Oedenburger Zeitung, 1880. Mai (Jahrgang 13, nr. 53-65)

1880-05-02 / nr. 53

Oesterreichische Blätter endlich diskutiren die be­­vorstehende Vorlage des Gefeses über die Militär- Befreiungstaxe Diese Steuer ist vielleicht die einzige,welche dem­ Bolke nicht unwillkommen ist. Und wirklich der Zweck des Gesetzes ist die sein gan­­zes Wesen,dem schlichtesten Sinne zugänglich,ganz und gar entsprechend den humanen Empfindu­ngen,dem Rechtsbegriff des Volkes.Es empfindet Jeder ohne weitläufige Motivirung die Billigkeit des Prin­zipes, daß derjenige Staatsbürger den das Los von der Ab­­leistung der Blutsteuer an das Vaterland enthob, ver­­halten werde, ein Besonderes von seinem Gute als theilweisen Erfa abzutragen. Zahlungspflitig soll werden der Dienst-Untaug­­liche von der Stellungsliste Gelöschte oder als untaugl­icch aus dem Armeeverbande Entlassene, soferne die Dienstuntauglichkeit nicht mit Erwerbs-Unfähigkeit Hand in Hand geht. Die Dauer der Zahlungspflicht ist bes messen nach der gejeglichen Dauer der Wehrdienstpflicht. AS Verwendung der Steuer fast das Gefeg in’& Auge, die Invaliden-Versorgung, die Versorgung h­ilfsbedürf­­tiger Witwen und Waisen der im Felddienste dahin» geschedenen Gagisten und Mannschaften, ferner die Unterftügung Hilfsbedürftiger Familien der zur Mobi­­lisirung einberufenen Urlauber, Reservisten und Lands­­wehrmänner. Das ist das Wesen, das ist der Zweck des Ge­­fotzes über die Militärtote, über welche die Berathun­­gen im österreichischen Abgeordnetenhause jegt ebenfalls oben swimmen. E.M. Ungarns Finanzlage im Jahre 1880. Aus Budapest wird unterm gestrigen Datum geschrieben : Der geringe Werth des Tifaregimes spricht sie am fehlagendsten in unseren Finanzverhältnissen aus, die nicht­ weniger als geregelt erscheinen. Fünf volle Jahre der Ruhe und des Friedens haben nicht Hinge­­reicht, um das Defizit aus den ungarischen Staatsfinanzen verschwunden zu machen. Kaum besserte si die Bilanz ein wenig, waren sofort neue unproduktive Auslagen, die Deckung unmotivirter Schadenerlagansprüche, das bos­­nische Abenteuer, zur Hand, um die Ordnung in unsere Binanzen nicht einkehren zu lassen. Niemand zweifelt daran, daß bei einigem ernsten Willen die ungarische Negierung längst im Stande ge­wesen wäre, ein tefizitloses Budget herzustellen. Aber theils die Nachgiebigkeit gegen die dirigirende Finanz­­gruppe, welche bei einem rangirten Ungarn weniger zu verdienen gehabt hätte, theils die Schwäche gegenüber der abenteuerlichen Kriegspolitik Haben unser Budget, welches auf dem Wege der W­esserung war, immer wie­­der zurückgeworfen. So Tabor irt denn das Tifa-Kabinet an einem unheilbaren Defizit gerade so herum, wie seine Vor­­gänger. Szapary legt ein Budget mit nur zwanzig Millionen Defizit vor. Auch dieses Defizitchen wäre schon genügend groß. Einige M­echner der Opposition machten sich indes das Vergnügen, nachzumweisen, das das Defizit beiweiten größer sei, da man Anleihen nicht in die Aktiven aufnehmen und noch nicht sank­­tioniere Steuern ebenfalls mit dem Staatsjirage gut­­schreiben dürfe. Sand in die Augen! — heißt die Devise nach wie vor. Genug, wenn auf dem Papier das Defizit schwindet, für Baarlaffa wird schon das Konsortium sorgen, welches die etwas theuer bezahlte Vorsehung Ungarns ist ! An Wirklichkeit beträgt das Defizit 32—35 Mil­­lionen. Das ist das Resultat der Zipa’schen Aera ! Inzwischen kauft die Noth im ganzen Lande. Der Landwirth geht zu Grunde, das Gewerbe stoct. Die Industrie ist noch kaum geboren. Das Geld staut sich an in den Banken und Sparkassen, anstatt fruchtbare Verwendung im Lande zu suchen. Anstatt neue U­nter­­nehmungen zu fördern, unterdrückt die Regierung solche im Keime, wenn sie dem Monopol des Konsor­­tiums gefährlich zu werden drohen. Die Gentry, der Stamm der Nation, greift