Pester Journal - Abendblatt, Juli 1877 (Jahrgang 4, nr. 52-77)

1877-07-02 / nr. 52

Budapest, Montag an ar Tu NEE­TERN Abendblatt des Peter Journal. ___ Reiseplänen des Marshalle. Nach den Einen will er das innere Frankreich besuchen, zuerst Bourges, wo er eine Unter­­redhung mit dem General Ducros haben soll; nach anderen nähme er die Seebäder in Dieppe oder Trouville und käme zu jeder Ministerrathaf­sung nach Paris.­­ RL 1877, sie rücsichtslos aufgeklebt haben. Diese successiven offiziellen Plakate, die Niemand abreiben darf, bilden an manchen Wänden eine Art von Rappdedel, von zeitgenössischen Balimz­pfetten, die vielleicht schon im nächsten Jahre, wenn hohes republikanisches Gras über den 16. Mai gemachten sein wird, zur Erforschung der Geschichte des ordre moral dienen künnen. Sie den schlichten Leser hat ein Minister genau sagt, was der andere , der Historiker wird gegeneinander führten und die Orleanisten und Staatzstreichpolitik hineinreißen den nach Bestreben des Kabinets, aber in diesem Halbjugend Neben die Gegensäß der Koalition des 16. Mai vom ersten Tage an einen stillen Krieg bereits heute in der konservativen Breite scharf hervortreten. Die Legitimisten wollen nicht die Zölpel der Bonapartisten sein; sie wollen lassen. Darum wollen sie auch nicht, daß man drei Monate oder gar drei Monate und zwanzig Tage bis zu nicht Neuwahlen warte; die Partei des "Appel au peuple" könnte bis dahin durch irgend­eine Provokation dem großen Wahlakt vorgreifen und jede friedliche Lösung unmöglich machen. Im „Soleil”, dem Organ des Herzogs v. Aumale, erklärt Hervé die Bestim­­mtung der Verfassung Hinsichtlich der anzuberaumenden Neu­­wahlen ist durchaus klar und meist die bonapartistische In­terpretation, wonach hinter den drei Monaten noch eine un­­bestimmt und beliebig lange Wahlperiode käme, als absurd zurück. Die legitimistische „Gazette de­ grance” anderseits liegt im Hader mit dem , Ordre", in welchem Rouher­thum angreifen läßt. Der Plan der Bonapartisten ist, zuerst mit Hilfe der Royalisten und unter dem Schuße der offiziel­­len Kandidatur die Republikaner aus dem Felde zu schlagen und dann in den Nachwahlen auch den Bundesgenossen den Garaus zu machen. Jede Partei behielt auf die Wahlbezirke, die sich die verbündete ausgesucht hat. Da Mitglieder einer und derselben Partei machen sich Mandate streitig­­.0 3. B. fuht in La Reole ein ganzes Regierungsprogramm Bereite dem milden Bob, Mitchell seinen Sig zu entreißen ; möglicherweise bekommt ihn seiner von beiden, denn die Republikaner stellen dort, wie in Fünfzig anderen Bezirken Herrn Thiera auf, dessen Wahlmanifest, vier große Quartfeiten umfassend enthaltend, am Tage des Beginns der offiziellen Wahlperiode in allen Arrondisser­ments, in denen man ihn aufstellt, gleichzeitig erscheinen und angeschlagen werden wird. Bei den Wahlen vom Februar fiel Thiers nirgends als in Paris aufstellen, um den Marschall zu schonen; aber da Ieterer jet ein Elebiszit haben will, so soll er es haben, Auch SGambetta wird in zahlreichen Bezirken, die rest­antirepublikanisch vertreten sind, den Republikanern ge­­statten, mit seinem populären Namen ihre Propaganda zu Ye mehr die Regierung das Schwierige ihrer Lage und die Unwahrscheinlichkeit ihres Sieges einsieht, desto mehr hält sie darauf, innen als geießlich, ultramontan zu erscheinen. Der Brozeb gegen "Republique franqaise" und "Bien public" zeigt das zu verhindern, daß man sie im In­­land Batifans hält. Sie weiß, wie sehr diese Meinung ihrem Kredit bei den Wählern und im diplomatischen Verkehr fehndet. Zum Leber­­fluß Aisne, ihr die Präfekten der Orne, der Dife, der f. w., die ihre Demission eingesandt