Pester Journal - Abendblatt, November 1877 (Jahrgang 4, nr. 158-182)

1877-11-02 / nr. 158

= Budapest, Freitag Herren Durien, Descamps und Durand, m­ä z­ur Stichwahl gestellt, da sie behaupten, daßs sie schon bei der e­r­ten Wahl die Majorität der Voten für sich gehabt hätten. Die betref­­­fenden Wahlkommissionen hatten bekanntlich eine Anzahl Stimmzettel, auf melden der Name des republikanischen Kandidaten aufgelebt war, für ungüftig erklärt. Die Majo­­rität des Abgeordnetenhauses wird unzweifelhaft diese Stimm­zettel validiren und damit auch die drei republikanischen­­ Kandidaten für gewählt erklären. Das Resultat der Ballo­­tagen stelt sie demnach auf acht Reaktionäre und sieben Republitaner. Rechnet man dazu das Resultat des 14. Dft. und ferner­ die­ vier Vertreter der Kolonien, welche den Re­publitanern sicher sind, so ergibt sich für die neue Deputir­­tenkammer das folgende Verhältnis: 325 Republitaner und 08 Reaktionäre. Nur einige wenige gouvernementale Blätter machen einen schwachen Versuch,­ aus dem gestrigen Ergebnis für Herrn v. Fourton Kapital zu schlagen. Im Uebrigen beschäf­­­tigt sich alle Welt nur mit der Krisis. In welcher Weise der ‚gordische Knoten, der seit dem 16. Mai geschü­tzt wurde, ger­­ört werden wird, darü­ber liegen auch heute noch seine sicher­­en Andeutungen vor; nur so viel st gewiß, dab Marschall Mac Mahon es nicht bis zum Neußersten treiben wird. Die Ber­öhnung hängt nicht nur in der Luft, sie ist bereits faß­­bar geworden. Einer der berufensten Tribunen der Opposi­­tionspartei, John Temorine, gibt heute im "Journal des Debats" das Signal zu allgemeiner Mäßigung. Der be­­treffende Artikel ist das E­reigniß des Tages. Wenn auch die Journale der „republikanischen Linken” heute Morgens noch den Nachvult des Marschallpräsidenten als Nothunwendigkeit darstellten, so begegnet man doch heute Abends unter den Anhängern Gambetta’s fast ausnahmslos zustimmenden Aeußerungen zu dem sensationellen Artikel. Und in den näcsten Tagen, vielleicht morgen schon, wird man auch in den Organen dieser Parteischattirung eine geriisse Umkehr be­­merken können. Man darf vielleicht behaupten, daß die wirklichen Schwie­­rigkeiten der Situation sich n­ur noch um die Beamten­­frage drehen. Doch auch hier wird sich die goldene Mittel­­frage finden lassen, indem man nur diejenigen Funktionäre­­ entfernt, welche sich in ihrem Liebereifer zu handgreiflichen Berlegungen des Gefees hinreißen geben. Eine solche Kon­­­zession wird den Marschall durchaus nicht in Konflikt mit seinen gegebenen Versicherungen bringen, wenn er nur Die l­icht acceptable Bedingung stellt, daß die betreffenden Ver­gebungen öffentlich nachgewiesen werden. Die Berifikationen werden dazu genügende Argumente an den Tag bringen. Abendblatt des Welter Journal. Unterhandlungen zu Grunde lag, den beiden Parlamenten vorgelegt unsere Freihändler als auch unsere Schulzöllner in Harnife) gebracht. „Die ungarische Regierung hat für die Garantie der zollfreien Ausfuhr seiner Produkte die Preisgebung Oesterreichs an die Schulzöllner bewilligt" — die „Deutsche Zeitung“, „um zu erkennen, daß die Pester Abmachungen die vollstän­dige Preisgebung der österreicischen inter­essen an Deutschland bedeuten." Es bedarf nichts weiter,als des­ Gegenüberstellung dieser beiden Cassandra-Rufe,um zuerkennen,daß man in Veit ohne Zweifel das Richtige getroffen hat. Mit der Preis­­gebung Oesterreichs an die Schubzöllner fann so schlimm stehen, wenn der österreichischen die Schußzöllner über ihren Triumph in ein solches Miehgeschrei ausbrechen, und mit der Preisgebung S Interessen an Deutschland meint es ebenfalls gute Wege zu haben, wenn das freihänd­­lerische Organ, welches für den Handelsvertrag ihmwärmt, in den Bester Beischlüffen die Quelle der Zwietracht und E­rbitterung zwischen Oesterreich und Deutsch­­land wittert. 