppe wuchs der Volksbund der Deutschen in Ungarn (kurz Volksbund - VDU), dessen Grün­dung im November 1938 aufs Ener­gischste begrüßt wurde. Schon früher verkündeten die beiden Zeitschriften AD und NuS, daß die „berufenen Führer”, die „unbestechlichen Vertei­diger der unverzichtbaren Rechte des ungarländischen Deutschtums”, die „echte Volksdeutsche Bewegung” in der Volksdeutschen Kameradschaft zu suchen sei. Die Genehmigung des Volksbundes wurde als Ergebnis ei­nes langanhaltenden Kampfes be­trachtet, der das ungarländische Deutschtum ,zzu jener geschlossenen Gemeinschaft” gemacht habe, „an deren Widerstand jeder Angriff und Ansturm der Gegner" abpralle. (NuS, Mai 1939) Im Sommer 1939 stellte ein Re­dakteur (keine Angaben über seine Person vorhanden) ein ausgeweitetes „Volksprogramm” zusammen, das außer den bekannten Forderungen (volksdeutsches Schul- und Vereins­wesen, Pressefreiheit, usw.) einige neue Elemente enthielt. Neu war der Vorschlag, den Mangel an geeigneten Deutschlehrern mit Pädagogen aus dem Reich zu beseitigen. Außerdem sollte sich eine uneingeschränkte Vereinsarbeit entfalten können, z. B. die Bildung von einem Musiker- und Sängerbund, Tum- und Sportverein, usw. Zum Mutterland sollten freie Wechselbeziehungen entstehen kön­nen, die Namensmagyarisierung ein­gestellt und eine Rückdeutschung er­möglicht werden. Erforderlich sei noch ein eigenes deutsches wirt­schaftliches Genossenschaftswesen, Versammlungsrecht und Recht zur Gründung einer politischen Partei. Es sei unzulässig, Organisationen, Blät­ter und Personen, die „nur dem Schei­ne nach deutsch sind, als sogenannte ‘Auchdeutsche’ zu präsentieren” (z. (Fortsetzung auf Seite 6) Die Ungamdeutschen im Spiegel nationalsozialistischer Zeitschriften in den Jahren 1932/33-1939 III. Die Arbeit des Ungarländisch-Deutschen VolksbildungsVereins (UDV) G ESCHICHTE NZ 1/98

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