Neues Pester Journal, Dezember 1877 (Jahrgang 6, nr. 333-362)

1877-12-01 / nr. 333

Sariftag, den 1. Dezaines 1977. _ iG«..14,-ha1b·.fl.7, FRer In 8:50, oa fl. 120. Das „Neue Beiter Journal“ eriggeint täglich, auf) an Montagen. Redaktion und Nominiftration: Seopooft. Sirőjen piat Nr. 2. Singelne Mummern 49 Inferate nac; anfliegenden Inf. a Die Vertheidigung der Regierung.­­ Bud­a­rek­, 30. November. Die tiefe Verstimmung, welche sich der öffent­­lichen Meinung bemächtigte, als die Nachricht von dem Abbruche der Vertragsverhandlungen mit Deutschland und der Eindringung des autonomen Bolltarifs eintraf, scheint auf die Regierung nicht­­ ohne Einwirkung geblieben zu sein. Rückgängig war der im Einvernehmen mit dem österreichischen Mini­sterium gefaßte Besclnb nicht mehr zu machen und der ungarischen Regierung erübrigte sonach­ nichts, al einen Bersuch zur Erklärung, wenn möglich zur Rechtfertigung ihrer Haltung zu wagen.“ Der Moti­­venbericht zum autonomen Zolltarife ist bestimmt, diesen 3weg zu erfüllen ; sein interessantester Theil, derjenige, welcher sich auf die Verhandlungen mit Deutschland bezieht, ist eine förmliche Vertheidi­­gungsschrift der Negierung, welche sich um das Des weiöthena bewegt, was weder die österreichiische, noch die ungarische Regierung, am allerwenigsten aber die Zebtere für das Scheitern der Vertragsverhandlun­­gen verantwortlich gemacht werden könne, daß viel­­mehr die ganze Last des Verschuldens die deu­tsche N­egierung treffe. Die Argumentation des Motivenberichtes ist die Folgende: ‚Die deutsche Negierung stellte zum Be­ginn der Verhandlungen Forderungen, welche noch weiter gingen, als der bestehende Vollvertrag, und andererseits zeigte sie damals wenig Geneigtheit, die von Oesterreich , Ungar geforderte Zollfreiheit für Getreidegattungen, Mehl, Bauholz und Thiere vertragsmäßig­­ zuzugestehen und den Zolltag für Rapinweine zu ermäßigen. Erst später erklärten sich die deutschen Delegirten bereit, für den gatl ver Neziprozität die Allfreiheit für Getreide, Mehl und Bauholz zu konzediven und für Thiere die Zölle des bestehenden Vertragstarifes anzunehmen, VOT: behaltlich -gewisser veterinärspolizeilicher Gebühren. Dagegen­­ forderten sie,­­ald Gegenkonzession im Großen und Ganzen Aufrechterhaltung der 1868er Tarife für die nach Oesterreich eingehenden Industries Artikel und Fortbestand des Appreturverfahrens. Nach diesen von deutscher­­ Seite gestellten Propositionen wurde von Seite der ungarischen und öster­­reichischen Regierung­­ eine Revision des proponirten Rolltarifs vorgenommen, die allerdings einzelne Zoll­­füge wesentlich reduzirte, aber immerhin od) Erz­iehungen gegen­ den 1868er Tarif enthält. Dis an diesem Britte ist der Motivenbericht ziemlich klar und durchsichtig; von da ab wird er dunkel und verschwommen und macht den Eindruck, als ob manche Vorkommnisse veifestwiegen, manche Aeußerungen der Deutschen Regierung nicht mit genü­gender Ausz­führlichkeit reproduzirt worden wären. zum Scheint die Sache allerdings so zi Tiegen, daß die deutsche Negierung von vorneherein nur einen solchen Vertrag zu acceptiven entschlossen war, der Deutschland auf­ seinen Fall schlechter stellen würde , als der im Jahre 1867 abgeschlossene. Deutschland war es