63 ist eben Feiner von den extremen Parteien das wirkliche Interesse einer jeden von beiden Reichshälften beschlossen worden, was unter den obmwaltenden Verhältnissen das Beknünftigste war. Die Vorlage des autonomen Zarifes ist nur die junausweichliche Konsequenz des Abbruches der Vertragsverhandlungen mit Deutschland, welche jegt nicht ohne zu­gleiche Fürsorge für den zal des abermaligen Scheiterng wieder aufgenommen werden können. Nach unserem Geschmack ist die Wiederaufnahme dieser Unterhandlungen überhaupt nicht, allein in Ungarn fürchtet man nun einmal von Deutsch­­land Repressalien und da die ungarische Regierung mit dieser Stimmung des Landes rechnen muß, so blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als ihre Zustimmung zur Vorlage des auto, an die Bedingung der gleichzeitigen Wieder: der Verhandlungen mit Deutschland zu knüpfen. Hoffen wir, daß die beiden Parlamente in der Kenntniß von der Nothwen­digkeit, en fon Durch möglichste viel zu lange schhwebenden Ausgleichen sich einmal unter Doh und Fadh zu bringen, die diesfälligen Bemühungen der beiden Mo­­nierungen unterflügen und Abkürzung der Debatten den unerquidlichen Zustand der Ungewißheit zu be­endigen trachten werden. Juli aus, das nit fand die „Neue Freie Breffe", der Schutzöllner, Organ recht geschehen, sondern nomen Tarifes aufnahme als autonomer Tarif hat semwohl Bedac­htnahme auf werden soll, das Organ der Freihänd­er, „ES bedarf keines besonderen Scharfbildes“, mit sorgfältiger jammert­e es offenbar mit Deutsch: richtigen Er x 2. November 1877. Engelwenigkeiten. Die Bester Gesellschaft befist an solchen eine Anzahl vo tausend­ Stüden. Trauung. Wie uns aus Wien mitgetheilt wird, fand dort gestern die Trauung des Fräulein Karoline Roth­­ber­ger, der veigenden Tochter be f. ft. Hoflieferanten Jakob Rothberger mit dem Berliner Bankier Herrn Friedkrug Burchardt flatt- Beim Hochzeitsfilmaufe, das im „Grand Hotel“ abgehalten wurde, liefen nicht weniger als 234 Bes glümwünschungstelegramme ein. Abends trat das Brautpaar eine Hochzeitsreife an. Selbstimord eines Honlson-Oberlieutenants. Weder den Selbstmord eines Honved-Offiziers in G­in­g, theilt die „Odenb. 3ta." Folgendes mit: Der unglückliche junge Mann litt­­ don seit Fahren an unübermwindlicher Schwer­­muth. Vergebens versuchte seine Familie und die Kameraden, bei denen er sehr beliebt war, ihn aufzuheitern. Am 23. v. M. nun, al eben ein Regimentsgenosse bei dem Melancholis fer zu Besuch war, erschoß sich derselbe so­­löglich mittelst eines Revolvers, daß der Kamerad die Schat nicht zu vers hindern vermochte. Der Verunglückte hielt Julius B­al­dinger, war fün­ ung. "Husaren-Oberlieutenant. und wird von einer trostlosen Witwe und zwei unmündigen Waisen bemeint. Berneiheilung eines Oberlieutenants. Aus Prag, 31. Oktober wird berichtet : Unter Ausschluß der Oeffentlichkeit wurde heute vor dem hiesigen Schwurgerichte die Verhandlung ge­­gen den gewesenen Sekretär des Großherzog von Zostana, Oberlieutenant Alois Batelt zu Ende geführt. Der vom Professor Dr. Gandling vertheidigte Angeklagte stellte die Verübung der ihm zur Last gelegten strafbaren Handlun­­gen vollständig in Abrete­ner Gerichtshof, Präsident LOR. Balenta, legte den Geschwornen drei Fragen vor, von denen die erste — das Verbrechen der Nothzucht bei Hermine Schiffer­­ betreffend — mit sechs Ja und sechs Nein beantwortet wurde. Die zweite Frage, das gleiche Verbrei­chen bei Anna W­ei­f­e­l behandelnd, wurde einstimmig verneint, dagegen die dritte Frage auf das Verbrechen der Schändung (8. 