haben, weil sie sich wohl zu einem Interim von einigen Mo­­naten bis zu den Neumahlen, nicht aber zur Ausführung des hoffnungslosen,, verzweifelten Staatsstreichprogramms der Bonapartisten hergeben mögen. Man spricht von Neuem von Tagesweuigkeiten. Budapest 2. Juli. Der König ist gestern Früh 6 Uhr mit dem Postzuge der MWestbahn von Yb­hl in Wien angenommen und hat um 11 Uhr den Bringen Ylexander von Seffen empfangen. Bont neuen Wettrennplat. In der heutigen Situng der Finanzkommission wurde ein Sublimite entsandt, welches betrefft Feststellung des Vertrages in Angelegenheit der Uebergabe des neuen Wettrennplanes wirken soll. Die Miklösy- Arena im Stadtwäldchen soll nach einem heutigen Beschlusse der städtischen Finanzkommission doch noch heiter gemolirt werden. „Sodass Jungfrauen”, wie sie Wien und Berlin be­ fißen, wird bald auch Budapest heffen. Die Finanzkommis­­sion gab nämlich­­ heute einem gemilsen Georg Szöfe die Lizenz, auf den hauptstädtischen Promenaden gegen eine jährliche Gebühr von 80 fl. Sodahütten zu errichten — und eine Sodahü­tte ohne „Sodasjungfrau“ war noch nicht da. Zur Großstadt fehlte uns eben noch diese gemeinnüßige In­­stitution. Ein entsprungener Schübling. Der bekannte Dieb Leopold Kohn aus Duna:Szefesd sollte von hier abge­­schoben werden, entsprang indessen. Er wurde verfolgt und mit schwerer Mühe festgenommen, wobei der betreffende Boz Kizist von seinem Seitengewehre Gebrauch machen mußte, ful als Bräutigam. Man berichtet aus Paris: Man will hier wissen, daß der Sohn Napoleon’s II. sich mit Donna Maria de­ Poilar, einer der Töchter der Königin 3 fa de­lla, verheiraten werde. Seine Mut­­ter Eugenie, welche Empfehlungsbriefe vom Balk­an hatte, soll bei ihrem Aufenthalt in Spanien die betreffenden Unter­­handlungen geleitet haben. Generalstabserfursion. Wir haben­ bereits gemeldet, daß eine größere Generalstabsübungs:Ex­kursion von Offizieren der Fönigl­­ing. Honvedarmee stattfinden werde. Am 12. eventuell am 14. d. treffen nun die Herren in Oedenburg ein und zwar : 1 General, 8­9 Stab3, und 25—26 Ober: Offiziere, ferner 1 Herr Intendant und 75—80 Mann mit ebenso vielen Pferden. Gleichsam zur Kontrole dieser Gene­­ralstabsübungstour wird auch ungefähr zu derselben Zeit Der Adlatus des Herrn Erzherzog-Oberkommandanten der Honved: Armee, Feldmarschalllieutenant von Gr­aeff mit einem Obersten, 3 Oberoffizieren, einem Intendanten, 14 Mann sammt 17 Pferden nach Oedenburg reisen. Sermed Effendi, der bisherige türkische Konsul in Budapest, sol, wie , Egyetértés" aus Konstantinopel tele­­graphirt wird, nicht mehr nach unserer Stadt zurückehren- Sein Nachfolger wird wahrscheinlich der bisherige Sekretär bei der türkischen Gesandtschaft in Berlin sein. Michael 3ihys neuestes Gemälde, „Die Königin an der Bahre Franz Deal’3", wird die nächsten Tage vollendet und die nächste Woche zur Ausstellung kommen. Der „Bon­­fitt", der sich zwischen dem Maler und Minister Trefort be­­­­treff3 Vervielfältigung des Gemäldes entwickelt, ist beigelegt.­­ Die Hälfte des Erträgnisses der Vervielfältigung fällt dem P­ariser Verein, die andere Hälfte dem Budapester und Füre­­der Rettungshaufe zu- Ein russischer Verwundeter in Budapest, Gestern Abends erregte im Bahnhofe der öfter: Staatsbahn ein ver­­wundeter, auf Krüden gehender russischer Offizier allgemeine Aufmerksamkeit. Er erkundigte sich beim Bortier, welches der „kürzeste Weg“ nach Böttgen sei. Dieser Offizier ist einer der­­jenigen, die gleich bei den ersten Gefechten auf dem asiati­­schen Kriegsschauplage verwundet wurden. Er reist nun auf ärztlichen Rath nach Böttgen. Dalmatiner in der russischen Armee. Wie "Na­rodni Fift" meldet, sind einige