Neue Zeitung, 2002 (46. évfolyam, 1-52. szám)
2002-01-04 / 1. szám
4 „Einbindung aller Minderheiten in einen gemeinsamen Dialog“ Der schweizerische Bundespräsident Moritz Leuenberger besuchte vor Weihnachten Ungarn (NZ 51-52/2001). Der Politiker, der bis zum 31. Dezember das Amt des Staatsoberhauptes der Alpenrepublik bekleidete, beantwortete Fragen unserer Redaktion. Er meinte auf unsere Frage nach einem Zusammenhang zwischen Minderheiten, Kulturen und Religionen: „Ich komme aus einem Land, das sich vor vielen Jahren so organisiert hat, daß vier gleichberechtigte Sprachen gesprochen werden, verschiedene Minderheiten friedlich nebeneinander leben. Das Nebeneinander vieler Kulturen und Religionen sowie Sprachen auf engem Raum ist nicht unbedingt leicht. Es muß immer wieder geübt und vor allem organisiert werden. Dafür gibt es verschiedene Formen. So rotiert zum Beispiel das Bundespräsidium, das heißt, wir haben jedes Jahr einen anderen Bundespräsidenten. Einmal spricht er Deutsch, einmal spricht sie Französisch. Einmal ist er protestantisch, einmal katholisch. Mal kommt er aus der Stadt, mal aus den Bergen. So hat jede Minderheit die Möglichkeit, sich abwechslungsweise mit dem Bundespräsidenten identifizieren zu können. Im Parlament spricht jeder seine Sprache, die natürlich übersetzt wird. Das Sprachengesetz unterstützt die rätoromanische Sprache, die nur in ein paar Tälern der Südostschweiz verbreitet ist. Vergessen wir die viersprachige Radiound Fernsehgesellschaft nicht, die in Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch je zwei Programme ausstrahlt. Dies ist nicht betriebswirtschaftlich, ist aber staatspolitisch und für den Dialog der Kulturen in unserem Land von größter Bedeutung und gehört zu den staatstragenden Säulen unseres Landes. Wichtig ist noch der Finanzausgleich zwischen den großen wirtschaftlichen Zentren und den Randregionen. Er ist Bestandteil eines wirtschaftlichen und sozialen, aber auch kulturellen Gleichgewichts der verschiedenen Regionen. In der Schweiz finden jedes Jahr Hunderte von Sitzungen statt, um diese Balance zu schaffen.“ Leuenberger verwies auf die Pflege der Vielfalt der Kulturen, denn sie bereichere das Land. Die Eidgenossenschaft wolle keine politisch verordnete Leitkultur. Es sei vielmehr Aufgabe der Politik, „alle Kulturen zu fördern und zur Geltung kommen zu lassen“. Er unterstrich: „Unser Land setzt sich praktisch nur aus Minderheiten zusammen. Die Aufgabe der Politik ist es, alle Minderheiten in einen gemeinsamen Dialog einzubinden.“ Über Ungarn sagte er: „Es hat eine kulturelle Identität, die auch offen für Einflüsse von außen ist. Ungarn weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig der gerechte Umgang mit Minderheiten ist. Sie zu ihren Rechten und ihrer Geltung kommen zu lassen, muß ein ständiger Prozeß sein. Der ist nie abgeschlossen. Der innere Friede ist zugleich der Schlüssel zu einem partnerschaftlichen Dialog der Kulturen in Europa. Ungarn hat dabei eine bedeutende Rolle gespielt, als es 1989 seine Grenze zu Österreich öffnete, was wiederum den Anfang des Endes der Berliner Mauer einläutete. Ungarn hat entscheidend zum Ende des Monologs der Ideologien beigetragen.“ Er ist der festen Überzeugung, daß „Europa von seiner religiösen, sprachlichen, kulturellen Vielfalt lebt. Jeder Versuch, einen monolitischen Kultur- oder Politblock wirken zu lassen, wäre zum Scheitern verurteilt. Dieser Kontinent kann nur als föderalistisches Gebilde überleben“. Zur Schweiz des neuen Jahrtausends sagte Bundespräsident Leuenberger, der nach wie vor der Bundesregierung in Bem als Vorsteher (Minister) für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation angehört: „Unser Land will sich solidarisch für einen stabilen europäischen Kontinent einsetzen. Die Eidgenossenschaft will mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Friedenserhaltung weltweit beitragen.“ Diesbezügliche Initiativen der UNO werden von Bem unterstützt. Dabei sei das Ziel schweizerischer Politik unverändert: „Die Bewahrung der Neutralität, die das Land für Jahrhunderte geprägt hat, stand immer im Dienste des Friedens.