ja bekannt, daß Oesterreich-U­n­­garn seinen Tarif-V­ertrag mit England abzuschlies­sen beabsichtige und daß daher die Meistbegü­nsti­­gungsklausel seinen Werth­­aben würde, meis je Deutschland der meistbegünstigte Staat bleiben würde. Daruit stellte Deutschland von Anfang an höhere Ansprüche und schraubte seine S­onzessionen auf ein Minimum herab. Das ist das gewöhnliche Verfahren bei solchen Verhandlungen und die öster­­reichische ungarische Negierung ist auch nicht anders vorgegangen; die Taktik der „Roßtäuscher” — ein Wort Unger?3 — ist eben von allen Negierungen bei internationalen Verhandlungen adoptirt. Daß aber nicht alle Schuld auf Deutschland geschoben werden kann, Scheint der­­ Umstand zu beweisen, daß der Mo­tivenbericht mit einer gewissen Eleganz, aber nicht ohne erkennbare Schüchternheit über die Finanz­­zöth­e Hinweggleitet und in dem die Verhand­­lungen mit Deutschland betreffenden Theile die GoldzöLh­le mit feinen Worte erwähnt. Wir glauben dieses Kluge Schweigen nicht zu mißdeuten, wenn wir annehmen, daß diese beiden wichtigen Punkte auf die Einschließungen der deutschen Negie­­rung einen sentscheidenden Einfluß geü­bt Haben , ist es ja doch bekannt, daß die offiziösen Enunziationen der Deutschen Negierung immer wieder auf diese bei­­den Momente hinwiesen, speziell aber betonten, daß der 1868er Tarif mit Einhebung der Zölle in Gold nicht mehr der 1868er Tarif, sondern, ein ungleich ungünstigerer je. goch ein wesentlicher S­mstand wird hin den Motivenbericht nicht aufgeklärt. Im Oktober hat die österreichische ungarische Negierung der Deutschen Negierung ihren modifizirten Tarif mitgetheilt. Der Motivenbericht faßt zwischen den Zeilen durchichime mern, als wäre die ungarische Negierung damals nicht abgeneigt gewesen, in den DTarifherabgebungen noch weiter zu gehen, als das österreichische Minis­­terium. Allein abgesehen davon, ist nichts weniger als dargestellt, warum der autonome Tarif in nicht Kürze gedacht und es bleibt uns nur noch Einiges über den Inhalt desselben nachzutragen. Das Haydn’sche Quart­­ett am Anfange war sicherlich Vielen willkommen, die für das gute Alte noch unverdorbenen Geschmack befiben. In keiner Kunstform fleht Haydn so groß, so ewig jung, und wen da, wie im Ch­artett, dessen Begründer und Schöpfer in modernen Sinne zu sein sein unvergäng­­liches Verdienst sein wird. Die­­ gutgemeinte Gabe­­ unserer Konzertgeber Haben wir unsso dankbarer entgegengenom­­men, als sie uns gar so selten im Konzertsaale begegnet. Haydn’ Kam­m­ermusik wird von den prätentiöseren Neues­ten immer mehr aus den Konzerts Programmen verdrängt und lebt in ungeminderter Tru­he und Liebensunwürdigkeit nur noch in jenem idealen Bereich der „Hausmusik“, Die leider statt in der Wirklichkeit nur in dem geistreichen Kopfe des trefflichen W. H. Niehl zu finden ist. — Etwas verblüffend wirkte die zweite Nummer, das Beethoven’sche Klaviers Trio, in welchen Frau Nora Knapp den Klavier­­part auf eigene Meinung und Gefahr Besorgte. Wenn unwichtigen Positionen Erhöhungen gegen die Ofto­­berpositionen aufweist. Denn für die Hoffnung, daß der autonome Tarif nur den Charakter eines Maris­maltarifed tragen­ solle und daß — wie der Moti­­venbericht hervorhebt — auf Basis des autonomen­ Tarifs Vertragstarife zum Abschluffe gelangen sol­len, vermögen wir uns kaum zu erwärmen. Wir sind Streptifer genug, um der Ansicht des Grafen Appos unt Raum zu geben, daß in den nächsten 10 Jahren der autonome Tarif die Zollpolitik der Monarchie beherrschen und, daß Oesterreich, einmal im Besige der fegügzöllnerischen Positionen, er verstehen werde, jeden Berjuch eines Vertragsaufschlusses im Keime zu unterdrücken. Der Krieg. Der Angriff Sufeiman’s am 27. b. M. gegen 505 russische Korps unter dem Großfünften Meladi­­mir bei Teitenis und Metfähta war eine Heiße, blutige Affaire. Vierzig türkische Bataillone sam­it Kavelle­­rie und acht Batterien überrafeäten Die Nuffen ihren Stellungen bei Trfienis, nach einem heftigen Gefechte zurück­­geschäst. Suleiman warfen disselben Später erhiel­­ten die Nufsen Verstärkungen, der Kampf fan zum Stehen , die Türken wu­rden sodann in die Defensive gedrängt und mußten endlich am anderen Morgen den Nücdweg nad Kadeldi antreten, 5 Den gleichen Verlauf nahm der ebenfalls am 27. d. stattgehabte Angriff einer anderen tü­rfischen Abtheilung gegen den zwei Meilen nördlich von Trftenik gelegenen Ort Metichka. Der türkische Verlust in beiden Gefechten wird auf 950 Mann, der tufsische auf mehr als 2000 Mann gibt an, daß diese An­­griffe zum Zivede der Refognoszirung vorgenommen wurden. Man müßte Demnach auf einen weiteren und bedeutenderen Angriff Suleiman’s gegen die Arm­ee de Gravewitsch gefaßt sein. Der türkische Kriegsminister Mirstapha Bardja fdhdt alle ihm zur Verfügung stehenden Verstärfun­gen zu Mehened, um demselben in die Lage zu verlegen, gegen Blevna vorzugehen. Die allgemeine Beschiebung Blevna " feitend der "­uffen soi wieder begonnen " habe. Das würde ein Zeichen sein, daß die Hoffnungen der Ruffen auf eine baldige Meliers­gabe Siman’s ins Schwanfen gerathen sind. Das rufsische Marine-Ministerium hat:200 Tor­­pedo­ 8 in Trume bestellt, welche bis 1. Januar abgeliefert werden wssen, und in Sie zu vier Sehten Beilage ber gehört, zu Hellmedberger Musik. "Konzerte: Quartetts Verein, Bhilfarmaniter.­ Budapest, 30. November, In ungeahnten Dimensionen fáh­llt die Konzerte Huth an und ihr Opfer ,t diesmal der vor lauter Mus­­kfgenüssen Schier übersättigte Neferent, dem es immer segwerer wird, seiner gemahnten Pflichterfüllung treu zu bleiben. Wir müssen in unserer Revue auf einen Mufil­­abend von etwas veraltetem Datum zurückgreifen, auf die­­ dritte Kammermufifs Soiree, mit welcher die diesjährige Serie Unmöglich können wir altes bdiesen Anlaß vorübergehen Lassen, ohne für die Stabilisirung dieses wichtigen Bestandtheiles unseres Konzertwesens­­ einzutreten. Die musikalische Gesell­­schaft macht ein Unrecht gut damit, wenn sie durch eine weitere, dauernd rege Theilnahme den Bestand dieser Produktionen ermöglicht. Bei einem Vierteljahrhundert und noch früher, als unter Budapest wieder eine Reichs­­hauptstadt, noch eine ungarische Hauptstadt war, besah es sowohl fändige Orchester, als Quartett-Produktionen und die Pflege derselben war in den Händen gewissenhafter, fähiger Künstler. Die Streichquartette den regelmäßigen Abenden der Konzertsaison zu zählen, und in den letten Jahren, nachdem­ ein Wiederb­­elebungsperiud ziemlich kläglich ausgefallen