dalmatinische Fünglinge in die russische Armee eingetreten, um gegen die Türken zu­ kämpfen. Unter anderen begab sich vor einigen Tagen der junge Banl Blainic au Drnizs von Zara aus in das rus­­sische Kriegslager an der Donau. Ein türkischer Knabe und dessen Mutter übertra­­ten — wie man der „Zaltava” aus Karlstadt schreibt — in Valisfeld am Sluiner Kordon, zur katholischen Kirche. Der Vater, resp. Gatte, forderte die Auslieferung wurde je­­doch abgewiesen. Ein flü­chtiger Honvedoffizier. Man schreibt der ‚„Ngramer P­reffe” aus Karlstadt: Dieser Tage wurde, in MBojnic von dem dortigen Gendarmerieposten ein Honvéd­­offizier aufgegriffen, welcher in die Türkei zu­ flüchten suchte; er wurde hieher gebracht und vom Prabkommando,­ unter Abnahme des Offiziers,Chrenmortes, auf freiem Jake gelass­­en. Trotzdem machte er einen abermaligen Fluchtversuch gegen die Grenze, wurde aber neuerdings in Kertfinje aufge­­griffen. Inzwischen war auch aus Budapest die Nachricht eingetroffen, daß der Betreffende als Deserteur zu behandeln und sofort dahin abzuschieben sei, was auch­ unmittelbar er­­folgt­e­.­­ Der „Wunder-Nabb“, der, wie mir­ meldeten, legt, bin in Stanifecz sein Unmesen trieb, wurde vom box­­tigen Stuhlrichter ausgewiesen. 3 wurden bei ihm 4500 gefunden, das Geschäft florirte daher. Sein Reifepaß war aus Faffy dativ, und 1876 Yieß fördern, friedlich und und sagen im Ausland es des Doubs u. für dasselbe ge: sie fürchten, das König: vertreten finden, die in sich nicht eine Succurfale bes in Die nach außen als Wiener Briefe. (Orig.:Feuilleton des „Beftter Journals) — 30. Juni. Die Journalistin schaart sich naturgemäß um Leute, denen im Laufe der Ereignisse eine Rolle zugetheilt zu sein scheint, sie umschwärmt Objekte, welche durch die Umstände geeignet sind, in die großen Fragen und Räthsel der Zeit bedeutungsvoll einzugreifen, die Näher des mächtigen, politi­­schen oder sozialen Uhrmerkes hemmend zurückuhhalten oder fördernd vorwärts zu treiben, kurz den Centralpunkt für wich­­tige Entscheidungen abzugeben. 34 brauche Ihnen wohl nicht erst zu Tagen, daß gegenwärtig das Kriegsministerium ein solches Objekt ist. Von hier aus kann uns ja fü­ndlich Ge­wißheit werden in den Zweifeln, die uns umfangen, von hier aus muß es uns ja zuerst offenbart werden, was sich hinter den Versicherungen der­ beiderseitigen Ministerpräsidenten birgt, was über Aktion oder Nicht-Aktion der Monarchie beschlossen ist, was in der Zeiten Hintergrund schlummert. 63 ist darum begreiflich, daß seit einigen Tagen unser Kriegsministerium von den Journalisten aller Parteien und Richtungen förmlich cerntrt ist. Sie alle möchten Aufidius über Ok­upation und Mobilisirung, über Krieg und Frieden — aber alle müssen sie nach jedem erneuten Sturmangriff unerwarteter Dinge wieder abziehen und sind, wenn sie den Rückzug antreten, immer gerade so gescheit, wie zuvor. Wer „sollte ihnen­ auch befriedigenden Aufschluß geben? Die Beamten sind in jene Geschäfte, welche mit den militärischen Vorbereitungen zusam­ Benedikta. Roman von Karl Detlef. Zweiter Band. (Fortlegung.) „Wenn dem so wäre — was ich bezweifle —" schaltete der Prälat verbindlich ein, „so wird sie ein ungerechtfertigtes Vorurtheil recht ablegen.