Oedenburger Zeitung, 1873. Februar (Jahrgang 6, nr. 10-17)
1873-02-23 / nr. 16
»st »Es-MU, so weites Feld hat und wo die Privatthätigkeit aufbieten selbst wirkt und der Negierung nur wenig zu dem übrig Mäht, angehen. Bei uns aber hat die parlamentarische Belegung, der Ministerien, die als Bachministerien ganz von Vent parlamentarischen Spiele der Parteien auszuschlieffen wären, dem Lande viele viele Millionen dur die Unfähigkeit der betreffenden Persönlichkeiten gekostet. Denn selbst tüchtige höhere Beamten — wie sie doch dem Communicationsministerium zumal im Anfang nicht fehlten — vermögen nicht, wenn sie an jener Stelle, von wo aus die Thätigkeit des großen Organismus zu einem ineinander reifenden Verwaltungssystem zusammengefaßt werden je nicht das nöthige Verständniß finden. So war dies bei und gegenwärtig öfters der Fall, so in Zeit und Geld dur unsere Kachministerien — selbst das Handelsministerium nicht ausgenommen, — verschwendet worden. Und doch ist die Zeit nicht ferne, wo der Parlamentarismus ohne tüchtige Verwaltung unhaltbar erscheinen wird. &s wäre zu wünschen, daß man bereits jeit wenigstend so weit all möglich, neben den parlamentarischen Rücksichten bei der Uebergabe eines Ministeriums auch darauf ein Augenmerk richten möge, das unsere Verwaltung in möglichst tüchtigen Händen si befinde. U. A. : „An der Duelle faß der Knabe“ Die geläufig ist nicht die aus dem Gedichte „An diefreunde” entnommene Umschreibung für Theaterbühne : Die Bretter, die die Welt bedeuten; sowie die Umschreibung für Kampf und Krieg aus dem Gedichte „Die Schlacht“ ‚Das wilde, eiserne W Würfespiele Aus dem herrlichen „Lied der Glode“ ist ferner allgemein bekannt : „Befährlich it's den Leu zu weden, verderblich ist des Tigers Zahn ; Jedoch der Schredlichste der Schreden Das ist der Mensch, in feinem Wahn,“ wie nicht minder die Travestie: Gefährlich ist er, Leim zu leden Derderblich ist ein hohler Zahn ; Jedoch der schredlichste der Schreden Das ist der Mensch, ist er im Thron. Eine stattliche Anzahl bietet „Don Carlos“ so, um nur einige zu erwähnen, die Worte des Don Carlos zur Königin: Ein Augenblick, gelebt im Paradies, Wird nicht zu Bares mit dem Tod geopt Die, Philipps II. im 1. Akt 6. Szene: Hier ist die Stelle, wo ich sterblich bin — die Worte der Prinzessin Ebolt : Die Liebe ist der Liebe Preis, wie nicht minder ,benannt die Worte des Marquis Pofa : „Ich kann nicht Fürstendiener sein“ “ and „Die Ruhe eines Kirchhof.“ DI ET: 5 PR Das Grab einer ungsüchtigen Nömerin. (Eine archäologische Studie.) (Schluf.) Abgesehen vom eigentlichen Leichenbrande bleibt bei Aufhebung der Gräber der Vorzeit das Skelett der Leiche, wenn auch nicht streng genommen in antiequariicher, jo doch in manch anderer Beziehung ein hochwichtiger Gegenstand. Bei der Feststellung eines besonderen Nagentypus wurde durch gewiegte Staniologen der Schädelbau mit seinen kennzeichnenden Abweichungen den scharfsinnigsten Folgerungen zu Grunde gelegt, um ganzen Völkerstammen‘ die Stelle ihres geschichtlichen Wirkens, ihres fürzeren oder längeren Aufenthaltes an einem und denselben Wohnplage anzuweisen. — In Beziehung auf das Geschlecht ist die Beschaffenheit des Redend nach einstimmiger Ausfrage der Anatomen maßgebend. Auf Todtenfeldern von einiger Ausdehnung, — wie es die Furchengräber sind,* wo nicht ausschließlich nur gefallene Krieger, oft sehr tumultuarisch, sondern auch Frauen und Kinder in gleichlaufenden Reihen bestattet zum Borschein kommen, haben wissenschaftliche Untersuchungen zum Ergebniß gehabt, hab man das Verhältniß der Beschlechter zueinander, und zwar mitunter mit aufs fallenden Unterschid numerisch zu beziffern in den Stand gelegt wurde. So 3. DB. haben Forschungen des Professor Dr. Haffler auf dem Alemannischen Zodtenfelde bei Ulm das