Oedenburger Zeitung, 1883. Mai (Jahrgang 16, nr. 99-122)

1883-05-16 / nr. 110

« 16. Mai 1883, NV Solorgang RE­­edenburger Zeitung, (vormals „Bedenburger Nachrichten“) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirtschaft, dann für soziale Interesen überhaupt. Motto: „Dem Fortscritt zur Ehr! — Beprüdten zur Wehr’ — Der Wahrheit eine Gaffe.“ jährig Alle für das Blatt bestimmte Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, sind an die Redaktion portofrei einzusenden. Administration, Dek­an und Inferatenaufnahme: Buchdrukeri­n, Nomtvalter & Sohn, Grabeneunde 121, u BT Einzelne Nummern Rotten 5 Kreuzer. “ Das Blatt ersceint täglich, mit Ausnahme des auf einen Sonn= oder Feiertag folgenden Tages. P­ränumera­tions:Preise: Für Loco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 5 fl., Bierteljährig 4 . 50 tr., Monatlich 1 fl. Fir Audwärth: San jährig a Hetojätrig 7 fl., Biertel­­ Vofale politische Windstille war die Signatur der eben abgelaufenen Feiertage; weder in Eis- noch in Transleithanien regte ss auch nur ein Lüften, welches die bunten Lappen des politischen Segler der „Oedenburger Zeitung“ " auch nur einigermaßen zu ihmwellen im Stande ge­wesen wäre. Und so stehen wir denn regungslos stile an derselben Stelle, an welcher wir mit un­serem legten Blatte anlegten, während die unge­trübte Frühlingssonne herzlich auf uns hernieder­­lat sol es am Ende gar Schadenfreude sein ? Getrost! Lasse nur erst die Diplomaten mit heutigem Tage wieder ihr Sparriguenspiel beginnen und wir wollen sehen, wer dann zulegt — also am besten — lacht .... Um­ Ermangelung jedes wichtigeren Themas lassen wir also hier gleich die Tele­gramme der Feiertage folgen: München, 15. Mai. Se. Majestät Kaiser- König Franz Koser ist gestern 8 Uhr 50 Mi­­nuten Abends, nach Wien zurückgereist. Am Bahnhofe erschienen zum Abschiede Prinz Leopold, die Herzöge Ludwig, Karl Theo­­­dor, sowie die Mitglieder der österreichisch- ungarischen Gesandtschaft. Paris, 15. Mai. Am Pfingst - Sonntage wurde am Helllichten Tage bei dem Ju­­welier Breftot in der Galerie Mont­pellier des Balais Royal ein Der­brechen verübt. In das Gewölbe eingedrun­­gene Diebe tödteten den Geschäftsdiener, der sie ü­berrascht hatte, und entwendeten aus den Schaufenstern alle Diamanten im Werthe von fünfundvierzigtausend Franke. S­onstantinopel, 15. Diai. Mahmud Ne­dim Barda ist gestorben. Petersburg, 15. Mai. Der Einzug ihrer Majestäten in Moskau findet am 22, die Krönung am 27. Mai, die Nachkehr nach Peters­­burg am 10. Juni statt. Ayi­egghaza, 15. Mai. Auf Anruhen der Vertheidiger beschloß der Gerichtshof die Schlaf­­verhandlung in der Tiga-Eflärer Affaire auf den 19. Juni zu verschieben. Paris, 15. Mai. Das Gerücht von der Er­­nennung de Grafen Saint-V­allier zum Botschafter für Wien wird formell d­ementirt. Dublin, 15. Mai. Brady wu­rde heute Früh im Gefängnisse von filmain bam hingerichtet. Eine große V­ollsmenge stand außerhalb des Gefängnisses, das von einer starren Abtheilung Grenadiere und Dragoner ger hngt war. Die Ruhe wurd­e nicht ge­stört. M­­EN ER RR TREE­ DE De IT Inferate vermitteln: In Wien: Hasenstein , Vogler, Walls Mingaste 10, 9. Oppeln­, 1., Stubenbastei 2, Heinrich Schalek, 1, Wolleile 12, N. Mofse, Seilerstätte 2, M. Dufes, ı., Nies­mergasse 12. In Budapest: Saulus Gy. Dozabiessole 11, Leop. Yang, Gisellaplag 3, U. B. Goldberger, Servitenplag 3. Infertions-Sebüboren: 5 Tr. für die eins, 10 fr. für die zwei-, 15 fr. für die dreis, 20 Tr. für die vierspaltige und 