Neues Pester Journal, Oktober 1877 (Jahrgang 6, nr. 272-302)

1877-10-14 / nr. 285

Re, , Brdonnewen ET viertelj. fl. 3.50, monatlich fl. 1.2 u aan > 1.0 nen nn me mn rm m nn Peiter Journal“ ersgeint täglich, auch an Montagen. Morgen | Montag) Früh erscheint wie gewöhnlich eine­ Nummer.­ edattion und Administration Zeopoldft. Eichenplat Nr. 2. Ginzeine Nummern 4198 Inserate nach anfliegendem Garif, Der Gar. Budapeft, 13. Oktober, Bor einigen Tagen it aus Petersburg ein Dementi der Nachricht eingelangt, daß der Czar den Kriegsschauptak in Bulgarien zu verlassen gedenke. Die Adressen des Adel und der Städte, die auf seine Heimkehr drängen, hat er unbeachtet gelassen. Er Bleibt bei seinem Heere. Aus welchen Grunde? In welcher Absicht? Er kommandirt seine Truppen und findet seine Freude an dem Kampfgewühl. Un­­beweglich saß er während der Schlachten bei Plevna zu Pferde, starrte auf die warnenden Sturmk­lon­­nen, auf die fl­iehenden Hanfen von Leichen und Verwundeten. Doch mischte er sich mit seinem Worte in die Schlacht und als der Abend hereinbrach und alle Gewaltanstrengungen zu­­ Schanden geworden­ waren, verließ er schweigend­ den Schauplak des Blutes und des Jammers. Die Unruhe und Angst. Die in aus den Marmorsälen des Winterpalastes nach Bulgarien getrieben, kann. Angesichts solcher Gzenen nut von ihm:gewichen sein. Will der Graf mit eigenen Augen sehen, wie die eiserne Hand des Schicsals seine, theuersten­ Pläne zeriämettert? Oder harrt er aus, um im geeigneten­ Moment der S Kriegesurie Halt zu gebieten? Noch is f eine Gesinnung , sein Entschluß entscheidend ‚Für ‚Diesen Krieg. Der Sultan, obí den Sieger in so vielen Kämpfen, kann Doch, beim beten Willen Teinen Frieden schließen ,denn noch "weilen die Feinde auf seinem Territorium, noch werden An­­sprüche an ihn gestellt, die­ sein Souverän gewähren kann. An­ Rubland werden seine Ansprüche gestellt, es kann ohne materielle Beschränkung seiner Macht, ohne Länderverlust die Hand aus diesem bösen Streite zurückziehen. Wohl mag dieser Gedanke ebenso oft den Kopf des Grafen du­rchjzuden, als der entgegengefegte, den Strieg, bis auf­ 3 Aeußerste fort­­zuführen, um das Prestige Ruklands zu­ retten. Von den russischen Heerführern und­ den Großfürsten ist nichts zu Gunsten des Friedens zu erwarten. Nach Art schlechter Generale und Militärischer Dilettan­­ten hoffen Diese Herren durch einen günstigen Zufall alle ihre Niederlagen wett zu machen. Was steht aber von dem Kaiser von Nußland für den Fries­den zu erwarten ?­­ Der­ Czar Merander gehört nicht zu jenen sel­­­­tenen Herrschern, die aus­ selbstbewugten Willen­­ Gutes schaffen, aber er ist auch sein hartgesottener Tyrann, sein Nero oder Tiberius. Ein Monarch, der es zum Stolze seines Lebens rechnet, Daß er gleich beim Antritt seiner­ Negierung den Behler seines Baters gut gemacht und den Briefen der­ Melt wieder gegeben hat, und der dann selbst mit heiler Haut sich in denselben Krieg stürzt und sich in die gleiche Sadgaffe begibt — ein Monarch), der, um die Yeiden des Strieged­ zu mildern, eine­ Menge hus maner Projekte anregt und dann selbst den Anstoß gibt zur Entfesselung der Gräuel des religiösen gaz natismus — ein solcher Monarch ist offenbar von seinem festen Willen­ geleitet, sondern trägt den Stempel des Wankelmuthes und der Schwachheit. Allein. diese Schwachheit hat einen ganz besonderen Charakter, weil­ sie nicht blos auf einem Throne, sondern auf einem so­ exzeptionellen Throne, wie der ruffische, groß gezogen worden ist. Von einem Konstitutionellen Monarchen er­war­­tet man, daß er ein Durchschnittömensch