128) bei dem festgenannten Mädchen laufend mit zehn Ja und zwei Nein beantwortet. Alois Barpelt wurde auf Grund dieses Wahlspruches zu neunmonatlich em Werter, verschärft mit einmaligem Fasten und Einzelhaft im Monate verurtheilt. Batelt nahm das Urtheil scheinbar gleichmüthig entgegen- Soeben verlautet geri­chsweise, daß ih B Babelt er­ ich offen habe Eine sehrreiche Brantfahrt. In Graz, in der schönen Hauptstadt der grünen Steyermark lernten sie sich kennen. Er war Zahlfellner in einem dortigen Hotel und sie war seit kurzer Zeit dort als­ Stubenmädchen engagist. Er war gebü­rtig aus Wien, während sie in Budapest,das Licht der Welt erblidt zu haben behauptete. Sie sahen sich täglich, und bald, wie das schon so geht, lernten sie sich Lieben. Sie erzählte ihm, daß sie die Tochter eines verstorbenen Kaufmannes sei, der in Budapest ein Haus besossen habe, daß auf Anbringen ihrer Geschwister dieses Haus verkauft wurde. Da er auch einige hundert Gulden sich erspart hatte, beschlossen Beide zu heiraten und in Graz eine Wirthschaft zu eröffnen.Die Hochzeit sollte hier, der angeblichen Vaterstadt der Braut stattfinden. Man be­schloß daher, hierher zu reifen, die Papiere der Braut zu­ bes fehaffen und die Einwilligung des Vormundes zur profestirten Heirath zu er­wirken. Vorgestern Abend traf das Pärchen mit der Südbahn hier ein und begab sich zunächst in ein hiesiges Hotel. Sie hatte ihm gesagt, daß ihr Dormund sehr, streng und im Geldpuntt sehr difficil_sei, er möge daher _wenigstens Unter Dach und far. Budapest, 2. November. Die Hiesigen Ministerkonferenzen bezüglich des Handelsvertrages mit Deutschland, resp. des autono­­­men Zolltarifs, haben wenigstend das eine günstige Resultat gehabt, da sich nun auch drüben ein größerer Eifer zeigt, das Ausgleichswert zu be­endigen, er noch vor Neujahr unter Dach und Fach zu­ bringen. . Der „Sonn- und Teiertagg-Courier“ schreibt hierüber aus Wien, 1. November : „Die Nachricht von den Reiter Beschlüssen nach welchen zunächst neue Vertragsverhandlun­­gen mit Deutschland eingeleitet, gleichzeitig ‚aber auch der Zarif, welcher den Testen österreichisch"deutschen Bollvertrags* Budape fi, 2. November. Üriedrich Bonenstedt, der geistvolle Sänger der „Lie­­des Mirza Shaffy‘, wird, wie man uns mittheilt, im Laufe der­­ ügsten Woche nach Buda­p­e­st kommen, und hier eine Vorlesung halten. Ungarische Eisenbahntanggenz für Ausland. Wir lesen in einem Wiener Blatte: Die hier anfälligen Verwal­tungsräthe der Vetter Waggonleihgesellschaft haben sich, wie verlautet, soeben behufs einer wichtigen Berathung mit den dortigen Kollegen nach Budapest begeben. Als Zweck dieser Konferenzen wird die F­assung des Beschlusses rücsichtlich eines, von angeblich russischer Seite gemachten Offerts zum Anlauf eines Theile oder der Gesammtheit der im Eigen­­­­thume der Gesellschaft sich befindenden Waggons, bezeichnet. Ein schrecklicher Slenk­. Roman von Karl Wartenburg, (Fortlegung.) Diese stand unbeweglich wie Lot3 Weib, den Mund weit geöffnet, purpurroth im Gesicht, die fei­nen weitgeöffneten Aigen bald auf den grünen­­ie­genwedler gerichtet, bald auf den Heinen Kommissiong­­rab­, der den Grund der großen Heiterkeit nicht Ten­­­­nend, gleichfalls lächelnd frug : „Hören Sie, lieber Huth, warum Yaden denn . Ber­­„Segeng Sie Ihren verfluchten ZTurban auf I­­alle wie verrückt und sehen mich dabei an.. .