Pester Journal - Abendblatt, Mai 1877 (Jahrgang 4, nr. 3-25)

1877-05-05 / nr. 6

Das Abendblatt des „Peter Journal“ erscheint täglich, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen Nachmittags nach 2 Uhr. Einzelne Nummern de Abendblattes OD kr. Ynfernte für das Abendblatt werden billigst berechnet. Redaktion: Göttergas Adminiftration : Göttergasse se 2. I m Abonnement (Morgen- und Abendblatt :) allej. fl. 5, viertelj. fl. 2.50, monatl. 90 fr. ür die Separatzustellung des Abendblattes ezahlen die Rocoabonnenten monatl. 20 fr. MNK EST TTEDHERZ Budapest, 5. Mai. Es geht Nichts über einen gesunden Egoismus. England war Freund der Türkei, aus verschiedenen Gründen, weil sich hier englisches Gold recht gut verzinste, weil englische Baumwolle, die Frachten aus den Kolonien hier einen recht guten Abgab fanden und auch die englischen Yaleriten recht viel zu thun hatten, um die nicht gerade allzu fleißigen Mittelmän­­ner mit dem nothwendigsten Bedarf der modernen Civilisation zu versehen, und schließlich, weil die Türkei so freundlich war, den russischen Kriegsschiffen den See­weg zu versperren. John Bull hegte alle Liebe, welche das Interesse für feine Baumwolle ihm diftirte, gegen­über der Tirfei. Und aus Liebe für den „Geschäfts­­freund" ging 309n Bull auch so weit, als er eben gehen machte. John Bull hat den Krieg zwischen Rußland und der Türkei zwei Jahre lang hintangehalten. Sehr angestrengt hat er sich dabei wohl nicht. Er begnügte si damit, recht laut zu deflamiren, Noten zu schrei­­ben, sogar zu drohen. Aber mit solchen Mitteln lassen si Heutzutage nur Kinder schrecken. Genug dem, als es Ernst ward, was that John Bull ? Er zog sich zurück. Er berechnete, daß seine Handels­­bilanz nicht schlechter werden würde, ob nun Batum in türkischen oder suffischen Händen, ob Bulgarien autonom oder Basall­ei, die russische Seemac­ht konnte ihm nicht gefährlicher werden, als sie son­jecht ist, so lange Konstantinopel gesichert bleibt. Wofür sollte ich England echauffiren ? Für die Donau ? Ei, wa­rum nicht gar ? England mühte sich darüber freuen, wenn die deutsche, österreichische und ungarische In­­dustrie, welche vielleicht gar einmal gefährlich werden könnten, nicht so leicht den Weg zur See fänden. 4 Mach langem Nachdenken fand John Bull, daß Nuklands Ziele und englische Interessen sich eigentlich nicht so diametral widersprechen, wie er Anfangs ge­­glaubt hatte. Englische Handelsartikel finden den Weg­ zu den ruffischen Seehäfen genau so, wie zu den türkischen, und ruffische Kaufleute zahlen vielleicht prompter, als türkische. England kan also bei einem Befigwechsel im Orient, falls nur die nothwendigen Grenzen dabei eingehalten werden, nicht­ verlieren. Daher kommt es, daß England, der Kaufmann, der es mit jeder seiner Kundschaften recht gut meint, die Zwürfel dazu bewegen konnte, die russischen Seehäfen, in denen viel englische Waare liegt, nicht zu bom­­bardiren. G­eltsame Bundesfreundschaft ! Rußland hat versprochen, am Balkan stehen zu bleiben. Was geht England das würte, arme Ter­­ritorium Hinter dem Balkan an? Es begnügt ss mit Konstantinopel. Unter englischem Schube o­ nur der Sultan in Stambul fortregieren, Kon,­stitutionelle Komödie spielen und recht flott zu Hohen Binsen pumpen ! England und Rußland sind einig, wie Gavaud und Minard. ... 