Neues Pester Journal, Juni 1877 (Jahrgang 6, nr. 150-179)
1877-06-11 / nr. 160
JosthEisensk Ganzj.sl.1.4,halbj.fl.7, viertelj.fl.3.50,monatlich fl.1.20. Das „Neue Wetter Journals erscheint täglich), auch an Vieningen. Redaktion und Apıniniftration: ‚2eopoldft. Kirdenplat Nr. 2. Ginzeline Nummern dir] Inserate nach aufliegendem Tarif, Die russischs englische Anakierung. Budapest,10.Juni. Ueber die in der europäjischen Presse viel ventilirte Frage der englisch-russischen Annäherung wird uns von einem unserer Wiener Korrespondenten geschrieben: ,,Schuwaloss ist in London angekommen Lord Derby ist demgemäß bereits im Vesttze der Gortschakoff’schen Antwortsnote.Ueber diese letztere sind die verschiedensten Versionen verbreitet«,»ohne daß auch nur die Okatur derselben klehrgestellt ist.Es ist geradezu konisch,zu beobachten,wie selbst«hervorragende Blätter über die Theknairlicht ehren und wie sie sich zeitweilig mit der Annahme, daß zwei Gottichatoffische Noten, emiftiren, aus der Sdeen-Sonsuftion zu retten suchen, in die sie sich selbst verfegt haben. Die erwähnte Annahme ist vollständig inthümlich. Die Note Derby’s vom 30. Mai, in welcher der englische Minister die Striegderklärung Nußlands in so energischer Weise geiielte, it von Hukland unbeantwortet geblieben. SGortihafoff wagte nicht, darauf ein Wort zu erwidern, weil, wenn er überhaupt mit Würde hätte etwas sagen wolen, ein Konflikt mit England unvermeidlich geworden wäre, und Rußland duct sich lieber und steht eher Beleidigungen ein, ehe «3 einen Mächtigen zu reizen sie getraut. Die russische Courage wird immer nur gegen die Pforte in Anwendung gebracht. Die vielbefprogene Note Gortidatoria, um die es sich gegenwärtig handelt und deren Leberbringer Graf Schumwaldf it, bezieht sich einzig und allein auf die Interessen- Sphäre England im Orientkriege. Sie mag just nicht die Form einer Note Haben vielleicht daß sie nur wie eine an den Bottchafter gerichtete Suftruktion abgefaßt it, aber was über ihren Inhalt in diesen Blättern mitgetheilt wurde, ist vollommen richtig. Richtig it ez zumal, daß England fünf Bunkte als in seine Interessensphäre fallend bezeichnete, und daß Rußland in der verbindligten Form die fastan demübbige Devortion streift, in diesen Bunkten jene vollständige Übereinstimmung mit dem S Kabinett von Gt. James zum Ausdruch gebracht hat. Allerdings sind bei diesem Meinungsaustausche die Beziehungen der asiatischen Gebietserweiterungen nicht zum Auftrag gekommen, auch mag es richtig sein, Daß Gortschatoff es vermieden hat, bezüglich der Bewegung Konstantinopels formelle Zusicherungen zu geben, doch wird andererseits mitgetheilt, daß das Wetersburger Kabinet seine Bereitwilligkeit, Konstantinopel unangetastet zu Taffen, wiederholt zum Ausbruch gebracht hat. 65 kommt viel darauf an, wie England die Versprechungen der zu fishhen Regierung aufnimmt. Authentische Berichte sind zur Stunde hierüber noch nicht vorhanden, doch wird es gut sein, wofern man sich von den Ereignissen nicht überreichen lassen will, si seinen Stusionen Hinzugeben. 