zum Bettelstabe, die Ein­­wanderung bereichert sich. Die traurige Folge der schlechten Staatswirtsh­aft ist die schlechte V­olkswirth­­cchaft, welche die Saumseligkeit und Unzuverlässigkeit der Steuerzahlung und damit eine weitere V­erschlech­­terung der Staatsfinanzen im Gefolge hat. Schwer treibt die Verwaltung die Steuern ein; fwei und theuer sind die Vorschüsje des Konsortiums zu erhalten. Und bei alledem dienen die fauer erzielten Divisionen zum überwiegenden Theile zentralistis­­chen Zwecken und für die nationalen unga­­rischen Bedürfnisse bleibt blutwenig von den ausgeprehten Steuermillionen übrig. Traurig sind die Resultate des liberalen R­egi­­mes. Kein einziger Vortheil fällt in die Wagschale, um die riesigen Nachtheile dieses Systems für die Na­­tion aufzuwiegen. Nur eine Lichtseite hat dieses System­, und da fällt das Licht nach Cisleithanien hinüber, dessen zentralistisjcen Zwecken es dient. Für Ungarn bedeutet dies die größte Schattenseite des Tiga- Kabinets.­­ Debenburg, 30. April 1880. Bereit in mehreren Notizen haben wir die in Ungarn leider immer mehr um sich greifende Auswan­­­­derungsluft nach Amerika besprochen. Schon in den früheren­ahren haben — verführt durch perfide V­or­­spiegelungen erbärmlicher Spekulanten — zahlreiche Bauernfamilien die verhängungvolle Seereife angetreten, von welcher selten oder nie eine Wiederkehr in die iheure Heimat möglich geworden ist; und fast alle diese Familien sind dort fern im Westen­­ verdorben und gestorben. Niemals aber war die gefährlige Marie, in Amerika das Glück zu suchen, welches daheim harts nedig den Rüden wehrte, so um si greifend, wie heuer. Seitdem der Schnee in den Bergen zu schmelzen ange­­fangen, sind die Nadriten über die Auswanderung ungarischer Feldarbeiter zu einer ständigen Mabris in den Blättern geworden. Woche für Woche ziehen­d Ab­­theilungen der unglücklichen Bewohner des sarpathischen Mittelgebirges dem fernen Strande zu, wo do nur auch das Elend ihrer harret, und immer wieder wieder holt si in der Hamburger Mhede das h­erzzerreißende Scauspiel­ : Leute, welche mit Kind und Regel Europa auf ewig Lebewohl jagen, fheiden zu sehen, von denen man von Vorneherein weiß, daß sie doch nur dazu bestimmt sind, ihre müdegehörten Knochen über’8 Meer zu tragen, da­­mit sie jenseits des Ozeans­­ vermodern. Unser vorliegender Auffa­hrt gar seinen andern Zweck als sich der allgemeinen journalistischen Be­­wegung in Ungarn anzuf­liegen, die dahin gerichtet ist, die Negierun­g zu erinnern, daß es ihre Pflicht sei etwas zu thun um die Aus­­wanderungsmanie zu heilen. Da, es ist Pflicht der Regierung, den Ursachen der hier in Nede stehenden bedauerlichen Erscheinung nachzuforsten, die Ursachen derselben zu beseitigen und dadurch die Entvölkerung des ohnedies an Arbeits­­kräften so armen Landes zu verhindern. Was die Ursachen der Erpatscirungsmanie be­trifft, so liegen dieselben so ziemlichen auf der Hand. Ein paar Jahre Mifwads, dann Steuer­­radstände, Steuererofitoren, zwangsweise Heilbietungen, zu allerleit wo eine totale Migernte — was Wunder, wenn sie des armen Mannes Verzweiflung bemächtigte und wenn er den Gedanken an eine mögliche Erlösung vom Hungertodte mit jener frampfhaften Zähigkeit, er­ faßt die zu Allem fähig ist und ihn schließlich bestimmt der heimatlichen Scholle, die er und seine Wir vordern mit ihrem Gehweiße düngten zu entjagen. E83 ist dies ein heroischer Entschluß, dessen ganzen Jammer nur der erfaffen kann, der da weiß, mit welch heißer Liebe der Ungar im Allgemeinen und der oberungarisch Land­­mann insbesondere, an seinem Vaterlande hängt. Ad­­e8 gehört ein erschlitterndes Uebermaß von Leiden, Ent­behrungen und Sorgen dazu, bis sich ungarische Bau­­ernfamilien emdlich entschliegen ihr Glück außerhalb Ungarn zu suchen, doppelt