Resultat geliefert: das, ohne Aufsicht auf Kindersfelette,auf start %, männliche Gelette nur schwach %, weibliche fommen; eine Proportion, die allerdings geeignet wäre, bei einem gegebenen Falle diene von vornherein zur Unmöglichkeit zu machen. Angelangt bei der Fundstelle unseren Sarfotages war selbstverständlich die erste Frage, welche die Gom>mission zu fielen hatte, nach den Skelette gerichtet. Man wies auf eine Stelle, wo dasselbe als Haufwerk mit Erde bedeckt lag, und jede eingehendere Untersuchung vereitelte, ja selbst das Längenmach anzulegen nicht gestattete. Er kortete aber nur einige Spatenstiche und der noch gut erhaltene Schädel lag zu Tag und zeigte zwei ladenlose und brechend weiße Zahnreihen als Besweis des jugendlichen Alters, ein Umstand, den die Beigaben, wie wir gleich sehen werden, mitbestimmend außer allen Zweifel jegen werden. &3 wurde nämlich ein zirkelrunder Metallspiegel, gefunden, der ja als Grabeszer dient, für eine römische Zone, welche sowohl im Leben als auch im Grabe nur Ernst und Würde umgeben konnte, schon an und für ich genommen gewiß ein unerträglicher Gedanke bleiben muß und nur das Attribut einer jungen Schönen sein konnte. Dieses Toilettengeräth erscheint in Ganzen genommen als eine ziffelrunde Metallscheibe (daher der Name Orbis und Disens) mit einem Durchmesser von vier Zoll, deren Rand in gleichmäßigen Abständen mit Heinen Löchern eingefaßt ist, die Kehrseite aber, wie auf der Drehbant bearbeitet, erhabene foncentrische Kreise zeigt. Und darin gleicht unser Exemplar, selbst die Größte nicht ausgenommen, vollkommen allen jenen Schaus ftüden, die wir in Sammlungen nicht eben selten finden, so daß man billiger Weise auf eine Art fabrifdmäßige Erzeugung denken könnte. Dieser Fundgegenstand ist zum Gestaunen gut erhalten und fünnte, so wie er vor beiläufig Tausend Jahren, und, wenn er als Erbstuf von Hand zu Hand ging, noch darüber, die sanften Züge einer jungen Ndsmerin getreu wieder gab, auch heute wo, in Gebrauch genommen, seiner ursprünglichen Bestimmung vollkommen entsprechen. Diese Art der Metallspiegel, obschon die Komposition jeder oft einen namhaften Silber, Zinn oder Buntgehalt nachmeiet, werden kurzweg zur Bronze ges rechnet”). Metallspigel sind so in China gebräuchlich ; sie werden aus einer Mischung von Kupfer (50 Theil), Zint (30) Zinn (16), Blei (2), angefertiget. Bei und wurden sie durcas Glas erst im 15.Jahrhundert gänzlich verdrängt **). Wir haben noch eines ebenso interessanten Gegenstans ded aus Bronze zu erwähnen, der ebenfalls vorzüglich gut erhalten ist und der, abgesehen von seiner etwas massiven Form, recht gut al Haarnadel gelten könnte, und der, wie sich Berichterstatter mi der Beilage zu den „Oedenburger Nachrichten" Nr. 82 von 13. October 1872 ausspricht, auch wirklich alle Aehnlichkeit mit einem Zentrumbohrer zeigt. Wir sind jedoch geneigt ein Calanistrum, eine Art unserer Brenneisen, womit man das Haar Fräufelte, darin zu erbliden; erhigt wurde dasselbe in glühender Asche ***) durch Sclavinnen, die beim Puguiche ihrer Herrin hilfreiche Hand leisteten, so wie auch der Spiegel, der sie wegen seiner runden Gestalt zur Aufstellung nicht eignete, durch eine Dienesin hingehalten wurde. Jene kleinen Glasgefäßhe, sehr bekannt unter den Namen der Thränengläser, die aber trog der schwungvollen Auffassung nach dem heutigen Standpunkte der Sprchung als eigentliche Viehfläschchen gelten müssen, und die so oft in römischen Gräbern alse Beigaben gefunden, waren auch in in unseren Sarkotage durch ein Exemplar vertreten, konnte ja doc der vollkommen ausgerüstete Puptish einer eleganten Nömerin eines Flav fons nicht füglich entbehren. Doch wie bereits oben erwähnt, ist uns dasselbe nur in Bruchtüden erhalten ; es scheint jedoch feine Form von der gewöhnlichen nicht