3040 Bull England ist zu sehr Kaufmann, um nicht mög­­lich viel Vortheil aus jedem Geschäft herauszu­­schlagen und sich nicht alle Sicherheiten dafü­r ver­­schaffen zu wollen. Wenn Rußland sie in Armenien, Inner und Ostasien zu sehr ausdehnen sollte, so wird Enge­land die ägyptische Küste für sich in Beschlag nehmen. &o wird das eine schöne Arrondirung zu den übrigen afrikanischen See-Etappen Englands bilden. Und zur Sicherung dieser „Betheiligung“ ist England Icon­cept, troß seiner Neutralität, bis an die Zähne gerüstet. Seine formidable Panzerflotte, seine Küsten­­­befestigungen beherrschen das ganze Mittelmeer von Gibraltar bis Konstantinopel, von Malta bis Sugz. . So schwärmt John Bull für Völkerrecht und Heiligkeit der Verträge. " Im Fall der Mobilisirung, so schreibt , Keb­t", wird ein sehr großer Theil des­ Siebenbürger Beamtenthums die Waffen tragen müssen," da zufolge der allgemeinen Wehrpflicht der größere Theil unserer Einjährig-Freiwilligen aus solchen bestand, welche die Beamtenlaufbahn betreten haben. Wie wir erfahren, ist von den bei dem Justizwesen angestellten Beamten Siebenbürgns blos ein­e Anw­alt als unentbehrlich befunden worden und so müssen im Falle der Mobilisirung alle übrigen wehlerpflichtigen GerichtsBeamten K­riegsdienste leisten | Dom Tage. Budapest,5. Mai, % Landesvertheidigungsminister Szende ist gestern Abends nach Wien abgereist. Die Reise soll, wie mir­­ erfahren, auf eine spezielle Berufung erfolgt sein. Der Krieg. Budapest, 5. Mai. Das „Bombardement“ der Stadt Braila war, wie man alle Berichte melden, nicht 10 bedeutend, wie es Anfangs hieß. Heute wird diesbezüglich aus Bukarest offiziell telegraphirt: Zwischen den vor Braila gegenüber der Stadt stationirten türkischen Monitor und den dort etablirten russischen Batterien Kbatsih ein unbedeutendes Gefecht entsponnen. Die Türken fahren fort, fremde Schiffe selbst in rumänischen Häfen zu kasern. Die Zahl der bis zum heutigen Tage auf ru­­mänischem Boden stehenden russischen Truppen wurde am 1. Mai auf beiläufig 90.000 Mann ver­­anschlagt. Die russische Intendantur ist unaufhörlich damit beschäftigt. Hier, bi Barboldi, in Ga­­fat; und Braila große Lebensmit­­telvorräthe aufzuspeichern. Sie zahlt jeden verlangten Preis. Selbst die schlechten vorjährigen moldauischen Weine werden von den Russen sozusagen mit Gold aufgewogen, trägt Dieses Datum­­ sind 8 Kolosiale Züge mit Artillerie und Munition in Jaffy angelangt und war Ueberladung gleich weiter befördert worden. Die Artillerie scheint überhaupt in diesem Kriege die starre Seite der russischen Armee werden zu sollen. Rufsis­che Offiziere versichern, daß mit dem Neserve-Artil­­lerie-Barf mehr als 800 Geschoße der russischen Operations- Armee zur Verfügung stehen, die drei Belagerungsparfs nicht mitgerechnet. Kaum, daß erst etwas über ein Drittel der ak­tiven Armee in Rumänien eingerügt ist, so Hört man bereits, daß neue Truppen aus der Ukraine und den Weichsel-Gouvernements gegen den Br­u­th nach­­rüden. 3 sind die die Vortruppen der Reserve- Armee, welche gleich nach dem Donausllebergang über den Pruth gehen und in die Moldau nachrüden wird. Die Reserve- Armee soll auf einen Kombattan­­tenstand von 140.000 Mann gebracht werden. Ueber den Kriegsplan der Türken gegen­­über der gegenwärtigen Lage der Dinge in Rumänien wird der „Polit. Corr." aus Bukarest unter gestri­­gem Datum wie folgt telegraphirt: ZTroßdem in einem vor wenigen Tagen in Rustfshgut abge­haltenen Kriegsrathe beschlossen wurde, auf jede Operation am linken Donau-Ufer zu ver­­zichten, steht doch noch immer die Eventualität einer Bewegung von Kalafat durch die Türken zu gewärtigen. Dem "Ellener" wird unterm 4. Mai aus Galat telegraphirt. Ein türkisches Kriegsschiff ist heute Mittag bei Reni bei der Bruthbmün­­dung erschienen, was den russischen Batterien wie­­der Anlaß zu einer lebhaften Kanonade gab. Nach der erfolgten russischen­­ Kriegserklärung wurde bekanntlich auch die ganze rumänische Wehr­­teast mobilisirt. Biz jegt sind 74 Bataillone Infan­­terie, 16 Escadronen Kavallerie und 32 Batterien organisirt und auf Kriegsruh gelegt. Diese numerisch immerhin respektable Macht soll ihre Aufstellung in der sogenannten Heinen Walachei nehmen. Ob als rechter Flügel der russischen Armee oder blos zur Deckung der reichsten Theiles der Fürstenthü­mer, dies kann natürlich noch nicht entschieden