25 kr. für die Duchlaufende Petitzeile evclusive der Stempelgebühr von 30 fr. Bei mehrmaliger Einschaltung bedeutender Rabatt: A Unsere Mädchen-Erziehung. „Meine Töchter sind gut erzogen“, bes hauptet manche unserer Mütter mit freude­­strahlendem Antlig, wenn der Gesang oder das Klavierspiel des jüngeren weiblichen Mitgliedes der Familie von einigen wohlwollenden Freunden gün­­stig beurtheilt, oder deren Geist und literarische Bildung von einem oder dem anderen­­ Verehrer derselben angerähmt wird. An die „Fünflichener Zeitung“ ist der Ansicht, daß der allgemeine Bil­­dungsstand unseres Jahrhunderts ganz naturnoth­ wendig an die Frauen in den Kreis schöngeistiger und unwissenschaftlicher Bestrebungen ziehen muß. Aber es ist doch ein großer Fehler, wenn über dieser Seite des modernen Erziehungswesens der alte­n Hausmütterlie © erst so ganz verloren geht, welcher sein Hauptaugenmerk darauf richtete, Die heranwachsende weibliche Jugend der praktische Unterwersung in allen Geheimnisssen der Haushal­­tung auf die Erfüllung ihres späteren Berufes vorzubereiten. Schreiber Dieses kann ich leider nit verhehlen, daß Die Äußerliche Erziehung der Töchter zu W Repräsentantinnen des Hauses weit mehr berücksichtigt wird, als deren häusliche Aus­­bildung. Die Folgen dieser Einseitigkeit machen sich allerdings erst dann fühlbar, wenn das Töchter­­lein glüllich an den Mann gebracht, und selber Familienmutter geworden ist. Denn mag man auch literarische und mustfaltige Bildung no fo hoc anschlagen — mit ihr wird doch weder eine Suppe gefocht, noch ein Kleidungsstück angefertigt. Von der Neuherstellung des Anzuges für die Kinder und die weiblichen Mitglieder des Hauses will ich gar nicht sprechen. Diese muß den berufsmäßigen Mo­distinnen überlassen werden und Hunderte, ja selbst Zausende von Francd werden hiedurch der Familie entriffen, jo zwar, daß im Folge dieses Mangels der Erziehung in je­manchem Haushalte Schmal­­dans Küchenmeister wird, in welchem sonst behäbi­­ger Wohlstand Herrschen könnte. Und ist es denn — so fragen wir — gar so jwierig, unseren Töchtern eine den praktischen Anforderungen des Haushaltes entsprechende Er­­ziehung zu geben? Gewiß nit! Während man es ganz natürlich findet, wenn erst bei jahrelangen musikalischen und literarischen Unterricht ein nen­­nenswerthes Resultat erzielt wird, scheut man eben in den meisten Fällen einen nur wenige Wochen umfassenden Küchen- oder Zuschneidesurnus, weil man es „Gott sei Dank“ nicht nöthig habe, die Töchter zu Köchinnen oder Schneiderinnen ausbil­­den zu lassen. Ueber die Thorheit dieser Auffassung wollen wir sein Wort verlieren. Denn selbst in jenen Fällen, in welchen die Mittel des Hauses volständig hinreichen, um der Hausfrau die Hal­­tung einer Köchin oder einer Schneiderin zu ermög­­lichen, ist die Aufsicht der Hausfrau ganz uner­­leglich, wenn sie nicht ganz und gar der Willkür fremder Miethlinge überlassen bleiben sol. Es ist ja nicht nothwendig, aus unseren Töchtern Kochı­­fünstlerinnen und Rivalinnen der Madame Briol zu machen. Gott bewahre. Aber wissen sollen sie, was in der Küche vorgeht und wie ein Kleidungs­­stück hergestellt wird. Ob sie späterhin selbst aktiv eingreifen, ist eine Nebenjace. Nur das Prinzip sol gewahrt sein, daß jede Hausmutter auch die Seuilleton. WEENIE A. Roman von * * (Ale Rechte für den Autor vorbehalten­­ (Fortlegung.) So lange er fern gewesen, waren ihm diese Gedanken niemals gekommen ; erst die Vorstellung, daß er all diejenigen Gegenstände, die ganze