63 taucht die Nachricht auf, Lord Derby wolle von Hakland Garantien für die Einhaltung der gegebenen Veisprechungen fordern. Das kringt denn doch all’zu unglaubwürdig. Wie könnten beispielsweise Garantien beschaffen sein, die die Eignung hätten, Rußland von der Begehung Konstantinopels abzuhalten? Werden die Auffen geschlagen, dann bedarf es wohl dieser Garantien nicht erst und sind sie siegreich, dann gibt es wohl seine Garantie, die sie stärker binden könnte als das Wort und wollen sie ihr Wort nicht halten. Dann wird wohl an die Garantie zu nichts nahe sein. Die Frage der Garantie dürfte es D denigemäß wohl taun sein, die die englisheisiliche Annäherung aufhalten wird. Wir haben in Der gegenwärtigen Phase der Orientverwirrung oft erlebt, daß Derjenige der Getäuschte mar, der auf Englands Energie fi verlassen hat. 63 wird in diesem Falle nicht anders sein und wer sich vor Illvnsionen beiwahren will, der mag unter Hin annehmen, daß England sich mit dem, was ihm Nußland Dieter, zufrieden geben und vorderhand aus seiner passiver Rolle nicht heraustreten wird. Nußlan it außerordentlich spleudid in Versprechungen : und England überaus anspruchslos in seinen Forderungen, woran sollte unter derartigen Umständen das Einverständniß scheitern 2" ij . Der Krieg. Die heiße Jahreszeit hat sich in Rumänien jäh eingestellt. Sonnengruben lagern auf der unteren Donau und ihren Geländen. Mächtig geht die Verdunstung vor sich. Alle Quellen, Bäche und 3lüffe, welche dem Strome zueilen, müssen in ihrem Laufe fortwährend Tribut den Sonnenstrahlen und der üppigen Vegetation der Ufer zollen. Das Niveau der Donau kommt dadurch zum steten Sinten. Selbst die niedrigen Lifer beginnen sich wieder von ihr abzuheben und die Inseln der unteren Donau, obschon meist unangebautes, sumpfiges, den Wellen überlaffenes Land gewinnen wieder plößlich Formin. Nur die von der Neberschwenmung in den Niederungen zurückgebliebenen Wasserflächen verziehen ss langsamer, als den Nuffen angenehm ist. Doch bei der Menge Menschenhände, die ihnen zur Veifügung stehen, können sie durch Ableiten der Tümpel und Legung von Faschinen der Natur zu Hilfe kommen. Nach meiden Bunkten der Donau aber ihre Vorbereitungen zum Medergange zielen, ist no immer ein Geheimmiß. Ein Gerücht will sogar wissen, daß zwischen den ruffischen Generälen Meinungsberschiedenheiten betreffe Des Hebergangapunttes bestehen. Der Großfürst Nikolaus soll bei Turnu= Magarelli den Hebergang forchen wollen, während nach der Ansicht des Generalstabschef Nepofoijdiblij der Strom oberhalb Widdin über jeßt werden müsse. Wir verzeichnen diese Muthmaßungen und Konjunkturen, ohne ihnen eine reelle Basis zuzugestehen. Die Türken suchen in dessen Durch die sichersten Kundschafter, nämlich der Kanonenkugeln, die sie von Widdin, Nuftschuf und Tartufai an das Linke Donauufer werfen, sich über den Punkt zu vergewissern, wo der Gegner Isek sammmelt und seine Vorbereitungen trifft. Mufhter Bajda kündigt wieder eine Schlacht vor Crzerum an. Gegen welche Abtheilung der Auffen er Ste Schlagen will, it nicht angegeben. Wahrscheinlich betrifft die Ankündigung die tuffische Kolonne, welche von ars ausgegangen ist und nur noch acht Meilen östlich vor Exrzerum zwischen Karsjit und Ajan siehen sol, während sich allerdings auch der linie Flügel der Nuffen durch Umgehung von Toprasfaleh der Armee Mukhtar’s, die in Hasjan Kaleh steht, wesentlich genähert hat. Ueber die Kämpfe mit Montenegro wird der „PB. A." telegraphisch aus Battar “, 9. Juni, gemeldet: Die Montenegriner stehen am Duga-Baffe, während die Türken Miene machen, von Rrstacs und Mus ratovice mit Proviant gegen Nikitcs vorzurücen. Während der lebten Kämpfe erbeutete der Herzenowiner Führer,Lazar Sotihiga, den ganzen Provianttrain der Türten. Seit geitern hört man von Trebinje aus Kanonenzonner und Kleingewehrfeuer in der Gegend von Kors jenics, welches von den Weontenegrinern angegriffen zu sein scheint. Türkische