sei, einen Durchschnittenerstand besige. Lin Bente in Dieser Stellung wü­rde­ vielleicht mehr Schaden als Nuben stiften. ‘Um den konstitutionellen Monarchen vor Ausschreitungen zu wahren und um seine etwaigen Schwächen zu repariren, sind seine Staatsaktionen auf die:eine oder, die andere Mette, von der Billigung des Parlaments und der verant­wortlichen­ Negierung abhängig gemacht, und eine große Kontrole über alle öffentlichen Angelegenheiten übt endlich noch die freie reife. Diese merkwürdigste Schöpfung der Neuzeit. Nichtsdestoweniger verlangt man von einem sonsti­­­utionellen Monarchen, Daß er die tüchtigsten­ Leute zu seinen Rathgebern und zur­ Führung­ der Ges­chäfte auswählt, daß er die Mittel und Streit­kräfte des Landes auf's Genauerte überwacht und auf' 5 Belteuer vollkommt, daß er die Kräfte der Nach­barländer rennt und ganz besond­erő Die­ Stärfe eines Feindes, mit dem er in­ Krieg­­ geräth. ‚Alles. Dies verlangt­ man nicht von­ ihm,­ weil­ er mehr Verstand hat, ‚sondern weil er besser in der Gage, at ein Anz derer, ist, sich über diese Dinge Aufklärung zu ver­­schaffen. Ein absoluter Herrsiher dagegen müßte eigent= lih ein­ Genie sein; nur die­ anderordentlichste Des­gabung wäre im Stande, einen: so vielfältigen un­komplizirten Mechanismus, wie­ ein Staat ist, nach eigener Machtvollkommenheit richtig zu leiten. Nun den. ein konstitutioneller Monarch Tann id) gläd­­licherweise nicht sehr überheben, ohne auf feststehende Sie se an Seiten Beilage. Wiener Brief. Original-Feuilleton beg „Neuen Pester Journal") — 12. Oktober. Ein munderliches Geschäft, das Diplomatengeschäft, in seinen Stimmungen ‚und dent Ausdrude derselben wechselnder, als die leider auch in weiteren Kreisen bekannt gewordenen „Slustuationen” der Börse. Ich habe vor einigen Tagen Gelegenheit gehabt, einige Höchst interessante Rapierblättchen in Händen zu halten, beschriebene Blättchen, die Zeilen nicht über das ganze Blatt laufend, sondern zu beiden Seiten regelrecht gemessenen Raum lassend­­— es waren Verse und die Schrift war die­ des Grafen Beust. Sie trugen das Londoner Datum, neueste Gedichte also. 99 griff lebhaft darnach, alle journalistischen Gide ihm wörend, daß mein Gedächtnik absolut nur auf Prosa und nicht­ auf Verse eingerichtet sei,­waß ich also, beim besten Willen dazu, nit im Stande sein würde, „vom Blatt weg" indig fret au­fein und­­ die gelesenen Bere zu unz­­eitiger Kenntniß der österreichische ungarischen Oeffentlich­­keit zu bringen, um­ derselben durch solche Indiskretion vieleicht inopportune Andeutungen über die Situalion zu geben, wie sie sich unserem Vertreter am Themse= Strand darstellen mag und über die Auffassung, die er von ihr liest. Aber es hätte mich nicht gelitten, die Gedichte nicht zu lesen. Denn, daß ih8 nur gestehe, ist’s viel­­leicht der­­ Sinnege und Gemüthssonner, der über­ Haupt zwischen dem Feuilleton und dem Manne be­­steht, welchen man den Feuilletonisten unter den­ Staat­s­männern zu nennen pflegte, oder Liegt speziell ein Zug innerlichen Verwandtseins zu Grunde, ich kann mit der in ihren Raderinnerungen­­ festhaltenden Sympathie für die Individualität, die menschliche, nicht die politische, 968 ins Londoner Botschaftshotel Hin verbannten Exrmini­­sters nicht entschlagen und mit interessiren die spontas­enen, poetiscen Kundgebungen bieser, so Leichtlebig feet nenden und bod­ fo sensitiven Persönlichkeit. Ich las erst die Gedichte. Sie sind imprägnirt von der Melancholie entschlossener Resignation — gleich, als hätte Graf Beust, da er sie niederschrieb, bereit jene, vom t­elegraphen gem­eldeten