abzuweichen; nach einer idealen Ergänzung zusammengefügt, würde es am der Bass eine runde Ausbauchung und daran einen verhältnismäßig lang zu nennenden Hals bilden, wie so viele und aus Zeichnungen und Sammlungen bekannte Stücke Einen auffallenden Kontrast bildet inmitten dieser Erzeunisse der Kunstindustrie eine im Sarkofage gesfundene Muschel, und zwar: Cardium tuberculatum L., wohl nur in ursprünglicher Stuche, sondern schon als Wetrefakt, und wie ss die Wissenschaft ausdrüct, im faszinerten Zustande hingelangt ; sie ist gut erhalten, nur sind selbstverständlich die Karben der querlaufenden braungelben Bänder ganz verblichen. Konchilienommen nicht selten in Gräbern von Kindern‘ vor, denen sie als ein beliebtes Spielzeug im Leben mitgegeben wurden , mehrfach begegnet und die schön getigerte Porzellanschnede; da jedoch alle Umstände zusammen genommen dafür sprechen, daß unsere schöne Nömerin bereits die SKinderschuhe ausgezogen, so läßt sich wol folgern, daß auch diese Muschel in ihrem Dienste, eine höhere mit den anderen, Schon besprochenen Gegenständen analoge Weihe erhalten hat. So wie verschiedene kleine Utensilien der Haushaltung aus wirklichen Skondilien bestanden, oder in ihrem Weitberen deren Form nachahmten, wurden sie auch bei den Römern mit den Namen Gonda benannt, so spricht von einem Salzgefah Horaz Sat. I. 3. 14. Last mir nur ein schlechtes Tischchen auf drei Fühen, Mit einer Musfel reinen Salzes d’rauf, Und einen Rad, so grob gewebt er sei, Der mich vor Kälte zwingt, was brauch ich mehr? : Wieland. Auch jagt er von einer Salbenbüchse, als er die Heimkehr des Helden und seines Freundes Pompejus besingt. Od. II. 7. 22. Dezahle nun dein Opfermahl Supitern, Und lab von langem SKriegesdient müde, Dich Hier unter meinem Lorbeer nieder; Schon auch die Slajcen nicht, die dein warten, Sulan mit Jorgefüllendem Firnewein Die blanken Stuper leeren das Schwedenhaus Bon Salben. Wer besorget hurtig Kränze von Morten, von frischem Eppich ? Wieland, AL Trinfgeschirr finden wir die Muscel bei Iuvenal Sat. VI. 303, wo er spottend ein Trinfgelag ıe» *) Steinnücel. Abrif der Alterthumskruve. Wien, 1829. vag. 60. **) Bucher die Kunst im Gandwerf, Wien, 1872. pag. 128. *#=) Priapeia. Edit. Scioppi, Patavii, 1664 Carm, XLV. pag. 50. zalamistrum, quod calfaciebatur in cinere, quo torqueatur , sapillus, mit eher Fennen befreit „und wobei die AAB mit Musceln köpften, um daraus zu schlürfen Wir glauben daher seine gewagte Ansicht auszusprechen, wenn wir dad Cardium tuberculatum £. für eine solche Soncha halten, die aber zur Aufbewahrung der Schminke diente, und die so, wie sie ohne Berühmtere scheint, recht handsam dazu war, um darin die Schminke mit den Fingerfeigen zu verreiben und sie dann stellenweise aufzutragen. Übrigens geschah das Schminken auch, mite telft eines kleinen Pinsels, wie die Vorstellung auf einem Basengemälde zeigt (). Daß auch die Römer Mestalloryde zur Schminke verwendeten, ist gar nicht zu beszweifeln, obschon behauptet wird, das dad Roth aus eisner Slechtengattung (Lychen roccella L.) gewonnen wurde, ohne daß dafür ein classischer Schriftsteller als Gewährsmann erscheint (*). Diese kleine Suite unserer Grabeögel diente auch nur oberflächlich betrachtet, sowie: Spiegel, Haarkräuter, Riehflächen und Schminfmuscel, läßt somit den Liegel, womit wir diese Zeilen überschrieben haben, gewiß als gerechtfertiget erscheinen. „Das Grab einer aligen Römerin,” — macht übrigens durchaus seinen Anspruch für eine gelehrte Abhandlung zu gelten; mir fügen damit nur ein Blatt zur Funkfromit der Stadt Oedenburg; bleibt uns übrigens ein freundliches Entgegenkommen von Geite der edlen Bewohner unserer Baterstadt auch fernerhin gesichert, so sol e8 gewiß au nicht das lee sein. JvanPaur, Mitglied des „Instituto di