“ Marschall Hatte wider Willen einige Bruchstüce dieser Unterhaltung vernommen. Er konnte dem Dot­tor nicht Unrecht geben, Benedikta war eben nur höf­­lich gegen Lenbachs, sie fehlen die Bekanntschaft mit ihnen bei jedesmaligem Zusammentreffen von Neuem zu beginnen und er wäre noch viel natürlicher gewesen, wenn sie sich dem Ehepaar, dessen Haus ein angesehe­­­­nes war, enger angeschlossen hätte. © frei und leicht, wie fast noch nie, hatte sic Benedikta an diesem Abend gefühlt. Das neue Leben lief fich wundersgön und vofig an, sie schien nicht bloß glücklich, sie war es in der That und diese wonnevolle Empfindung gab ihrem Wesen einen er­­höhten Schwung. Sie war von u­nwiderstehlicher An­­muth und Liebenswiürdigkeit und selbst der Heine Re­gierungsrath gestand, daß sie ihn ganz und gar erobert hätte. So fein, wie sie, wußte Niemand zu smeicheln und zu berühen, ohne daß sie dabei im Stafetterie verfallen wäre. Den Schluß hatte der nächtliche Spaziergang gebildet, den Marschall vorgeschlagen, um noch ein paar Worte ungestört mit dem jungen Mädchen mech jeln zu können, mit dem er in der Gesellschaft kaum mehr wie jeder Fremde gesprochen. Der tief in seinen Mantelfragen untergetauchte diskrete Freund hatte alle Pflichten einer nichts sehenden Ohrendame gewissenhaft erfüllt. Benedikta’s Geplauder, das immer in weiter Form das Geständniß wiederholte, wie sie ihn von Anfang an im Herzen getragen, berauschte Harry wie der feurige Montefiascone, in dem er der Braut Gesundheit getrunken ; er hörte solche Worte zum er­­sten Mal aus einem Munde, der nicht mir zärtlich, sondern auch fesselnd und gedankenreich zu sprechen wußte. Des Mädchens glühende Seele riß die feine mit fort, den scharffantigen, stahlharten Mann über­­kam eine ungeahnte Weichheit, ein Nachfrühling von Poesie und Liebesseligkeit ging ihm auf, dessen Son­nen die goldig strahlenden braunen Augen waren. Solche Augen so ehrlich und klar, so fantasievoll leng­­end, meinte er noch nicht gesehen zu haben, wie er überhaupt noch seiner Frau begegnet war, in der sich die verschiedenartigsten Eigenschaften so harmonisc vermischten. Weiblicher konnten seine Schwestern nicht fein und fester und energischer waren die wenigsten Männer. In diesem Nom, das er 10 unablässig be­­sümpfte. Hatte er einen Schuß gefunden und ihn, so zu jagen, a­.3 den Händen seiner Gegner empfangen. Hätte er nicht dem Wunsc des kleinen Freundes nach­gegeben und die Gräfin Sumwanny besucht, würde er Benedicta vielleicht nicht wiedergefunden haben. „Der Mord it heute größer, die Sterne fun­keln heller,“ hatte das junge Mädchen ausgerufen und den glück­chen Blick in den Himm­elsraum versenkt, zu dem sie oft voller Groll emporgeschaut . . . Ein Wort hatte diese sonnigen Träume zerstört, sie grausam zur Wirklichkeit zurückgeführt. Sie hielt in ihrer geräuschlosen Wanderung inne und starrte auf das weiße unbeschriebene Papier, das Teresa aus der Mappe genommen und auf 003 Büreau gelegt . .. Sie mußte dem Schwager schreiben, Marschall Brief durfte ihn nicht eher, wie ihre Meittheilungen errei­­chen. Die Feder, die sie schon ergriffen, entfiel ihrer­ Hand, es flimmerte ihr vor den Augen, to konnte die Burchstaben nicht unterscheiden, die sie zitternd hinwarf. Ungestüm stieß sie die Thür nach der Ter­­rasse auf, der Falten Luft nicht achtend, trat sie im dem dünnen Nachtkleide hinaus, da ihr von den Schultern geglitten war. Ein tödtlicher Haß stieg in ihr gegen den Mann auf, dessen Sonderbarkeiten und Schroffheiten unberechenbar waren und der die Fäden ihres Gejeides in den Händen hielt. Vielleicht sandte er ihr nur einen steifen pedantischen Glückwunsch, der nichts anderes bedeutete, ala daß ihm die Sache um endlich gleichgültig sei. Wenn sie sich sein Verhalten ihr gegenüber zurücrref, so hatte sie mehr Grund für für diese Annahme; ein absoluter Egoist, wie er, wünschte nichts mehr, als mit fremden Interessen unbehelligt zu bleiben. Anderseits aber wurzelten in ihm eiserne Grundlage, um deren willen er fähig war plöglich mit seinen Gewohnheiten, seinen gelehrten

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