schmerzlich aber berührt die beregte Erscheinung den Erfahrenen, der da weiß, daß die armen sich selbst exzisirenden Leute nur noch größeren Drangsalen entgegen geben. Drum ist es — wir wiederholen e8 — heilige Pflicht der Regierung diesfalls zu interveniren. Jede Unter­­lassung jener Mairegeln, welche vielleicht geeignet wä­­ren den nothleidenden Komitaten­­ aufzuhelfen, stempelt den Umdifferentismus der maßgebenden Negierungsor­­gane zur positiven Schuld. Man denke nur: seit Jahr und Tag wird die schüttere Bevölkerung unseres Dinterlandes und der Mangel an Feldarbeitern als einer der brennendsten Schäden unserer wirtschaftlichen Existenz bezeichnet. Allerfeit wird anerkannt, daß dem Lande neue Eins­wanderungen not­t häten, und daß eine vernünftige und zielbewußte Politik auf Mittel und Wege sinnen müsse, wie die außerungarische Auswanderungsluft nach unserem Vaterlande zu lenken wäre. Und während The­­orie und Praxis in dieser Beziehung so glücklich, so glänzend übereinstimmen, thut die Regierung ein eb» viged und sieht unthätig zu, wie der fleißigste und pro­­duktivste Theil unserer Landbevölkerung das Vaterland verläßt, um nie und nimmer wieder zufehren. Das ist dieselbe Regierung, die freilich über höheren Befehl Millionen hatte für die arbeitsfaulen, müßig herum­­lungernden Bosniaten und die über ihre Kleinlihen häuslichen Sorgen an das Elend der eigenen Landes­­finder vergaß. Diesem zu steuern, feint ung ein wirksames Mittel: die Gründung neuer landwirthschaft­­licher Ansiedelungen. In Befige des Staates und der Privaten gibt es große Örter, welche besonders deshalb seine genügende Renze abwerfen, weil in der Gegend Arbeitskräfte in ausreichender Menge nicht zu haben sind. Es muß also im Lande selbst mit weiter Berück­­sichtigung der Bedingungen eines gedeihlichen Wirth­ Ichafts- und Gemeindelebens Raum geschaffen werden zur freien Entfaltung der Arbeitskräfte, zur Ermöglic­­hung eines ausreichenden Erwerbes. Unter allen als toren des materiellen Fortschrittes der Völker ist der allerwichtigste der Mense selbst. Staat und Gesells­­chaft dürfen diesen Faktor nit länger ignoriren. O­llerhöchste Spende. Seine Majestät der König hat dem Oiner­katholischen Gesellen-Bereine einen Unterfrügungsbetrag von Hundert Gulden anwei­­sen lassen. Ferner geruhte Allerhöchst derselbe dem in der Leopoldstadt (Vorstadt von Wien) bestehenden Wohlthätigkeits-Vereine ebenfalls einen Beitrag von 100 fl. aus seiner Privat-Kaffa zu spenden.­­ Auszeichnung. Dem ff. Hoflieferanten Franz Johann Kwizda wurde bei der legten Ver­­sammlung des Niederösterreichischen Gewerbevereines für die von demselben anläßlich der Pferde und ge­­werbligen Spezial - Ausstellung erpank­ten Veterinär- Präparate das Anerkennungs-Diplom überreicht. Es ist dies die sechste Auszeichnung, die Herrn Kwizda für seine Verdienste im B Veterinärfache zu Theil wird. © Zur Reife des Erzherzogs Wil­­helm mach Bosnien. Am 29. April is Se. E. u. E. Hoheit in Bihacs eingetroffen. Die Bevölkerung der Krajna strömt zahlreich nach Bihacs, um den Erz­­herzog zu sehen und ihre Bitten vorzubringen. &8& ver­­lautet, daß FZM. Herzog von Württemberg wieder die Krajna inspiziren wird. OBom f­u Minister des Innern liegt uns ein Erlaß an sämmtliche Y Jurisdiktionen des Landes vor, worin anbefohlen wird, den Verkauf poli­­tischen Zigarettenpapiers hintanzuhalten. Das Zirkularschreiben verlautet: „Es wurde wieder­­holt die Wahrnehmung gemacht, daß in den einzelnen Handlungen, namentlich in den südischen Theilen des Landes, derartige Bigarrettenpapier-Pakete feilgeboten werden, deren schwarze Emballagefarbe mit Wasser ent­­fernt werden kann. Es verbleiben nach folgen Ab­­wajchungen Druckbilder zurück, welche mit unterschied­­lichen Aufsgriften versehen sind. Diese Bilder und Auf­­schriften