Miliz ist von Trebinje in aller Eile aufgebrochen, um dem genannten Plate Hilfe zu bringen. (ich habe ihn zum legten Male 1873 in Wien gesehen) statt gealtert, bleibt, doch ist sein Gang kräftig, sein Aussehen nicht kränzlich, seine Miene ernst, aber nicht unfreundlich. Der Kaiserzug bestand aus fünfzehn Waggons, von denen Ionenwagen waren. Der Salonwagen des Kaisers ist ein wahres Kabinettstüd. Die innere Einrichtung desselben ist ebenjo bequem aló prachtvoll, fid von den anderen nad) Außen durch die Folojialen welche die Seitenwände bilden. Der Kaiser wanübergange Verwendung finden sollen. $ zwölf Ber: unterscheidet x . ge: Spiegelscheiben, hatte während der Fahrt jedoch nicht diesen, sondern den Wagen des Kronspringen bewußt, wo er mit seinen Söhnen beisammen blieb. — Hinzufüge igpill ich noch, daß ich in Blojefti eine größere Anzahl Diarissetruppen befinden, die jedenfalls beim Do. Ueber die türkischen Krieggrüffungen schreibt man der „PB. Korr.” aus Konstantinopel vom i. 9. N. Berschiedener Comités wurden neuerdings gebildet, um Beiträge zu den Kriegsausgaben zu sammeln. Nach dem jedoch diese Beiträge immer spärlicher flossen, ent= schloß sich die Pforte, alle Neit und Zugpferde der Bezamten und ottomanischen Unterthanen Hier zu requiriren. Auch diese Maßnahme gelang nur halb, indem die meisten Beamten, namentlich die armenischen, ihre Pferde entzweder von hier wegschichten oder an fremde Unterthanen zu Spottpreisen verkauften. Dem ungeachtet konnte das Seraeiterat bisher an 1000 Pferde aufbringen. ’ .· Weiter»beschloß die Regierung die Abtragung der Bleidächer von den Moscheen,Bädern und öffentlichen Gebäuden,um sie zur Anfertigung von Kugeln zu verwenden.So sind schon mehrere Moscheen ihres Daches entblößt.Ebenso werden die Kandelaber, Luster und andere Gegenstände von Silber in den Moscheen zu Staatszwecken requirirt werden.Es war schork die Rede davom die Silbergeräthe der Kirchen zu requiriren,doch ging man hie von aus leicht begreiflichen Gründen für den Augeblick wieder ab.Ein Gleiches ist es mit der Militärdienstpflicht der Christen.Die griechischen Joximale«1111»Patriarchate gaben der Regierung zu verstehen,dass die Christen niemals einwilligen werden,ihre militärische Laufbahn mit einem,,l)eiligen«Kriege(Religionskrieg«e)zlinazigurire11.k)?ad)diesen Einwendungen entschloss sich die Pforte,die Löf 1111g dieser bedeutungsvollen Frage für den Augenblick zu vertagen und sich momentan mit der Einhebung der Militärsteuer(Bed el-Askorieh)zu begegenueber morgen erwartet man hier das egyptische Kontingent mit dem Prinzen Hassan Pascha,welches,ohne hierzu landen,direkt nach dem Kriegsschauplatze abgehen tird.«N111 Prinz Hassan Pascha«wird einige Tage hier verkrechtt,um sich sodann ebenfalls den Truppen als zuschließen ««Um offizielle Spionage zu verhindern,« willpte prrte chiffrirte Telegramme von den Kongun an die Botschafter verbietet,während die Chiffer der Botschafter an die Konsuln frei bleiben soll.Die hiesige1i Zeittungen sind«in großer Verlegenheit weil der Kriegsminister alle Kriegsnachrichten»verboten hat,sodaß ihre IM-· nat-Korrespondenzen von striegstheater werthlos werden. Ueber den G Selbstmord des tiberfessischen Offiziers wird der „Pr.“ aus Saffig vom 5. Suni geshrieben : Noch muß ich einer peinlichen Szene Erwähl 111119 thun,deren Anfang sich vor dem Kaiser selbst abspielte,deren tragischer Schlußakt ihm aber verschwiegen blieb.Die Sache ist die:Während der Kaiser noch aus dem Waggonfenster schaute,nahte sich ihm sein junger hübscher Mann in der kleidsamen Tscherkessen-Offiziers-Uniform that einen Fußfall und wollte ein Papier übersreichen.Der Kaiser machte aber eine unwillige Handbewegung und man hörte die zürnenden Worte:»Als Arrestant nach Kischine1v.