Corrispondenza Archeologica* zu Rom. ' « -*) &. „Das Alemannische Zodtenfeld bei Ulm“ Verhandlungen des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben, Ulm, 1860. Zwölfter Bericht. pag. 8 Communal-Angelegenheiten. Wie wir bereits erwähnten bot .die Belegung des bis vor wenigen Tagen vasanten Postens eines Viertels meisterd Gelegenheit zur Entwicklung einer zwar geistvollen, aber an und für sich unfruchtbaren Debatte. Die veranlassende Ursache war folgende: Nachdem eine Viertelmeiterstelle rasant ward, so konnte, da ohnesein drei duch den städt. Obergespann ernannt waren, selbe Stelle nur durch die Wahl der löbl. Generalversammlung belegt werden, ed mußte deshalb ein Goncard ausgeschrieben werden und in Folge dessen meldeten fi 5 oder 6 Petenten, und ed hatte der Candidationsausschuß nun die Qualification der betreffenden Petenten zu prüfen, um dann seine Vorschläge an die Generalsversammlung zu richten. &8 war bekannt, daß die obenbezeichnete Anzahl von Bewerber anmeldete und da der Candidationsausschus nur 2 Individuen vorschlug, so bot dies Dr. Zomjihnbeit den betreffenden Ausschuß zu ae entgegejegt dem Sinne der 8. 68 der XLII. Gejegartitel vom Jahre 1870, welcher sagt: „Für jede Stelle sind wenigstend 3 Individuen vorzuschlagen“, nur 2, da doch 5 oder 6 Petenten vorhanden waren zum Vorschlage gelangten. Dr. Borres plichte, daß der Kandidationsausschuß durchaus nicht verpflichtet ist, Gründe für seine Handlungsweise anzuergeben, d. h. daß eine, wenn immer an den genannten Auenhhuß gerichtete Interpellation unbeantwortet bleiben dürfte. Died gab das Signal zu einem hilfigen Wort. Kampfe zwischen Dr. Tomfidh, Adv. Wulanich, Dr. Mayer einerseits (für das Interpellationsrecht) und Dr. Boor, Statthr. Pallo, Dr. Schwarz (gegen) anderseits. Mit Aufgebot aller rhetorischen Mittel wurden von büben und drüben Argumente und Treffen gebracht um die innere Webterzeugung der Versammlung zu bestimmen und die Debatte wurde nun um zwei Fragen geführt, warum waren bei mehreren Petenten nur 2 candidirt, und, ob der Candidationd-Ausschuß auf eine Interpellation zu antworten habe oder nicht. Bezüglich der ersten Stage, die sehr lebhaft defutirt wurde, fand man in dem Nachlage des ctirten Pass ju8 aus dem $. 68: „eine Abweichung von dieser Regel findet nur dann statt, wenn für die zu belegende Amtsstelle sich nicht 3 candidationsfähige Imdivieduen gemeldet haben,“ — eine doc genügende Lösung ; aber für die 2. wurde unnngerweise viel gutes Pulver verschoffen — denn geeint hat man si nicht, ob Gansditionsausschuß interpellirbar ist oder nicht, so ist die Interpellation die, wie wir meinen statthaft ist, doch eine sehr sterile, da jeder Interpellant si mit der Antwort zufrieden stellen müßte: „wir haben nach beitem Wißen und Gewichenen und dem zufolge die Vorschläge gemacht“. Sind Geldworne verpflichtet Gründe für the ‚ren Rechtespruch abzugeben, wenn — sie urtheilen nach Anhörung des pro und contra nach ihrer inneren Weberszeugung und weiflicher Prüfung und nach feiner Weberzeugung für die zur Erfüllung der betreffenden Amtspflicht qualifizirten Pettenten auf die Kandidatenliste und legt selbe der Iöhl. Bersammlung zur Wahl vor. Mediigend wäre die Interpellation des Dr. Tome sich auf eine frühere Angelegenheit wohl zurückzuführen er Candidationsansschuß feßt die, nach (Fortlegung in der Beilage) Papa 18. Februar 1873. In unserem duch „Ruhe und Ordnung ist die erste Bürgerpflicht“ bekannten Städtchen, ist vor einiger Zeit ein Conflict ausgebrochen, der wie so oft Bagnattsmus zu seiner Grundlage hatte. Die orthodoxe jür die Parthei wollte durchaus nicht zugeben, ‚daß die * Dictionaire des Antiquités Romaines. Par Antony Rich, überseßt aus dem Englischen wurd M, Cheruel. Paris, 1859, pag 287. **) L, c Artilel; Fuous. ee ee ae ji