­stehens Sie mich?“ rief ihm Herr Huth zu. Anna aber, das reizende Helgoländer SFilcher­­mädchen riß sich vom Minne ihres Tänzers, eines neapolitantischen Banditen, mit dem sie die lebte Bolla getanzt hatte,­­103 und eilte lachend auf Isidore und ‚ihren Verlobten zu. „store, oh, das ist ein Föstlicher Wit von‘Cäsar, er ist es, ich habe ihn­ gleich an der Stimme und an seinem blonden Bart erkannt, der unter der grünen Maste vorsieht. Aber was ist Dir denn, Du, hast Thränen im Auge ? Und Sie, Herr, Huth schneiden ein Gesicht voll Gift und Galle, was habt Ihr beide ‚denn ?" „Meinen Sie, ich sol wie ein Honigleder aus­­­­ehen, wenn man zu unserem Beziehungstage eine Gartenjungenposje aufführt und uns zum Gelächter der ganzen Stadt macht ! Und von wem? Bon unserm eigenen Herrn Better, dem originellen Cäsar, der aber groß alledem eine edle Natur ist.“ Er sagte die rechten Worte mit einem Höhnischen Seitenbiid auf seine Verlobte, welche die Sconie wohl fühlte. &8 waren ja ihre eigenen Worte, die sie vor wenigen Wochen bei der Neunjahrstafel gegen Huth über Cäsar gebraucht hatte. Es hätte ihm eine solche Rücsichtslosigkeit nie zugetraut,“ sagte Isidore, das Taschentuch gegen die Par drüdend, „Oskar hat Necht, und macht er zum elpött. " Der Fliegenwedler aber hatte auch Hidores Thränen gesehen, denn unter der grünen Masse bilit­­ten feine Mugen nach der Stelle herüber, wo sie stand. Noch schallte das Gelächter der munteren Massen­­schaar über Herrn M Wölfel’s tables Haupt, das Dieser jegt exit, aufmerksam durch Herrn Huth gemacht, wie­­der schnell mit dem Z Turban bedecke. Da gab der Fliegenwedler seiner grünen Klettenschaar ein Zeichen und rasch, wie die Kobolde, welche die Erde verschlingt, hufchten sie, Trommler und Dauerpfeifer voran, zum Saale hinauß. Nun gab er ein Fragen, ein W­umdern, ein Kopfzerbrechen unter den Gästen, bis der Kommis­­sionsrath Wölfel es jedem zuraunte, daß der Streich­ von dem mißrathenen Neffen des S Kommerzienrathes, Cäsar Wittftod, ausgegangen sei, der sich dafü­r Habe rächen wollen, daß er nicht zu dem efte eingeladen worden sei. “ In ähnlicher Weise sprach er auch der Kom­­merzienrath selbst gegen das herzogliche Baar aus, das eine unummwundene Aufklärung der seltsamen Szene von dem Gastgeber forderte. ; a „Hoheiten können mir glauben, meine Familie und ich sind unsehuldig daran. Soeben hat mir einer meiner Kommis, den ich an den Portier des Hauses abgeschickt, die Antwort gebracht, daß die­ Bande, die so frech unter Anführung meines wirdigen Neffen fi hier eingedrängt, durch das Hinterhaus herein gefon­­men sein muß, da Niemand außer den Eingeladenen die Hausflur paffirt hat. Glauben mir Hoheit, dieser Cäsar, dieses räudige Schaf in meiner Familie raubt mir zehn Jahre: meines Lebens." die Familie des Kommerzienrathes fühlte sich tief ge­­tränft, und, als si der Herzog und die Herzogin ent­­fernt hatten und dann fi auch der Kommerzienrath mit seiner Gattin zurückzog, «e3 den 4Berlobten: füber- Laffen, die Donneurs bei den noch anmwejenden Gästen 44 ° Das herzogliche Paar gab sr mit dieser Er­klärung zufrieden. Aber der Herzog meinte Doch gegen seine Gemahlin, in Zukunft werde er es sie überles­­en, bevor er wieder die Einladung eines seiner Un­­terthanen annehme. ‚En ji Der Aufzug hatte übrigens die Stimmung der jü­ngeren Gäfte keineswegs verdüstert, im Gegentheil, sie lachten außgelasfen darü­ber und die Belannten Cä­­sar’s fanden die Geschichte ganz cäsarisch a... Nur

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