“ Das Land mag neue Wege beschreiten, wie die Neutralität begangen werden soll, aber im Ziel werde sie ihr treu bleiben, betonte der schweizerische Bundespräsident im Gespräch mit NZ. Albin Lukács In der kroatischen Ortschaft Valpovo/Walpach stand nach dem Zweiten Weltkrieg bis Mai 1946 das größte Konzentrationslager für Donauschwaben aus Kroatien. Nur wenige Meter vom ehemaligen Lagereingang entfernt befindet sich die spätbarocke St. Rochus-Kapelle der vertriebenen Familie Normann, deren Nachkommen heute in Kärnten leben. Aus dieser Kapelle soll für die donauschwäbischen Opfer von Walpach eine würdige Gedenk- und Dokumentationsstätte errichtet werden. Im Freiraum links von der Kapelle wird ein eigenes Denkmal den Leidensweg der Donauschwaben in der Sprache der Kunst nachzeichnen. Die Einheit von Kapelle und Denkmal symbolisieren strahlenförmig verlegte Bodenplatten, die dem Besucher auch gleichzeitig den Weg zu den beiden Objekten weisen. Vor dem Eingang der Kapelle werden neben einer Informationstafel alle Spender auf eigenen Tafeln verewigt werden. Der Innenraum der Kapelle wird als sakraler Weiheraum für Gottesdienste und Messen nutzbar bleiben. In der Apsis wird ein großes Kreuz das Zentrum des Altarraums präsentieren. Das Erdgeschoß der Kapelle wird zu einem anschaulichen Informations- und Datenraum umgestaltet werden, der einen weiten historischen Bogen von der Siedlungsgeschichte bis zur gewaltsamen Auslöschung der Donauschwaben im ehemaligen Jugoslawien vergegenwärtigen wird. Das Denkmal im linken Freiraum der St. Rochus-Kapelle soll den Betrachter in Form eines mehrteiligen Kunstobjekts an das Leiden, an die Entbehrungen und an das Sterben im Konzentrationslager Walpach erinnern. Aber nicht immer konnten die Peiniger den Willen der Menschen im Lager brechen. Die vom Dach des Denkmals in verschiedenen Längen nach oben strebenden Bogen symbolisieren die erfolglosen und erfolgreichen Befreiungsversuche. Das Freiheitstor im Denkmal steht für das neue Leben und charakterisiert den Neubeginn durch ein aufgesetztes Dach, gleichsam ein Zeichen für die neuerliche Aufbauarbeit der Donauschwaben in aller Welt. Im Tiefgeschoß des Denkmals befindet sich dann ein Modell des seinerzeitigen Konzentrationslagers von Walpach. Leuchttafeln, die an den Wänden angebracht werden, sollen der Gegenwart ein Zeugnis ablegen von den ungesühnten Greueltaten, die den Donauschwaben im Lager widerfahren waren. Die Errichtung der donauschwäbischen Gedenkstätte in Walpach wird ein Beispiel für weitere Projekte sein, die über die Landesgrenzen von Kroatien hinweg überall dort errichtet werden sollen, wo am Ende des Zweiten Weltkriegs Volksdeutsche unschuldig und kollektiv verurteilt worden waren und für einen Krieg mit dem eigenen Leben bezahlen mußten, den sie nicht zu verantworten hatten. (PAÖ) Modell für geplante donauschwäbische Gedächtnis- und Gedenkstätte AUSLAND NZ 1/2002 Österreich Auch Volksdeutsche Zivilintemierte im neuen Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz (KGEG) berücksichtigt Die vorgesehene Novelle des KGEG berücksichtigt auch jene zivilinternierten Personen, die außerhalb Österreichs festgenommen worden waren. Wie dem Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs (VLÖ) aus dem Sozialministerium versichert wurde, fallen jetzt auch alle ehemals Volksdeutschen in das KGEG, die als Zivilpersonen nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeit in einem mittelost- oder osteuropäischen Land (dazu zählen die ehemalige Sowjetunion, die ehemalige Tschechoslowakei, das ehemalige Jugoslawien, Ungarn, Polen und Rumänien) leisten mußten. Das bisherige KGEG hatte nämlich nur solche Zivilpersonen berücksichtigt gehabt, die auf dem Staatsgebiet der Republik Österreich gefangen genommen und zur Zwangsarbeit verschleppt worden waren. Diese Bestimmung fällt im neuen KGEG weg! Der Antragsteller muß zum Zeitpunkt der Antragstellung die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Ein Anspruch besteht auch dann, wenn der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat. Das novellierte Gesetz trat mit 1. Jänner 2002 in Kraft und sieht eine rückwirkende Leistungsgewährung ab diesem Zeitpunkt für jene Personen vor, die bis zum 31. Dezember 2002 einen Antrag stellen. Das neue KGEG sieht eine Entschädigung auch für die noch lebenden Kriegsgefangenen der Westalliierten vor. (PAÖ)