versinnligen serbisch-nationale Bestrebungen, durch deren Verbreitung eine politische Agitation und Aufs­­eizung angestrebt werden will. ch fordere daher die Aurisdistiong-Behörde auf, wegen Verhinderung der Verbreitung dieser Zigarrettenpapier-Pakete die nöthigen polizeilichen M­aßregeln treffen und vorkommende der­­artige Vorräthe konfisziren lassen zu wollen. Jun den ungarischen Neichstag wollen, laut telegraphisch eingetroffenen Meldungen, die Preßburger, an Slavy’s statt Baron Sennyey wählen. In der am 29. April Abends abgehaltenen Wählerversammlung wurde nämlich Bas­ron Sennyey einstimmig zum Kandidaten für das Ab­­geordnetenhaus nominirt. Wenn Sennyey die Kandida­­tur annimmt, so ist seine Wahl mit Akklamation sicher, da bis heute noch sein Gegenkandidat aufgetreten ist. D&en Angelegenheit der Einfuhr amerikanischen Schweinefleisches hat der Minister des Yunern folgenden Zirkular-Erlaß an die Munizipien gerichtet: „Su den aus Amerika bei uns eingeführten verfriedenen Gattungen von Schweinefleis pflegen oft der Gesundheit des Menschen abträgliche Tritlinen vorzukommen, weshald Verhandlungen wegen Verbots der Einfuhr dieser Fleischgattungen gepflogen wurden. Nachdem aber insbesondere, wenn von bdieren Fleischsorten die Originalverpackung entfernt wird, kein Unterscheidungsmerkmal ernfü­rt, durch welches die ameri­­kanische Provenienz bestimmt erk­annt werden könnte, nachdem weiter erüb­t wurde, daß der Import bei erwähnten SchweinefleischWaaren ein beschränkter ist und meistens über Zriest geschieht, wurde der Erlaß eines Einfuhrverbotes als unter den gegenwär­­tigen Verhältnissen unmotivirt, fallen gelassen. Damit aber trog dem der schädliche Einfluß, welcher nur bei Genuß der aus Amerika zu eng gelangenden Schweine­­fleisch-Waaren für die Gesundheit der Konsumenten er­­wachen könnte, möglichst beseitigt werde, erweist es si als nothwendig, die zur Aufsicht berufenen Yachorgane anzuweisen, daß sie, namentlich an jenen größeren Kon­­fumationsplägen, wo ein bedeutender Verkehr in aus­­ländischen Schweinefleischhaaren beobachtet wird, die zum Verkaufe bestimmten SchweinefleischWaaren eingehend untersuchen und, wenn sie diese Waaren für gesundheitsschäd­­lich erachten, die betreffende Behörde zum Zwecke der noth­­wendigen Maßnahmen unverzüglich verständigen. Indem ich demnach die Jurisdiktion auffordere, in dieser Aus­gelegenheit die erforderlichen Verfügungen zu treffen, würde ich gleichzeitig für zweckmäßig erachten, die Be­­völkerung in entsprechender Weise auf die Gefährlich­­keit der amerikanischen, und auch darauf aufmerksam zu machen, daß zum Schuße gegen die aus dem Gerisse triginenhaltiger Schweinefleisch-Waaren hervorgehenden Gefahren für die Gesundheit nur eine entsprechende Behandlung des Schweinefleisches durch Einfalzen und gehöriges Kochen und Braten, bei welchem die Dise bis in die innersten Schichten dringt, sich als wirkam bewährt hat.“ Gleichzeitig werde jene, die si mit dem Berlaufe von Schweinefleisch Waaren befassen, aufmerk­­sam gemacht, sich des Ankauf von amerikanischen Schweinefleisch-Waaren zu enthalten. Eine gefährliche Manie, Bom­bage. Lokales. * Der Magistrat erläßt nachstehende Kund­­machung: Ylıı Folge Erlasses des kön. ung. Ministers für öffentliche Arbeiten und Kommunikationen Zahl AlT/prof. wird in Anbetracht, daß viele ausgediente oder beurlaubte Soldaten, auf Grundlage ihres Ab­­schiedes oder Militärpasses, behufs Anstellung bei den Eisenbahnen sich an das unter seiner Leitung stehende Ministerium wenden, damit nicht die Betreffenden bis zur abweislichen Bescheidung die Zeit verlieren, hiemit ver­­öffentlicht, daß indem das Ministerium auf die Befe­­gung der bei­den Eisenbahn-Gesellschaften oder den BE Vortfegung in der Beilage. ug

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