Unterredungen mit Lord Derby in Knomw3- Ley gepflogen, in welchen von den Aussichten Die Nebe gewesen sein soll, die eine Mediation in den Kriegslagern allenfall finden könnte und von den Noüdsichten, auf welche die Friedenswünsche Oesterreichs bei dem rufsi­hen, durch Die Seelenfasern des DreisKaiser-B­ündnisses ihm ja de­no immer innig verbündeten Herzensfreunde treffen durften. Resignirendes, für sich selber auf alles Weitere verzichtendes Zuschauen bei dem ferneren Kampfe der Welt und des Lebens, Sich bescheiden mit dem Be­wußtsein dessen, was man gewollt, angestrebt und viel­­leicht auch in bescheidenem Ausmaße erreicht hat. 568 ist die Stimmung, welche der Berfasser der Verse in denjels ben zum Ausdruck bringe — als Vertreter Oesterreich- Ungarns ? Dicht daneben Tagen ein paar andere, größere Blätter, Noten­blätter — Graf Beust schreibt besanntz­­ig auch­ andere Noten, a[3 diplomatische — aus viel frü­­heren, hesseren Tagen datirt; es waren luftige Walzer, „Freude auffenfzend, zum Tode betrübt” — ein wun­ders­lich „fluftuirendes“ Geschäft, das Diplomatische. Die Wal­ jet wird Eduard Strauß vielleigt im Ballsaale spies­sen, die Beite, vom Autor selbst in musikalische Liedform gebracht, wird man vielleicht im S Konzertsaale zu hören bekommen, eine musikalische politisge Freude und Leid” Geschichte. Sie sehen, man appellirt nicht umsonst an die Dis­­kretion eines Journalisten — ich habe wirklich nicht einen einzigen Vers d­ti­t. Nur wo es sie um einfache, klare Prosa handelt, ist es nicht immer räthlich, solcher Diskres tion, allzu sehr zu trauen, wie es der, im Bronzestahlwesen offenbar, besser, als im Zeitungswesen,bemanderte treffe liche General Uh­atius am eigenen Beispiele erfahren- Folgende ermögliche Anekdote nämlich wird noch aus der Tragikomddie der verrathenen Kanonen erzählt. Unmittels­bar nachdem die Affaire an das Untersuchungsgericht ges­­eitet worden war, erschien in einem, landsmännisch Ihnen im Weltenraume nicht sehr ferne stehenden Blatte eine Notiz, welche so ziemlich das ganze, der Untersuchung zu Grunde liegende Material in erschöpfenden Umrissen dar­stellte. Höchliche Entrüstung natürlich in den, allem publis­zistischen Gebühren ohnehin nicht besonders wohlgezogenen Kreisen und eine in den Ausbrüchen Äußerster Ungnade abgefaßte Strafnote an das Untersuchungsgericht, aus­ dessen Schoße allein, bivett oder indirekt, jene Mittheiz lung in das transleithanische Blatt gekommen sein könne. Darauf eine ziemlich scharfe, entschieden gehaltene Vers­cheidigungstepsis des so fälschlich beschuldigten Tribunals, worin unter Anderem die Höchst bespettirlich, anzügliche Bemerkung enthalten gewesen sei, daß das Untersuchungss­gericht seinerlei journalistische Verbindungen, weder mit dem betreffenden , noch mit einem anderen Blatte unterz halte, daß es aber Ministerien geben solle, welche in derlei intimen Beziehungen zu der Journalistis überhaupt und ganz speziell zu jenem Blatte stünden. Offiziell war damit die Lage abgethan. Nach einigen Tagen aber kam m­an eine der, bei der Untersuchung betheiligten Gerichtspersonen, die natürlich gleichfalls von der amtlichen Rüge getroffen worden war, ein Privatbillet des General Uhating vor Liebenswürdigster Entschuldigung darüber, daß er selber das ganze Unheil angestiftet , fintemalen er einem Bekannten von der Affaire erzählt habe, natürlich in der unbefangensten Ahnungslosigkeit, daß er sich damit zum indirekten Neposter einer Zeitung machte. So fan­e man unschuldigster Weise zum Mörder des eigenen Kindes werden.

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