««Der junge Offizier schwankte gegen die Ei11gangstour des Wartesalexis zurück und brach jenseits derselben zusmmenz er hatte sich einen fast fußlangen cirkassischen Dolch bis an’s Heft in’s Herz gestoßen und war nach wenigen Minuten eine Leiche. Auf die Frage des Seniers, der eine gewisse Bewegung wahrgenommen und sich nach dem Grunde derselben erfundigte, sagte man ihm, daß der junge Offizier unwohl geworden sei. „Oh“, meinte er, „der dumme Kerl spielt Komödie!” aber der Hatte seine Stelle indessen ausgespielt und war ein stiller Mann geworden. Auf mein Befragen erfuhr ich, daß der junge Mann, der wegen besonderer Tapferkeit in Zurfertan mit dem Ofzfizierstzeug des Georgordens beführt wurde, wegen verschiedener Disziplinarvergehen vom Kriegsgerichte verurtheilt war, fich der Strafe aber durch die Flucht entzogen hatte; inzwischen hat er den serbisch-fünfischen Krieg als Freimillizer mitgemacht und war nun durch circa süchf Wochen hieher gekommen, un beim Durchzug des Kaisers die Gnade desselben anzuflehen. Als ihn Dieselbe verweigert wurde, rette er seinem bewegten Leben in obenerzählter Treife ein jrühes Ende. Der Borfal machte einen tiefen, Eindrud auf das versammelte Bublikum und die gehobene Feststimmung erlitt einen argen Stoß ; lautlos und geriissermaßen betrübt ging man auseinander, sein Bart und sein Haupthaar sind merklicher. Aus Rustschuk,5.d.M.,gehen dek»Augsb.Augs.7 Ztg.«'folgende allerdings sehr mystische Mittheilungen über» ein russisches Korps der Räckzerz 11: Man darf es den Türken nicht allzu sehr verlibeln, wenn sie in ihrer Noth zu allen noch so zweifelhaften Clementen nahmen in Einem Wagen Blak und fast in Galopp gings greifen, um ihren Öequern das Gleichgewicht zu halten, weil in die Stadt durch die Holprigen Straßen an der hurradz in Den nordersten Reihen derselben auch ‚nicht gerade zartberichreienden Menge vorbei, faltete Seelen für die Joce des Glaubens und der Nationa= Der Czarinhaut aus, doch it er seit vier Jahren litát einzustehen berufen worden sind. Man behauptet hier. Von der Ankunft des Czaren wird aus BPlojeiti, den G. d., geschrieben . Der Kaiser wird im Hauptquartier der Armee an allen Schicsalen derselben theilnehmen und unter seinen Auspizien die Operationen vornehmen lassen. Das Oberkommando bleibt jedoch in den Händen des Bruders des Kaisers, Großfürsten Nikolaus, wie unter der Leitung des Generalstabschefs Nepokojihibtij. Der Kaiser ist von allen seinen Söhnen begleitet, die ihre Kommandantenstellen einnehmen werden. Vom diplomatischen Korps war hier beim Empfange nur der österreichische Brzefonsul Brei auf dem Bahnhofe, dagegen fehlte von den im russischen Hauptquartier weilenden Militärbevollmächtigten feiner. Der Französische Oberst Gaillard, der österreichische Oberstlieutenant v. Löhneysen und Hauptmann Bulla, der preußische Major Liegnig, ein schwedischer und ein dänischer Offizier. Die russischen Offiziere waren blos in Garmpagnesiuniform. Der Kaiser und der Großfürst Nikolaus nahmen in einem offenen zweispännigen Wagen Plab ; der Gafarewitich folgte in einer Trozia, dann in einem Landauer die Gronfürsten Wladimir, Sergius, die Herzöge von Leuchtenberg, Nikolaus Nikolajewiis , Fürst Gortshakoff und Fürst Sumwaroff | . « 7 '