war, konne­ten nur noch die Produktionen all­mwärtiger und die Florentiner, eines Erfolges, der sich fetten, vorwödentlidjen äußeren Momente des in der unerwartet fand. Kräfte, wie auf Zufpruch rede nein. Wir haben somit guten Grund, uns des freundlichen Erfolges unserer bescheidenen Heimischen Kräfte zu freuen, regen Theile­nahme der bisherigen Soireen, namentlich “aber in Streihgqnarten­s­ibhende ihren Abschluß haben längst auf­­ das die Früchte der Erziehung an unserer Musik s Aka­­­­demie sind, dann wird uns bange vor der nächsten Des­peration unserer Klavier: Virtuofinen. Die Dame beficht eine sehr ausgebildete Technik, aber eine so eigentü­mliche hieb- und stichfeste Spielweise, daß 25 und ordentlich bange ward um den Schönen Bösendorfer Flügel, dessen sie sich be=­diente. (Von diesem konnte es­ freilich wieder heißen: „Jam alios vidi ventos”, denn es ist derselbe, auf dem Sranz gibt bei der Beethoven - Feier in Wien spielte.­ Am­­ flechtesten kam dabei Beethoven weg, der nun einmal­­ seine gewaltsame Spielweife verträgt, auch nicht von zarten weiblichen Händen. Hat er selber doch nur ein einzigess Iimal und wer weiß, ob nit mit einem Anfluge von Quartetts Solide aussprach. Der­­ Ironie, das Bortepiano in ein „H­ammer-Klavier“ Abends haben wir seinerzeit in !umgetauft. — Einen recht erquidlichen Abschlag machte der das Quartett (in C) von Schubert. ES gehört zu der glück­chsten, " frisdiesten Eingebungen des sangesreichsten aller Tondichter. und ist für uns Überdies von doppeltem Reiz. Wir meinen den unverkennbar­ nationalen, nationale magyarischen Ausdruck dieser Musik, deren ideale Poper­­tarität allerdings dieses Neigmittels nicht bedarf. Aber der Grundton der ungarischen Bosismelodie klingt aus dieser, wie zahlreichen anderen Suden von Schubert, besonders in beiden: vierhändiger Klaviermusik, verständlich genug heraus. "Verständlich allerdings für den, der es hören will, denn es "gibt auch in der Musik Chauvinisten und Nationalitätenhader,gerade wie in der Politik. Und es Hat fre­au­ die teutonisch Kritik' gegen diese Annahme ges­träubt und den ‚ungarischen Charakter beispielsweise des Andante aus der C’ durs Symphonie von Schubert runde weg­­geleugnet. Das wird uns indes schwerlich daran hindern, in Franz Schubert­’3 Kompositionen den verklärs­ten Abglanz der ungarischen W­olfsliederpoesie zu be­­wundern. Das zweite philharmonische Konzert brachte uns einen seltenen und interessanten Gast, den Gelbovirtuosen Sules de Swert, ein bedeutender Nuf war dem belgischen Künstler von Berlin aus, wo derselbe bis vor einigen Jah­­ren als erster Solist und Konzertmeister gewirkt hatte, und von Wien, wo derselbe in den­­ philharmonischen Konzerten und noch öfter gespielt, vorau­­sgegangen und seine Leistungen in unserem Tehten Orgelterfängerte rechtfertigten denselben vollkommen. Die stämmige, unterlegte Gestalt des Birtuosen läßt auf eine mehr als gewöhnliche Kraft der Bogenführung fliegen, und in der That beherbsdgt der Künstler auch in dem rauschenden Gemwege der Begleitung sein Instrument. Nur die elenden akustischen Verhältnisse des Saales machten die volle Wirkung der Tonentfaltung unmöglich. Für’ wer niger möglich hätte utalt­eS gehalten, "hab in einem To­tos 2.8

Next