werden. Mean kann aber immerhin als wahrscheinlich annehmen, daß der rumänischen Armee nur dann eine aktive Rolle zufallen würde, wenn die Türken in die Kleine Wala­­­­chei einzudringen versuchen sollten. Gesteht dies nicht, so dürfte wenigstens vorläufig de rumänische Heer sich vollständig passiv oder eigentlich expertativ verhalten. Der Fürst, als General en chef Der ru­­mänischen Armee, sol sich dieser Tage nach Jar jov­a begeben, wo er sein Hauptquartier­ nehmen wird. Die Armee ist mit Proviant reichlich versehen, welcher auf dem Aequisitionswege beschafft wird. Wie heute aus Fa­ff­y telegraphirt wird, wird Fürst Carol das Oberkommando des ruiffiig-rumänischen Armeeforps diesseits des­ AK­ übernehmen. Auf­ dem asiatischen Kriegsshauplage drin­gen die Ruffen rasch vorwärts. Es sind sogar schon Gerüchte von der Einnahme von Kars verbreitet. Man telegraphirt diesbezüglich dem „PB. 2.“ aus Konstantinopel : Aus nicht näher beglaubigter eng­­­lischer Duelle stammende Gerüchte melden einen Sieg der Ruffen bei Kar und die Kapitulation der legtgenann­ten Festung. Von Seite der Pforte werden diese Nachrichten entschieden als unwahr erklärt , doch wird zugegeben, daß die Nussen bis Kars vorgedrungen s­eien und Die legtge­nannte Feftung zernirt, haben. Man fürchtet den Fall von Kard und auf von Erzerum. Auf dem asiatischen Kriegsschauplage stehen 70.000 Türken den Russen gegenüber, welche nahezu 140.000 Mann stark sind. Betreffs der Aktion in Myayenegro wird aus Gettinje, 4. Mai, 1 988. Nachsicht für Oesterreich Ungarn bedeutete der Czar dem Fürsten Nikita, offensiv nur in Albanien vorz­ugehen in der Herzegowina aber si auf die Defensive zu beschränken. Ueber die numidisch-türkische Allianz wird dem "Morning Advertiser" aus Pera vom 1. b. tele­graphirt: „Der Bey von Tunis stellt dem Sultan 18.000 Mann Infanterie und 5000 numidische Rester unter der Bedingung zur Verfügung, daß die Pforte den Transport der Truppen übernimmt und einen Theil der Équipis , rungpforten oderselben trägt. Unter­dingungen kann das tunesische Kontingent d­urchh reis­willige beinahe ad libitum vergrößert werden. Der Finanzminister unterhandelt mit einer italienischen Dampfsc­ifffahrt-Gesellschaft wegen des Transports der Truppen nach solchen Punkten, wo sie am nöthig­­sten sein dürften. Der Seekrieg zwischen Rußland und der Türkei dürfte ein sehr erbitterter werden. Türkische Panzer- Schiffe gehen, wie dem „Daily­ Telegraph“ von seinem Korrespondenten aus Pera, 30. April, gemeldet wird, längs der Küste des Schwarzen Meeres in nord- östlicher Richtung; sie führen mit sich Vorrichtungen zum Schuße gegen die russischen Torpedo. Zu Poti sollen türkische Taucher aus Lafistan im Stande geg zu zerstören. Ueber die maritimen Operationen der englischen Flotte meldet man telegraphisch aus Corfu, 1. Mai: Heute sind fünf englische Ban­zerschiffe des Mittelmeer Geschwa­der 3 hier eingetroffen. — In einem Telegramme aus Rom wird es für unrichtig erklärt, daß das ganze permanente italienische Geschwader. schon von Tarent nach Salonid abgesegelt sei. Dasselbe sei vielmehr noch zu Tarent in der Ausrü­­stung begriffen und in Spezia werden die Panzerschiffe „Roma“ und „Maria Pia“ seebereit gemacht. Im Pyräug befinden sich bloß zwei italienische Krieg d= Schiffe : „Palestro“ und „Sarigliano.“ wefen fein­­e­­ f ruffische Torpedos ohne Schwierigkeit * * * Die ruffische Botschaft erklärte nun, wie aus Berlin gemeldet wird, den Mächten gegenüber f­o­r­­mell, daß nach der Ossupation Y Bulgarien ® der Friede nicht erflufind­urch Rußland, sondern im Einverneh­men mit den Mächten geschlosfen würde. Der Czar bestehe nur auf Durchführung der von den Mächten acceptirten Reformen. Schumaloff erklärte insbesondere, Rußland Am 1. bd. — der Iegte Brief aus Rumänien | denselben Be |

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