Ums­gebung wieder sehen würde, in welcher er mit ihm gelebt und verkehrt hatte, erzeugten sie. Er vermochte jegt das ganze Wesen und den Charakter seines Vaters mehr zu verstehen und zu würdigen. Seine Fehler und seine Schwächen ver­­schwanden, seine Vorzüge und Tugenden strahlten in hesserem Liie; er date nur an die legieren. Es gab Vieles was seinen eigenen Ansichten und Neigungen widersprach, aber er würdigte deshalb diejenigen des Verstorbenen nicht weniger. Vater und Sohn waren sehr verschiedene, zum Theil ent­­gegengefegte Naturen gewesen, und doch hatte Beide eine wahrhafte und innige Liebe verbunden. Der Sohn, in hohem Grade lebhaft, oft von zügellosen, wilden Leidenschaften erfaßt, denen er unterlag, um zu bereuen und dennoch wieder zu unterliegen, von brennendem Ehrgeize, nach Ruhm und Ehre ver­­langend. Der Bater ruhig, vielleicht sogar etwas zu pedantisch, wissenschaftlich gebildet, frei von den herrschenden namentlich den Standesvorurt­eilen, und begabt mit einer sich immer kennzeichnenden Neigung zu industrieller Thätigkeit, so gab es ei­­gentlich, außer der Ehrenhaftigkeit der Gesinnung, wenig Gleichartiges in diesen beiden Naturen und doch vielleicht wenige so beneidenswerthe Verhält­­nisse zwischen Vater und Sohn. Auch die politischen Anschauungen Beider wa­­ren verschieden, und obgleich der Sohn unter der Leitung des Vaters stand, bildete sich doch dieser Regentag immer deutlicher aus. Schon zu jener Zeit, wo noch der alte Graf Beylen auf der Erde wandelte, hatte sich in den Magnatenkreisen eine gewisse Spaltung vollzogen, während die Einen starr an dem Althergebrachen gingen, gravie­rten die Andern nach dem Auslande, und zwar nir nur nach der alten Kaiserstadt am Donaustrande, sondern weit mehr nach dem Süden Europas. Graf Beylen senior hatte in seiner Jugend einige Male Frankreich befugt und auc­h Italien bereist. Von dort waren ihm ganz eigentliche Eins­prüge geblieben, die er mit in sein Vaterland ge­­bracht, und von diesen ließ er sich leiten. Vornäms­ lch war er der legte seiner Ausflüge gewesen, der ihm über manche Dinge die Augen geöffnet. Während seine Standesgenossen einzig und allein der Bergnugend wegen zu leben fjienen, wollte er dem Grafen bedanken, daß es an für den Hochadel seine Schande sei, mehr aufs Er­­werben, als aufs Verpfaffen zu denken, und da er gesehen, auf welche Weise die Bürger der großen Städte zu Neihthum gelangten, beschloß er, diesem Beispiele zu folgen. Die Nähe der österreichischen Grenze trug freilich an Manches dazu bei, daß Beysen einen von dem gewöhnlichen Wege der Magnaten abweichende Richtung einschlug. Aber den Keim zu seiner künftigen Thätigkeit hatte er doch aus dem Auslande mitgebracht. Mit großem Eifer begann Graf Beysen auf seinen Gütern Gewerke anzulegen, zu deren Bes­triebe er vornämlich Sachsen und in anderen Rich­­tungen auch Schweizer, sowie Italiener, ja sogar Engländer engagirte. Er ging viel mit Leuten aus dem Bolfe um, was ihm von seinen Standesge­­nossen manchen Spott eintrug. Aber das sümmerte ihn wenig, sah er doch, daß seine­r Betriebsamkeit von Jahr zu Jahr reicher gelohnt wurde. Endlich fümmerte er sich um den Hochadel gar nit mehr, und Dieser zahlte das s­elbstverständlich mit glei­­cher Münze heim und nannte ihn nicht anders als den „Pöbelgrafen.“ (Bortfegung folgt.) . .—..-.--....—-.....-··-«..«-««--..-..·«.«.... .... .. -.-»-.-«.."s-..’«..·s EEE „era ie ee LI RE RER re ee a % hi 3 NR en. A 2 T­­

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